TE Bvwg Beschluss 2021/11/25 W216 2245949-1

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Veröffentlicht am 25.11.2021
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Entscheidungsdatum

25.11.2021

Norm

AlVG §24
AlVG §25
AlVG §38
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1
VwGVG §7 Abs4

Spruch


W216 2245949-1/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marion STEINER als Vorsitzende sowie die fachkundige Laienrichterin Karin ZEISEL und den fachkundigen Laienrichter Dr. Kurt SCHEBESTA als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , vertreten durch Mag. Galanda Rechtsanwalt GmbH, Stauraczgasse 4/2, 1050 Wien, gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Baden vom 26.05.2021, nach Beschwerdevorentscheidung vom 04.08.2021, GZ: XXXX , betreffend Widerruf und Rückforderung der unberechtigt empfangenen Notstandshilfe, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

A)

Die Beschwerde wird als verspätet zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice Baden (im Folgenden: AMS) vom 26.05.2021 wurde gemäß § 38 iVm § 24 Abs. 2 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG) die Zuerkennung der Notstandshilfe für die Zeit vom 05.07.2016 bis 31.12.2016 widerrufen bzw. die Bemessung der Notstandshilfe rückwirkend berichtigt und der Beschwerdeführer gemäß § 38 iVm § 25 Abs. 1 AlVG zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Notstandshilfe in Höhe von € 4.703,40 verpflichtet.

Begründend führte das AMS nach Wiedergabe der gesetzlichen Bestimmungen aus, dass das Ermittlungsverfahren ergeben habe, dass der Beschwerdeführer die Notstandshilfe für den Zeitraum vom 05.07.2016 bis 31.12.2016 zu Unrecht bezogen habe, da das Einkommen 2016 laut Einkommensteuerbescheid 2016 höher gewesen sei als ursprünglich in den Erklärungen angegeben.

In der Rechtmittelbelehrung des Bescheides wurde explizit angeführt, dass gegen diesen Bescheid binnen vier Wochen nach Zustellung (= Beschwerdefrist) schriftlich bei der oben angeführten regionalen Geschäftsstelle eine Beschwerde eingebracht werden könne, wobei auf die zu erfüllenden Kriterien einer Beschwerde hingewiesen wurde.

2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer durch seine bevollmächtigte Vertretung das Rechtsmittel der Beschwerde, welches per E-Mail am 16.07.2021 beim AMS eingebracht wurde. Zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde wurde ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer der gegenständliche Bescheid vom 26.05.2021 am 18.06.2021 postalisch an seiner Abgabestelle zugestellt worden sei. Die vierwöchige Beschwerdefrist ende daher frühestens am 16.07.2021.

3. Im Verfahren über die Beschwerde erließ das AMS als belangte Behörde am 04.08.2021 gemäß §§ 7 und 14 VwGVG iVm § 56 Abs. 2 und § 58 AlVG eine Beschwerdevorentscheidung, mit der die Beschwerde vom 16.07.2021 gegen den Bescheid des AMS vom 26.05.2021 als verspätet eingebracht zurückgewiesen wurde.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der angefochtene Bescheid vom 26.05.2021 laut Zustellnachweis (RSb-Brief) am 16.06.2021 oder 17.06.2021 vom Beschwerdeführer persönlich übernommen worden sei. Es liege daher eine ordnungsgemäße und rechtswirksame Zustellung spätestens per 17.06.2021 vor. Da die Frist zur Erhebung einer Beschwerde vier Wochen betrage, habe diese daher am Donnerstag, den 17.06.2021, zu laufen begonnen und habe am Donnerstag, den 15.07.2021, geendet. Nachdem die Beschwerde jedoch erst am 16.07.2021 vom Rechtsanwalt des Beschwerdeführers per E-Mail bei der Regionalen Geschäftsstelle Baden eingebracht worden sei, sei diese als verspätet eingebracht zurückzuweisen gewesen. Dem Beschwerdevorbringen, wonach der Beschwerdeführer den gegenständlichen Bescheid vom 26.05.2021 am 18.06.2021 zugestellt erhalten habe, könne nicht gefolgt werden. Die Ziffer im Datum sei entweder eine 6 oder 7 (für 16. oder 17.), jedoch keinesfalls eine 8.

4. Mit Eingabe vom 20.08.2021 brachte der Beschwerdeführer – fristgerecht – einen Vorlageantrag ein. Darin gab er im Wesentlichen an, dass der Bescheid von ihm persönlich übernommen worden sei, da er den Rückschein unterzeichnet habe. Er sei sich sicher, dass die persönliche Zustellung am 18.07.2021 erfolgt sei. Die belangte Behörde habe aufgrund der schlecht leserlichen händischen Datumsangabe (offenbar durch den Postzusteller) auf dem Rückschein keine gesicherte Kenntnis, wann die Zustellung tatsächlich erfolgt sei. Die nunmehrige Annahme der Zustellung entweder am 16. oder 17. sei eine unbegründete und willkürliche Vermutung der Behörde, welche einer ausreichenden und nachvollziehbaren Tatsachengrundlage entbehren würde. Es bestünden jedenfalls begründete Zweifel hinsichtlich des Tages der Zustellung der Beschwerde. Sofern das tatsächliche Datum der Zustellung von der Behörde nicht eruiert werden könne, sei im Zweifel jedenfalls die Rechtzeitigkeit des Rechtsmittels anzunehmen. Weiters wurde auf die Korrespondenz des Beschwerdeführers mit seiner rechtsfreundlichen Vertretung hingewiesen, die bekräftigen würde, dass die Zustellung tatsächlich am 18.06.2021 erfolgt sei.

5. Die Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt wurden gemäß § 15 Abs. 2 letzter Satz VwGVG dem Bundesverwaltungsgericht seitens der belangten Behörde am 02.09.2021 vorgelegt. Unter einem wurde seitens des AMS ausgeführt, dass der Beschwerdeführer den erstinstanzlichen Bescheid – entgegen den Ausführungen im Vorlageantrag – laut Auskunft der Österreichischen Post AG vom 17.08.2021 am 17.06.2021 persönlich übernommen habe.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Die belangte Behörde hat die notwendigen Ermittlungen des maßgeblichen Sachverhaltes ausreichend durchgeführt. Auf dieser Grundlage werden folgende Feststellungen getroffen und der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt:

1. Feststellungen:

Mit Bescheid des AMS vom 26.05.2021 wurde die Zuerkennung der Notstandshilfe für den Zeitraum vom 05.07.2016 bis 31.12.2016 widerrufen bzw. die Bemessung rückwirkend berichtigt und der Beschwerdeführer zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Notstandshilfe in Höhe von € 4.703,40 verpflichtet.

Das AMS übermittelte dem Beschwerdeführer diesen Bescheid per Rsb-Brief. Der Beschwerdeführer hat den Bescheid am 17.06.2021 persönlich übernommen. Die Zustellung des angefochtenen Bescheides gilt demnach mit Donnerstag, dem 17.06.2021, als bewirkt.

Die Frist zur Einbringung einer Beschwerde beträgt vier Wochen und begann mit Zustellung des angefochtenen Bescheides am Donnerstag, dem 17.06.2021, zu laufen und endete am Donnerstag, dem 15.07.2021.

Die Beschwerde, datiert mit 16.07.2021, langte am 16.07.2021 per E-Mail beim AMS ein.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus den zur gegenständlichen Rechtssache vorliegenden Verfahrensakten der belangten Behörde und des Bundesverwaltungsgerichtes.

Die wirksame Zustellung des angefochtenen Bescheides am 17.06.2021 ergibt sich aus dem im Verwaltungsakt einliegenden, die gehörige äußere Form aufweisenden und somit unbedenklichen, Zustellschein (RSb-Rückschein), auf dem die Zustellung des Bescheides vom Zusteller dokumentiert und beurkundet wurde.

Da das vom Zusteller eingetragen Datum auf dem Rückschein nur undeutlich zu lesen ist, setzte sich das AMS per E-Mail vom 09.08.2021 mit der Österreichischen Post AG in Verbindung und ersuchte um Bekanntgabe, wann der Beschwerdeführer diesen Bescheid übernommen hat. Nach Auskunft der Österreichischen Post AG mit E-Mail vom 17.08.2021 wurde laut Rückmeldung der zuständigen Basenleitung der gegenständliche RSb-Brief am 17.06.2021 an den Empfänger zugestellt. Der Zusteller entschuldigte sich unter einem für seine unleserliche Handschrift und gelobte Besserung.

Das erkennende Gericht hat den Rückschein gesichtet und hegt keine Zweifel an der Richtigkeit der Angaben der Österreichischen Post AG, die für die Zustellung des gegenständlichen Bescheides zuständig war, zumal es sich – bei genauer Betrachtung des eingetragenen Zustelldatums am Rückschein – bei der undeutlich geschriebenen Ziffer keinesfalls um eine 6 oder eine 8 handeln kann. Dass der Zusteller die Ziffer 6 anders schreibt, ergibt sich schon aus der von ihm eingetragenen 6 des Monats Juni und die strittige Ziffer weist keine signifikante Ähnlichkeit zu der Ziffer 8 auf. Es gibt demnach keine Gründe, am Vorliegen einer ordnungsgemäßen Zustellung des angefochtenen Bescheides am 17.06.2021 zu zweifeln.

Beim Rückschein handelt es sich um eine öffentliche Urkunde, die nach § 47 AVG iVm § 292 ZPO die Vermutung der Richtigkeit für sich hat. Diese Vermutung ist widerlegbar, wobei die Behauptung der Unrichtigkeit des Beurkundeten entsprechend zu begründen ist und Beweise dafür anzuführen sind, die geeignet sind, die vom Gesetz aufgestellte Vermutung zu widerlegen (VwGH 08.09.2015, Ra 2015/02/0156; 11.11.2015, Ra 2015/04/0086, je mwN). Dazu bedarf es jedoch konkreter Darlegungen und eines entsprechenden Beweisanbotes (vgl. etwa VwGH 27.07.2007, 2006/10/0040; 21.07.2011, 2007/18/0827 mwN).

Der Beschwerdeführer hat kein Vorbringen erstattet, das am Vorliegen einer ordnungsgemäßen Zustellung am 17.06.2021 zweifeln ließe und waren die angebotenen Gegenbeweise ebenso wenig geeignet, die vom Gesetz aufgestellte Vermutung zu widerlegen, zumal es sich dabei lediglich um Korrespondenzen zwischen dem Beschwerdeführer und seiner rechtsfreundlichen Vertretung handelt. Die bloße Behauptung, der Bescheid sei dem Beschwerdeführer erst am 18.06.2021 zugestellt worden, vermag die aus dem Zustellnachweis in Verbindung mit der ausdrücklichen Stellungnahme der Österreichischen Post AG abzuleitende Vermutung der ordnungsgemäßen Zustellung des angefochtenen Bescheides am 17.06.2021 nicht zu widerlegen (vgl. dazu auch VwGH 27.07.2007, 2006/10/0040, wonach die bloße Behauptung, der Bescheid sei zu einem anderen Datum zugestellt worden, nicht als Angebot eines Gegenbeweises anzusehen ist).

Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass der gegenständliche Bescheid am 17.06.2021 an den Empfänger – den Beschwerdeführer – zugestellt wurde.

Die Datierung der Beschwerde und der Zeitpunkt ihres Einlangens beim AMS ergeben sich aus der im Verwaltungsakt einliegenden Beschwerde bzw. dem Akteninhalt und sind unstrittig.

Es ist somit der belangten Behörde – unter Zugrundelegung des festgestellten unzweifelhaften Sachverhaltes – nicht entgegenzutreten, wenn sie unter Anwendung der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des AVG, VwGVG und des ZustG davon ausgeht, dass die mit 16.07.2021 datierte und am 16.07.2021 beim AMS eingelangte Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid des AMS vom 26.05.2021 verspätet war.

Hinsichtlich der Bestimmung des Fristenlaufs für die Einbringung der Beschwerde wird auf die nachfolgenden rechtlichen Ausführungen verwiesen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 9 Abs. 2 Z 1 VwGVG ist belangte Behörde in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat – vorliegend sohin das AMS.

§ 56 Abs. 2 AlVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle des AMS.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Die entsprechende Anordnung einer Senatszuständigkeit enthält § 56 Abs. 2 AlVG, wonach das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle durch einen Senat entscheidet, dem zwei fachkundige Laienrichter angehören, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und aus dem Kreis der Arbeitnehmer.

Gemäß § 7 BVwGG bestehen die Senate aus einem Mitglied als Vorsitzendem und zwei weiteren Mitgliedern als Beisitzern. Ist in Materiengesetzen die Mitwirkung fachkundiger Laienrichter an der Rechtsprechung vorgesehen, sind diese anstelle der Mitglieder nach Maßgabe der Geschäftsverteilung als Beisitzer heranzuziehen.

In der gegenständlichen Rechtssache obliegt somit die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Senat.

3.2. Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht:

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.3. Beschwerdegegenstand:

Gemäß § 14 VwGVG steht es der Behörde im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von zwei Monaten aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen (Beschwerdevorentscheidung). § 27 ist sinngemäß anzuwenden. Abweichend dazu normiert § 56 Abs. 2 AlVG in Verfahren betreffend Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung eine Frist zur Erlassung der Beschwerdevorentscheidung von zehn Wochen.

Vorliegend hat der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 16.07.2021 Beschwerde gegen den Bescheid des AMS vom 26.05.2021 erhoben. Dem AMS stand es somit grundsätzlich gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG iVm § 56 Abs. 2 AlVG frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von zehn Wochen mittels Beschwerdevorentscheidung aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen. Diesbezüglich ist festzuhalten, dass die Beschwerdevorentscheidung vom 04.08.2021 innerhalb der zehnwöchigen Frist erlassen wurde.

Gemäß § 15 Abs. 1 VwGVG kann jede Partei binnen zwei Wochen nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei der Behörde den Antrag stellen, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird (Vorlageantrag). Insoweit der Vorlageantrag ein zur ursprünglichen Beschwerde konkretisiertes Vorbringen enthält, stellt dies eine Erweiterung der ursprünglichen Beschwerde dar (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013], Anm. 8 zu § 15 VwGVG unter Hinweis auf AB 2112 BlgNR 24. GP 3, wonach aus der Regelung des § 15 VwGVG geschlossen werden kann, dass der Beschwerdeführer einen Vorlageantrag nicht zu begründen hat, ihn aber begründen kann).

3.4. Prüfungsumfang und Entscheidungsbefugnis des Bundesverwaltungsgerichts:

§ 27 VwGVG legt den Prüfungsumfang fest und beschränkt diesen insoweit, als das Verwaltungsgericht (bei Bescheidbeschwerden) prinzipiell (Ausnahme: Unzuständigkeit der Behörde) an das Beschwerdevorbringen gebunden ist (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013], Anm. 1 zu § 27 VwGVG). Konkret normiert die zitierte Bestimmung: "Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen."

Gegenstand des Verfahrens des Bundesverwaltungsgerichtes ist die Beschwerde vom 16.07.2021 gegen den Ausgangsbescheid des AMS vom 26.05.2021. Dieser ist Maßstab dafür, ob die Beschwerde berechtigt ist oder nicht (s. VwGH 17.12.2015, Ro 2015/08/0026). Ist die Beschwerde nicht zulässig, so ist sie vom Verwaltungsgericht zurückzuweisen, wobei der Beschluss des Verwaltungsgerichtes an die Stelle der Beschwerdevorentscheidung tritt, dies mit der Wirkung, dass die Rechtskraft des Ausgangsbescheides festgestellt wird (vgl. auch dazu VwGH 17.12.2015, Ro 2015/08/0026, mit Hinweis auf VwGH 26.06.2014, Ro 2014/10/0068).

Die zentrale Regelung zur Frage der Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte bildet § 28 VwGVG. Der vorliegend relevante Abs. 1 dieser Bestimmung lautet wie folgt:

"§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen."

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Zu A) Zurückweisung der Beschwerde:

3.5. Die Bescheidbeschwerde ist schriftlich (in Form eines Schriftsatzes) bei der belangten Behörde einzubringen (§ 12 VwGVG).

Die im gegenständlichen Beschwerdefall maßbegebende Bestimmung des VwGVG lautet:

„Beschwerderecht und Beschwerdefrist

§ 7. (1) Gegen Verfahrensanordnungen im Verwaltungsverfahren ist eine abgesonderte Beschwerde nicht zulässig. Sie können erst in der Beschwerde gegen den die Sache erledigenden Bescheid angefochten werden.

(2) Eine Beschwerde ist nicht mehr zulässig, wenn die Partei nach der Zustellung oder Verkündung des Bescheides ausdrücklich auf die Beschwerde verzichtet hat.

(3) Ist der Bescheid bereits einer anderen Partei zugestellt oder verkündet worden, kann die Beschwerde bereits ab dem Zeitpunkt erhoben werden, in dem der Beschwerdeführer von dem Bescheid Kenntnis erlangt hat.

(4) Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG, gegen Weisungen gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 4 B-VG oder wegen Rechtswidrigkeit des Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG beträgt vier Wochen. Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG beträgt sechs Wochen. Sie beginnt

1. in den Fällen des Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG dann, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer nur mündlich verkündet wurde, mit dem Tag der Verkündung,

2. - 5. (…)“

Im vorliegenden Fall wurde in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Bescheides vom 26.05.2021 zutreffend darauf hingewiesen, dass gegen den Bescheid binnen vier Wochen nach Zustellung schriftlich Beschwerde bei der zuständigen regionalen Geschäftsstelle eingebracht werden kann. Die Rechtsmittelbelehrung entspricht auch sonst den Anforderungen des § 61 Abs. 1 AVG.

Die im gegenständlichen Beschwerdefall maßbegebende Bestimmung des § 32 Abs. 2 AVG lautet:

„5. Abschnitt: Fristen

§ 32. (1) Bei der Berechnung von Fristen, die nach Tagen bestimmt sind, wird der Tag nicht mitgerechnet, in den der Zeitpunkt oder das Ereignis fällt, wonach sich der Anfang der Frist richten soll.

(2) Nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen enden mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Fehlt dieser Tag im letzten Monat, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monats.

§ 33. (1) Beginn und Lauf einer Frist werden durch Samstage, Sonntage oder gesetzliche Feiertage nicht behindert.

(2) Fällt das Ende einer Frist auf einen Samstag, Sonntag, gesetzlichen Feiertag, Karfreitag oder 24. Dezember, so ist der nächste Tag, der nicht einer der vorgenannten Tage ist, als letzter Tag der Frist anzusehen.

(3) Die Tage von der Übergabe an einen Zustelldienst im Sinne des § 2 Z 7 des Zustellgesetzes zur Übermittlung an die Behörde bis zum Einlangen bei dieser (Postlauf) werden in die Frist nicht eingerechnet.

(4) Durch Gesetz oder Verordnung festgesetzte Fristen können, wenn nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, nicht geändert werden.“

Das Dokument ist dem Empfänger an der Abgabestelle zuzustellen (§ 13 Abs. 1 ZustG).

3.6. Im vorliegenden Fall wurde der angefochtene Bescheid am 26.05.2021 von der belangten Behörde elektronisch abgefertigt. Wie in der Beweiswürdigung dargelegt, wurde der angefochtene Bescheid laut dem vorliegenden Rückschein und der nicht anzuzweifelnden Auskunft der Österreichischen Post AG vom Beschwerdeführer am 17.06.2021 persönlich übernommen. Davon ausgehend gilt die Zustellung im gegenständlichen Falls somit als an diesem Tag, am Donnerstag, dem 17.06.2021, bewirkt. Die gemäß § 7 Abs 4 VwGVG vierwöchige Beschwerdefrist endete daher mit Ablauf des 15.07.2021.

Die mit 16.07.2021 datierte und am selben Tag beim AMS eingelangte Beschwerde ist somit verspätet eingebracht worden.

3.7. Entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Verspätung der Beschwerdeeinbringung in jedem Stadium des Verfahrens zu berücksichtigen (vgl. VwGH 20.02.2014, 2013/07/0237).

Der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zufolge hat vor einer Zurückweisung eines Rechtsmittels wegen Verspätung entweder von Amts wegen überprüft zu werden, ob ein Zustellmangel unterlaufen ist, oder es ist der Partei die Verspätung ihres Rechtsmittels vorzuhalten. Wird ohne vorangegangenen Vorhalt von einer Verspätung des Rechtsmittels ausgegangen, ist das Risiko einer Entscheidungsbehebung zu tragen (vgl. VwGH 11.03.2016, Ra 2015/06/0088 mwN).

Ausweislich des Verwaltungsaktes wurde der Beschwerdeführer nicht auf die Verspätung seines Rechtsmittels hingewiesen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 276 BAO alt (idF vor BGBl. I Nr. 14/2013) können die in einer Berufungsvorentscheidung erstmals getroffenen Sachverhaltsfeststellungen, denen der Abgabepflichtige nicht entgegentritt, als richtig angesehen werden, weil einer Berufungsvorentscheidung auch die Wirkung eines Vorhaltes zukommt. Im Hinblick auf die Wirkung der Berufungsvorentscheidung als Vorhalt ist es demnach Sache der Partei, sich im Vorlageantrag mit dem Ergebnis dieser Ermittlungen auseinander zu setzen und die daraus gewonnenen Feststellungen zu widerlegen (vgl. etwa VwGH 23.05.1996, 94/15/0024; 28.05.2008, 2006/15/0125, je mwH).

Nach Ansicht des erkennenden Gerichtes ist diese Rechtsprechung auf Beschwerdevorentscheidungen iSd § 14 VwGVG (hier: iVm § 56 Abs. 2 AlVG) insofern übertragbar, als auch ihnen die Wirkung eines Vorhaltes zukommt.

Mit der Begründung der Beschwerdevorentscheidung wurde dem Beschwerdeführer die Versäumung der Rechtsmittelfrist jedenfalls vorgehalten.

Nachdem er mit der Verspätung der von ihm eingebrachten Beschwerde konfrontiert wurde, erstattete der Beschwerdeführer im Vorlageantrag kein Vorbringen, das letztlich geeignet gewesen wäre, die Rechtzeitigkeit der Beschwerde zu begründen.

Die vom Beschwerdeführer eingebrachte Beschwerde gestaltete sich somit als verspätet.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Beschwerdevorbringen ist dem Bundesverwaltungsgericht aufgrund der Verspätung verwehrt (vgl. VwGH 16.11.2005, 2004/08/0117).

3.8. Im vorliegenden Beschwerdefall konnte die Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 erster Fall VwGVG entfallen, weil die Beschwerde zurückzuweisen war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die in vertretbarer Weise vorgenommene einzelfallbezogene Auslegung von Parteierklärungen ist nicht revisibel und kommt einer vertretbaren Auslegung keine über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (VwGH 07.03.2017, Ro 2014/04/0066, mwN). Darüber hinaus hing die Entscheidung über die Frage der Rechtzeitigkeit der Beschwerde lediglich von bereits ausjudizierten – nicht komplexen – Rechtsfragen ab.

Schlagworte

Rechtsmittelfrist Verspätung Zurückweisung Zustellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W216.2245949.1.00

Im RIS seit

20.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

20.12.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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