TE Bvwg Erkenntnis 2021/11/17 W251 2248266-1

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Veröffentlicht am 17.11.2021
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Entscheidungsdatum

17.11.2021

Norm

AsylG 2005 §10
BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W251 2248266-1/2Z

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Angelika SENFT über die Beschwerden von XXXX , geboren am XXXX , StA. Serbien, vertreten durch RA Mag. Stefan ERRATH, gegen Spruchpunkt IV. des Bescheides des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 08.10.2021, Zl. 1196042506-180956311 betreffend die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung zu Recht:

A)       

Der Beschwerde wird die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG zuerkannt.

B)       

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer ist serbischer Staatsangehöriger.

Er wurde bereits am 19.06.2018 in Österreich bei einer Personenkontrolle aufgegriffen. Der Beschwerdeführer hielt sich seit 23.08.2017 in Österreich auf, er hat den sichtvermerkfreien Zeitraum überschritten. Der Beschwerdeführer reiste am 11.03.2019 freiwillig nach Serbien zurück.

Der Beschwerdeführer reiste neuerlich nach Österreich. Teilweise hielt er sich in Serbien auf, teilweise in Österreich. In Österreich leben die Ehefrau und zwei minderjährige Kinder des Beschwerdeführers. In Serbien leben ein weiteres minderjähriges Kind des Beschwerdeführers sowie weitere Verwandte.

Mit dem hier angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.10.2021 wurde dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteil (Spruchpunkt I.), es wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt II.), festgestellt, dass eine Abschiebung nach Serbien zulässig ist (Spruchpunkt III.), einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.), keine Frist für eine freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt V.), und ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.).

Das Bundesamt führte im Bescheid im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer serbischer Staatsangehöriger sei und die sichtvermerkfreie Zeit mehrfach überschritten habe. Zudem sei er mittellos, er könne sich nicht auf eine finanzielle Unterstützung durch seine Frau berufen, da diese seit 2011 beinahe durchgehend abwechselnd Arbeitslosengeld, Notstandshilfe bzw. Überbrückungshilfe erhalte. Er habe mehrfach gegen Meldevorschriften verstoßen. Die Missachtung der Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen stelle einen schwerwiegenden Missbrauch dar. Der Beschwerdeführer stelle daher eine Gefährdung für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar. Er sei seit 04.04.2017 mit einer serbischen Staatsangehörigen verheiratet, die eine Aufenthaltsberechtigung (Rot-Weiß-Rot Karte plus) für Österreich habe und er habe mit dieser zwei minderjährige Kinder, für die er die gemeinsame Obsorge habe. Diese beiden Kinder leben in Österreich. Der Beschwerdeführer habe zudem ein weiteres Kind. Dieses lebe jedoch in Serbien und leidet am Down-Syndrom. Das vom Beschwerdeführer in Österreich gegründete Familienleben sei jedoch zu einem Zeitpunkt entstanden, als sich der Beschwerdeführer seines illegalen Aufenthalts bewusst gewesen sei. Er habe auch während seiner Aufenthalte in Serbien Kontakt zu seinen in Österreich lebenden Kindern und der Ehefrau halten können. Auch seine in Österreich lebenden Kinder können den Beschwerdeführer in Serbien besuchen, sodass auch auf diese Weise ein Kontakt aufrecht erhalten werden könne. Das öffentliche Interesse an der Einhaltung der fremdenrechtlichen Bestimmungen sei daher höher zu bewerten als die privaten Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib in Österreich. Zudem sei einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung abzuerkennen, da eine sofortige Ausreise des Beschwerdeführers im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich sei und zudem Fluchtgefahr bestehe.

Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid fristgerecht Beschwerde. Er brachte im Wesentlichen vor, dass er mit einer für Österreich zum dauernden Aufenthalt berechtigten serbischen Staatsbürgerin verheiratet sei. Die beiden minderjährigen gemeinsamen Kinder leben ebenfalls in Österreich. Er habe sich nach seiner Ausreise im Frühjahr 2019 teilweise in Österreich und teilweise in Serbien aufgehalten. Er habe die sichtvermerkfreien Zeiträume nach dem Frühjahr 2019 stets eingehalten. Da er einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch gegenüber seiner Ehefrau habe, sei er nicht mittellos. Diese verfüge über ein Karenzgeld von EUR 44 pro Tag sowie Kinderbeihilfe von EUR 367. Mit diesem Einkommen können zwar die NAG Richtsätze nicht nachgewiesen werden, jedoch seien diese für die Beurteilung der Mittellosigkeit nach dem FPG nicht einschlägig. Aufgrund der Richtsätze des NAG sei jedoch die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf Dauer nicht zu erwarten. Der Beschwerdeführer könne jedoch in Österreich einer Arbeit nachgehen und den notwendigen Unterhalt für die Familie erwirtschaften. Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung stelle für den Beschwerdeführer einen schweren Eingriff in sein Familien- und Privatleben dar. Insbesondere würde es für die Verfahrensdauer zu einer Trennung von seinen beiden minderjährigen Kindern kommen. Im Falle der Abschiebung habe der Beschwerdeführer nicht mehr die Möglichkeit von der Ausübung der sichtvermerkfreien Zeit Gebrauch zu machen. Es seien daher die Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib in Österreich während des Verfahrens vor dem BVwG höher zu bewerten, als die gegenläufigen öffentlichen Interessen. Der Beschwerde sei daher die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist serbischer Staatsangehöriger. Er hat keine Aufenthaltsberechtigung für Österreich.

Er wurde bereits am 19.06.2018 in Österreich bei einer Personenkontrolle aufgegriffen. Der Beschwerdeführer hielt sich seit 23.08.2017 in Österreich auf, er hat den sichtvermerkfreien Zeitraum überschritten. Der Beschwerdeführer reiste am 11.03.2019 freiwillig nach Serbien zurück.

Der Beschwerdeführer reiste neuerlich nach Österreich. Teilweise hielt er sich in Serbien auf, teilweise in Österreich.

Er ist seit 04.04.2017 mit einer serbischen Staatsangehörigen verheiratet, die eine Aufenthaltsberechtigung (Rot-Weiß-Rot Karte plus) für Österreich hat. Zudem hat er in Österreich zwei minderjährige Kinder, für die er die gemeinsame Obsorge hat. Wenn sich der Beschwerdeführer in Österreich aufhält, wohnt dieser bei seiner Ehefrau und seinen beiden minderjährigen Kindern. Die Ehefrau verfügt in Österreich über ein Karenzgeld von EUR 44 pro Tag sowie über Kinderbeihilfe von EUR 367. Der Beschwerdeführer hat weder in Serbien noch in Österreich ein Einkommen. Er geht keiner Erwerbstätigkeit nach.

Der Beschwerdeführer hat zudem ein weiteres Kind, das am Down-Syndrom leide, dieses lebt jedoch in Serbien. In Serbien hat der Beschwerdeführer noch weitere Verwandte.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich nicht vorbestraft.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich aus dem Gerichtsakt sowie aus dem vorgelegten Verwaltungsakt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu A):

3.1.1. § 18 BFA-VG lautet auszugsweise:

„Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde

§ 18. (2) Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist vom Bundesamt abzuerkennen, wenn
1.         die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist
2.         der Drittstaatsangehörige einem Einreiseverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt ist oder
3.         Fluchtgefahr besteht.

(…)

(5) Das Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.

(6) Ein Ablauf der Frist nach Abs. 5 steht der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen.

(7) Die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG sind in den Fällen der Abs. 1 bis 6 nicht anwendbar.“

3.1.2. Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das BVwG der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, diese binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK, Art 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen.

Das Bundesverwaltungsgericht hat darüber gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde in Form eines (Teil-)Erkenntnisses zu entscheiden (vgl VwGH 19.06.2017, Fr 2017/19/0023; 13.09.2016, Fr 2016/01/0014), ohne dass damit der Ausgang des Hauptverfahren vorweg genommen wird.

Zur Begründung einer Notwendigkeit der sofortigen Ausreise eines Fremden genügt es nicht, dafür auf eine - die Aufenthaltsbeendigung als solche rechtfertigende - Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Fremden zu verweisen, sondern es ist darüber hinaus darzutun, warum die Aufenthaltsbeendigung sofort - ohne Aufschub und unabhängig vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrens - zu erfolgen hat; dazu ist es nicht ausreichend, jene Überlegungen ins Treffen zu führen, die schon bei der Entscheidung über die Verhängung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme selbst maßgeblich waren. Die Notwendigkeit der sofortigen Ausreise als gesetzliche Voraussetzung für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung betreffend die Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung erfordert also das Vorliegen besonderer Umstände, die mit den Voraussetzungen für die Aufenthaltsbeendigung als solche nicht gleichzusetzen sind (VwGH vom 27.08.2020, Ra 2020/21/0172).

3.1.3. Das Bundesamt stützt die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung im Bescheid darauf, dass der Beschwerdeführer sich illegal im Bundesgebiet aufhalte, er keiner legalen Beschäftigung nachgehe und mittellos sei, dass er die Meldevorschriften nicht einhalte und sich vor den Behörden verborgen halte bzw. er am Verfahren nicht immer mitgewirkt habe. Er sei auf seinen persönlichen Vorteil bedacht und halte die Vorschriften und Gesetze in ÖSterreich nicht ein.

Das Bundesamt legt jedoch nicht dar, dass im gegenständlichen Fall besondere Umstände vorliegen, die mit den Voraussetzungen für die Aufenthaltsbeendigung nicht gleichzusetzen sind, sondern über diese hinausgehen.

Der Beschwerdeführer wohnt in Österreich bei seiner Ehefrau und seinen beiden minderjährigen Kindern. Seine Ehefrau hat eine Aufenthaltsberechtigung für Österreich. Dort ist er für die Behörden auch erreichbar. Die Ehefrau erhält in Österreich derzeit Kindergeld und Karenzgeld. Der Beschwerdeführer ist zudem in Österreich nicht vorbestraft.

Es liegen im gegenständlichen Fall keine besonderen Umstände vor, die über die sonstigen Voraussetzungen für die Aufenthaltsbeendigung hinausgehen, insbesondere liegt keine Straffälligkeit des Beschwerdeführers vor. Mittellosigkeit alleine bzw. die Überschreitung des sichtvermerkfreien Zeitraums reichen alleine nicht aus, die Erforderlichkeit einer sofortigen Aufenthaltsbeendigung - ohne Aufschub und unabhängig vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrens - zu begründen.

Es war daher der Beschwerde die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG zuzuerkennen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Im vorliegenden Fall ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen vor dem Hintergrund der in der rechtlichen Beurteilung angeführten Rechtsprechung des VwGH keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W251.2248266.1.00

Im RIS seit

20.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

20.12.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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