TE Vfgh Beschluss 2021/9/27 V139/2021

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Veröffentlicht am 27.09.2021
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Index

82/02 Gesundheitsrecht allgemein

Norm

B-VG Art139 Abs1 Z1
4. COVID-19-SchutzmaßnahmenV BGBL II 58/2021 §1
4. COVID-19-SchutzmaßnahmenV BGBL II 58/2021 idF BGBl II 111/2021 §2, §9, §15
4. COVID-19-SchutzmaßnahmenV BGBL II 58/2021 idF BGBl II 120/2021 §5, §13
4. COVID-19-SchutzmaßnahmenV BGBL II 58/2021 idF BGBl II 171/2021 §25
COVID-19-SchutzmaßnahmenG
VfGG §7 Abs2

Leitsatz

Zurückweisung eines Individualantrages auf Aufhebung von Bestimmungen der 4. COVID-19-SchutzmaßnahmenV betreffend Sportausübung wegen zu engen Anfechtungsumfanges

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. Antrag

Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z3 B-VG gestützten Antrag begehrt der Antragsteller (ohne die Hervorhebungen im Original),

"der Verfassungsgerichtshof möge die Wortfolgen

1. ', bei dessen Ausübung es nicht zu Körperkontakt kommt,' (§9 Abs2 Z2 COVID-VO) sowie

2. '§1 und §5 Abs1 Z4 gelten sinngemäß mit der Maßgabe, dass der Mindestabstand von zwei Metern gegenüber Personen, die nicht im gemeinsamen Haushalt leben, kurzfristig unterschritten werden darf.' (§9 Abs2 Z2 COVID-VO) sowie

3. 'bei dessen Ausübung es nicht zu Körperkontakt kommt, von nicht mehr als zehn Personen, die das 18. Lebensjahr nicht vollendet haben, zuzüglich zwei volljähriger Betreuungspersonen,' (§13 Abs3 Z9 COVID-VO) sowie

4. ', wobei diese nur aus zwei verschiedenen Haushalten stammen dürfen,' (§13 Abs3 Z12 COVID-VO) sowie

5. '9, ' (§13 Abs4 COVID-VO) sowie

6. 'Bei Zusammenkünften nach Abs3 Z9 darf der Mindestabstand von zwei Metern gegenüber Personen, die nicht im gemeinsamen Haushalt leben, kurzfristig unterschritten werden.' (§13 Abs4 COVID-VO) sowie

7. 'Die Teilnahme der volljährigen Betreuungspersonen an einer Zusammenkunft gemäß Abs3 Z9 ist nur zulässig, wenn dem Veranstalter spätestens alle sieben Tage jeweils ein negatives Ergebnis eines Antigen-Tests auf SARS-CoV-2 oder eines molekularbiologischen Tests auf SARS-CoV-2 vorgelegt wird. Liegt dieser Nachweis nicht vor, ist bei Kontakt mit Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, eine Atemschutzmaske der Schutzklasse FFP2 (FFP2-Maske) ohne Aus-atemventil oder eine Maske mit mindestens gleichwertig genormtem Standard zu tragen. An einem Veranstaltungsort dürfen mehrere Zusammenkünfte gleichzeitig stattfinden, sofern die Höchstzahlen nach Abs3 Z9 pro Zusammenkunft nicht überschritten werden und durch organisatorische Maßnahmen, wie etwa durch räumliche oder bauliche Trennung oder zeitliche Staffelung, eine Durchmischung der Personen ausgeschlossen und das Infektionsrisiko minimiert wird. Die Personenbeschränkung nach Abs3 Z9 gilt nicht für zur Durchführung der Veranstaltung erforderliche Personen.' (§13 Abs7 COVID VO) sowie

8. §25 Z7 COVID-VO

als gesetzwidrig aufheben."

II. Rechtslage

1. Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, mit der besondere Schutzmaßnahmen gegen die Verbreitung von COVID-19 getroffen werden (4. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung – 4. COVID-19-SchuMaV), BGBl II 58/2021, lauteten in der – hier anwendbaren – Stammfassung (betreffend §1), bzw idF BGBl II 111/2021 (betreffend §2, §9, §15) bzw idF BGBl II 120/2021 (betreffend §5, §13) bzw idF BGBl II 171/2021 (betreffend §25) – auszugsweise – wie folgt (die im Antrag angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):

"Öffentliche Orte

§1. (1) Beim Betreten öffentlicher Orte im Freien ist gegenüber Personen, die nicht im gemeinsamen Haushalt leben, ein Abstand von mindestens zwei Metern einzuhalten.

(2) […]

Ausgangsregelung

§2. (1) Zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 ist das Verlassen des eigenen privaten Wohnbereichs und der Aufenthalt außerhalb des eigenen privaten Wohnbereichs von 20.00 Uhr bis 06.00 Uhr des folgenden Tages nur zu folgenden Zwecken zulässig:

1. Abwendung einer unmittelbaren Gefahr für Leib, Leben und Eigentum,

2. Betreuung von und Hilfeleistung für unterstützungsbedürftige Personen sowie Ausübung familiärer Rechte und Erfüllung familiärer Pflichten,

3. Deckung der notwendigen Grundbedürfnisse des täglichen Lebens, wie insbesondere

       a) der Kontakt mit

              aa) dem nicht im gemeinsamen Haushalt lebenden Lebenspartner,

              bb) einzelnen engsten Angehörigen (Eltern, Kinder und Geschwister),

              cc) einzelnen wichtigen Bezugspersonen, mit denen in der Regel    mehrmals wöchentlich physischer oder nicht physischer Kontakt    gepflegt wird,

       b) die Versorgung mit Grundgütern des täglichen Lebens,

       c) die Inanspruchnahme von Gesundheitsdienstleistungen oder  die Vornahme einer Testung auf SARS-CoV-2,

       d) die Deckung eines Wohnbedürfnisses,

       e) die Befriedigung religiöser Grundbedürfnisse, wie Friedhofsbesuche und  individuelle Besuche von Orten der Religionsausübung, sowie

       f) die Versorgung von Tieren,

4. berufliche Zwecke und Ausbildungszwecke, sofern dies erforderlich ist,

5. Aufenthalt im Freien alleine, mit Personen aus dem gemeinsamen Haushalt
oder Personen gemäß Z3 lita zur körperlichen und psychischen Erholung,

6. zur Wahrnehmung von unaufschiebbaren behördlichen oder gerichtlichen Wegen, einschließlich der Teilnahme an öffentlichen Sitzungen der allgemeinen Vertretungskörper und an mündlichen Verhandlungen der Gerichte und Verwaltungsbehörden zur Wahrung des Grundsatzes der Öffentlichkeit,

7. zur Teilnahme an gesetzlich vorgesehenen Wahlen und zum Gebrauch von gesetzlich vorgesehenen Instrumenten der direkten Demokratie,

8. zum Zweck des zulässigen Betretens von Kundenbereichen von Betriebsstätten gemäß den §§5, 7 und 8 sowie bestimmten Orten gemäß den §§9, 10, 11 und 12 sowie Einrichtungen gemäß §17 Abs1 Z1 und 2, und

9. zur Teilnahme an Veranstaltungen gemäß den §13 Abs3 Z1 bis 8, 10 und 11, §15 und §17 Abs1 Z4.

(2) – (3) […]

[…]

Kundenbereiche

§5. (1) Das Betreten und Befahren des Kundenbereichs von Betriebsstätten ist unter folgenden Voraussetzungen zulässig:

1. – 3. […]

4. Der Betreiber hat durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass sich maximal so viele Kunden gleichzeitig im Kundenbereich aufhalten, dass pro Kunde 20 m² zur Verfügung stehen; ist der Kundenbereich kleiner als 20 m², so darf jeweils nur ein Kunde den Kundenbereich der Betriebsstätte betreten. Bei Betriebsstätten ohne Personal ist auf geeignete Weise auf diese Voraussetzung hinzuweisen.

5. […]

 

(2) […]

(3) Zusätzlich zu Abs1 ist das Betreten von Betriebsstätten zur Inanspruchnahme von Dienstleistungen nur unter folgenden Voraussetzungen zulässig:

1. […]

2. Dienstleistungen zu Aus- und Fortbildungszwecken dürfen jeweils nur gegenüber einer Person oder Personen aus demselben Haushalt erbracht werden. Sonstige Dienstleistungen dürfen nur gegenüber so vielen Personen erbracht werden, als zur Erbringung der Dienstleistung erforderlich sind. Für Dienstleistungen zu unbedingt erforderlichen beruflichen Aus- und Fortbildungszwecken gilt §13 Abs4 und 5.

3. […]

(4) – (9) […]

Sportstätten

§9. (1) Das Betreten von Sportstätten gemäß §3 Z11 des Bundes-Sportförderungsgesetzes 2017 (BSFG 2017), BGBl I Nr 100/2017, zum Zweck der Ausübung von Sport ist untersagt.

(2) Ausgenommen vom Verbot des Abs1 sind Betretungen von Sportstätten

1. durch Spitzensportler gemäß §3 Z6 BSFG 2017, auch aus dem Bereich des Behindertensportes, oder Sportler, die ihre sportliche Tätigkeit beruflich ausüben und daraus Einkünfte erzielen oder bereits an internationalen Wettkämpfen gemäß §3 Z5 BSFG 2017 teilgenommen haben, deren Betreuer und Trainer sowie Vertreter der Medien. Die Sportler haben zu Betreuern und Trainern sowie Vertretern der Medien einen Abstand von mindestens zwei Metern einzuhalten; für Betreuer, Trainer und Vertreter der Medien gilt §6 sinngemäß.

2. im Freien durch nicht von Z1 erfasste Personen. In diesem Fall dürfen die Sportstätten nur zum Zweck der Ausübung von Sport, bei dessen Ausübung es nicht zu Körperkontakt kommt, betreten werden. Geschlossene Räumlichkeiten der Sportstätte dürfen dabei nur betreten werden, soweit dies zur Ausübung des Sports im Freiluftbereich erforderlich ist. Das Verweilen in der Sportstätte ist mit der Dauer der Sportausübung beschränkt. §1 und §5 Abs1 Z4 gelten sinngemäß mit der Maßgabe, dass der Mindestabstand von zwei Metern gegenüber Personen, die nicht im gemeinsamen Haushalt leben, kurzfristig unterschritten werden darf.

(3) Bei der Ausübung von Mannschaftssport oder Sportarten, bei deren sportartspezifischer Ausübung es zu Körperkontakt kommt, durch Sportler gemäß Abs2 Z1 ist vom verantwortlichen Arzt ein dem Stand der Wissenschaft entsprechendes COVID-19-Präventionskonzept zur Minimierung des Infektionsrisikos auszuarbeiten und dessen Einhaltung laufend zu kontrollieren. Vor erstmaliger Aufnahme des Trainings- und Wettkampfbetriebes und danach mindestens alle sieben Tage ist durch einen molekularbiologischen Test oder einem Antigen-Test nachzuweisen, dass die Sportler SARS-CoV-2 negativ sind. Im Fall eines positiven Testergebnisses ist das Betreten von Sportstätten abweichend davon dennoch zulässig, wenn

1. jedenfalls mindestens 48 Stunden Symptomfreiheit nach abgelaufener Infektion vorliegt und

2. auf Grund der medizinischen Laborbefunde, insbesondere aufgrund des CT-Werts >30, davon ausgegangen werden kann, dass keine Ansteckungsgefahr mehr besteht.

Bei Bekanntwerden einer SARS-CoV-2-Infektion bei einem Sportler, Betreuer oder Trainer sind in den folgenden zehn Tagen nach Bekanntwerden der Infektion vor jedem Wettkampf alle Sportler, alle Betreuer und Trainer einer molekularbiologischen Testung oder einem Antigen-Test auf das Vorliegen von SARS-CoV-2 zu unterziehen.

(4) Das COVID-19-Präventionskonzept gemäß Abs3 hat zumindest Folgendes zu beinhalten:

1. Schulung von Sportlern und Betreuern in Hygiene, Verpflichtung zum Führen von Aufzeichnungen zum Gesundheitszustand,

2. Verhaltensregeln von Sportlern, Betreuern und Trainern außerhalb der Trainings- und Wettkampfzeiten,

3. Gesundheitschecks vor jeder Trainingseinheit und jedem Wettkampf,

4. Vorgaben für Trainings- und Wettkampfinfrastruktur,

5. Hygiene- und Reinigungsplan für Infrastruktur und Material,

6. Nachvollziehbarkeit von Kontakten im Rahmen von Trainingseinheiten und Wettkämpfen,

7. Regelungen zum Verhalten beim Auftreten von COVID-19-Symptomen,

8. bei Auswärtswettkämpfen Information der dort zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde, dass ein Erkrankungsfall an COVID-19 bei einem Sportler, Betreuer oder Trainer aufgetreten ist.

[…]

Veranstaltungen

§13. (1) Veranstaltungen sind untersagt.

(2) Als Veranstaltung gelten insbesondere geplante Zusammenkünfte und Unternehmungen zur Unterhaltung, Belustigung, körperlichen und geistigen Ertüchtigung und Erbauung. Dazu zählen jedenfalls kulturelle Veranstaltungen, Sportveranstaltungen, Hochzeitsfeiern, Geburtstagsfeiern, Jubiläumsfeiern, Filmvorführungen, Fahrten mit Reisebussen oder Ausflugsschiffen zu touristischen Zwecken, Kongresse, Fach- und Publikumsmessen und Gelegenheitsmärkte.

(3) Abs1 gilt nicht für

1. – 2. […]

3. Sportveranstaltungen im Spitzensport gemäß 15,

4. – 8. […]

9. Zusammenkünfte zum Zweck der Ausübung von Sport im Freiluftbereich, bei dessen Ausübung es nicht zu Körperkontakt kommt, von nicht mehr als zehn Personen, die das 18. Lebensjahr nicht vollendet haben, zuzüglich zwei volljähriger Betreuungspersonen,

10. – 11. […]

12. Zusammenkünfte von nicht mehr als vier Personen, wobei diese nur aus zwei verschiedenen Haushalten stammen dürfen, zuzüglich deren minderjähriger Kinder oder Minderjähriger, denen gegenüber eine Aufsichtspflicht besteht, insgesamt höchstens jedoch sechs Minderjähriger und

13. […]

(4) Beim Betreten von Orten zum Zweck der Teilnahme an Veranstaltungen gemäß Abs3 Z1, 2, 4 bis 7, 9, 10, 11 und 12 ist gegenüber Personen, die nicht im gemeinsamen Haushalt leben, ein Abstand von mindestens zwei Metern einzuhalten. Zusätzlich ist

1. bei Veranstaltungen gemäß Abs3 Z1, 2, 4 bis 7, 10 und 11 sowie

2. bei Veranstaltungen gemäß Abs3 Z12 in geschlossenen Räumen

eine Atemschutzmaske der Schutzklasse FFP2 (FFP2-Maske) ohne Ausatemventil oder eine Maske mit mindestens gleichwertig genormtem Standard zu tragen. Bei Zusammenkünften nach Abs3 Z9 darf der Mindestabstand von zwei Metern gegenüber Personen, die nicht im gemeinsamen Haushalt leben, kurzfristig unterschritten werden.

(5) – (6) […]

(7) Bei Zusammenkünften nach Abs3 Z9 im Rahmen von Vereinen oder auf nicht öffentlichen Sportstätten hat der Verein oder der Betreiber der nicht öffentlichen Sportstätte ein dem Stand der Wissenschaft entsprechendes COVID-19-Präventionskonzept zur Minimierung des Infektionsrisikos auszuarbeiten und umzusetzen. Das COVID-19-Präventionskonzept hat insbesondere zu enthalten:

1. Verhaltensregeln von Sportlern in hygienischer Hinsicht,

2. Gesundheitscheck vor der Sportausübung,

3. Hygiene- und Reinigungsplan für Infrastruktur und Material und

4. Nachvollziehbarkeit von Kontakten.

Die Teilnahme der volljährigen Betreuungspersonen an einer Zusammenkunft gemäß Abs3 Z9 ist nur zulässig, wenn dem Veranstalter spätestens alle sieben Tage jeweils ein negatives Ergebnis eines Antigen-Tests auf SARS-CoV-2 oder eines molekularbiologischen Tests auf SARS-CoV-2 vorgelegt wird. Liegt dieser Nachweis nicht vor, ist bei Kontakt mit Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, eine Atemschutzmaske der Schutzklasse FFP2 (FFP2-Maske) ohne Ausatemventil oder eine Maske mit mindestens gleichwertig genormtem Standard zu tragen. An einem Veranstaltungsort dürfen mehrere Zusammenkünfte gleichzeitig stattfinden, sofern die Höchstzahlen nach Abs3 Z9 pro Zusammenkunft nicht überschritten werden und durch organisatorische Maßnahmen, wie etwa durch räumliche oder bauliche Trennung oder zeitliche Staffelung, eine Durchmischung der Personen ausgeschlossen und das Infektionsrisiko minimiert wird. Die Personenbeschränkung nach Abs3 Z9 gilt nicht für zur Durchführung der Veranstaltung erforderliche Personen.

(8) – (9) […]

[…]

Sportveranstaltungen im Spitzensport

§15. (1) Veranstaltungen, bei denen ausschließlich Spitzensportler gemäß §3 Z6 BSFG 2017 Sport ausüben, sind in geschlossenen Räumen mit bis zu 100 und im Freiluftbereich mit bis zu 200 Sportlern zuzüglich der Trainer, Betreuer und sonstigen Personen, die für die Durchführung der Veranstaltung erforderlich sind, zulässig. Der Veranstalter hat für diese Personen basierend auf einer Risikoanalyse ein dem Stand der Wissenschaft entsprechendes COVID-19-Präventionskonzept zur Minimierung des Infektionsrisikos auszuarbeiten und umzusetzen.

(2) – (3) […]

[…]

Sonderbestimmungen für die Länder Niederösterreich und Wien

§25. Für die Länder Niederösterreich und Wien gilt

1. abweichend von §2 Abs1 ist das Verlassen des eigenen privaten Wohnbereichs und der Aufenthalt außerhalb des eigenen privaten Wohnbereichs auch in der Zeit von 06.00 Uhr bis 20.00 Uhr nur zu den in §2 Abs1 genannten Zwecken zulässig; §2 Abs1 Z8 gilt mit der Maßgabe, dass das Verlassen des eigenen privaten Wohnbereichs und der Aufenthalt außerhalb des eigenen privaten Wohnbereichs zum Zweck des zulässigen Betretens von Kundenbereichen von Betriebsstätten gemäß Z5, zur Inanspruchnahme nicht körpernaher Dienstleistungen, zum Zweck zumindest zweiseitig unternehmensbezogener Geschäfte, zum Zweck der Abholung von Waren, zum Zweck des zulässigen Betretens von Betriebsstätten gemäß den §§7 und 8 sowie bestimmten Orten gemäß den §§9, 10 und 11 sowie Einrichtungen gemäß §17 Abs1 Z1 und 2 zulässig ist;

2. – 6. […]

7. §9 Abs2 Z2 gilt mit der Maßgabe, als die Sportausübung nur

a) mit Personen gemäß §2 Abs1 Z2 und §2 Abs1 Z3 lita oder

b) mit Personen, die im gemeinsamen Haushalt leben, oder

c) zur Inanspruchnahme von Dienstleistungen gemäß §5 Abs3 Z2

erfolgen darf."

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Der Antragsteller lebe in Wien, sei seit etwa zehn Jahren Mitglied in einem näher bezeichneten Hobby-Fußballverein in Wien und habe immer donnerstags am Fußballtraining auf einem hiefür vom Verein angemieteten Fußballplatz teilgenommen. Auch außerhalb des Vereins treffe sich der Antragsteller regelmäßig mit Freunden zur Sportausübung auf Wiesen und Parks. Auf Grund der angefochtenen Bestimmungen der "4. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung idF BGBl II Nr 181/2021" sei Gruppen- und Kontaktsport jedoch verboten.

2. Durch die angefochtenen Bestimmungen werde der Antragsteller unmittelbar in seinen Rechten verletzt. Die Rechtseingriffe seien auch aktuell, da das Fußballtraining bzw die Sportausübung im Freien regelmäßig stattfinden würden. Ein Umweg sei nicht zumutbar. §13 Abs7 der 4. COVID-19-SchuMaV stehe mit §13 Abs3 Z9 der 4. COVID-19-SchuMaV in einem untrennbaren Zusammenhang.

3. Die angefochtenen Bestimmungen würden gegen das Grundrecht auf Privatleben, den Gleichheitsgrundsatz und gegen das COVID-19-Maßnahmengesetz verstoßen. Die vorgesehenen Maßnahmen führten zu einer gravierenden Änderung der Spielweise und unter Umständen dazu, dass die betroffene Sportart für die Dauer der Beschränkungen aufgegeben werde. Zulässig sei nur noch Individualsport. Der Antragsteller werde dadurch in seinen Grundrechten verletzt:

3.1. Durch die Kombination des Veranstaltungsverbotes gemäß §13 der 4. COVID-19-SchuMaV mit den strengen Vorschriften für Wien gemäß §25 der 4. COVID-19-SchuMaV und der "20 m² Regel" gemäß §9 Abs2 Z2 der 4. COVID-19-SchuMaV werde der Kontakt zu anderen Personen zum Zweck der Sportausübung nahezu gänzlich verboten. Die Modifikation der Art der Sportausübung führe zu einem Abbruch zwischenmenschlicher Beziehungen. Die Beschränkungen von Kontakt- und Gruppensportarten bestehe nunmehr schon seit einem Jahr und wirke sich auf die psychische und physische Unversehrtheit aus. Die Bestimmungen stellten daher einen Eingriff in das Grundrecht auf Achtung des Privatlebens gemäß Art8 EMRK dar.

Dass damit legitime öffentliche Interessen verfolgt werden, werde nicht bestritten.

Die Grundrechtseingriffe seien jedoch nicht zur Zielverwirklichung geeignet, jedenfalls aber kontraproduktiv, da sie massenhaft ignoriert würden; demgegenüber könne bei der Sportausübung in Sportstätten eine kontrollierte Umgebung geschaffen werden und das Ziel mit Eintrittstests und verpflichtenden COVID-Präventionskonzepten wesentlich effektiver erreicht werden.

Die Ansteckungsgefahr im Freien sei höchstens als moderat einzustufen, ein striktes Verbot des Gruppen- und Kontaktsportes im Freien sei daher nicht erforderlich. Die Sportausübung werde nunmehr bereits seit mehr als einem Jahr eingeschränkt bzw verboten. Zu befürchten sei, dass dieser Zustand noch monate- oder gar jahrelang anhalte. Sport fördere die physische und psychische Gesundheit, diese sei durch Individualsport nicht hinreichend gewährleistet. Insgesamt könne der Gesundheitsschutz durch weniger drastische Maßnahmen gewährleistet werden.

3.2. Die angefochtenen Bestimmungen würden auch gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen, zumal Spitzensportler ihre Sportart regulär ausüben dürften. Aus medizinischer Sicht sei diese Differenzierung nicht zu rechtfertigen. Es sei auch nicht einsichtig, dass das Recht auf Erwerbsfreiheit einen höheren Rang genieße, als das Recht auf Achtung des Privatlebens.

3.3. Im Übrigen würden die Bestimmungen auch gegen §4 COVID-19-MG verstoßen, da sie nicht dem Kriterienkatalog des §1 Abs7 leg cit entsprechen würden.

3.4. Zur Klärung des Infektionsgeschehens werde beantragt, einen Sachverständigen aus dem Bereich der Epidemiologie zu bestellen.

4. Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (im Folgenden: BMSGPK) hat als verordnungserlassende Behörde die Akten betreffend das Zustandekommen der angefochtenen Verordnung vorgelegt und eine Äußerung erstattet, in der er zunächst die Zulässigkeit des Antrages bestreitet. Bei Aufhebung der angefochtenen Bestimmungen werde die Verfassungswidrigkeit nicht beseitigt, zumal für den Antragssteller ein Verlassen des privaten Wohnbereiches zum Zweck des Gruppentrainings mangels korrespondierenden Ausgangsgrundes gemäß §25 Z1 der 4. COVID-19-SchuMaV dennoch nicht zulässig gewesen wäre. Der Antragsteller hätte sohin auch §2 Abs1 Z9 der 4. COVID-19-SchuMaV anfechten müssen, der Antrag sei insoweit zu eng. Aus diesem Grund sei auch die unmittelbare Betroffenheit des Antragstellers von den angefochtenen Bestimmungen zu verneinen.

4.1. Den Bedenken der antragstellenden Partei tritt der Bundesminister wie folgt entgegen:

4.2. Zwar stellten die Beschränkungen im Bereich der Sportausübung einen gewichtigen Eingriff in Art8 EMRK dar, doch sei das Verbot auf Kontaktsportarten beschränkt worden und vor dem Hintergrund der epidemiologischen Situation im Geltungszeitraum der Beschränkungen auch gerechtfertigt gewesen. Der BMSGPK sei den Empfehlungen der Corona-Kommission gefolgt. Bei Sportarten mit Körperkontakt sei die epidemiologische Gefahr besonders hoch, ihr könne gerade im Sportbereich nicht mit dem Tragen von Masken begegnet werden. Erste Lockerungsschritte im Sportbereich seien bereits mit BGBl II 111/2021 gesetzt worden, die vom Antragsteller genannten gelinderen Mittel habe die epidemiologische Situation erst im Zuge der COVID-19-Öffnungsverordnung erlaubt. Gerade die schrittweise Lockerung betreffend die Sportausübung zeige jedoch, dass die Interessen aus Art8 EMRK so weit wie möglich berücksichtigt worden seien. Beschränkungen habe es in zahlreichen Lebensbereichen gegeben, die es im Zuge der schrittweisen Lockerungen zu berücksichtigen gegolten habe. Innerhalb dieser Bereiche habe man Beschränkungen dort aufrechterhalten, die von besonders ungünstigen epidemiologischen Verhältnissen gekennzeichnet gewesen seien. Der BMSGPK habe die ihm zustehenden Entscheidungsspielräume entsprechend der gesetzlichen Zielsetzung ausgeübt und die Wertungen und Entscheidungsgrundlagen umfangreich dokumentiert.

4.3. Entgegen der Ansicht des Antragstellers sei auch die Privilegierung der Spitzensportler nicht gleichheitswidrig, zumal sie nicht nur dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Erwerbsfreiheit Rechnung trage, sondern auch auf epidemiologisch relevante Unterschiede im Tatsächlichen zurückzuführen sei.

4.4. Der behauptete Verstoß gegen das COVID-19-MG liege ebenfalls nicht vor.

5. Der Antragsteller hat eine Replik erstattet.

IV. Zur Zulässigkeit

1. Gemäß Art139 Abs1 Z3 B?VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.

Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Gesetzmäßigkeit zu prüfenden Verordnungsbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Normenprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Teil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Stelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.

Dieser Grundposition folgend hat der Verfassungsgerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Normenprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl VfSlg 16.212/2001, 16.365/2001, 18.142/2007, 19.496/2011; VfGH 14.3.2017, G311/2016). Der Antragsteller hat all jene Normen anzufechten, welche für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des Antragstellers teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.684/2012, 19.903/2014; VfGH 10.3.2015, G201/2014).

Unzulässig ist der Antrag etwa dann, wenn der Umfang der zur Aufhebung beantragten Bestimmungen so abgesteckt ist, dass die angenommene Gesetzwidrigkeit durch die Aufhebung gar nicht beseitigt würde (vgl zB VfSlg 18.891/2009, 19.933/2014), oder durch die Aufhebung bloßer Teile einer Verordnung dieser ein völlig veränderter, dem Verordnungsgeber überhaupt nicht mehr zusinnbarer Inhalt gegeben würde (vgl VfSlg 18.839/2009, 19.841/2014, 19.972/2015, 20.102/2016).

2. Mit seinem auf Art139 Abs1 Z3 B-VG gestützten Antrag begehrt der Antragsteller, näher bezeichnete Wortfolgen bzw Bestimmungen der §9, §13 und §25 der "4. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung idF BGBl II Nr 181/2021" als gesetzwidrig aufzuheben.

3. §9 Abs1 der 4. COVID-19-SchuMaV normierte, dass das Betreten von Sportstätten verboten ist. Ausgenommen davon war das Betreten von Sportstätten zum Zweck der Ausübung von Sport im Freiluftbereich, allerdings nur sofern es zu keinem Körperkontakt kommt, ein Mindestabstand von zwei Metern eingehalten wird und pro Person 20 m² zur Verfügung stehen (Abs2 Z2 par. cit.).

§25 Z7 der 4. COVID-19-SchuMaV schränkte diese Ausnahme ua für das Bundesland Wien insofern wiederum ein, als die Sportausübung nur gemeinsam mit unterstützungsbedürftigen Personen (lita), (nicht) im gemeinsamen Haushalt lebenden Lebenspartnern (lita und b) sowie zur Inanspruchnahme von Dienstleistungen zu Aus- und Fortbildungszwecken (litc) erlaubt war.

Gemäß §13 Abs1 und 2 der 4. COVID-19-SchuMaV waren auch Sportveranstaltungen untersagt. Ausgenommen davon war das Betreten von Sportstätten zum Zweck der Ausübung von Sport im Freiluftbereich, wobei diese Ausnahme jedoch auf Gruppen von maximal zehn Minderjährigen zuzüglich der Begleitpersonen beschränkt war; Körperkontakt war auch hier verboten (Abs3 Z9 par. cit.).

4. Der Antragsteller wird durch die Ausnahme gemäß §9 Abs2 Z2 der 4. COVID-19-SchuMaV privilegiert, durch §13 Abs3 Z9 der 4. COVID-19-SchuMaV werden minderjährige Kinder privilegiert. Wenn nun durch §9 Abs2 Z2, §13 Abs3 Z9 und §25 Z7 der 4. COVID-19-SchuMaV spezifische Regelungen im Sinne von Einschränkungen der Privilegierungen vorgesehen waren, nämlich welche Regelungen bei der Ausübung von Sport in Sportstätten einzuhalten sind, genügt es nicht, nur diese als verfassungswidrig anzufechten. Der Antragsteller wäre vielmehr gehalten gewesen, zumindest all jene (Teile von) Normen anzufechten, welche für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage einen Zusammenhang bilden. Es wäre sodann Sache des Verfassungsgerichtshofes darüber zu befinden, auf welche Weise eine behauptete Verfassungswidrigkeit beseitigt werden kann (vgl VfSlg 16.756/2002 mwN), käme doch sonst eine allfällige Aufhebung der angefochtenen Bestimmungen einem Akt positiver Gesetzgebung gleich (vgl VfSlg 13.915/1994; VfGH 15.6.2020, V401/2020 ua).

V. Ergebnis

1. Der Antrag ist daher zu eng und sohin schon deshalb als unzulässig zurückzuweisen, ohne dass auf weitere Fragen – etwa die hinreichende Bezeichnung der angefochtenen Bestimmungen oder die hinreichende Zuordnung der Bedenken – einzugehen war.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, VfGH / Prüfungsumfang, COVID (Corona), Sport

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2021:V139.2021

Zuletzt aktualisiert am

21.12.2021
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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