TE Bvwg Beschluss 2021/9/27 W161 2244054-1

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Veröffentlicht am 27.09.2021
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Entscheidungsdatum

27.09.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §57
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs4
VwGVG §28 Abs3

Spruch


W161 2244054-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Monika LASSMANN als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Bosnien und Herzegowina, vertreten durch Dr. Peter LECHENAUER & Dr. Margrit SWOZIL, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.06.2021, Zl. 1204034705/210068837, beschlossen:

A) In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Schreiben vom 23.12.2020 stellte die Fremdenbehörde der Landeshauptstadt Salzburg beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden „BFA“) einen Antrag auf Einleitung eines Verfahrens gem. § 55 NAG, übermittelte gleichzeitig den Aufenthaltsakt der Beschwerdeführerin (im Folgenden „BF“) und stellte den Antrag auf Einleitung eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung gem. § 25 NAG mit der Begründung, dass der BF aufgrund der Eheschließung mit einem österreichischen Staatsbürger ein Aufenthaltstitel (im folgenden „AT“) „Familienangehöriger“ erteilt worden sei . Ein gemeinsamer Wohnsitz habe von 11.9.2018 – 3.4.2019 bestanden.

2. Am 18.01.2021 verständigte das BFA die BF schriftlich über das Ergebnis der Beweisaufnahme sowie der beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung gem. § 52 FPG samt Einreiseverbot gem. § 53 FPG. Es läge der Verdacht nahe, dass die BF ihren Aufenthaltstitel erschlichen habe, da sie anderweitig keine Möglichkeit auf legalen Aufenthalt gehabt habe. Da die Ehe keine drei Jahre gehalten habe und mit XXXX .10.2020 geschieden worden sei, habe kein Familienleben stattgefunden, weshalb der Verdacht einer Aufenthaltsehe naheliege. Der BF wurde ein Parteiengehör gewährt und sie aufgefordert, zu den ihr übermittelten Fragen binnen 2 Wochen Stellung zu nehmen.

3. Mit Schreiben vom 28.01.2021 brachte die BF im Wesentlichen schriftlich vor, dass sie seit 11.09.2018 dauerhaft in Österreich wohne und arbeite. Ihren ehemaligen Ehemann habe sie durch ihre Cousine und gemeinsame Freunde im Jänner 2016 kennengelernt. Die Ehe sei nur aus Liebe und aus vollster Überzeugung, dass beide zusammenbleiben würden, eingegangen worden. Nach einer Familienfeier am 07.05.2016 hätten beide offiziell zusammengelebt. Bei beiden habe der Wunsch nach Kindern bestanden, da die BF jedoch nicht habe schwanger werden können habe, hätten sie eine Kinderwunschklinik besuchen müssen, auch eine Adoption sei im Raum gestanden. Dies und die Tatsache, dass beide hätten zusammenleben wollen, sei der Grund für eine legale Heirat gewesen. Der Ex-Mann habe während der Ehe andere Beziehungen gehabt, besonders mit einer 22-jährigen Frau, welche von ihm ein Kind erwarte. Deshalb habe der Ex-Mann die Scheidung gewollt und die BF aus der Wohnung hinausgeworfen. In Österreich würden eine Cousine und der Sohn ihres Ex-Mannes leben. Derzeit arbeite sie als Verkäuferin und lebe in einer Mietwohnung. Sie strebe einen weiteren Aufenthalt in Österreich an, da sie gut integriert sei, gut Deutsch sprechen könne und gerne hier weiterhin leben und arbeiten würde.

4. Am 9.4.2021 brachte die BF eine ergänzende Stellungnahme per Mail ein. Der Ex-Ehemann der BF erhielt einen Ladungsbescheid für 27.05.2021. Eine Entschuldigung für diesen Termin bzw. ein Protokoll einer Einvernahme findet sich nicht im Akt.

5. Mit Bescheid des BFA vom 02.06.2021, wurde gegen die BF gem. 52 Abs. 4 FPG 2005 idgF iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz idgF eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt I.), gem. § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung gem. § 46 FPG nach Bosnien und Herzegowina zulässig ist (Spruchpunkt II.) sowie gem. § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für eine freiwillige Ausreise mit einem Monat ab Rechtskraft der Rückehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt III.)

In der Begründung des Bescheides wurde im Verfahrensgang ausgeführt, der BF sei erstmals am 24.08.2018 eine Niederlassungsbewilligung Familienangehörige erteilt worden. Grund der Erteilung sei die Familiengemeinschaft mit XXXX gewesen, welchen sie am XXXX .03.2018 geheiratet habe. Die Ehe sei am XXXX .10.2020 geschieden worden, damit sei nachträglich die Erteilungsvoraussetzung gem. § 11 Abs. 2 Z 3 NAG weggefallen. Die BF sei über diese Ermittlungsschritte informiert und aufgefordert worden, im Zuge eines Parteiengehörs dazu Stellung zu nehmen, sie sei dieser Aufforderung nachgekommen. Das Bundesamt gehe somit laut Aktenlage davon aus, dass sie die Ehe mit ihrem Mann eingegangen sei, um sich in Österreich eine Aufenthaltsberechtigung zu erschleichen. Ihr Familienleben habe nur kurze Zeit bestanden, sie habe knapp 5 Monate im gemeinsamen Haushalt gelebt, bis die Scheidung eingereicht worden sei. Unabhängig vom Fortbestand der Ehe sei der von ihr angegebene Zweck, nämlich das Leben in Österreich als Familienangehörige, nicht gegeben.

In den Feststellungen wurde ausgeführt, die BF sei nicht österreichische Staatsbürgerin, unterliege den Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes, sei im Besitz eines Reisedokumentes und als erwachsene Person zu qualifizieren. Sie befinde sich laut eigenen Angaben seit 11.09.2018 in Österreich, sei mit einem Österreicher verheiratet gewesen und habe dadurch ein Aufenthaltsrecht als Familienangehörige erhalten. Die Ehe habe keine 3 Jahre gehalten und sei am XXXX .10.2020 geschieden worden, somit erfülle die BF nicht mehr die Voraussetzung für die Verlängerung des Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“. Sie sei geschieden, habe Verwandte in Österreich und beinahe ihr gesamtes Leben in Bosnien und Herzegowina verbracht, eine Rückkehr sei ihr zumutbar.

In rechtlicher Hinsicht wurde ausgeführt, im vorliegenden Fall würden die Voraussetzungen des § 52 Abs. 4 Z 1 FPG vorliegen. Die BF verfüge über Familienangehörige in Österreich, jedoch bestehe zu diesen kein Abhängigkeitsverhältnis. Zudem habe die Ehe keine 3 Jahre gehalten, weshalb ein Familienleben keinesfalls begründet werden könne. Ein gewisses Privatleben im Bundesgebiet könne nicht abgesprochen werden, dieses reiche jedoch nicht aus, um von einem schützenswerten Privatleben auszugehen bzw. von einer besonderen Integration zu sprechen. Die Rückkehrentscheidung sei daher nach § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG zulässig.

Gegen die BF werde mit diesem Bescheid auch eine Rückkehrentscheidung erlassen, aus den aktuellen Feststellungen zur Lage im Zielstaat ergäbe sich keine Gefährdung im Sinne des § 50 Abs. 1 FPG, auch die Voraussetzungen des § 50 Abs. 2 und Abs. 3 FPG lägen nicht vor.

Gem. § 55 FPG werde mit der Rückkehrentscheidung gem. § 52 FPG zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die BF habe einen Haushalt aufzulösen und ihre Rückkehr nach Bosnien und Herzegowina vorzubereiten, woraus sich die festgelegte Frist für die freiwillige Ausreise ergäbe.

6. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerechte, vollinhaltliche, durch die bevollmächtigten Rechtsvertreter verfasste Beschwerde. Darin wird insbesondere ausgeführt, die BF habe sich aus überwiegendem Verschulden des Ex-Mannes scheiden lassen und letztlich unter Druck der einvernehmlichen Scheidung zugestimmt. Im Zuge einer mündlichen Einvernahme hätte die BF mitteilen können, was der Grund für die Scheidung der Ehe gewesen wäre. Die BF sei unbescholten und habe einen Rechtsanspruch auf eine ortsübliche Unterkunft, sie sei krankenversichert und stelle keine finanzielle Belastung einer Gebietskörperschaft dar. Zudem habe das BFA ihr Privat- und Familienleben nach Art 8 EMRK ungenügend berücksichtigt. Der Lebensmittelpunkt liege seit XXXX .03.2018, somit über 31 Monate im Bundesgebiet, sie habe mit ihrem Ex-Mann seit 26.03.2016 zusammengelebt, das Familienleben habe bis zum XXXX .10.2020 bestanden und sei nicht ansatzweise ermittelt worden. Einem Ehevertrag (Heiratsurkunde) käme insofern Indizwirkung zu, als dieser unter Umständen für das Vorliegen eines Familienlebens ausreichend wäre, umgekehrt könne das Fehlen aber nicht generell zum Verneinen eines solchen führen. Die BF habe österreichische Freunde und sei unbescholten, zudem habe sie ein sehr gutes Verhältnis zum (Stief)Sohn ihres Ex-Mannes. Darüber hinaus gehe sie einer Erwerbstätigkeit nach.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Festgestellt wird zunächst der unter I. dargelegte Verfahrensgang.

Die BF trägt den Namen XXXX ist am XXXX geboren und Staatsangehörige von Bosnien und Herzegowina. Sie ehelichte am XXXX .03.2018 den österreichischen Staatsangehörigen XXXX , ein gemeinsamer Wohnsitz in Österreich bestand von 11.09.2018 bis 03.04.2019. Die Ehe wurde am XXXX .10.2020 am Bezirksgericht XXXX gem. § 55a Ehegesetz einvernehmlich geschieden.

Die belangte Behörde hat die notwendigen Ermittlungen des maßgeblichen Sachverhaltes unterlassen, weshalb dieser zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung nicht hinreichend feststand.

2. Beweiswürdigung

Der oben unten Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Die Identität der BF steht aufgrund des vorliegenden Reisepasses und der von ihr vorgelegten Urkunden fest.

Die Eheschließung sowie die Ehescheidung ergeben sich ebenfalls aus den diesbezüglich vorgelegten unbedenklichen Urkunden. Feststellungen über die Wohnsitzadressen des Ehepaares ergeben sich aus der Einsicht in das Zentrale Melderegister.

Inwiefern im gegenständlichen Fall besonderes gravierende Ermittlungslücken vorliegen, wird in der rechtlichen Beurteilung dargelegt.

3. Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchteil A):

3.1. Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG), BGBl. I Nr. 2013/10 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte. Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFA-VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

3.2. Zur Zurückverweisung:

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, so hat das Verwaltungsgericht nach § 28 Abs. 3 VwGVG im Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

§ 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bildet daher die Rechtsgrundlage, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH vom 28.03.2017, Ro 2016/09/0009) ist eine Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 VwGVG zulässig, wenn die Behörde den entscheidungswesentlichen Sachverhalt sehr unzureichend festgestellt hat, indem sie keine für die Entscheidung in der Sache brauchbaren Ermittlungsergebnisse geliefert hat (vgl. VwGH 20.10.2015, Ra 2015/09/0088; VwGH 23.02.2017, Ra 2016/09/0103).

Von der Möglichkeit der Zurückverweisung soll nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063).

Im gegenständlichen Fall hat die belangte Behörde die von der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts geforderten Maßstäbe eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens grob missachtet und lediglich ansatzweise ermittelt.

Der angefochtene Bescheid ist grob mangelhaft geblieben, da es die belangte Behörde unterlassen hat, notwendige Ermittlungen zu tätigen, wobei nicht dargetan wurde, warum keine Ermittlungsschritte, wie die Einvernahme der BF, ihres Ex-Ehemannes sowie der beantragten Zeugen, erfolgten. Die Ermittlungstätigkeit des BFA im behördlichen Verfahren erschöpfte sich darin, dass es die BF über die Einleitung des Verfahrens informierte und aufforderte, innerhalb von zwei Wochen zu den darin übermittelten Fragen schriftlich Stellung zu beziehen. Weitere Schritte zur Ermittlung des Sachverhalts wurden nicht unternommen.

Die Feststellungen im angefochtenen Bescheid gründete das BFA zur Gänze auf die vom Magistrat der XXXX übermittelten Unterlagen sowie die Einsichtnahme in diverses Register, ohne auf die Angaben der BF in ihren beiden Stellungnahmen einzugehen oder den Bericht einer eigenen Beweiswürdigung zu unterziehen. Der BF wurde zwar wie ausgeführt mit der Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme Parteiengehör eingeräumt. Als diese aufgrund dessen eine Stellungnahme erstattete, wurde dieses jedoch überhaupt nicht beachtet und der Hinweis auf Zeugen zum Familienleben der BF, ignoriert. Dass aber die Einvernahmen von Verwandten, Freunden und dem Ex-Ehemann etwa nicht geeignet seien, zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts beizutragen, ist nicht ersichtlich und wurde seitens der belangten Behörde wie ausgeführt nicht dargetan.

Die Behörde hätte insbesondere dazu genauere Erhebungen und Ausführungen machen müssen weshalb sie zu den Feststellungen betreffend eine Aufenthaltsehe gelangt, da dies nicht aus dem Akt hervorgeht. Es kam zu keiner mündlichen Einvernahme. Der Ex-Mann der BF wurde zwar zweimal geladen, jedoch trotz Nichterscheinens nicht, wie im Ladungsbescheid vom 11.05.2021 angedroht, zwangsweise vorgeführt. Ebenso wurden – wie bereits dargelegt - die von der BF in der schriftlichen Stellungnahme vom 28.01.2021 genannten Personen nicht befragt, was jedoch zu einem umfassenden Bild über das Privatleben und somit zu Aufschlüssen über eine bestehende Aufenthaltsehe geführt hätte. Es wurde laut Akteninhalt auch keine Mitteilung an die LPD nach §§ 109, 110 FPG getätigt. Für einen Beschluss nach § 55a EheG werden bloße Formalangaben vorausgesetzt, weshalb in einem derartigen Scheidungsbeschluss und den dazu führenden Angaben der Parteien im Hinblick auf Natur und Zweck der geschlossenen Ehe kein entscheidender Beweiswert zukommt (VwGH vom 23.03.2010, 2007/18/0500 sowie vom 07.07.2009, 2009/18/0220).

Auch ist festzuhalten, dass das BFA im gegenständlichen Bescheid bereits im „Verfahrensgang“ Feststellungen getroffen und diese gewürdigt hat, was jedoch unter den Punkten Feststellungen sowie Beweiswürdigung zu erfolgen hätte.

Die hier getroffenen Ausführungen sind auch teilweise widersprüchlich. Während die erstinstanzliche Behörde im Verfahrensgang feststellt, dass Bundesamt gehe davon aus, dass die BF die Ehe mit ihrem Mann eingegangen sei um sich in Österreich eine Aufenthaltsberechtigung zu erschleichen, sohin eine Aufenthaltsehe angenommen wird, findet sich in den Feststellungen die Ausführung, dass die Ehe keine 3 Jahre gehalten habe und die BF somit nicht mehr die Voraussetzungen für die Verlängerung des Aufenthaltstitels Familienangehöriger erfüllt. Hier stützt sich die Behörde offenbar auf einen anderen Sachverhalt. Aus der Beweiswürdigung lässt sich nicht erkennen, von welchem Sachverhalt die Behörde letztlich ausgegangen ist.

Im angefochtenen Bescheid finden sich auch weitere Widersprüche und Unklarheiten.

Widersprüchlich zu der in Spruchpunkt III. mit einem Monat festgelegten Frist zur freiwilligen Ausreise begründete das BFA zunächst abweichend vom Spruch die Frist für eine freiwillige Ausreise von 14 Tagen: „Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wird, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörig bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen. In Ihrem Fall konnten solche Gründe nicht festgestellt werden.“
Im letzten Absatz hält der Bescheid wiederum fest: „In Ihrem Fall wurden solche Gründe festgestellt. Sie haben einen Haushalt aufzulösen und Ihre Rückkehr nach Bosnien & Herzegowina vorzubereiten. Daraus ergibt sich die nunmehr festgelegte Frist für Ihre freiwillige Ausreise. Das bedeutet, dass Sie binnen der im Spruch genannten Frist freiwillig ausreisen müssen.“


Im Verfahrensgang wird u.a. festgehalten, dass nachträglich die Erteilungsvoraussetzungen gem. § 11 Abs. 2 Z 3 NAG weggefallen seien. Die Bestimmung besagt, dass Aufenthaltstitel Fremden nur erteilt werden dürfen, wenn der Fremde über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist, worüber sich keine Anhaltspunkte finden, die BF ist unselbständig erwerbstätig.

Zu dem stützt die Behörde ihre Entscheidung auf § 52 Abs. 4 Z 1 FPG, wonach nachträglich ein Versagungsgrund gem. § 60 AsylG 2006 oder § 11 Abs. und 2 NAG eintritt, oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre. Gleichzeitig wird in der Beweiswürdigung festgehalten, dass die Voraussetzungen für eine Verlängerung des Aufenthaltstitels nicht mehr gegeben seien, was wiederum auf § 52 Abs. 4 Z 4 FPG hindeutet.

Die Entscheidung wird damit begründet, dass die Ehe keine drei Jahre gehalten habe und durch die Scheidung die Voraussetzungen für die Verlängerung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ nicht mehr gegeben seien. Es liege der Verdacht nahe, dass der Aufenthaltstitel erschlichen worden sei und somit eine Aufenthaltsehe vorliege. Die BF habe in Österreich kein schützendes Privat- und Familienleben. Ob jetzt der BF von Anfang an, somit bereits bei der ersten Antragstellung, oder erst bei dem zuletzt ausgestellten Aufenthaltstitel (begründet durch die einvernehmliche Scheidung) eine Aufenthaltsehe vorgeworfen wird, ist nicht erkennbar.

Der Tatbestand des § 30 Abs. 1 NAG 2005 ist ua. dann erfüllt, wenn sich der Ehegatte zur Erteilung eines Aufenthaltstitels auf eine Ehe beruft, obwohl kein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 MRK geführt wird.

In casu weisen die getroffenen Feststellungen nicht jenen umfangreichen Grad auf, der eine aufenthaltsbeendende Maßnahme rechtfertigt.

Im gegenständlichen Fall sind der angefochtene Bescheid des BFA und das diesem zugrunde liegende Verfahren aufgrund der Unterlassung der notwendigen Ermittlungen zu wesentlichen Punkten und hinreichender Begründung somit als mangelhaft zu bewerten. Weder erweist sich der Sachverhalt in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt, noch ergibt sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei, dass das Vorbringen der BF nicht den Tatsachen entspräche. Weitreichende Erhebungen, welche grundsätzlich aufgrund der in §§ 37 iVm 39 Abs. 2 AVG 2005 determinierten Ermittlungspflichten von der belangten Behörde durchgeführt hätten werden müssen, wären demnach vom Bundesverwaltungsgericht durchzuführen. In Anbetracht des Umfanges der noch ausstehenden Ermittlungen würde deren Nachholung durch das erkennende Gericht ein Unterlaufen der vorgesehenen Konzeption des BVwG als gerichtliche Rechtsmittelinstanz bedeuten. Besondere Gesichtspunkte, die aus der Sicht des BVwG gegen eine Kassation des angefochtenen Bescheides sprechen würden, sind nicht erkennbar.

Zusammenfassend ist der belangten Behörde vorzuwerfen, dass sie notwendige Ermittlungen, darauf aufbauende Feststellungen sowie die für die Begründung des Bescheides erforderliche Sorgfalt vermissen lässt und dieser damit nicht den Erfordernissen einer umfassenden und in sich schlüssigen Begründung einer abweisenden behördlichen Entscheidung gem. den §§ 60 iVm 58 Abs. 2 AVG entspricht.

Aus den dargelegten Gründen war daher spruchgemäß des angefochtene Bescheid des BFA gem. § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zu beheben und die gegenständliche Rechtssache an das BFA als zuständige erstinstanzliche Behörde zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen.

Das BFA wird in dem neuerlich zu führenden Verfahren weitergehende Erhebungen und in der Folge Feststellungen zu den getätigten Erwägungen zu treffen sowie nachvollziehbar zu begründen haben, wieso es zu der Feststellung einer Aufenthaltsehe gelangt. Insbesondere wird es die BF und dem Ex-Mann sowie Zeugen mündlich zu befragen und deren Aussagen gegenüberzustellen haben.

3.3. Entfall der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Im gegenständlichen Verfahren konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben, da das Bundesverwaltungsgericht die Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 Z 1 Halbsatz VwGVG als gegeben erachtet, zumal bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit der Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

aktuelle Länderfeststellungen Behebung der Entscheidung Ermittlungspflicht Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung Rückkehrentscheidung Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W161.2244054.1.00

Im RIS seit

20.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

20.12.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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