TE Bvwg Beschluss 2021/11/24 I407 2234842-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.11.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

24.11.2021

Norm

AlVG §25
AVG §9
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch


I407 2234842-1/8E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Stefan MUMELTER als Vorsitzender und die fachkundigen Laienrichter Florian TAUBER und Mag. Stefan WANNER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch Mag. Max Fankhauser, Rechtsanwalt, 6280 Zell am Ziller, Gerlosstraße 9 als Erwachsenvertreter gegen den Bescheid des AMS XXXX vom XXXX , Zl. XXXX beschlossen:

A)

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1.       Mit rechtskräftigem Bescheid des AMS vom 12.12.2018 wurde der Bezug der Notstandshilfe von XXXX (im Folgenden: BF) mangels Arbeitsfähigkeit ab dem 01.12.2018 eingestellt.

2.       Mit Bescheid der Sozialversicherungsanstalt vom 01.02.2019 wurde der BF der Anspruch auf Erwerbsunfähigkeitspension ab dem 01.01.2019 für die weitere Dauer der Erwerbsunfähigkeit zuerkannt.

3.       Mit Bescheid vom XXXX verpflichtete die belangte Behörde die BF gemäß § 25 Abs 1 letzter Satz AlVG zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Leistung in Höhe von € 1.039,12. Die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde gemäß § 13 Abs 2 VwGVG ausgeschlossen.

4.       Am 02.09.2020 ging bei der belangten Behörde die Beschwerde der BF gegen den verfahrensgegenständlichen Bescheid ein. Die BF führte darin zusammengefasst aus, dass die Rückforderung nicht nachvollziehbar und die Behörde nicht zuständig sei. Der Bescheid wäre insgesamt mit Mangelhaftigkeit belastet.

5.       Mit Stellungnahme vom 08.09.2020 wurde die Beschwerde dem BVwG zur Entscheidung vorgelegt.

6.       Mit Schreiben vom 06.10.2021 wurde der Erwachsenvertreter der BF, Mag. Max Fankhauser, zur Stellungnahme aufgefordert.

7.       Der Erwachsenvertreter erklärte mit Stellungnahme vom 18.10.2021, er habe die verfahrensgegenständliche Beschwerde nicht genehmigt und würde diese auch nachträglich nicht genehmigen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin bezog aufgrund eines Antrages vom 28.09.2018 Notstandshilfe. Diese wurde mit Bescheid rechtskräftigem Bescheid der belangten Behörde vom 12.12.2018 ab dem 01.12.2018 eingestellt.

Für die Beschwerdeführerin ist seit 18.07.2018 Mag. Max Fankhauser als gerichtlicher Erwachsenenvertreter bestellt. Sein Wirkungsbereich umfasst die Vertretung gegenüber Ämtern, Gerichten und Behörden und gegenüber der Hauseigentümerin im Zusammenhang mit der Wohnung der betroffenen Person sowie die Vertretung bei Rechtsgeschäften, die über Geschäfte des täglichen Lebens hinausgehen.

Die BF ist im Hinblick auf das gegenständliche Verfahren nicht prozessfähig. Hinsichtlich der Beschwerde der BF lag keine Genehmigung des gerichtlichen Erwachsenvertreters vor. Eine derartige Genehmigung wurde auch nachträglich (iS einer Verbesserung) ausdrücklich nicht erteilt.

2. Beweiswürdigung:

Der oben angeführte Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen und unzweifelhaften Inhalt des vorliegenden Aktes.

Der Umstand des Bezuges der Notstandshilfe wird durch den unbedenklichen Akteninhalt bescheinigt.

Die Feststellungen zum Erwachsenenvertreter und dessen Wirkungsbereich konnten dem Beschluss des BG Zell am Ziller vom 18.07.2018 entnommen werden.

In weiterer Folge war auch die mangelnde Prozessfähigkeit der BF festzustellen. Gestärkt wird diese Feststellung insbesondere durch die aktenmäßige Beurteilung der BF nach § 8 AlVG durch die PVA sowie durch die Stellungnahme des ehemaligen Erwachsenvertreters vom 12.09.2018. Dieser führte dezidiert aus, dass die BF aufgrund ihres mangelnden Realitätsbezuges und ihrer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit nicht in der Lage sei, Entscheidungen zu treffen oder in Gerichtsverfahren vernünftige Überlegungen und Erwägungen anzustellen. Aufgrund des Inhalts des Beschwerdeschriftsatzes und der Aktenvermerke des AMS ist auch nicht von einer maßgeblichen Besserung der Situation auszugehen.

Prinzipiell entspricht es der Erfahrung des Gerichtes, dass Schriftsätze von nicht vertretenen Parteien hinsichtlich der sprachlichen Qualität und der Schlüssigkeit der Ausführungen nicht dem entsprechen, was von geschulten rechtskundigen Parteivertretern erwartet werden kann. Trotz Zugrundelegung dieser Überlegung zeichnet sich im Beschwerdeschriftsatz der BF ab, dass diese eben nicht in der Lage ist, Tragweite und Inhalt des gegenständlichen Bescheides und damit auch des Beschwerdeverfahrens zu erfassen.

Die Beschwerdeführerin bezog sich in ihrer Beschwerde wiederholt auf die Erstattung eines Pensionsvorschusses und behauptet, sie hätte von der belangten Behörde nie einen Pensionsvorschuss in der Höhe von €1.039,12 erhalten. Dass der belangte Bescheid sich aber tatsächlich auf die Rückforderung der (laut belangter Behörde) zu Unrecht bezogenen Notstandshilfe bezieht, scheint der BF nicht klar zu sein. Dabei wäre auch von einem rechtlichen Laien zu erwarten, sich zumindest grundlegend darüber bewusst zu sein, welche Leistung von der belangten Behörde bezogen wurde. Dies insbesondere im Hinblick auf das vorhergegangenen Verfahren zur Zahl XXXX . Auch ansonsten zeichnet sich der Beschwerdeschriftsatz durch wirre und nicht nachvollziehbare Argumentationen aus. Dies in einem Maß, dass auch ohne die entsprechenden Unterlagen und dem Bestehen einer Erwachsenvertretung an der Prozessfähigkeit der BF zu zweifeln wäre.

Gestützt wird das vom ehemaligen Erwachsenenvertreter gezeichnete Bild, wonach die BF beharrlich, situationsunangemessen und teilweise in selbstschädigender Art und Weise auf ihre vermeintlichen Rechte bestehe, auch durch die Aktenvermerke der belangten Behörde. Insbesondere ist hier auf den Aktenvermerk vom 31.07.2020 zu verweisen, wonach die BF der belangten Behörde und insbesondere der zuständigen Abteilungsleitung mit Problemen bezüglich der geforderten Rückzahlung drohte. Zudem ergibt sich aus einem weiteren Aktenvermerk der belangten Behörde vom 24.08.2020, dass gegen die BF auch offene Forderungen des Finanzamtes und der Sozialversicherung bestehen und sie diesbezüglich uneinsichtig ist.

Es ist daher insgesamt davon auszugehen, dass sich der Zustand der BF seit der Stellungnahme des ehemaligen Erwachsenenvertreters vom 12.09.2018 nicht verbessert hat und die Prozessfähigkeit nicht vorliegt.

Dass hinsichtlich der Beschwerde der BF keine Genehmigung des Erwachsenvertreters vorlag und weiterhin nicht vorliegt, ergibt sich aus der Stellungnahme desselben. Es ist anzunehmen, dass die Aussage des Erwachsenvertreters, wonach er zunächst keine Kenntnis von der Beschwerde erlangt habe und diese daher auch nicht genehmigt habe, der Wahrheit entspricht. Dies insbesondere, da er die Genehmigung weiterhin ausdrücklich nicht erteilt hat und auch selbst keine Beschwerde gegen den Bescheid im Namen der BF erhob. Dies obwohl ihm dieser laut Adressierung des Bescheides zugesendet wurde und aus dem Aktenvermerk der belangten Behörde vom 24.08.2020 zweifellos hervorgeht, dass dieser über den Bescheid und die geforderte Rückzahlung informiert war.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

§ 56 Abs. 2 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 (AlVG) in der geltenden Fassung lautet wie folgt: Über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch einen Senat, dem zwei fachkundige Laienrichter angehören, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und aus dem Kreis der Arbeitnehmer. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung durch die Geschäftsstelle beträgt zehn Wochen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Zu A) Zur Zurückweisung der Beschwerde

Gemäß § 9 AVG ist die persönliche Rechts- und Handlungsfähigkeit von Beteiligten von der Behörde, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen.

Damit wird die prozessuale Rechts- und Handlungsfähigkeit an die materiellrechtliche Rechts- und Handlungsfähigkeit geknüpft. Es gilt der Grundsatz, dass die Rechtsfähigkeit, die Parteifähigkeit und die Handlungsfähigkeit die Prozessfähigkeit begründen (vgl VwGH 25.05.1993, 90/04/0223). Die Handlungsfähigkeit ist die Fähigkeit, durch Willenserklärung gegenüber der Behörde Rechtsfolgen auszulösen (vgl VwGH 30.03.1993, 92/08/0183).

Für die prozessuale Handlungsfähigkeit (Prozessfähigkeit) ist entscheidend, ob die Partei im Zeitpunkt der betreffenden Verfahrensabschnitte in der Lage war, Bedeutung und Tragweite des Verfahrens und der sich in ihm ereignenden prozessualen Vorgänge zu erkennen, zu verstehen und sich den Anforderungen eines derartigen Verfahrens entsprechend zu verhalten (zuletzt VwGH 28.04.2016, Ra 2014/20/0139, siehe auch VwGH 20.02.2002, 2001/08/0192).

Das Fehlen der Prozessfähigkeit nach § 9 AVG ist als Vorfrage in jeder Lage des Verfahrens und von Amts wegen wahrzunehmen. Hat die Behörde hinsichtlich des Vorliegens der Prozessfähigkeit einer Partei Bedenken, so hat sie die Frage - idR durch Einholung eines Sachverständigengutachtens - von Amts wegen zu prüfen. Bei Bestätigung der Bedenken hat die Behörde nach § 11 AVG vorzugehen, das heißt die Bestellung eines Sachwalters beim zuständigen (Pflegschafts-)Gericht zu veranlassen (vgl zu allem die hg Erkenntnisse vom 28. April 2016, Ra 2014/20/0139, mwN, und vom 6. Juli 2015, Ra 2014/02/0095). Gemäß § 17 VwGVG 2014 iVm §§ 9, 11 AVG gelten diese Ausführungen auch für das BVwG (VwGH 20.12.2016, Ra 2015/01/0162).

Die Sachwalterbestellung wirkte insofern konstitutiv, als dass ab ihrer Wirksamkeit die Prozessfähigkeit und Handlungsfähigkeit der besachwalterten Person im dort umschriebenen Ausmaß keinesfalls mehr gegeben war (VwGH 16.11.2012, 2012/02/0198). Dies gilt im Rahmen der gerichtlichen Erwachsenenvertretung allerdings nicht uneingeschränkt. Gibt die volljährige Person im Wirkungsbereich des Vertreters eine rechtsgeschäftliche Erklärung ab, so kann diese – soweit dafür kein Genehmigungsvorbehalt angeordnet wurde – im Einzelfall ohne Genehmigung des Vertreters gültig sein, wenn ausnahmsweise ausreichende Entscheidungsfähigkeit vorliegt (Parapatits in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 272 Rz 25).

Im hier vorliegenden Fall kam das Bundesverwaltungsgericht aufgrund der vorliegenden Unterlagen zu dem Schluss, dass hinsichtlich der vorliegenden Beschwerde die Prozessfähigkeit der BF nicht vorlag. Diesbezüglich wird auf die beweiswürdigenden Ausführungen verwiesen.

Nach Ansicht des VwGH kann die mangelnde Genehmigung des von einem Prozessunfähigen eingebrachten Antrags durch den gesetzlichen Vertreter (zB Erwachsenvertreter, Eltern) im Wege eines Mängelbehebungsverfahrens iSd § 13 Abs 3 AVG beseitigt werden (Hengstschläger/Leeb, AVG § 9 Rz 6). Der Erwachsenvertreter wurde diesbezüglich am 10.06.2018 zur Stellungnahme bzw. Verbesserung aufgefordert und versagte der Beschwerde die Genehmigung. Der Mangel der fehlenden Prozessfähigkeit kann somit auch nicht als saniert angesehen werden.

Schon aus diesem Grund hat das BVwG nicht über die ihm vorliegende Beschwerde zu entscheiden, sondern ist diese (als unzulässig) zurückzuweisen (VwGH 20.12.2016, Ra 2015/01/0162).

Da die Beschwerde zurückzuweisen war, konnte die mündliche Verhandlung gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG entfallen.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Erwachsenenvertreter Genehmigung Prozessfähigkeit Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:I407.2234842.1.00

Im RIS seit

20.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

20.12.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten