TE Bvwg Beschluss 2021/10/7 W152 2214356-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.10.2021
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Entscheidungsdatum

07.10.2021

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
BFA-VG §22
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W152 2214356-2/20E
BESCHLUSS

In dem amtswegig eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.09.2021, Zl. 1198893704-21125326, erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX auch XXXX , geb. XXXX , StA. Usbekistan, hat das Bundesverwaltungsgericht durch den Richter Mag. Walter KOPP als Einzelrichter beschlossen:

A)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 idgF iVm § 22 Abs. 10 AsylG 2005 idgF und § 22 BFA-VG idgF rechtmäßig.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG idgF nicht zulässig.


Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer reiste zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt im Jahr 2013 in das Bundesgebiet ein und meldete sich erstmals am 30.04.2014 unter Vorlage eines gefälschten griechischen Personalausweises im Bundesgebiet an einer Meldeadresse an und ein weiteres Mal am 27.10.2015 unter Vorlage eines gefälschten Personalausweises der Tschechischen Republik.

2. Nachdem der Beschwerdeführer am 13.07.2018 bei der Ausübung einer illegalen Beschäftigung betreten wurde, stellte er am 14.07.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz.

3. Im Zuge seiner Erstbefragung am 14.07.2018 und einer niederschriftlichen Befragung am 06.12.2018 führte der Beschwerdeführer zusammengefasst aus, dass er legal aus der Republik Usbekistan mit seinem usbekischen Auslandsreisepass und einem polnischen Touristenvisum, gültig für drei Monate, im Jahr 2013 ausgereist und nach Österreich gekommen sei; brachte jedoch seinen usbekischen Auslandsreisepass nie in Vorlage, weshalb er die legale Einreise in die EU im Jahr 2013 nicht nachweisen kann. Am 14.07.2018 gab der Beschwerdeführer an, dass er in der Republik Usbekistan Schulden bei Gläubigern habe und seine Gläubiger ihn umbringen würden, wenn er das Geld nicht zurückzahle. In der Befragung am 06.12.2018 gab der Beschwerdeführer an, dass er nur einen Gläubiger habe.

4. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.12.2018, Zl. 1198893704-180663756, wurde in Spruchpunkt I der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 14.07.2018 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 und in Spruchpunkt II gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigen in Bezug auf den Herkunftsstaat Usbekistan abgewiesen. In Spruchpunkt III wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. In Spruchpunkt IV wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und in Spruchpunkt V gemäß
§ 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Usbekistan gemäß § 46 FPG zulässig sei. In Spruchpunkt VI wurde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß § 18 Abs. 1 Z 2, 4 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt. In Spruchpunkt VII wurde ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für eine freiwillige Ausreise bestehe. In Spruchpunkt VIII wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 7 FPG gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von vier Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

5. Mit Teilerkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.02.2019, GZ: W215 2214356/4Z, wurde der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt VI des angefochtenen Bescheides stattgegeben und dieser gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG ersatzlos behoben.

6. Die Beschwerde wurde – nach Vornahme einer Verhandlung am 11.03.2019, wobei der Beschwerdeführer abermals auf seine Schulden in Usbekistan und die daraus resultierende Bedrohung verwies – abschließend mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.03.2019, GZ: W215 2214356-1/7E, hinsichtlich der Spruchpunkte I bis V und VII als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt I). Der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt VIII wurde insoweit stattgegeben, als die Dauer des befristeten Einreiseverbotes auf zwei Jahre herabgesetzt wurde (Spruchpunkt II). Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen aus, es könne nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in der Republik Usbekistan von einem oder mehreren Gläubigern getötet werde, wenn er seine Schulden nicht zurückzahle. Der Beschwerdeführer habe die ersten 36 Jahre seines Lebens in Samarkand in der Republik Usbekistan verbracht. Der Beschwerdeführer sei gesund, arbeitsfähig und verfüge über Schulbildung sowie jahrelange Berufserfahrung in der Republik Usbekistan und beherrsche sowohl die usbekische als auch die russische Sprache. Er habe bis zur Ausreise aus der Republik Usbekistan sein eigenes Geschäft als Händler in Samarkand betrieben. In Samarkand habe der Beschwerdeführer seine Ehegattin, die drei gemeinsamen minderjährigen Kinder und seine Eltern zurückgelassen. Der Beschwerdeführer habe in Österreich keine verwandtschaftlichen Bezugspunkte und auch sonst keine nennenswerten Anknüpfungspunkte sozialer oder wirtschaftlicher Natur. Allfällige Freundschaften seien während seines illegalen Aufenthaltes und somit zu einem Zeitpunkt entstanden, als sich der Beschwerdeführer seines unsicheren Aufenthaltes bewusst gewesen sein müsste. Der Beschwerdeführer sei in Österreich jahrelang illegal aufhältig, habe ausschließlich „schwarz“ gearbeitet und bestreite seinen Lebensunterhalt in Österreich derzeit nicht legal eigenständig, sondern lebe von der Grundversorgung und arbeite zusätzlich auch noch „schwarz“. Der Beschwerdeführer habe weder einen Deutschkurs besucht noch eine Deutschprüfung abgelegt und habe in der mündlichen Verhandlung am 11.03.2019 nicht Deutsch gesprochen. Hinsichtlich des Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers führte das Bundesverwaltungsgericht aus, der Beschwerdeführer halte sich jedenfalls seit 30.04.2014 im Bundesgebiet auf. Der Beschwerdeführer habe keine zum dauernden Aufenthalt berechtigten Angehörigen im Bundesgebiet zu denen er in einem Abhängigkeitsverhältnis stehe. Der Beschwerdeführer habe im Herkunftsstaat die Schule besucht und habe immer durch eigene Arbeit für seinen Lebensunterhalt und den seiner Familie sorgen können, zuletzt im eigenen Geschäft als Händler in Samarkand. Er beherrsche die usbekische ebenso wie die russische Sprache. Es sei davon auszugehen, dass sich der Beschwerdeführer wieder in die Gesellschaft seines Herkunftsstaates eingliedern könne, zumal er mit seiner Ehegattin, seinem minderjährigen Sohn und seinen beiden minderjährigen Töchtern, zu denen er ein bis zwei Mal pro Woche über Internet sprachlich und optisch Kontakt halte, nach wie vor über starke soziale Kontakte verfüge. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich betrage mittlerweile zwar schon fünf Jahre, doch sei diese Zeitdauer überwiegend darauf zurückzuführen, dass der Beschwerdeführer mit Ausnahme der letzten acht Monate illegal in Österreich lebe. Da sich der Beschwerdeführer mehr als vier Jahre ohne Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet aufhalte, für seine Anmeldung gefälschte Personalausweise mit falschen Staatsangehörigkeiten verwendet habe, müsste er sich seiner Illegalität und damit seines unsicheren Aufenthaltes immer bewusst sein. Dazu komme, dass der Beschwerdeführer nicht weniger als 36 Jahre im Herkunftsstaat gelebt habe und dort immer gearbeitet und seine Familie gegründet habe, bevor er nach Österreich gereist sei, somit den bei weitem überwiegenden Teil seines Lebens in der Republik Usbekistan verbracht habe. Davon abgesehen habe der Beschwerdeführer in diesen bald fünf Jahren auch keine nennenswerten Anstrengungen unternommen, sich in Österreich zu integrieren: Er habe nie einen Deutschkurs besucht, keine Deutschprüfung abgelegt und spreche immer noch nicht Deutsch. Der Beschwerdeführer habe keine Fortbildungsveranstaltung besucht, sei kein Mitglied in einem Verein und habe auch nie ehrenamtliches Engagement gezeigt. Erheblich zum Nachteil würden auch die strafrechtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers wiegen: Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 07.02.2019, XXXX , rechtskräftig seit 12.02.2019, sei der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs. 2, 224 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten, die unter Festsetzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, verurteilt. Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG, in der Fassung BGBl. I Nr. 70/2015, sei das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl somit zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet das persönliche Interesse des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet überwiege und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliege. Auch sonst seien keine Anhaltspunkte hervorgekommen, dass im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre. Dieses Erkenntnis wurde dem Vertreter des Beschwerdeführers und dem Bundesamt jeweils am 29.03.2019 rechtswirksam zugestellt und ist somit in Rechtskraft erwachsen.

7. Der Beschwerdeführer kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach und wurde ab 09.08.2021 in Untersuchungshaft angehalten. Das Bundesamt erließ am 10.08.2021 einen Festnahmeauftrag gemäß § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG. Der Beschwerdeführer wurde aufgrund dieses Festnahmeauftrages am 01.09.2021 festgenommen und stellte im Rahmen der am 01.09.2021 vorgenommenen Einvernahme zur Schubhaftverhängung einen Folgeantrag auf internationalen Schutz. In der diesbezüglichen Einvernahme gab der Beschwerdeführer an, seine Fluchtgründe hätten sich nach dem ersten Asylantrag nicht geändert. Die Schulden seien nun noch viel mehr. Sein Cousin habe versprochen, dass er die Schulden (ca. 34000 Dollar) für den Beschwerdeführer bezahle. Wenn die Schulden des Beschwerdeführers bezahlt seien, kehre er nach Usbekistan zurück.

8. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 01.09.2021, Zl. 1198893704-211245800, wurde gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG über den Beschwerdeführer die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme angeordnet. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.09.2021, GZ: W250 2246426-1/18E, rechtskräftig abgewiesen.

9. Der Beschwerdeführer wurde zum Folgeantrag auf internationalen Schutz vom 01.09.2021 zunächst am selben Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt und am 22.09.2021 vor dem Bundesamt niederschriftlich einvernommen. Dabei brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass seine alten Fluchtgründe nach wie vor aufrecht seien. Außerdem – brachte der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt vor – habe seine Ehegattin im Herkunftsstaat Probleme mit ihrem Chef gehabt, 100%-ig genau wisse er es aber nicht. Er gehe davon aus, dass die Probleme seiner Ehegattin mit Geld zu tun hätten. Das betreffe sicher auch ihn, weil er ein Familienmitglied sei. Im Übrigen bezeichnete sich der Beschwerdeführer als gesund.

10. Die Ehegattin des Beschwerdeführers, XXXX , geb. XXXX , StA. Usbekistan, stellte nach einer am 05.09.2021 illegal erfolgten Einreise ins Bundesgebiet am 09.09.2021 ebenso einen (Erst-)Antrag auf internationalen Schutz. Im Zuge ihrer Erstbefragung am 09.09.2021 gab diese zu ihren Fluchtgründen an, sie habe im Herkunftsstaat als Buchhalterin gearbeitet. Am 22.06.2021 habe die Ehegattin des Beschwerdeführers bemerkt, dass in ihrer Firma etwas mit der Buchhaltung nicht stimme. Auf Rechnungen habe die Ehegattin bemerkt, dass Geld fehle. Sie habe dies ihrem Chef mitgeteilt. Dieser habe gemeint, es passe alles und die Ehegattin des Beschwerdeführers solle weiterarbeiten. Am nächsten Tag sei dann die Polizei zur Ehegattin des Beschwerdeführers nach Hause gekommen und habe sie des Diebstahls beschuldigt. Leider könne die Ehegattin des Beschwerdeführers ihre Unschuld nicht beweisen. Deshalb habe die Ehegattin des Beschwerdeführers beschlossen, ihr Land zu verlassen. Wäre die Ehegattin des Beschwerdeführes weiter in ihrer Heimat geblieben, hätte sie mit einer Gefängnisstrafe rechnen müssen und ihre Kinder wären in einem Heim aufgewachsen.

11. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 07.02.2019, XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs. 2, 224 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten verurteilt. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 01.09.2021, XXXX , wurde der Beschwerdeführer weiters wegen des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs. 1 StGB (§§ 15, 269 Abs. 1, 83 Abs. 1 , 84 Abs. 2 StGB) zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 9 Monaten verurteilt.

12. Mit dem im Spruch angeführten Bescheid vom 22.09.2021 wurde der faktische Abschiebeschutz des Beschwerdeführers aufgehoben. Das Bundesamt stellte hiebei zur Lage in Usbekistan auf Grundlage des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation für Usbekistan Folgendes fest:

„Politische Lage

Usbekistan ist ein Binnenstaat, der zwischen Kasachstan im Norden und Nordwesten, Kirgisistan und Tadschikistan im Nordosten und Osten, Afghanistan und Turkmenistan im Süden und Südwesten liegt. Die Fläche des Landes beträgt 448 900 km², die Einwohnerzahl wird mit Stand 2016 auf 31,5 Millionen geschätzt. Hauptstadt ist Taschkent (GIZ 9.2018a). Das Staatsgebiet ist in die zwölf Provinzen (Viloyatlar), Andischan, Buchara, Choresm, Dschisak, Fergana, Kaschkadaria, Namangan, Navoi, Samarkand, Syrdarja, Surchandarja und Taschkent sowie die Stadtregion Taschkent und die autonome Republik Karakalpakstan gegliedert. Die Provinzen gliedern sich wiederum in Bezirke (Tuman/Rayon) (AA 3.2018; vgl. GIZ 9.2018a). Die Republik Usbekistan erlangte 1991 ihre Unabhängigkeit und erhielt 1992 eine demokratische Verfassung (GIZ 9.2018b). Usbekistan ist eine autoritäre Präsidialrepublik mit einer dominanten Position des Präsidenten innerhalb des Machtapparates. Gewaltenteilung, Institutionen und Regeln existieren nur formal. Der Präsident gilt als Vater der Nation sowie als Garant für die Stabilität und Sicherheit des Landes und regiert dieses durch Dekrete. Er ist zugleich Vorsitzender des Ministerkabinetts, welches aus dem Ministerpräsidenten, den stellvertretenden Ministerpräsidenten, den Ministern, den Vorsitzenden der staatlichen Komitees und anderer staatlicher Organe, sowie dem Vorsitzenden des Ministerrates der Autonomen Republik Karakalpakstan, besteht. Der Präsident ernennt und entlässt den Ministerpräsidenten, die stellvertretenden Minister, die Richter des Verfassungs- und des Obersten Gerichts, den Vorsitzenden des Aufsichtsrates der Zentralbank sowie die Gouverneure der Gebietsverwaltungen. Er ist Oberster Befehlshaber der Streitkräfte (GIZ 9.2018b). Am 14.12.2016 übernahm der langjährige Ministerpräsident Shavkat Mirziyoyev offiziell das Amt des Präsidenten der Republik Usbekistan. Mirziyoyev gewann die Präsidentschaftswahlen vom 04.12.2016 mit 88,61 Prozent der Stimmen. Die vorgezogenen Präsidentschaftswahlen wurden angesetzt, nachdem der ehemalige Präsident Islam Karimov am 2.9.2016 gestorben war. Mirziyoyev hatte seit Anfang September 2016 das Land bereits als Interimspräsident geführt (AA 4.2018a; vgl. GIZ 9.2018b). Seit den Parlamentswahlen im Dezember 2004 hat das Land ein Zweikammer-Parlament, bestehend aus dem Unterhaus, Olij Maschlis (Oberste Versammlung) und dem Senat. Das Unterhaus umfasst 150 Abgeordnete, von denen laut Verfassung 135 Vertreter von der wahlberechtigten Bevölkerung gewählt und 15 von der Ökologischen Bewegung Usbekistans ernannt werden. Der Senat umfasst 100 Sitze, von denen 84 aus den Provinzen sowie der Republik Karakalpakstan und der Stadt Taschkent gewählt werden, während die restlichen 16 Senatoren vom Staatspräsidenten ernannt werden (AA 3.2018; vgl. AA 4.2018a). Die letzten Parlamentswahlen fanden am 21.12.2014 (Stichwahl 5.1.2015) statt. Alle vier im Unterhaus vertretenen Parteien stehen der Regierung nahe, andere Parteien durften nicht antreten (AA 4.2018a; vgl. GIZ 9.2018b). Das Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE/ODIHR) stellte in seinem abschließenden Wahlbeobachtungsbericht fest, dass es bei den Wahlen an Wettbewerbsfähigkeit mangelte und den Wählern keine echte Auswahl an politischen Alternativen angeboten wurden. Wahlbeobachter führten schwerwiegende Unregelmäßigkeiten auf, welche mit den nationalen Rechtsvorschriften und den OSZE-Verpflichtungen unvereinbar sind, darunter stellvertretende Stimmabgaben und Wahlfälschung durch das Auffüllen der Wahlurnen mit Stimmzetteln (USDOS 20.4.2018). Die aus der kommunistischen Partei hervorgegangene Xalq Demokratik Partiyasi (Demokratische Volkspartei) hat die Mehrheit der Parlamentssitze inne. Die anderen Parteien im Parlament sind Adolat (Gerechtigkeit), Milliy Tiklanish (Nationale Wiedergeburt), und Fidokorlar (Die sich Aufopfernden), welche alle regierungsnah sind. Im April 2000 fusionierte die Partei Vatan Taraqiyoti (Fortschritt des Vaterlandes) mit Fidokorlar. Die jüngste Neugründung ist die Liberaldemokratische Partei Usbekistans. Die Gründung regierungsnaher Parteien soll die Fassade eines Mehrparteiensystems aufrechterhalten (GIZ 9.2018b). Mahallas (Nachbarschaftsgemeinden) haben Funktionen der lokalen Selbstverwaltung übernommen. In Usbekistan sind sie seit 1992 als gesetzliche Organe der lokalen Selbstverwaltung in den Staatsapparat eingegliedert. Die Mahalla-Kommissionen unterliegen staatlicher Kontrolle, ihre Sekretäre und Vorsitzenden werden vom Staat bezahlt und vom jeweiligen Provinzgouverneur (Hokim) ernannt (GIZ 9.2018b).

Sicherheitslage

Es ist in Usbekistan von einer latenten Gefährdung durch radikale Gruppen auszugehen, die in Teilen Zentralasiens operieren (GIZ 8.2018b). Radikaler politischer Islamismus scheint sich vor allem im Ferganatal zu konzentrieren (GIZ 9.2018c). Landesweit herrscht die Gefahr von Terroranschlägen durch islamistische Gruppen (BMEIA 13.11.2018). Die seit den neunziger Jahren aktive „Islamische Bewegung Usbekistans“ (IBU) ist eine der aktivsten Extremisten-Gruppen in Zentralasien. Die IBU unterstützte lange die Taliban im Nachbarland Afghanistan und war auch in Pakistan aktiv. 2015 legte sie den Treueeid auf den Islamischen Staat (IS) ab (SD 8.4.2017). Usbekistan und Kirgisistan haben sich 2017 darauf geeinigt, einen jahrzehntelangen Grenzstreit über Enklaven im Ferganatal lösen zu wollen, welcher in vorangegangenen Jahren zu Schusswechseln und anderen Formen der Gewalt geführt hat. Insbesondere in der 350 km² großen Enklave Sokh, in der über 50.000 Usbeken leben, sind mehrfach Konflikte zwischen Grenzschutzbeamten und Einheimischen aufgeflammt. Dies führt oft zu Grenz- und Straßensperren durch kirgisische Beamte, was einen Gütermangel zur Folge hatte, der wiederum oft zu neuerlichen Aufständen und Gewalt führte. Neben dem usbekischen Sokh geht es auch um die kirgisische Enklave Barak und die usbekischen Enklaven Shohimardan, Jani-Ayil und Chon Qora/Qalacha (RFE/RL 14.12.2017). Im August 2018 haben sich beide Länder im Fall der Enklave Barak auf einen Gebietstausch gegen Ländereien im Gebiet um das usbekische Grenzdorf Birleshken geeinigt, welcher bis zu zwei Jahre dauern könnte (RFE/RL 15.8.2018).

Rechtsschutz / Justizwesen
Obwohl die Verfassung eine unabhängige Justiz vorsieht, gibt es einige Fälle in denen die Justiz nicht mit völliger Unabhängigkeit und Unparteilichkeit gearbeitet hat (USDOS 20.4.2018). Alle Richter werden vom Präsidenten für eine verlängerbare Amtszeit von fünf Jahren ernannt. Die Absetzung von Richtern des Obersten Gerichtshofs muss vom Parlament bestätigt werden, welches im Allgemeinen den Wünschen des Präsidenten nachkommt (USDOS 20.4.2018). Die Rechtsanwaltskammer, eine Aufsichtsbehörde mit Pflichtmitgliedschaft, dient als Instrument der staatlichen Kontrolle über den Rechtsberuf (FH 1.2018). Die Garantien für ein ordnungsgemäßes Verfahren sind nach wie vor äußerst schwach. Die Strafverfolgungsbehörden haben die Verhaftung von Personen, welche des religiösen Extremismus verdächtigt werden, routinemäßig gerechtfertigt, indem sie Konterbande platzierten, zweifelhafte Anklagen wegen finanzieller Verfehlungen erhoben oder Zeugenaussagen erfanden (FH 1.2018). Obwohl laut dem usbekischen Strafgesetzbuch die Unschuldsvermutung gilt, haben sich die Empfehlungen eines Staatsanwalts im Allgemeinen durchgesetzt. Beklagte haben das Recht, an Gerichtsverfahren teilzunehmen, Zeugen zu befragen und Beweise vorzulegen. Richter lehnten Anträge der Verteidigung jedoch ab, zusätzliche Zeugen vorzuladen oder Beweise, die den Beklagten unterstützen, in die Akte aufzunehmen. Angeklagte haben das Recht auf Vertretung durch einen Anwalt. Bei Bedarf wird ein Rechtsbeistand, und wenn nötig auch ein Dolmetscher, kostenlos zur Verfügung gestellt. Glaubwürdigen Berichten zufolge handelten staatlich bestellte Verteidiger jedoch routinemäßig im Interesse der Regierung und nicht ihrer Mandanten (USDOS 20.4.2018). Die überwiegende Mehrheit der Strafverfahren endeten mit einem Schulspruch. Mitglieder der Justiz sollen Entscheidungen auf Wunsch der Exekutive, der Generalstaatsanwaltschaft oder anderer Strafverfolgungsbehörden, gefällt haben. Gerichte stützen ihre Urteile oft ausschließlich auf Geständnissen oder Zeugenaussagen, die durch Misshandlung, Bedrohung von Familienangehörigen oder anderer Formen von Gewaltanwendung gewonnen wurden. Verteidiger haben Richter gelegentlich aufgefordert Geständnisse abzulehnen und Folterbehauptungen zu untersuchen. Solche Forderungen wurden häufig aber als unbegründet abgelehnt. Foltervorwürfe wurden nicht richtig untersucht und in Gerichtsurteilen wird oft festgehalten, dass Foltervorwürfe dazu dienen würden, sich der strafrechtlichen Verantwortung zu entziehen. Es gibt ein Recht auf Berufung, wobei diese selten zu einer Aufhebung der Verurteilung führt, in einigen Fällen jedoch zu einer Verringerung oder Aussetzung von Strafen (USDOS 20.4.2018). Bürger können bei Zivilgerichten wegen angeblicher Menschenrechtsverletzungen durch Beamte, mit Ausnahme von Ermittlern, Staatsanwälten und Richtern, Klage erheben. Es wird berichtet, dass Bestechungsgelder für Richter Entscheidungen von Zivilgerichten beeinflussen (USDOS 20.4.2018). Im Februar 2017 verabschiedete Usbekistan eine Handlungsstrategie für die Jahre 2017 bis 2021, die Reformen im Justizbereich vorsieht. Dazu gehören neben der Verbesserung der Verwaltungs-, Straf-, Zivil- und Handelsgerichtsbarkeit auch präventive Maßnahmen zur Bekämpfung von Kriminalität und eine verbesserte juristische Ausbildung (AA 4.2018a). Usbekistan hat die Kompetenz zum Ausstellen von Haftbefehlen von der Staatsanwaltschaft auf die Gerichte übertragen („Habeas-Corpus-Prinzip“). Die Umsetzung dieser Maßnahme ist aber nach wie vor nicht abgeschlossen (AA 4.2018a).

Sicherheitsbehörden

Die zivilen Behörden behielten im Allgemeinen eine wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte bei, jedoch sind die zivilen Strukturen von den Sicherheitsdiensten durchdrungen (USDOS 20.4.2018). Usbekistan verfügt über drei Institutionen zur Bekämpfung krimineller Aktivitäten. Für Strafverfolgung, die Aufrechterhaltung der Ordnung und die Untersuchung allgemeiner Verbrechen ist die dem Innenministerium unterstellte Polizei zuständig. Die Generalstaatsanwaltschaft untersucht Gewalttaten wie Mord, außerdem Korruption und Machtmissbrauch durch Beamte. Der Nationale Sicherheitsdienst (SNB), welches über seinen Vorsitzenden direkt dem Präsidenten unterstellt ist, befasst sich mit Fragen der nationalen Sicherheit und der Spionage, welche auch die Bereiche Terrorismus, Korruption, organisierte Kriminalität, Grenzkontrolle und Drogen umfassen (USDOS 20.4.2018). Der Nationale Sicherheitsdienst (SNB) wird für die Verhaftung und Folterung von Hunderten von Bürgern sowie Aktivisten und religiösen Persönlichkeiten verantwortlich gemacht (IWPR 4.4.2018). Es gibt mehrere Berichte, dass die Regierung oder deren Agenten, willkürliche oder rechtswidrige Tötungen - auch durch Folter - begangen haben. Straffreiheit ist ein allgegenwärtiges Problem. Offiziell wird das Innenministerium mit der Untersuchung und Disziplinierung von Beamten beauftragt, die wegen Menschenrechtsverletzungen angeklagt sind. Es gibt keine Fälle in denen es zur Bestrafung kam. Auch das dem Parlament angegliederte Büro des Bürgerbeauftragten für Menschenrechte hat - obwohl seine Entscheidungen nicht verbindlich sind - eine Befugnis zur Untersuchung von Fällen (USDOS 20.4.2018). Ende März verabschiedete das usbekische Oberhaus das Gesetz „Über den Staatlichen Sicherheitsdienst“ und formuliert damit erstmals seit der Unabhängigkeit des Landes einen rechtlichen Rahmen für die Arbeit des Sicherheitsdienstes. Nach dem neuen Gesetz gehört zu den Aufgaben des Sicherheitsdienstes der Schutz der Verfassung, der Souveränität und der territorialen Integrität vor äußeren wie inneren Gefahren. Er ist direkt Präsident Mirziyoyev rechenschaftspflichtig (Novastan 9.4.2018). Am 1.4.2018 hat Präsident Mirziyoyev per Dekret eine umfassende Reorganisation des Nationale Sicherheitsdienstes (SNB) eingeleitet, mit der die bisherige, umfassende Autorität des SNB, beendet wird. Einige Aufgabenbereiche, wie die Sicherung staatlicher Institutionen werden dem Innenministerium unterstellt, andere, wie der Bau und die Instandhaltung von Sicherheitseinrichtungen wurden dem Verteidigungsministerium übertragen. Der SNB wurde im Zuge dessen in Staatssicherheitsdienst (GSB) umbenannt (IWPR 4.4.2018). Der OSZE-Projektkoordinator in Usbekistan unterstützt die usbekische Polizeiakademie bei ihrem Aus- und Weiterbildungsprogramm durch internationale Austauschbesuche und das Einbringen von internationalem Fachwissen in den Ausbildungsplan. Für Mitarbeiter der Abteilung für Menschenrechte und Rechtsschutz des Innenministeriums werden auch Kurse zur Menschenrechtslehre, den Rechten von Jugendlichen und zu Korruption organisiert (OSZE 2018). Im Oktober 2018 fand in Taschkent eine vom OSZE-Projektkoordinator organisierte Schulung für Polizeibeamte statt. Der Fokus der Schulung lag auf der Einhaltung der nationalen und internationalen Menschenrechtsstandards im Polizeidienst, wie die Wahrung der Unschuldsvermutung, das Verbot von Folter und repressiven Praktiken und den Schutz von Würde und Achtung von Zeugen und Verdächtigen in allen Phasen des Ermittlungsprozesses (OSZE 6.11.2018). Im Mai 2018 fand der erste Teil einer Reihe von Kursen zur Erkennung und Untersuchung von Fällen von Menschenhandel statt. Die Schulung ist Teil eines langjährigen Engagements des OSZE-Projektkoordinators in Usbekistan zur Unterstützung des Landes bei der Bekämpfung des Menschenhandels (OSZE 21.5.2018). Geschätzt 12.000 Nachbarschaftskomitees (Mahalla) dienen als Informationsquelle über potenzielle „Extremisten“. Diese Ausschüsse bieten verschiedene soziale Unterstützungsfunktionen an, fungieren aber auch als Informanten in der lokalen Gesellschaft für die Regierung und Strafverfolgung. Mahallas in ländlichen Gebieten waren in der Regel einflussreicher als in Städten (USDOS 20.4.2018).

Folter und unmenschliche Behandlung

Während die Verfassung und Gesetze solche Praktiken verbieten, haben Polizei- und Sicherheitsbeamte regelmäßig Häftlinge geschlagen und misshandelt, um Geständnisse oder belastende Informationen zu erhalten (USDOS 20.4.2018; vgl. AI 22.2.2018; FH 1.2018). Quellen berichteten, dass Folter, grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung in Gefängnissen, Untersuchungseinrichtungen und örtlichen Polizei- und Sicherheitsdienststellen für Personen üblich seien, die wegen religiöser oder extremistischer Anschuldigungen verhaftet oder festgehalten werden. Foltermethoden umfassen harte Schläge, die Verweigerung von Nahrung und Toilettenbenutzung, das Fesseln der Hände und eine Ausübung von psychologischem Druck, einschließlich von Drohungen gegen Familienangehörige (USDOS 20.4.2018). Ein Polizeigesetz aus dem Jahr 2016 verbietet Folter, und ein Präsidialdekret vom November 2017 verbietet es Gerichten Beweise zu verwenden, die durch Folter gewonnen wurden (FH 1.2018). Am 1.6.2018 endete in Taschkent die erste internationale Diskussionsrunde über die Einrichtung eines Nationalen Präventionsmechanismus (NPM) Usbekistans gegen Folter. Bei der vom OSZEProjektkoordinator in Usbekistan und vom Ombudsmann organisierten Veranstaltung nahmen hochrangige Regierungsvertreter, Parlamentarier, Vertreter nationaler Menschenrechtsinstitutionen, ein Mitglied des UN-Unterausschusses zur Verhütung von Folter sowie lokale und internationale Rechtsexperten teil und besprachen die Entwicklung eines Rechtsrahmens gemäß internationaler Normen (OSZE 1.6.2018).

Korruption

Korruption ist allgegenwärtig. Bestechung, wie auch Bestechung unter Beamten niedriger und mittlerer Ebene sind üblich und manchmal sogar transparent. Die mediale Diskussion über korrupte Praktiken hat sich seit Präsident Karimovs Tod vorsichtig ausgeweitet, aber in einigen Fällen sind die beteiligten Journalisten und Kommentatoren - nicht die korrupten Beamten - unter Druck geraten (FH 1.2018). Im Dezember 2016 wurde im Parlament ein neues Gesetz zur Korruptionsbekämpfung verabschiedet, welches die strafrechtlichen Sanktionen für Korruption von Beamten verschärft. Trotz einiger Verhaftungen auf hohen Ebenen, darunter einige Richter, bleibt Korruption endemisch. Strafrechtliche Verfolgung von Beamten durch die Regierung ist weiterhin selten, selektiv, aber oft öffentlich. Beamte sind häufig ungestraft an korrupten Praktiken beteiligt (USDOS 20.4.2018). Es gab eine Reihe von Fällen, in denen untergeordnete Amtsträger verhaftet und als „Opferlämmer“ wegen angeblicher Korruption verfolgt wurden. Diese Strafverfolgung ist jedoch weder systematisch und unparteiisch, noch spiegelt sie eine entschlossene Anti-Korruptionspolitik der usbekischen Regierung und der Strafverfolgungsbehörden wider (BTI 2018). Auf dem weltweiten Korruptionsindex wird Usbekistan 2017 im Bezug auf Korruption im öffentlichen Sektor mit 22 von 100 möglichen Punkten bewertet und liegt damit auf Rang 157 von 180 indizierten Staaten, gleichauf mit den Staaten gleichauf mit Burundi, Haiti und Zimbabwe (TI 21.2.2018). .

NGOs und Menschenrechtsaktvisten
Nicht registrierte Nichtregierungsorganisationen (NGOs) sind mit extremen Schwierigkeiten und Belästigungen konfrontiert (FH 1.2018). In Usbekistan sind mehrere Menschenrechtsgruppen aktiv. Die Regierung versucht, die Aktivitäten von NGOs zu kontrollieren. Die Rahmenbedingungen für eine unabhängige Zivilgesellschaft, insbesondere für Menschenrechtsverteidiger, sind weiterhin restriktiv. Die meisten lokalen NGOs sind gezwungen sich einer staatlich kontrollierten NGOVereinigung anzuschließen, die der Regierung eine weitreichende Aufsicht über deren Finanzierung und Aktivitäten erlaubt. Für Regelverstöße werden hohe Bußgelder verhängt. Auch für internationale NGOs, sind Sanktionen vorgesehen, wenn sie Aktivitäten setzen, welche die Regierung nicht im Vorfeld genehmigt hat (USDOS 20.4.2018). Die Regierung hat zwei einheimische Menschenrechts-NGOs, Ezgulik und die unabhängige Menschenrechtsorganisation Usbekistans, offiziell anerkannt. Vertreter von Ezgulik berichten, dass ihre Arbeit durch Schikanen, Einschüchterungen und Androhungen von Gerichtsverfahren gegen Mitarbeiter weiterhin behindert wird. Andere Menschenrechtsorganisationen, wie Human Rights Alliance, Najot, das Humanitarian Legal Center, die Human Rights Society of Usbekistan, die Expert Working Group und Mazlum (Unterdrückte), konnten sich nicht registrieren, sind aber nach wie vor aktiv. Aktivisten berichten von anhaltender staatlicher Kontrolle und Belästigung. Es gibt Berichte, dass die Polizei und andere Sicherheitskräfte ohne Haftbefehle in die Häuser von Menschenrechtsaktivisten und Mitgliedern religiöser Gruppen eingedrungen sind (USDOS 20.4.2018). 1999 wurde in Usbekistan ein Gesetz zur Arbeit von NGOs verabschiedet. Von den etwa 500 (Stand 2004) registrierten Organisationen im Land, sind etwa zehn Prozent tatsächlich aktiv. Sie sind in hohem Maße von ausländischer Finanzierung abhängig (GIZ 9.2018b). Nach der gewaltsamen Niederschlagung einer Erhebung der Bevölkerung von Andischan im Ferganatal am 12./13.5.2005, bei der je nach Angaben 169 oder 500 bis 1000 Menschen ums Leben kamen, setzte eine Welle von „freiwilligen“ Schließungen von NGOs ein. Zahlreiche ausländische NGOs mussten das Land verlassen. Nun kehren erste ausländische Organisationen zurück (GIZ 9.2018b). Erstmals seit sieben Jahren durfte im September 2017 eine offizielle Delegation von Human Rights Watch ihre erste Feldarbeitsbewertung in Usbekistan durchführen. Eine Reihe von internationalen Menschenrechtsbeauftragten, darunter der VN-Hochkommissar für Menschenrechte, durften ebenfalls das Land und die im Lauf des Jahres freigelassenen politischen Gefangenen besuchen (FH 1.2018). Der Grad, in dem NGOs in der Lage sind, zu arbeiten, ist je nach Region unterschiedlich und abhängig von der Toleranz lokaler Beamter gegenüber den Aktivitäten der NGOs (USDOS 20.4.2018).

Allgemeine Menschenrechtslage

Usbekistan hat wichtige Menschenrechtskonventionen der Vereinten Nationen ratifiziert, darunter den Internationalen Pakt über Bürgerliche und Politische Rechte und das Übereinkommen gegen Folter. Dem stehen aber in der Praxis Menschenrechtsverletzungen gegenüber. Es wird weiterhin von Verhaftungen unter dem Vorwurf des Terrorismus oder der Mitgliedschaft in islamistischen Organisationen bzw. Unterstützung islamischer Fundamentalisten berichtet (AA 4.2018a). Zu den gravierendsten Menschenrechtsfragen in Usbekistan gehörten Folter und Misshandlung von Gefangenen durch Sicherheitskräfte, willkürliche Verhaftung, Isolationshaft, ausgeweitete Haft und manchmal lebensbedrohliche Haftbedingungen, Einschränkungen der Meinungs-, Presse-, Versammlungs-, Vereinigungs- und Religionsfreiheit sowie der Zivilgesellschaft, die Unmöglichkeit, die Regierung in freien, fairen und regelmäßigen Wahlen zu wählen, endemische Korruption, Menschenhandel, einschließlich staatlich veranlasster Zwangsarbeit, und die Inhaftierung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen/Transgender und Intersexuellen (LGBTIPersonen) auf der Grundlage von Gesetzen, welche gleichgeschlechtliches Sexualverhalten kriminalisieren. Es gab keine Berichte über politisch motiviertes langfristiges Verschwinden von Personen durch oder im Auftrag von Regierungsbehörden. In ihrem Jahresbericht von 2017 stellt die in Genf ansässige Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen zu erzwungenem oder unfreiwilligem Verschwinden fest, dass es sieben Fälle aus den Vorjahren gibt. Nach Angaben der Arbeitsgruppe hat die Regierung nicht auf Anfragen der Gruppe, das Land besuchen zu dürfen reagiert (USDOS 20.4.2018). Präsident Mirziyoyev hat einige Schritte unternommen, um Usbekistans „katastrophale“ Menschenrechtsbilanz zu verbessern, wie z.B. die Freilassung einiger politischer Gefangener, die Lockerung bestimmter Einschränkungen der Meinungsfreiheit, die Streichung von Bürgern von der berüchtigten „schwarzen Liste“ der Sicherheitsdienste und eine stärkere Rechenschaftspflicht staatlicher Institutionen gegenüber der Bürger (HRW 18.1.2018; vgl. AI 22.2.2018). Die Regierung arbeitet mit Vertretern der Vereinten Nationen (VN) sowie mit VNSonderorganisationen wie der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und weiteren internationalen Organisationen, welche die Menschenrechte überwachen, zusammen und erlaubt Besuche (USDOS 20.4.2018). Das nationale Zentrum für Menschenrechte (National Human Rights Center - NHRC), eine Regierungsbehörde, ist für die Aufklärung von Öffentlichkeit und Beamtenschaft über die Grundsätze von Menschenrechten und Demokratie zuständig und soll sicherstellen, dass die Regierung ihren internationalen Verpflichtungen zur Bereitstellung von Menschenrechtsinformationen nachkommt. Das NHRC arbeitete mit der OSZE bei der Entwicklung eines nationalen Aktionsplans für Menschenrechte zusammen (USDOS 20.4.2018). Im Mai 2017 besuchte Zeid Ra'ad Al Hussein, Hoher Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte, die Republik Usbekistan. Dies war der erste Besuch eines Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte, seit dessen Etablierung im Jahr 1993. Erstmals nach sieben Jahren war es auch der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch Anfang .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 17 von 40 September 2017 möglich die Republik Usbekistan zu besuchen. 2017 und auch bereits 2018 wurde eine Reihe langjähriger politischer Gefangener freigelassen. Eine zunehmende Anzahl von Strafurteilen wurde in den vergangenen Monaten überprüft und aufgehoben (AA 4.2018a).

Haftbedingungen

Die Haftbedingungen in usbekischen Gefängnissen stellen sich aufgrund von Nahrungsmangel, schwerer Überbelegung, körperlichem Missbrauch und unzureichenden hygienischen und medizinischen Bedingungen, unter Umständen hart und lebensbedrohlich dar (USDOS 20.4.2018; vgl. FH 1.2018). Inhaftierte Verdächtige und verurteile Gefängnisinsassen, insbesondere solche, die wegen ihres Glaubens verurteilt wurden, sind oft Folter und anderen Misshandlungen ausgesetzt (FH 1.2018). Häftlinge, die wegen des versuchten Umsturzes der verfassungsmäßigen Ordnung verurteilt worden sind, werden von den übrigen Häftlingen getrennt eingesperrt. Politische Gefangene werden in Zellen ohne ausreichender Belüftung festgehalten und sind im Winter Temperaturen unter dem Gefrierpunkt und im Sommer um die 50°C ausgesetzt. Freigelassene politische Gefangene berichten von Folter. Internationale und nationale Menschenrechtsorganisationen schätzten, dass mehrere hundert bis zu tausend Personen aus politischen Gründen inhaftiert sind. Diese, von der Regierung geleugneten Angaben, sind nicht unabhängig überprüfbar. Politischen Häftlingen wird der Zugang von Menschenrechts- oder humanitären Organisationen, wie der Internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmond-Gesellschaften, verweigert (USDOS 20.4.2018). Das Besuchsrecht ist häufig von der Zahlung eines Bestechungsgeldes an Beamte abhängig. Angehörige von Gefangenen, die wegen religiöser oder extremistischer Anschuldigungen festgehalten werden, berichten von willkürlicher Verweigerung, Verzögerung und Verkürzung des Besuchsrechts. Ebenso werden Informationen über die Gesundheits- und Disziplinarunterlagen von Familienmitgliedern vorenthalten. Im Unterschied zu vorangegangenen Jahren wurden keine Fälle sexuellen Missbrauchs von Häftlingen gemeldet. Häftlinge sind nicht in der Lage ihr Recht auf freie Religionsausübung zu praktizieren (USDOS 20.4.2018). Familienangehörige und NGOs berichten, dass manchmal Gefangene, insbesondere solche, die wegen religiösem Extremismus verurteilt wurden, nach Ablauf ihrer Haftstrafe nicht enthaftet werden. Haftzeiten werden wegen Vorwürfen zusätzlicher Verbrechen, vagen Verstößen gegen Gefängnisregeln oder die Behauptung, dass die Häftlinge eine Gefahr für die Gesellschaft darstellen würden, verlängert (USDOS 20.4.2018). Die Strafvollzugsbehörden setzten auch 2017 Artikel 221 des usbekischen Strafgesetzbuches über „Verstöße gegen die Strafvollzugsordnung“ ein, um Strafen für politische Gefangene willkürlich zu verlängern (HRW 18.1.2018). Beamte der Gefängnisverwaltung berichten, dass es in den Gefängnissen ein Tuberkuloseprogramm (TB), ein HIV/AIDS-Behandlungs- und Präventionsprogramm und die Behandlungsmöglichkeit für Hepatitispatienten gibt. Die TB-Infektionsrate ist weiterhin hoch, Hepatitis ist nicht in hoher Zahl vorhanden. Berichte über solche Behandlungen kann nicht unabhängig verifiziert werden, da der Zugang zu solchen Einrichtungen häufig verweigert wird (USDOS 20.4.2018). Unabhängigen Beobachtern wird von den Behörden der Zugang nur zu bestimmten Strafvollzugsanstalten, wie Untersuchungshaftanstalten, Jugend- und Frauengefängnisse sowie Gefängnisansiedlungen, gestattet. Vom 15. bis 19. September besuchte UNICEF gemeinsam mit der Generalstaatsanwaltschaft das Gefängnis für jugendliche Straftäter (Jugendkolonie) und zwei Justizvollzugsanstalten. Das Internationale Komitee für das Rote Kreuz hat seit 2013 keine Gefangenen mehr besucht. Im Oktober besuchte der UN-Sonderberichterstatter für Religions- und Glaubensfreiheit, Ahmed Ahmed Shaheed, das Hochsicherheitsgefängnis Jaslyk (USDOS 20.4.2018).

Todesstrafe

Usbekistan hat mit Wirkung vom 1.1.2008 die Todesstrafe gesetzlich für alle Verbrechen abgeschafft (AA 4.2018a; vgl. AI 12.4.2018).

Bewegungsfreiheit

Die Verfassung garantiert Bewegungsfreiheit im In- und Ausland, jedoch wird diese in der Praxis eingeschränkt (USDOS 20.4.2018). Für den Umzug in eine neue Stadt ist eine Genehmigung erforderlich und häufig werden Bestechungsgelder gezahlt, um erforderliche Dokumente zu erhalten (FH 1.2018). Für den Umzug nach Taschkent ist beispielsweise eine behördliche Aufenthaltsgenehmigung oder der Erwerb einer Immobilie notwendig. Nicht registrierte Personen in Taschkent erhalten keine städtischen Dienstleistungen, können nicht legal arbeiten, ihre Kinder nicht zur Schule schicken und erhalten keine routinemäßige medizinische Versorgung (USDOS 20.4.2018). Bürger Usbekistans sind verpflichtet für Reisen außerhalb der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) Ausreisevisa zu beantragen (USDOS 20.4.2018; vgl FH 1.2018). Generell gewährt die Regierung Bürgern und Ausländern mit Daueraufenthaltsberechtigung die erforderlichen Ausreisevisa, um außerhalb der GUS zu reisen oder um auszuwandern. Ein Visum kann jedoch auch verweigert werden, wobei die Bestimmungen dafür schlecht definiert sind und Bescheide nicht angefechtet werden können. Der Verstoß gegen die Ein- und Ausreisebestimmungen wird mit einer Freiheitsstrafe von fünf bis zehn Jahren bedroht (USDOS 20.4.2018). Präsident Mirziyoyev kündigte an, dass die Ausreisevisa bis Jänner 2019 abgeschafft werden sollen (FH 1.2018; vgl. AI 22.2.2018; HRW 18.1.2018). Dennoch wurde die Reisefreiheit von neu entlassenen Häftlingen, welche aus politischen Gründen verurteilt worden waren eingeschränkt und einige ehemalige Häftlinge wurden daran gehindert, für eine dringende medizinische Behandlung ins Ausland zu reisen (AI 22.2.2018).

Grundversorgung und Wirtschaft

Auch im 27. Jahr seiner Unabhängigkeit befindet sich Usbekistan noch im Übergang von einer sowjetisch-zentralistischen Planwirtschaft zu einem marktwirtschaftlich orientierten System. Allerdings ist es das erklärte Ziel der Regierung, Wirtschaftsliberalisierung, Privatisierungen und Strukturreformen nun endlich voranzutreiben, um das Land attraktiver für ausländische Investitionen zu machen. Im September 2017 wurde daher u.a. eine Liberalisierung des bislang sehr restriktiven Devisenbewirtschaftungssystems eingeleitet. Außerdem wurden neue Sonderwirtschaftszonen ausgerufen, Zölle und Handelsbeschränkungen abgebaut. Bereits seit Längerem gibt es Förderprogramme für kleinere und mittlere Unternehmen (AA 4.2018b). Das BIP wuchs 2017 um ca. 5,3 Prozent. Wichtigste Wirtschaftszweige Usbekistans sind die Industrie, der Bergbau und die Landwirtschaft. Der Industriesektor ist offiziellen Angaben zufolge 2017 um 1,5 Prozent gewachsen. Hauptindustriezweige sind die Brennstoffindustrie (Gasverarbeitung), Maschinenbau, Metallverarbeitung, und Elektrotechnik (in dieser Gruppe insbesondere die Auto-Industrie mit ihrem Aushängeschild, dem Werk „GM-Uzbekistan“ im Ferganatal), die Leichtindustrie (v.a. Textil) sowie das Hüttenwesen (Metallurgie). Usbekistan ist reich an Bodenschätzen wie Gold, Kupfer, Uran, Kohle und Erdgas. Gleichwohl gehört Usbekistan zu den ärmsten Ländern der GUS. Mit einem Bruttonationaleinkommen pro Kopf von 1.520,5 USDollar - das nominelle Bruttoinlandsprodukt betrug laut offizieller usbekischer Statistik im Jahr 2017 48,8 Mrd. US-Dollar - zählt Usbekistan zu den “lower middle income“ Ländern der WeltbankKlassifikation. Größter Handelspartner Usbekistans ist China mit einem Anteil von 18,5 Prozent am gesamten Außenhandel (AA 4.2018b). Wichtigster Wirtschaftszweig ist die Landwirtschaft mit ca. 60 Prozent der Beschäftigten und einem Anteil von ca. 30 Prozent am BIP (GIZ 8.2018a). Erhebliche Teile der Bevölkerung sind nach wie vor von Armut bedroht. Die staatlichen Gehälter und Renten sind sehr niedrig. Viele Familien würden nicht überleben, wenn sie keine Überweisungen von ihren im Ausland tätigen Verwandten erhalten würden (BTI 2018). Der Lebensstandard der Bevölkerung ist niedrig, etwa 17 Prozent der Einwohner leben unterhalb der Armutsgrenze (Brockhaus 13.11.2018).

Sozialsystem

Usbekistan hat versucht trotz des Systemwechsels ein dichtes soziales Netz aufrechtzuerhalten. Zwischen 1991 und 1994 fand eine schrittweise Umgestaltung des sozialen Sicherungssystems statt, in deren Verlauf die Ausgaben den verminderten finanziellen Möglichkeiten des Staates angepasst wurden. Seit 1995 ist der Staat bemüht, die Zielgenauigkeit der Sozialleistungen zu verbessern, d.h. allgemeine staatliche Zuwendungen aufzugeben zugunsten von Hilfen für wirklich bedürftige Gruppen. Diese Ziele wurden v.a. durch vier sozialpolitische Komponenten verfolgt (GIZ 9.2018c). 1. Das Mahalla-System Die usbekische Regierung schuf das Mahalla-System zur dezentralisierten Unterstützung von bedürftigen Familien. Dabei handelt es sich um lokale Selbstverwaltungsorgane, die staatliche Gelder erhalten, um diese weiter zu verteilen (GIZ 9.2018c). 2. Unterstützung für Mütter und Kinder Für Familien mit Kindern, die nur über ein geringes Einkommen verfügen, gibt es weitere Möglichkeiten, öffentliche Unterstützung zu erhalten, wie Einmalzahlung zur Geburt eines jeden Kindes (zweifacher Mindestlohn), Kindergeld (für unter zweijährige in 1,5facher Höhe des Mindestlohnes), Extra-Leistungen und Steuerermäßigungen für Familien mit behinderten Kindern, Unterstützungszahlungen für Kinder unter 16 Jahren (50 Prozent des Mindestlohns für das erste Kind, 100 Prozent für das zweite Kind, 140 Prozent für das dritte Kind und 170 Prozent ab dem vierten Kind) und materielle Leistungen für bedürftige Familien, z.B. Winterkleidung für Kinder (GIZ 9.2018c). Im Falle einer Mutterschaft werden 100 Prozent des Einkommens 56 Tage vor und 56 Tage nach dem Geburtstermin bezahlt. Im Fall von Komplikationen oder Mehrfachgeburten kann der Unterstützungszeitraum auf 70 Tage ausgeweitet werden. Berufstätige Mütter, die unter zwei jährige Kinder betreuen erhalten 200 Prozent des monatlichen Mindestlohns, während Mütter für die Betreuung eines Kindes zwischen zwei und drei Jahren unbezahlten Urlaub nehmen müssen. Der monatliche Mindestlohn beträgt 149.775 Soms (Stand Oktober 2016) (SSA 3.2017). 3. Das Pensionssystem Die arbeitende Bevölkerung kommt für den Unterhalt der Pensionsbezieher auf. Anspruch auf Pension haben Alte (Männer ab 60, Frauen ab 55 Jahren), Arbeitsunfähige und Familien, die den Ernährer verloren haben (GIZ 9.2018c). Die Rente wird einkommensabhängig ausgezahlt und beträgt 55 Prozent des durchschnittlichen Monatsverdienstes von fünf aufeinander folgenden Jahren in den letzten zehn Jahren, für Versicherte mit hohem und mittlerem Einkommen. Personen mit niedrigem Einkommen erhalten die minimale monatliche Altersrente. Unter niedrigem Einkommen versteht man ein durchschnittliches Monatseinkommen unter der monatlichen Mindestrente. Mit Stand Oktober 2016 beträgt die minimale monatliche Rente 292.940 Soms. Die Leistungen werden an die Entwicklung der Lebenserhaltungskosten angepasst (SSA 3.2017). Die Pensionen sind zwar im Verhältnis zum vorherigen Einkommen großzügig bemessen, können aber angesichts sehr niedriger Gehälter und Löhne kein Existenzminimum sichern. Derzeit arbeitet die Regierung an einer umfassenden Rentenreform, die auch Möglichkeiten der privaten Altersvorsorge miteinbeziehen soll (GIZ 9.2018c). Es gibt auch eine Invalidenrente, die nach drei Invaliditätskategorien ausbezahlt wird: Gruppe I (Vollinvalidität, Arbeitsunfähigkeit und ständige Anwesenheit), Gruppe II (Vollinvalidität, Arbeitsunfähigkeit und nicht ständige Anwesenheit) und Gruppe III (Teilinvalidität und Arbeitsunfähigkeit). Personen in den Invaliditätsgruppen I und II erhalten bei weniger als 25 Jahren Erwerbstätigkeit bei Männern und weniger als 20 Jahren Erwerbstätigkeit bei Frauen 55 Prozent des durchschnittlichen Monatslohns eines aufeinander folgenden Fünfjahreszeitraums in den letzten zehn Jahren. Bei mehr Erwerbsjahren sind es 100 Prozent. Personen in der Invaliditätsgruppe III erhalten 30 Prozent des durchschnittlichen Monatslohns eines aufeinander folgenden Fünfjahreszeitraums in den letzten zehn Jahren. Die monatliche Mindestrente für Personen der Invaliditätsgruppen I und II beträgt 100 Prozent der monatlichen Mindestrente von 292,940 Soms, für Personen in der Invaliditätsgruppe III sind es 50 Prozent (SSA 3.2017). 4. Arbeitslosenunterstützung Schon kurz nach der Unabhängigkeit führte die usbekische Regierung einen Beschäftigungsfond ein, der aus den Beiträgen der Arbeitnehmer in Höhe von 2,5 Prozent des Lohnes finanziert wird. Die Unterstützung, die Arbeitslose aus diesem Fonds erhalten, ist so gering, dass nur ein kleiner Teil der Arbeitslosen die Auszahlung überhaupt beantragt (GIZ 9.2018c). Um sich für Arbeitslosenunterstützung zu qualifizieren, muss die Person in den letzten zwölf Monaten mindestens zwölf Wochen gearbeitet haben oder sich zum ersten Mal als Arbeitssuchender registrieren. Weitere Voraussetzungen sind Arbeitsfähigkeit und -willigkeit, und dass kein Einkommen aus einer Beschäftigung erarbeitet wird. Die Leistung kann gekürzt, ausgesetzt oder beendet werden, wenn der Versicherte wegen eines Verstoßes gegen die Arbeitsdisziplin entlassen wurde, das Dienstverhältnis ohne wichtigen Grund beendet hat, die Bedingungen für eine Arbeitsvermittlung oder Berufsausbildung verletzt wurde oder betrügerische Ansprüche geltend gemacht hat (SSA 3.2017). Im Falle von Krankheit gibt es finanzielle Unterstützung für Bürger Usbekistans, die in Beschäftigungsverhältnis stehen, sich in der Aus- und Weiterbildung befinden oder registrierte Arbeitslose sind. Im Krankheitsfall beläuft sich die Unterstützung auf 60 Prozent des letzten Monatsgehalts bei weniger als acht Jahren ununterbrochener Beschäftigung und 80 Prozent bei über acht Jahren Beschäftigung (SSA 3.2017). Der Anteil der Sozialausgaben am öffentlichen Haushalt ist im Gegensatz zu den meisten anderen Staaten konstant geblieben. Berücksichtigt man allerdings das gesunkene BIP, ergibt sich absolut betrachtet eine Abnahme der öffentlichen Sozialleistungen. Der Staat fühlt sich also nach wie vor zur sozialen Fürsorge verpflichtet, kann der weitverbreiteten Bedürftigkeit aber aufgrund beschränkter Mittel und zu wenig zielgerichteter Verteilung nicht nachkommen. Die Zahlen zu unter- und fehlernährten Kindern sprechen hier eine deutliche Sprache (GIZ 9.2018c).

Medizinische Versorgung

Die Gesundheitsversorgung ist unterfinanziert. Das in der Sowjetunion relativ leistungsfähige, stark zentralisierte und subventionierte Gesundheitswesen ist kaum noch in der Lage eine ausreichende flächendeckende Gesundheitsversorgung aufrechtzuerhalten. Armutsbezogene Krankheiten, wie Tuberkulose, aber auch HIV/AIDS sind auf dem Vormarsch. Einige unabhängige Experten schlagen Alarm und weisen auf katastrophale Zustände im Gesundheitssystem des Landes hin (GIZ 9.2018c). Das staatliche Gesundheitssystem besteht aus drei hierarchischen Ebenen: der nationalen (republikanischen) Ebene, der Viloyat- (regionalen) Ebene und der lokalen Ebene, die sich aus ländlichen Tumanen (Bezirken) oder Städten zusammensetzt. Daneben existiert ein relativ kleiner Privatsektor (BDA 22.9.2017). Die Verfassung garantiert usbekischen Bürgern freien Zugang zur Gesundheitsversorgung. Öffentliche Primärgesundheitszentren gewährleisten eine flächendeckende Versorgung mit staatlich garantierter Heil- und Vorsorgepflege. Das von der Regierung garantierte Grundleistungspaket umfasst die Grundversorgung, die Notfallversorgung, die Versorgung unter sozial schwierigen und gefährlichen Bedingungen (insbesondere bei schweren, übertragbaren Krankheiten sowie bei einigen nicht übertragbaren Krankheiten, wie schlechte psychische Gesundheit und Krebs) sowie die spezielle (sekundäre und tertiäre) Versorgung von Bevölkerungsgruppen, die von der Regierung als gefährdet eingestuft werden. Medikamente, die während der stationären Versorgung verabreicht werden, sind im Basisleistungspaket enthalten und werden kostenlos abgegeben. Ambulant verschriebene Medikamente sind nur für von der Regierung deklarierte Bevölkerungsgruppen, wie Veteranen des Zweiten Weltkriegs, HIV/AIDSPatienten, Patienten mit Diabetes oder Krebs, sowie bei Hilfsorganisationen registrierte, alleinstehende Rentner, kostenlos (BDA 22.9.2017). Da das vom Staat bereitgestellte Budget nicht ausreicht, um alle Kosten zu decken, wird erwartet, dass Patienten informelle Zahlungen in Form von Geschenken oder Bestechungsgeldern leisten. In sekundären und tertiären Pflegeeinrichtungen wird zunehmend auch der Ansatz von formellen Zahlungen gefördert (BDA 22.9.2017). Aufgrund finanzieller Probleme ist der Standard des staatlichen Gesundheitswesens, besonders in den ländlichen Regionen, stark beeinträchtigt. 2014 kamen durchschnittlich auf 1.000 Einwohner 2,7 Ärzte und 4,4 Krankenhausbetten. (Brockhaus 13.11.2018). Das Gesetz schützt HIV-Infizierte vor Diskriminierung und sieht eine kostenlose Gesundheitsversorgung vor. Personen, von denen bekannt wurde, dass sie HIV-positiv sind, berichteten über darauf folgende soziale Isolation und Diskriminierung durch Mitarbeiter öffentlicher Einrichtungen, Gesundheitspersonal, Strafverfolgungsbehörden, Vermieter und Arbeitgeber. Das Militär hat HIV-positive Rekruten aus der Armee ausgestoßen (USDOS 20.4.2018). LGBTI (Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transsexuelle/Transgender und Intersexuelle) Aktivisten berichteten, dass Krankenstationen die persönliche Geschichte von HIV-infizierten Patienten überprüften und sie als Drogenabhängige, Homosexuelle oder an Prostitution beteiligte Personen einstuften. Diejenigen, die den Aktenvermerk „homosexuell“ erhielten, wurden zur polizeilichen Überprüfung verweisen, da Homosexualität zwischen Männern eine Straftat ist (USDOS 20.4.2018).

Rückkehr
Die Internationale Organisation für Migration (IOM) ist in Usbekistan mit dem Assisted Voluntary Return and Reintegration Programm (AVRR) zur unterstützten freiwilligen Rückkehr und Reintegration aktiv. In den Jahren 2016 und 2017 haben jeweils weniger als 100 usbekische Staatsbürger Leistungen im Rahmen des AVRR-Programms in Anspruch genommen (IOM 2017; vgl IOM 2018). Bis Ende 2014 gab es keine konkreten Beweise für Verhaftungen oder Verurteilungen von nach Usbekistan zurückgekehrten Asylbewerbern, ohne politischen oder religiösen Hintergrund. Im Dezember 2014 wurden sechs ehemalige Asylbewerber, die aus Norwegen nach Usbekistan zurückkehrten, wegen verfassungsfeindlicher Aktivitäten zu zwölf und 13 Jahren Haft verurteilt. Seit der Amtsübernahme von Präsident Mirziyoyev im Dezember 2016 wurden einige Veränderungen zum Besseren beobachtet (Landinfo 18.4.2018). Präsident Mirziyoyev hat sich auch an die große usbekische Diaspora gewandt und sie aufgefordert, zurückzukehren und die wirtschaftliche Liberalisierung des Landes zu unterstützen (Euromoney 4.10.2018). Im Jahr 2015 kehrten 300.000 bis 350.000 Arbeitsmigranten aus Russland nach Usbekistan zurück. Da die Behörden wegen der Massenrückkehr von Bürgern, die keine Arbeit finden konnten ernste soziale Spannungen befürchteten, wurde einerseits ein Programm zur Schaffung von Arbeitsplätzen genehmigt, andererseits das Überwachungssystem für zurückkehrende Bürger verstärkt. Insbesondere die Mahalla-Kommitees berichteten über die Bürger. Dieses Klima hat dafür gesorgt, dass viele Arbeitsmigranten wieder nach Russland zurückkehrten (Regnum 14.8.2017). Die usbekischen Behörden versuchen Arbeitsplätze für zurückkehrende Migranten zu schaffen. Der stellvertretende Minister für Arbeit und Sozialschutz, Furkat Khalilov, erinnerte in einem Interview mit der RIA Novosti daran, dass 2015 für Wanderarbeiter, die in ihre Heimat zurückkehren wollten 409.500 Arbeitsplätze geschaffen wurden. Ein spezielles Regierungsprogramm liefert in sieben Regionen des Landes Arbeitsplätze für zurückkehrende Migranten. Gleichzeitig erhalten sie Unterstützung von der Regierung und Kleinkredite von Geschäftsbanken (Stan Radar 3.2.2017). Der prominente usbekische Menschenrechtsaktivist und Kritiker des verstorbenen Präsidenten Islam Karimow ist am 26.9.2018, nach mehr als einem Jahrzehnt im Exil in Frankreich, nach Usbekistan zurückgekehrt. Beamte der usbekischen Botschaft in Paris haben ihn Mitte August kontaktierten, um ihm mitzuteilen, dass er mit einem Jahresvisum nach Usbekistan zurückkehren kann. Ihm wurde 2014 die usbekische Staatsbürgerschaft aberkannt (RFE/RL 27.9.2018). Die Behörden haben weiterhin Rückführungen usbekischer Staatsangehöriger, welche als Bedrohung für die „verfassungsmäßige Ordnung“ oder die nationale Sicherheit angesehen werden, erzwungen. Einerseits durch Auslieferungsverfahren, andererseits durch Entführungen durch NSSOffiziere. Die Entführten oder anderweitig zurückgeholten Personen werden in Isolationshaft genommen, gefoltert oder anderweitig misshandelt, um Geständnisse oder die Belastung anderer zu erzwingen. In vielen Fällen drängten die Sicherheitskräfte die Angehörigen dazu, keine Unterstützung von Menschenrechtsorganisationen zu suchen oder Beschwerden über Menschenrechtsverletzungen einzureichen (AI 22.2.2018)

Weiters stellte das Bundesamt zur COVID-19-Pandemie vorab fest:

„Derzeit herrscht weltweit die als COVID-19 bezeichnete Pandemie. COVID-19 wird durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursacht. In ihrem Herkunftsstaat Usbekistan wurden bisher 169.989 Fälle von mit diesem Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen, wobei bisher diesbezügliche 1.203 Todesfälle bestätigt wurden (https://coronavirus.jhu.edu/map.html, abgerufen am 22.09.2021). Wie gefährlich der Erreger SARS-CoV-2 ist, kann derzeit noch nicht genau beurteilt werden. Man geht aber von einer Sterblichkeitsrate von bis zu drei Prozent aus, wobei v.a. alte Menschen und immungeschwächte Personen betroffen sind (https://www.sozialministerium.at/Informationen -zum-Coronavirus-/Coronavirus---Haeufig-gestellte-Fragen.html, abgerufen am 22.09.2021).“

13. Die Verwaltungsakten langten vollständig beim Bundesverwaltungsgericht am 27.09.2021 ein.

14. Mit Schriftsatz vom 22.09.2021 brachte der Beschwerdeführer eine Stellungnahme („Beschwerdeergänzung“) ein. Darin wurde sinngemäß ausgeführt, dass der Beschwerdeführer und dessen Ehegattin Familienangehörige iSd § 2 Abs. 1 Z 22 lit b AsylG 2005 seien. Gemäß § 34 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 seien die Verfahren auf internationalen Schutz gemeinsam zu führen und zu prüfen. Das Asylverfahren der Ehegattin sei bereits zur inhaltlichen Prüfung zugelassen, somit komme ihr faktischer Abschiebeschutz gemäß § 12 Abs. 1 AsylG 2005 zu. Derselbe Schutzumfang sei auch dem Beschwerdeführer zu gewähren. Die Gewährung desselben Schutzes für Familienangehörige diene zur Aufrechterhaltung des Familienlebens. Die Kernfamilie (Ehegatten und Kinder) würden eine untrennbare soziale Einheit darstellen. Im Falle der Verfolgung eines Familienmitgliedes bestehe die Verfolgungsgefahr für alle anderen Familienangehörigen. Die Entscheidung der Behörde stehe somit im klaren Widerspruch zum Gesetz sowie zum Willen des Gesetzgebers und sei daher grob rechtswidrig.

15. Mit Schriftsatz vom 30.09.2021 übermittelte der Beschwerdeführer die Meldebestätigung sowie die Verfahrenskarte seiner Ehegattin.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer stellte am 14.07.2018 einen Erstantrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.03.2019, GZ: W215 2214356-1/7E, rechtskräftig abgewiesen und gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG erlassen. Das Bundesamt erließ am 10.08.2021 einen Festnahmeauftrag, weil gegen den Beschwerdeführer ein Auftrag zur Abschiebung erlassen werden sollte. Der Beschwerdeführer wurde am 01.09.2021 nach der mündlichen Verhandlung vor dem Straflandesgericht zu XXXX aufgrund des Festnahmeauftrages vom 10.08.2021 festgenommen.

1.2. Während polizeilicher Anhaltung stellte der Beschwerdeführer am 01.09.2021 einen Asylfolgeantrag. Der Beschwerdeführer wurde am 22.09.2021 vor dem Bundesamt zu seinem neuerlichen Antrag niederschriftlich einvernommen. Der Beschwerdeführer begründete den Folgeantrag damit, dass die alten Fluchtgründe noch aufrecht seien, dazu kämen jedoch die Probleme mit seiner Frau. Auf die Frage welche Probleme seine Ehegattin habe, gab der Beschwerdeführer an: „100%-ig kann ich das nicht sagen. Sie hat mir etwas erzählt. Sie hatte im Heimatland als Buchhalterin gearbeitet und die Probleme sind aufgrund ihres Chefs entstanden. Sie konnte über das Telefon nicht so viel erzählen.“ Auf die Frage, inwiefern der Beschwerdeführer von den Fluchtgründen seiner Ehegattin betroffen sei, antwortete der Beschwerdeführer: „Wenn das meine Frau betrifft, dann denke ich, dass das etwas mit Geld zu tun hat, dann betrifft das sicher auch mich, weil ich ein Familienmitglied bin. Ich habe meine Frau schon lange nicht mehr gesehen und möchte mit ihr zusammen sein. Wie ich schon gesagt habe, habe ich sehr viele Probleme und dazu kommen noch die Probleme meiner Frau. Ich bin dagegen in mein Heimatland zurückzukehren. Ich wurde bedroht und dazu hat auch meine Frau Probleme.“

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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