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20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);Norm
ABGB §901;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Rose, über die Beschwerde
1) des HH und 2) der DH, beide in D und beide vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in V, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 9. August 1996, Zl. 14.680/05-I4/95, betreffend Festsetzung einer Entschädigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeschrift und der ihr angeschlossenen Ablichtung des angefochtenen Bescheides ist folgender Sachverhalt zu entnehmen:
Mit Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 23. Dezember 1988 wurde ein unter anderem zwischen den Rechtsvorgängern der Beschwerdeführer und der K.-AG abgeschlossenes Entschädigungsübereinkommen gemäß § 111 Abs. 3 WRG 1959 beurkundet. Dieses Übereinkommen sah für die Ermittlung des den Rechtsvorgängern der Beschwerdeführer von der K.-AG zu leistenden Entschädigungsbetrages einen Kapitalisierungszinssatz von 6 % und einen Kapitalisierungsfaktor von 16,2 vor. In einem weiteren Absatz dieses Übereinkommens wurde festgehalten, daß in einem parallel laufenden Enteignungs- und Entschädigungsverfahren hinsichtlich einer anderen Wasserkraftanlage eine Überprüfung des für die Entschädigung derartiger Anlagen in Ansatz zu bringenden Kapitalisierungszinssatzes durch den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft vorgenommen werde. Für den Fall, daß in diesem Verfahren mit einem rechtskräftigen und vollstreckbaren Bescheid ein von der derzeitigen Berechnungsgrundlage abweichender Kapitalisierungszinssatz bzw. Kapitalisierungsfaktor festgelegt werden würde, wurde im gemäß § 111 Abs. 3 WRG 1959 beurkundeten Übereinkommen vereinbart, daß dieser festgelegte Kapitalisierungszinssatz bzw. Kapitalisierungsfaktor nachträglich auch für die vorliegende Entschädigungsberechnung zur Anwendung gelangen sollte. Die in diesem Übereinkommen vorgesehene Entscheidung der Wasserrechtsbehörde im anderen Entschädigungsverfahren wurde aber nicht mehr getroffen, weil die Entschädigungsfrage in diesem Verfahren im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten der Wasserrechtsgesetz-Novelle 1990, BGBl. Nr. 252, in die gerichtliche Zuständigkeit gefallen war. Im gerichtlichen Entschädigungsverfahren hatte der Oberste Gerichtshof in seinem Beschluß vom 25. August 1993, 1 Ob 4/93, die Rechtsauffassung vertreten, zufolge Vorliegens einer rechtsverbindlichen Vereinbarung im dortigen Verfahren die Höhe des zustehenden Zinssatzes nicht mehr prüfen zu dürfen.
Mit Anbringen vom 30. Juni 1995 stellten die Beschwerdeführer den Antrag, im vorliegenden Verfahren den Kapitalisierungszinssatz in Auslegung des § 111 Abs. 3 WRG 1959 neu festzusetzen, was dem Sinne nach dem beurkundeten Übereinkommen entspreche. Über Auslegung und Rechtswirkung eines Übereinkommens habe nach § 111 Abs. 3 WRG 1959 die beurkundende Wasserrechtsbehörde zu entscheiden.
Diesen Antrag wies die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid mit der Begründung ab, daß gemäß § 117 Abs. 7 WRG 1959 die Zuständigkeit zur Entscheidung über die Auslegung und Rechtswirkungen eines beurkundeten Übereinkommens beim Zivilgericht liege.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher die Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides mit der Erklärung begehren, durch den angefochtenen Bescheid in ihren aus §§ 111 und 117 WRG 1959 erfließenden Rechten und insbesondere in ihrem Anspruch auf eine meritorische Sachentscheidung verletzt zu sein.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 111 Abs. 3 WRG 1959 sind auf Antrag der Beteiligten alle im Zuge eines wasserrechtlichen Verfahrens getroffenen Übereinkommen mit Bescheid zu beurkunden. Bilden den Gegenstand des Übereinkommens Rechtsverhältnisse, zu deren Regelung im Entscheidungswege die Wasserrechtsbehörde in Ermangelung eines Übereinkommens zuständig gewesen wäre, findet bei Streitigkeiten über die Auslegung und Rechtswirkungen eines solchen Übereinkommens § 117 sinngemäß Anwendung.
Über die Pflicht zur Leistung von Entschädigungen, Ersätzen, Beiträgen und Kosten, die entweder in diesem Bundesgesetz oder in den für die Pflege und Abwehr bestimmter Gewässer geltenden Sondervorschriften vorgesehen sind, entscheidet gemäß § 117 Abs. 1 WRG 1959, sofern dieses Bundesgesetz (§ 26) oder die betreffende Sondervorschrift nichts anderes bestimmt, die Wasserrechtsbehörde.
Soweit Angelegenheiten des § 117 Abs. 1 WRG 1959 in Übereinkommen (§ 111 Abs. 3) geregelt werden, hat gemäß § 117 Abs. 7 WRG 1959 über die Auslegung und Rechtswirkungen eines solchen Übereinkommens das Gericht (Abs. 6) zu entscheiden.
§ 117 Abs. 6 WRG 1959 bestimmt als zuständig jenes Bezirksgericht, in dessen Sprengel sich der Gegenstand der Enteignung oder Belastung oder der für die Festlegung von Ersätzen, Beiträgen und Kosten maßgebliche Gegenstand befindet.
Die Beschwerdeführer meinen, es könne die Bestimmung des § 117 Abs. 7 WRG 1959 im vorliegenden Fall deswegen nicht zum Tragen kommen, weil im beurkundeten Übereinkommen ein Parameter der Entschädigungsfestlegung nur vorläufig festgesetzt worden, die endgültige Festlegung des Kapitalisierungszinssatzes aber noch der Wasserrechtsbehörde überlassen worden sei. Daß es zur im Übereinkommen vorgesehenen endgültigen Festlegung des Kapitalisierungszinssatzes für den Entschädigungsbetrag aus Gründen der nachträglichen Zuständigkeitsänderung nicht mehr gekommen sei, habe rechtlich zur Folge, daß die Festlegung der Entschädigung für das im Bescheid vom 23. Dezember 1988 teilweise enteignete Wasserrecht durch das beurkundete Übereinkommen noch nicht endgültig erledigt worden sei, sodaß die Wasserrechtsbehörde infolge der sie gesetzlich treffenden Pflicht unverändert zuständig sei, über die den Beschwerdeführern zustehende Entschädigung durch endgültige Festlegung des Parameters des Kapitalisierungszinssatzes zu entscheiden.
Der Verwaltungsgerichtshof teilt diese Auffassung nicht.
Dem von den Beschwerdeführern mit ihrem Anbringen vom 30. Juni 1995 gestellten Begehren auf Festlegung des Kapitalisierungszinssatzes für die Ermittlung der ihnen gebührenden Entschädigung steht der Inhalt des im Bescheid vom 23. Dezember 1988 gemäß § 111 Abs. 3 WRG 1959 beurkundeten Übereinkommens unverändert hindernd auch dann entgegen, wenn der in diesem Übereinkommen von seinen Partnern übereinstimmend vorgesehene Weg der Überprüfung und endgültigen Festlegung des Kapitalisierungszinssatzes durch von ihnen nicht vorhergesehene verfahrensrechtliche Ereignisse verschlossen worden ist. Das beurkundete Übereinkommen sah nicht etwa eine Entschädigung der Rechtsvorgänger der Beschwerdeführer unter Vorbehalt der Nachprüfung nach Art der Bestimmung des § 117 Abs. 3 WRG 1959 vor, was den Beschwerdeführern nach der genannten Gesetzesstelle eine entsprechende Antragstellung allenfalls ermöglichen hätte können. Das Übereinkommen verwies vielmehr für die Möglichkeit der Anpassung und endgültigen Festlegung eines Parameters des Entschädigungsbetrages auf die erwarteten Ergebnisse eines anderen wasserrechtlichen Verfahrens und legte somit die Bedingungen der Überprüfung und allfälligen Anpassung des vorläufig festgelegten Kapitalisierungszinssatzes in dieser Weise für die Parteien des Übereinkommens bindend fest. Ob nun der Wegfall der von den Partnern des Übereinkommens vorgesehenen Weise der endgültigen Festlegung des Kapitalisierungszinssatzes die Möglichkeit zur ergänzenden Vertragsauslegung eröffnet oder aber dem Übereinkommen die Geschäftsgrundlage entzogen und es deshalb anfechtbar gemacht hat, wurde von der belangten Behörde zutreffend nicht untersucht. Auch der Wegfall der Geschäftsgrundlage eines nach § 111 Abs. 3 WRG 1959 beurkundeten Übereinkommens begründet nur seine Anfechtbarkeit vor den ordentlichen Gerichten, nicht aber die Unwirksamkeit dieses Übereinkommens ex lege, sodaß die Wasserrechtsbehörde bis zur Aufhebung eines solchen Übereinkommens durch das ordentliche Gericht daher vom Vorliegen einer gütlichen Übereinkunft auszugehen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. September 1992, Slg. N.F. Nr. 13.702/A).
Hatte die belangte Behörde damit rechtlich vom Vorliegen einer auch die Überprüfung und endgültige Festlegung des Kapitalisierungszinssatzes für den Entschädigungsbetrag regelnden Parteienübereinkunft auszugehen, dann stand die Bindungswirkung dieses Übereinkommens vor seiner allfälligen - den Gerichten vorbehaltenen - Aufhebung infolge Anfechtung durch einen Vertragsteil der Berechtigung des von den Beschwerdeführern mit ihrem Anbringen vom 30. Juni 1995 begehrten Abspruches entgegen.
Da der Inhalt der Beschwerde somit schon erkennen ließ, daß die von den Beschwerdeführern gerügte Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996070185.X00Im RIS seit
12.11.2001