Index
L10014 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht GemeindehaushaltNorm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Puck, Dr. Höfinger, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde des E und der TA in R, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in M, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 23. Jänner 1992, Zl. Gem-7312/6-1991-Gt, betreffend Vorschreibung einer Kanalanschlußgebühr (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde R), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1.1. Mit Bescheid vom 1. September 1988 verpflichtete der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde die Beschwerdeführer gemäß § 36 Abs. 1 der Oberösterreichischen Bauordnung, LGBl. Nr. 35/1976, ihren Betrieb und ihr Wohnhaus auf dem Grundstück Nr. .nn/1, EZ nn, KG R, an die gemeindeeigene Kanalisationsanlage anzuschließen. Die Abwässer seien in die mit wasserrechtlichem Bescheid vom 10. Februar 1984 bewilligte "Abwasserbeseitigungsanlage 1982" in frischem Zustand, das heißt ohne Zwischenschaltung von Senkgruben etc. einzuleiten; die derzeit bestehenden Drei-Kammern-Systeme und flüssigkeitsdichten Senkgruben seien zuzuschütten, damit der Abfluß der Fäkalien direkt in die Hauptsammler eingeleitet werden könne.
Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.
1.2. Mit Bescheid vom 23. November 1989 schrieb der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde den Beschwerdeführern für den Anschluß ihrer Gebäude Tischlerei und Wohnhaus an das öffentliche Kanalnetz der Gemeinde gemäß dem Interessentenbeiträge-Gesetz 1958, LGBl. für Oberösterreich Nr. 28 in der Fassung LGBl. Nr. 57/1973 (im folgenden: Oö IBG 1958), und den §§ 1 und 2 der Kanalgebührenordnung der mitbeteiligten Marktgemeinde (im folgenden: KanalGebO) die Kanalanschlußgebühr in der Höhe von S 60.382,30 vor. Dieser Betrag sei gemäß § 6 KanalGebO mit dem Anschluß fällig, welcher bereits erfolgt sei.
In der Abgabenvorschreibung wurde eine im Jahr 1951 geleistete Zahlung von S 300,-- mit einem valorisierten Betrag von S 1.427,-- berücksichtigt.
Die Beschwerdeführer erhoben Berufung und machten geltend, sie hätten bereits für einen Kanalanschluß im Jahr 1951 Kanalanschlußgebühr bezahlt.
1.3. Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 14. Dezember 1990, ausgefertigt durch den Bürgermeister, wurde diese Berufung abgewiesen. Das Haus des Beschwerdeführers sei nur an den damals bestehenden Reinwasserkanal über eine Hauskläranlage angeschlossen gewesen. Deswegen stelle der im Jahr 1951 geleistete Betrag von S 300,-- keine Kanalanschlußgebühr dar.
Die Beschwerdeführer erhoben Vorstellung.
1.4. Mit Bescheid vom 23. Jänner 1992 wies die Oberösterreichische Landesregierung diese Vorstellung ab.
Nach der Begründung dieses Bescheides sei der mitbeteiligten Marktgemeinde mit Bescheid vom 10. Februar 1984 die wasserrechtliche Bewilligung für das Projekt "Abwasserbeseitigungsanlage Reichenau i.M. 1982" erteilt worden. Dieses Projekt umfasse die Beseitigung der im Ortsbereich sowie in den angrenzenden Gebieten anfallenden Ab- und Niederschlagswässer durch Ableitung in die Große Gusen und den Rohrbacher Bach sowie die Errichtung und den Betrieb der dafür dienenden Anlagen, insbesondere einer vollbiologischen Kläranlage. Die Bauabschnitte 1 und 2 dieses Projektes seien in den Jahren 1986 bis 1991 ausgeführt worden.
Auf der Grundlage des Oö IBG 1958 habe der Gemeinderat am 14. August 1986 - noch vor Baubeginn der Anlage - erstmals eine Kanalgebührenordnung erlassen. Erst mit Inkrafttreten dieser Kanalgebührenordnung sei es möglich gewesen, Kanalanschlußgebühren vorzuschreiben.
Der Anschlußpflichtbescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 1. September 1988 sei von den beschwerdeführenden Parteien nicht bekämpft worden; er sei in Rechtskraft erwachsen.
Bekämpft werde von den Beschwerdeführern allerdings die Verpflichtung zur Bezahlung der mit Bescheid vom 23. November 1989 vorgeschriebenen Anschlußgebühr dem Grunde nach. Sie stützten sich darauf, bereits im Jahr 1951 an einen Kanal angeschlossen worden zu sein.
Die Vorstellungsbehörde stelle fest, daß bereits ein mit Bescheid des Landeshauptmannes vom 3. November 1950 wasserrechtlich bewilligter Kanalstrang entlang der Ortsdurchfahrt bestanden habe. Später sei auch noch ein kleiner Teil einer im Jahr 1966 bewilligten systematischen Ortskanalisation verwirklicht worden, in der Folge sei jedoch wegen Nichtausführung des geplanten Projektes das verliehene Wasserbenutzungsrecht für erloschen erklärt worden. Erst im Jahr 1983 sei ein überarbeitetes Projekt "Abwasserbeseitigungsanlage Reichenau i.M. 1982" vorgelegt worden. Die wasserrechtliche Bewilligung für den Kanalstrang aus dem Jahr 1950 sei hinsichtlich des Anschlusses der Tischlerei der Beschwerdeführer nur deshalb erteilt worden, weil bei dieser eine dreikammerige Kläranlage vorhanden gewesen sei. Aus der Tatsache, daß die Einleitung der durch die eigene Kläranlage gereinigten Abwässer in einen vorhandenen KanalSTRANG, welcher seinerseits die Abwässer ohne weitere Behandlung lediglich in den Rohr- und Schloßbach als Vorfluter transportiert habe, bewilligt worden sei, könne nicht abgeleitet werden, daß es sich um einen Anschluß an eine KanalisationsANLAGE gehandelt habe. Bei diesem Kanalstrang aus dem Jahr 1950 habe es sich lediglich um einen Reinwasserkanal gehandelt, in den die durch die eigene dreikammerige Kläranlage gereinigten Abwässer der beschwerdeführenden Parteien hätten eingeleitet werden dürfen. Seinem Hauptzweck nach sei dieser Kanalstrang jedoch ein Regenwasserkanal zur geordneten Ableitung der Oberflächenwässer aus dem Marktbereich in den vereinigten Rohr- und Schloßbach gewesen.
Es sei weiters richtig, daß dieser Kanal als gemeindeeigen anzusehen gewesen sei, er habe jedoch nicht die der Gemeinde obliegende öffentliche Aufgabe der Abwasserentsorgung erfüllt. Unter dem Begriff Abwässer verstehe man Niederschlags- und Schmutzwässer. Schmutzwässer seien Fäkal-, Haus-, Stall-, Brauch- und Betriebswässer. Der seinerzeitige Kanalstrang habe jedoch nicht die Aufgabe einer systematischen Abwasserentsorgung erfüllt, weshalb eindeutig nicht von einem Anschluß an eine Kanalisationsanlage im Sinne des Oö IBG 1958 gesprochen werden könne. Daran ändere auch der Umstand nichts, daß möglicherweise in der Folge in diesen Reinwasserkanal Abwässer in ungereinigtem Zustand eingeleitet worden seien, weil derartige Einleitungen auf jeden Fall widerrechtlich und ohne jegliche behördliche Bewilligung vorgenommen worden seien. Eine derartige widerrechtliche Einleitung von Schmutzwässern in den alten Kanalstrang werde auch nicht in Abrede gestellt, sodaß die von den Beschwerdeführern genannten Zeugen darüber nicht befragt zu werden brauchten. Daß möglicherweise Organe der mitbeteiligten Gemeinde von den Einleitungen Kenntnis gehabt hätten und diese nicht zu verhindern vermochten, bevor nicht eine systematische Abwasserbeseitigungsanlage errichtet worden sei, lasse nicht die Folgerung zu, daß die Einleitung von Schmutzwässern mit Zustimmung der Marktgemeinde erfolgt sei.
Aus der Tatsache, daß im Jahr 1951 ein Betrag von S 300,-- für den Anschluß an den damaligen Kanal geleistet worden sei, lasse sich nichts dafür gewinnen, die Beschwerdeführer hätten eine "zweite" Anschlußgebühr nicht zu entrichten. Auch wenn dieser Betrag seinerzeit als Gebühr bezeichnet worden sei, könne er seiner Rechtsnatur nach keine Anschlußgebühr sein; vielmehr habe es sich um einen Baukostenbeitrag zum Reinwasserkanal gehandelt, weil die Besitzer des Objektes dafür ihre Abwässer aus der eigenen Kläranlage hätten einleiten dürfen. Die Vorschreibung von Anschlußgebühren im Sinne des Oö IBG 1958 sei erst ab dem Inkrafttreten der (ersten) Kanalgebührenordnung vom 14. August 1986 möglich.
Aus diesem Grund gehe auch die Einwendung, der Betrag von S 300,-- sei anläßlich der Anrechnung auf die mit Bescheid vom 23. Dezember 1989 vorgeschriebene Kanalanschlußgebühr nicht im richtigen Ausmaß valorisiert worden, ins Leere, weil überhaupt kein Rechtsanspruch auf eine Valorisierung des seinerzeit geleisteten Beitrages bestehe.
Zusammenfassend werde festgestellt, daß erst der Anschluß der Objekte der Beschwerdeführer an die in den Jahren 1986 bis 1991 errichtete Abwasserbeseitigungsanlage auf Grund des Bescheides vom 1. September 1988 über die Anschlußverpflichtung die Gebührenpflicht gemäß § 1 KanalGebO vom 10. Jänner 1987 ausgelöst habe. Dem stehe auch nicht entgegen, daß der alte Regenwasserkanal nicht durch neues Material ersetzt worden sei, sondern weiter verwendet werde, da er erst durch die Einbindung in die neue Kanalisationsanlage von einem Regenwasserkanal zu einem echten Abwasserkanal funktionell umgewandelt worden sei.
1.5. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die Beschwerdeführer erachten sich in ihrem Recht auf gemeindeaufsichtsbehördliche Aufhebung einer rechtswidrig vorgeschriebenen Kanalanschlußgebühr verletzt.
1.6. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Partei eine Gegenschrift.
2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
2.1.1. Als Verfahrensmangel wird in der Beschwerde geltend gemacht, der Bürgermeister habe sich an der Beratung über die Berufungsentscheidung im Gemeinderat beteiligt und damit entgegen § 53 Abs. 1 lit. d Oö LAO als befangenes Organ mitgewirkt. Auch habe er die Abweisung der Berufung beantragt.
2.1.2. Wie im vorgelegten Auszug aus dem Beratungsprotokoll des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 16. November 1990 vermerkt ist, hat der Bürgermeister vor der Abstimmung wegen Befangenheit den Vorsitz an den Vizebürgermeister abgegeben und das Sitzungszimmer verlassen. Der Bürgermeister war daher lediglich als mit der Abgabenangelegenheit vertraute Auskunftsperson vor der Abstimmung und Beschlußfassung anwesend, was nicht als Ausübung des Amtes im Rechtsmittelverfahren vor der Abgabenbehörde zweiter Instanz im Sinne des § 53 Abs. 1 lit. d Oö LAO, LGBl. Nr. 30/1984, anzusehen war. Letzteres gilt auch für die behauptete "Antragstellung" durch den Bürgermeister, weil der Bescheidentwurf nach der Aktenlage vom Vizebürgermeister im Gemeinderat in Abwesenheit des Bürgermeisters zur Abstimmung gebracht wurde (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 19. Mai 1994, Zl. 91/17/0165).
2.1.3. Der Verwaltungsgerichtshof vermag in diesem Zusammenhang in dem - im übrigen von den Beschwerdeführern nicht relevierten - Umstand, daß der Bescheid des Gemeinderates vom Bürgermeister unterfertigt wurde, keine Rechtswidrigkeit dieses bzw. des angefochtenen Vorstellungsbescheides zu erkennen. Zwar müssen gemäß § 73 Abs. 1 erster Satz Oö LAO alle schriftlichen Ausfertigungen der Abgabenbehörden die Bezeichnung der Behörde enthalten sowie mit Datum und der Unterschrift dessen versehen sein, der die Erledigung genehmigt hat. Nach dieser Bestimmung hätte, wenn nicht gesetzlich anderes geregelt wäre, der Vorsitzende des beschlußfassenden Kollegialorganes als "Genehmigender" zu gelten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. März 1983, Zl. 82/17/0068, Slg. N.F. Nr. 5767/F). Allerdings vertritt der Bürgermeister gemäß § 58 Abs. 1 der (im Beschwerdefall anzuwendenden) Oberösterreichischen Gemeindeordnung 1979, LGBl. Nr. 119 (im folgenden: Oö GdO 1979), die Gemeinde nach außen und obliegt ihm gemäß § 58 Abs. 2 Z. 3 leg. cit. im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde ferner die Durchführung der von den Kollegialorganen gefaßten Beschlüsse (§ 59). Gemäß § 59 Abs. 1 leg. cit. hat der Bürgermeister die von den Kollegialorganen gesetzmäßig gefaßten Beschlüsse durchzuführen. Aus diesen Bestimmungen der Oö GdO 1979 folgt, daß Beschlüsse des Gemeinderates, die wie hier z.B. Abgabenberufungsbescheide zum Gegenstand haben, (auch) im Wege der Ausfertigung der entsprechenden Bescheide durch den Bürgermeister "durchgeführt" werden dürfen. Der Bürgermeister ist bei Erlassung derartiger Bescheide nicht (willensbildendes) Organ der Behörde zweiter Instanz (vgl. den hg. Beschluß vom 14. August 1991, Zl. 91/17/0036). Daß es sich im vorliegenden Fall um einen vom Bürgermeister ausgefertigten Bescheidinhalt des Gemeinderates handelt, ergibt sich aus der eindeutigen sprachlichen Fassung der Erledigung, durch die wiederholt zum Ausdruck kommt, daß der Gemeinderat als Abgabenbehörde zweiter Instanz diese Berufungsentscheidung getroffen habe. Daraus im Zusammenhang mit der gesetzlichen Bestimmung des § 59 Abs. 1 Oö GdO 1979 ist klar ersichtlich, daß es sich um die Durchführung des Beschlusses eines Kollegialorgans der Gemeinde im Sinne der §§ 58 Abs. 1 Z. 3 und 59 Abs. 1 Oö GdO 1979 und nicht um eine Entscheidung des Bürgermeisters selbst handelt (vgl. auch dazu den zuletzt zitierten hg. Beschluß).
Die Unterfertigung dieses Berufungsbescheides durch den Bürgermeister begründet auch keine Rechtsverletzung wegen Befangenheit des Bürgermeisters im Sinne des § 53 Abs. 1 lit. d Oö LAO, weil diese nach der Beschlußfassung über die Berufung vorgenommene Handlung nicht als Mitwirkung am Berufungsverfahren im Sinne dieser Verfahrensbestimmung angesehen werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Juni 1981, Zl. 06/0684/80, in dem nicht in ZfVB 1982/5/1574 veröffentlichten Teil, zum vergleichbaren § 7 Abs. 1 Z. 5 AVG).
Der im Zusammenhang mit der behaupteten Befangenheit des Bürgermeisters erhobene Beschwerdevorwurf erweist sich daher nicht als berechtigt.
2.2.1. Die Beschwerdeführer machen weiters geltend, daß sie tatsächlich nur im Jahr 1951 und nicht in den achtziger Jahren an den Kanal angeschlossen worden seien; die Verbindung zwischen ihrer Liegenschaft und dem öffentlichen Kanal sei nur im Jahr 1951 erfolgt und seither nicht verändert worden. Ein Anschluß, der die Fälligkeit der Gebühr im Sinne des § 6 KanalGebO hätte hervorrrufen können, sei nie erfolgt. Die belangte Behörde räume selbst ein, daß der alte Kanal als Bestandteil der Ortskanalisation weiterverwendet werde.
Es sei nicht erhoben worden, ob im Jahr 1951 eine Kanalgebührenordnung bestanden habe oder nicht. Dies erscheine im Hinblick auf die damaligen Gebührenvorschreibungen sehr wahrscheinlich.
Die Nichtfertigstellung der seinerzeitigen Kanalanlage könne nicht zu Lasten jener gehen, die damals schon bezahlt hätten.
Die Behauptung, es habe sich im Jahr 1951 um einen bloßen Reinwasserkanal gehandelt, sei verfehlt, weil dieser damals schon ein Teil der bewilligten, aber nie fertiggestellten Ortskanalisation gewesen sei. Es seien nicht nur Reinwässer in diesen alten Kanal geflossen. Der Umstand allein, daß zum Zeitpunkt des Kanalanschlusses der beschwerdeführenden Parteien im Jahr 1951 eine Kläranlage vorhanden gewesen sei, beweise nicht, daß sie nur deswegen hätten anschließen dürfen. Die Behörde habe es unterlassen, die namhaft gemachten Zeugen zur Frage einer allfälligen Bewilligung zur Ableitung von Schmutzwässern in den sogenannten Reinwasserkanal zu befragen. Sie könne nicht verlangen, daß die Beschwerdeführer etwa bescheidmäßige Bewilligungen der Gemeinde für die Einleitung von Abwässern vorlegten. Die ungeklärten Abwässer seien vielmehr über den sogenannten Reinwasserkanal direkt in die Gusen geflossen.
2.2.2. Gemäß § 1 Abs. 1 lit. a des Gesetzes vom 12. Juli 1958, womit die Gemeinden zur Erhebung bestimmter Interessentenbeiträge von Grundstückseigentümern und Anrainern ermächtigt werden (Oö IBG 1958), LGBl. für Oberösterreich Nr. 28/1958 in der Fassung LGBl. Nr. 57/1973, werden die Gemeinden ermächtigt, auf Grund eines Beschlusses der Gemeindevertretung von Grundstückseigentümern und Anrainern (derzeit § 13 Abs. 1 Z. 15 des FAG 1973, BGBl. Nr. 445/1972) den Beitrag zu den Kosten der Errichtung einer gemeindeeigenen Kanalisationsanlage (Kanal-Anschlußgebühr) zu erheben. Als gemeindeeigen im Sinne dieses Gesetzes gilt eine Anlage (Einrichtung), deren sich die Gemeinde zur Erfüllung der ihr obliegenden öffentlichen Aufgaben bedient, auch dann, wenn die Anlage (Einrichtung) nicht oder nicht zur Gänze im Eigentum der Gemeinde steht.
Gemäß § 1 Abs. 4 leg. cit. werden die Interessentenbeiträge mit dem Anschluß an die gemeindeeigene Anlage (Einrichtung) gemäß Abs. 1 lit. a, b oder c fällig.
Die Kanalgebührenordnung der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 14. August 1986 hatte auszugsweise folgenden Inhalt:
"Auf Grund des Interessentenbeiträge-Gesetzes 1958, LGBl. Nr.28 i.d.g.F. und des § 15 des Finanzausgleichsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 544/1985, wird verordnet:
§ 1
Anschlußgebühr
Für den Anschluß von Grundstücken und Gebäuden (Bauwerken) an das gemeindeeigene, öffentliche Kanalnetz wird eine Kanal-Anschlußgebühr erhoben.
Gebührenpflichtig ist der Eigentümer der angeschlossenen Grundstücke bzw. Gebäude oder Bauwerke.
§ 2
Ausmaß der Anschlußgebühr
(1) Die Kanal-Anschlußgebühr beträgt je Quadratmeter der Bemessungsgrundlage nach Abs. 2 und 3 Schilling 123,--, mindestens aber Schilling 18.400,--
...
§ 6
Fälligkeit
(1) Die Kanalanschlußgebühr wird mit dem Anschluß eines Grundstückes an das gemeindeeigene, öffentliche Kanalnetz fällig; geleistete Vorauszahlungen nach § 3 dieser Verordnung sind anzurechnen.
(2) Für das Ausmaß der Anschlußgebühr sind jeweils die zum Zeitpunkt der Fälligkeit maßgeblichen Verhältnisse gemäß § 2 zugrundezulegen.
..."
Die im erwähnten § 3 der Verordnung genannten Vorauszahlungen auf die Kanal-Anschlußgebühr sind nach Abs. 2 dieser Verordnungsstelle nach Baubeginn der gegenständlichen gemeindeeigenen Kanalanlage bescheidmäßig vorzuschreiben.
Auf diese KanalGebO 1986 folgte die Kanalgebührenordnung vom 10. Jänner 1987, kundgemacht an der Amtstafel vom 14. bis 29. Jänner 1987, welche in den wiedergegebenen Verordnungsstellen denselben Wortlaut hat, mit Ausnahme des § 6 Abs. 1, der wie folgt lautet:
"§ 6
Fälligkeit
(1) Die Kanalanschlußgebühr wird mit dem Anschluß eines Grundstückes an das gemeindeeigene, öffentliche Kanalnetz fällig; geleistete Vorauszahlungen sind zu jenem Wert anzurechnen, der sich aus der Berücksichtigung der in den Quadratmetersatz eingeflossenen Preissteigerungskomponente gegenüber dem zum Zeitpunkt der Vorschreibung der Vorauszahlung kalkulierten Quadratmetersatz ergibt."
Mit Verordnung vom 3. September 1987 wurde die Kanalgebührenordnung wie folgt geändert:
"Artikel I
Die Kanalgebührenverordnung vom 10. Jänner 1987 wird wie folgt geändert:
Der § 2 Abs. 1 hat zu lauten:
Die Kanal-Anschlußgebühr beträgt je Quadratmeter der Bemessungsgrundlage nach Abs. 2 und Abs. 3
Schilling 160,--, mindestens aber Schilling 24.000,-- (in Worten: vierundzwanzigtausend)
Artikel II
Diese Abänderungsverordnung tritt mit dem auf den Ablauf der Kundmachungsfrist folgenden Tag in Kraft."
2.2.3. In seinem, dieselbe Marktgemeinde betreffenden Erkenntnis vom 15. Dezember 1995, Zl. 93/17/0037, hat der Verwaltungsgerichtshof zur Frage, wann die Rechtslage erstmals die Vorschreibung einer Kanalanschlußgebühr und die Entstehung der entsprechenden Abgabenansprüche vorsah, ausgeführt, nach § 3 Abs. 1 Oö LAO entstehe der Abgabenanspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht sei, an den die Abgabenvorschrift die Abgabepflicht knüpfe. Dies sei nach § 1 KanalGebO mit dem Anschluß des Grundstückes an das gemeindeeigene, öffentliche Kanalnetz der Fall. Voraussetzung für das Entstehen des Abgabenanspruches sei demnach auch das Inkrafttreten der Bestimmung, die den Abgabenanspruch regle, weil der Abgabenanspruch nach der hier anzuwendenden Gesetzeslage nicht früher entstehe (arg.: § 1 Abs. 1 Oö IBG 1958 "auf Grund eines Beschlusses", was nicht als Ermächtigung zu einer rückwirkenden Verordnungserlassung aufgefaßt werden könne), als die Bestimmung in Kraft getreten sei, die ihn schaffe.
Vor der von der mitbeteiligten Marktgemeinde kundgemachten Kanalgebührenordnung vom 14. August 1986 sei keine Verordnung in der mitbeteiligten Marktgemeinde in Geltung gestanden, nach der eine Kanalanschlußgebühr erhoben worden wäre. Im übrigen enthielten die im Jahr 1986 erstmals erlassene KanalGebO wie auch das Oö IBG 1958 keine Regelung, nach der von der Entrichtung der Kanalanschlußgebühr jene Liegenschaften ausgenommen wären, für welche bereits vor dem Inkrafttreten der KanalGebO eine "Anschlußgebühr" geleistet worden sei (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 1992, Zl. 88/17/0117).
Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich im vorliegenden Beschwerdefall nicht veranlaßt, von dieser Rechtsprechung abzugehen. Es ist somit festzuhalten, daß die auf Grund des Oö IBG 1958 erlassenen Kanalgebührenordnungen der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 14. August 1986 und vom 10. Jänner 1987 (letztere sodann in der Fassung vom 3. September 1987) erstmals die Vorschreibung einer Kanalanschlußgebühr vorgesehen haben.
2.2.4. Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 15. Dezember 1995 ausgesprochen, unter dem Begriff "Anschluß" sei die Herstellung einer bisher nicht bestandenen Verbindung zwischen der Gemeindeanlage und der betreffenden Liegenschaft zu verstehen. Nach der hier anzuwendenden Gesetzeslage in Verbindung mit § 1 KanalGebO entstehe der Abgabenanspruch im Zeitpunkt des Anschlusses an die Kanalanlage. Nicht entscheidend sei es nach dem Oö IBG 1958 und nach der KanalGebO, ob und wann die bescheidmäßige Anschlußverpflichtung verfügt worden sei. § 1 KanalGebO spreche nämlich von "angeschlossenen" und nicht von "anschlußpflichtigen" Grundstücken bzw. Gebäuden oder Bauwerken.
Besteht also der erstmals im Jahr 1986 eingeführte Abgabentatbestand im Anschluß von Grundstücken und Gebäuden (Bauwerken) an das gemeindeeigene, öffentliche Kanalnetz, dann ist entscheidungswesentlich, was die KanalGebO unter dem Begriff des öffentlichen Kanalnetzes der Gemeinde versteht. Darunter ist nun (im Zusammenhalt mit dem Begriff der "Kanalisationsanlage" nach § 1 Abs. 1 lit. a Oö IBG 1958) die auf Grund des wasserrechtlichen Bewilligungsbescheides vom 10. Februar 1984 errichtete Kanalisationsanlage samt Kläranlage zu verstehen, die zur Aufnahme von Schmutz- und Niederschlagswässern bestimmt und behördlich bewilligt wurde. Daß diese Kanalisationsanlage (im Sinne des § 1 Abs. 1 Oö IBG 1958) bzw. dieses Kanalnetz im Sinne des § 1 KanalGebO mit einem schon in den fünfziger Jahren durch den Ort gelegten Kanalstrang - von dessen Aufgabe her gesehen - nicht ident ist, hat der Verwaltungsgerichtshof ebenfalls im bereits mehrfach zitierten Erkenntnis vom 15. Dezember 1995 ausgesprochen, denn dieser Kanalstrang habe nicht die Aufgabe einer systematischen Abwasserentsorgung erfüllt.
2.2.5. Ebensowenig wie die Beschwerdeführer im zitierten Beschwerdefall zu Zl. 93/17/0037 haben die Beschwerdeführer in der der vorliegenden Beschwerde zugrundeliegenden Abgabensache die im erstinstanzlichen Abgabenbescheid enthaltene Feststellung bestritten, daß der Kanalanschluß ihrer Gebäude "bereits vollzogen" sei.
Dadurch, daß die gegenständlichen Gebäude unter Benützung des bisherigen Kanalstranges mit der neu errichteten Kanalisationsanlage und damit mit dem gemeindeeigenen öffentlichen Kanalnetz im Sinne der KanalGebO in Verbindung gebracht wurden, wurde der Abgabentatbestand erfüllt.
2.2.6. Die Abgabenbehörden der mitbeteiligten Marktgemeinde haben den genauen Zeitpunkt des tatsächlich erfolgten Anschlusses nicht festgehalten. Im erstinstanzlichen Abgabenbescheid vom 23. November 1989 wurde allerdings, wie eben ausgeführt, festgestellt, daß der Anschluß bereits erfolgt sei. Diese Feststellung haben die Beschwerdeführer - wie bereits ausgeführt - im Abgabenverfahren nicht bestritten.
Mit dem Beschwerdevorwurf, die Abgabenbehörden hätten zu Unrecht den genauen Zeitpunkt des Anschlusses nicht festgestellt, vermögen die beschwerdeführenden Parteien nichts zu gewinnen. Er folgte nämlich - und davon geht die belangte Behörde aus - der tatsächliche Anschluß zwischen der Erlassung des Anschlußpflichtbescheides vom 1. September 1988 und dem Ergehen des erstinstanzlichen Abgabenbescheides vom 23. November 1989, dann erweist sich dieser Feststellungsmangel als nicht wesentlich, weil im Hinblick auf die in diesem Zeitraum unverändert gebliebene Rechtslage eine anders lautende Abgabenvorschreibung nicht hätte ergehen können. Daß die Abgabenvorschreibung der Höhe nach (abgesehen von der Valorisierungsfrage) unrichtig oder eine unrichtige Bemessungsgrundlage herangezogen worden wäre, behaupten die beschwerdeführenden Parteien nicht.
2.3.1. In der Beschwerde wird schließlich geltend gemacht, der von den Beschwerdeführern im Jahr 1951 geleistete Betrag von S 300,-- sei in der bekämpften Abgabenvorschreibung unrichtig valorisiert worden. Einem richtigen Verständnis des § 1 Abs. 2 und 3 Oö IBG 1958 entsprechend hätte für die Valorisierung die Quadratmetergebühr aus dem Jahr 1951 in Beziehung zur derzeitigen Gebühr gesetzt werden müssen, sodaß "das konkrete Preisniveau für die Anschlußgebühr als Wertmesser herangezogen" hätte werden müssen.
2.3.2. Wie sich aus dem unter Punkt 2.2.3. Ausgeführten ergibt, wurde mit der Kanalgebührenordnung des Jahres 1986 von der mitbeteiligten Marktgemeinde erstmalig die Vorschreibung einer Kanalanschlußgebühr für den Anschluß an die Kanalisationsanlage (an das Kanalnetz) vorgesehen. Vor dem Inkrafttreten dieser Kanalgebührenordnung erbrachten Geldleistungen aus Anlaß des Anschlusses an einen der Ableitung von Reinwässern dienenden Kanalstrang fehlt somit von vornherein die Eigenschaft einer Kanalgebühr im Sinne des Oö IBG 1958. Eine Anrechnung derartiger Leistungen und deren Valorisierung sieht die im Beschwerdefall anzuwendende KanalGebO vom 10. Jänner 1987 nicht vor. Vielmehr enthält § 6 Abs. 1 lediglich hinsichtlich geleisteter Vorauszahlungen - das sind die nach § 3 KanalGebO bescheidmäßig nach Baubeginn der gegenständlichen gemeindeeigenen Kanalanlage vorzuschreibenden Vorauszahlungen auf die Kanal-Anschlußgebühr - eine Anrechnungsbestimmung. Geleistete Vorauszahlungen dieser Art sind zu jenem Wert anzurechnen, der sich aus der Berücksichtigung der in den Quadratmetersatz eingeflossenen Preissteigerungskomponente gegenüber dem zum Zeitpunkt der Vorschreibung der Vorauszahlung kalkulierten Quadratmetersatz ergibt. Solche Vorauszahlungen wurden weder vorgeschrieben noch geleistet. Bei dieser Rechtslage kann jedenfalls nicht gesagt werden, daß die Beschwerdeführer durch die Art und Weise der vorgenommenen Valorisierung des von ihnen seinerzeit unter welchem Titel immer geleisteten Geldbetrages in ihren Rechten verletzt wurden.
2.4. Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich, daß die beschwerdeführenden Parteien durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten weder wegen der geltend gemachten noch wegen einer vom Verwaltungsgerichtshof aus eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit verletzt worden sind.
Die Beschwerde war infolgedessen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
2.5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 47, § 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 sowie § 48 Abs. 3 Z. 2 VwGG in Verbindung mit Art. I Z. 4, 5 und 7 sowie Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
2.6. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Schlagworte
Zurechnung von Bescheiden IntimationEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1992170104.X00Im RIS seit
06.12.2001