TE OGH 2021/10/20 6Ob143/21d

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Veröffentlicht am 20.10.2021
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden, die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny, die Hofrätin Dr. Faber und den Hofrat Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M* Rechtsanwälte GmbH, *, gegen die beklagte Partei H* P*, vertreten durch Dr. Paul Oberndorfer, Rechtsanwalt in Linz, als Verfahrenshelfer, wegen Löschung und Unterlassung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 18. Mai 2021, GZ 4 R 30/21s-17, womit das Urteil des Landesgerichts Linz vom 9. Dezember 2020, GZ 31 Cg 68/19i-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.332,54 EUR (darin 222,09 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1]       Die Klägerin vertrat die Ehefrau des Beklagten im Zuge ihrer Ehescheidung vom Beklagten, der häufig bei der Klägerin anrief und dabei auch deren Mitarbeiterinnen beschimpfte. An einem Tag rief er an, weil er eine Abänderung des angestrebten Scheidungsvergleichs erreichen wollte. Nach Beendigung dieses Telefonats durch die Klägerin versuchte er etwa eine Stunde lang im „Sekundenabstand“, bei der Klägerin anzurufen. Da durch diese ständigen Anrufe die Telefonleitung permanent blockiert war, ließ die Klägerin die Telefonnummer des Beklagten in ihrer Telefonanlage sperren, sodass der Beklagte mit seiner Nummer bei der Klägerin nicht mehr anrufen konnte. In der Folge verfasste der Beklagte auf Google Maps eine Bewertung über die Klägerin, wobei er lediglich einen von fünf Sternen vergab und dazu schrieb: „Meine Anrufe werden ignoriert und meine Nr. wurde gesperrt, somit ist die Rechtsanwalts Kanzlei mit meiner Nr. nicht erreichbar.“

[2]       Die Vorinstanzen gaben dem auf Löschung und Unterlassung gerichteten Begehren der Klägerin statt. Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil (österreichische) Judikatur zu vergleichbaren Sachverhalten fehle und deshalb auf deutsche Judikatur zurückgegriffen worden sei.

Rechtliche Beurteilung

[3]       Die Revision ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO wird weder in der zweitinstanzlichen Zulassungsbegründung noch im Rechtsmittel aufgezeigt:

[4]            1. Auch Bewertungen auf einer Online-Plattform sind nach den Grundsätzen des § 1330 ABGB zu beurteilen, wobei eine mit Begleittext kommentierte „Sterne“-Bewertung in ihrer Gesamtheit zu beurteilen ist (6 Ob 135/20a MR 2020, 356 [Knotzer] = ecolex 2021/21 [Knaipp]). Die Auslegung des Bedeutungsinhalts einer Äußerung hat nach dem Verständnis eines durchschnittlich qualifizierten Erklärungsempfängers zu erfolgen (RS0115084). Für eine Tatsachenbehauptung ist wesentlich, ob sich ihr Bedeutungsinhalt auf einen Tatsachenkern zurückführen lässt, der einem Beweis zugänglich ist, sodass sie nicht nur subjektiv angenommen oder abgelehnt, sondern als richtig oder falsch beurteilt werden kann (RS0031815 [T19]). Sofern ihre objektive Richtigkeit überprüfbar ist, sind auch bewertende Einschätzungen Tatsachenbehauptungen gleichzusetzen (RS0032270).

[5]       2. Unwahr ist eine Äußerung dann, wenn ihr sachlicher Kern im Zeitpunkt der Äußerung nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmt (RS0115694). Die Unrichtigkeit einer Tatsachenbehauptung kann sich allerdings auch aus einer Unvollständigkeit des bekanntgegebenen Sachverhalts ergeben, die das dem Betroffenen vorgeworfene Verhalten in einem ganz anderen Licht erscheinen lässt (6 Ob 238/02x; 6 Ob 295/03f) bzw wodurch ein falscher Eindruck erweckt wird (RS0031963 [T1]). Somit kommt es darauf an, ob durch das Weglassen von Umständen der Sachverhalt so entstellt wird, dass die Äußerung geeignet ist, deren Adressaten in einem wichtigen Punkt irrezuführen (RS0031963).

[6]       3. Weder die Feststellung des Bedeutungsgehalts einer Äußerung noch die Frage, ob auch eine andere Beurteilung der festgestellten Äußerung vertretbar wäre, bilden in der Regel eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (RS0107768 [T2]). Dies gilt auch für die Frage, ob durch das Weglassen von Umständen der Sachverhalt so entstellt wird, dass die Äußerung geeignet ist, deren Adressaten in einem wichtigen Punkt irrezuführen (6 Ob 204/12m).

[7]       4. Die Vorinstanzen haben die Bewertung der Klägerin durch den Beklagten in ihrer Gesamtheit beurteilt und waren der Ansicht, der Beklagte habe den Sachverhalt verkürzt wiedergegeben und wesentliche Umstände, nämlich den Grund der Sperre seiner Telefonnummer, weggelassen. Es werde der unrichtige Eindruck erweckt, der Beklagte sei ein Mandant der Klägerin gewesen bzw habe sich mit einem berechtigten Anliegen an die Klägerin gewandt, worauf diese mit einer Sperre seiner Telefonnummer reagiert habe. Darin ist keine aufzugreifende Fehlbeurteilung zu erblicken.

[8]       Ausgehend davon, dass sich die Unrichtigkeit einer Tatsachenbehauptung nach der erörterten Judikatur auch aus dem Weglassen wesentlicher Informationen ergeben, ein solcher Eindruck potentielle Mandanten abschrecken und damit den Kredit der Klägerin iSd § 1330 Abs 2 ABGB gefährden kann, kann offen bleiben, ob (auch) der Tatbestand des § 1330 Abs 1 ABGB verwirklicht wurde. Die Entscheidung des Berufungsgerichts ist damit im Ergebnis nicht zu beanstanden.

[9]            Die erstmals in der Revision vorgetragene Argumentation, wonach der Beklagte ein berechtigtes Interesse an der Kontaktaufnahme mit der Klägerin (auch) mittels online-Bewertung gehabt habe, weil er sich um seine Frau gesorgt habe und wissen habe wollen, wo sie sich aufhalte bzw ob sie überhaupt noch lebe, stellt eine unbeachtliche Neuerung dar (§ 504 Abs 2 ZPO). Der Revisionswerber entfernt sich damit auch von den getroffenen Feststellungen.

[10]     5. Da somit Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zu beurteilen sind, ist die Revision zurückzuweisen.

[11]     6. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet auf §§ 41, 50 ZPO.

Textnummer

E133243

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:E133243

Im RIS seit

21.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

09.02.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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