TE Bvwg Beschluss 2021/11/30 W260 2223329-2

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Veröffentlicht am 30.11.2021
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Entscheidungsdatum

30.11.2021

Norm

AlVG §20
AlVG §21
AlVG §36
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §8a

Spruch


W260 2223329-2/6E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. Markus BELFIN über den Antrag der XXXX , geb. XXXX , vom 03.09.2019, auf Bewilligung der Verfahrenshilfe im Verfahren gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien Wagramer Straße vom 13.05.2019, VSNR XXXX , nach Beschwerdevorentscheidung vom 20.08.2019, GZ: 2019-0566-9-002087, betreffend Feststellung des Notstandshilfeanspruchs von 20.11.2014 bis 04.04.2018 gemäß § 36 Abs. 6 iVm § 20 Abs. 1 bis 4 und § 21 AlVG:

A)

Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid des AMS Wien Wagramer Straße (im Folgenden: AMS) vom 13.05.2019 wurde festgestellt, dass der Verfahrenshilfewerberin ab 20.11.2014 Notstandshilfe in der täglichen Höhe von € 28,13 gebührt.

2. Dagegen erhob die Verfahrenshilfewerberin mit Schriftsatz vom 11.06.2019 fristgerecht Beschwerde.

3. Die belangte Behörde erließ im Verfahren über die Beschwerde vom 11.06.2019 am 20.08.2019 gemäß § 14 VwGVG iVm § 56 Abs. 2 AlVG eine Beschwerdevorentscheidung, mit der die Beschwerde wie folgt abgeändert wurde:

Die Notstandshilfe gebührt in nachstehender Höhe:

Von 20.11.2014 bis 31.12.2014 im Ausmaß von € 28,13 täglich

Von 01.01.2015 bis 11.01.2015 im Ausmaß von € 28,60 täglich

Von 26.02.2015 bis 20.03.2015 im Ausmaß von € 28,60 täglich

Von 25.04.2015 bis 01.10.2015 im Ausmaß von € 28,60 täglich

Von 06.10.2015 bis 31.12.2015 im Ausmaß von € 28,60 täglich

Von 01.01.2016 bis 06.04.2016 im Ausmaß von € 28,93 täglich

Von 06.04.2017 bis 04.04.2018 im Ausmaß von € 26,76 täglich.

4. Mit Schriftsatz vom 03.09.2019 wurde von der Verfahrenshilfewerberin rechtzeitig ein nicht näher begründeter Vorlageantrag eingebracht. Die Verfahrenshilfewerberin stellte unter einem den gegenständlichen Antrag auf Verfahrenshilfe für das Entscheidungsverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zu GZ W260 2223329-1.

5. Die Beschwerde, der Vorlageantrag und der Verfahrenshilfeantrag wurden dem Bundesverwaltungsgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens am 11.09.2019 vorgelegt und langten am 12.09.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

6. Mit Verfahrensanordnung vom 11.10.2021 wurde die bisherige Rechtsvertretung aufgefordert innerhalb von 14 Tagen bekannt zu geben, ob das Vollmachtsverhältnis zur Verfahrenshilfewerberin nach wie vor aufrecht sei.

7. Mit Schriftsatz vom 13.10.2021 wurde bekannt gegeben, dass das Vollmachtverhältnis aufgelöst ist.

8. Mit Mängelbehebungsauftrag des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.10.2021 wurde der Verfahrenshilfewerberin aufgetragen, bis längstens 27.10.2021 beim Bundesverwaltungsgericht einlangend 1. ein eigenhändig unterfertigtes, vollständig ausgefülltes, nicht mehr als 4 Wochen altes Vermögensbekenntnis unter Anschluss der darin genannten erforderlichen Belege (Einkommens- und Vermögensnachweise) vorzulegen. 2. Das zurückgereichte Vermögensbekenntnis vollständig und wahrheitsgemäß auszufüllen. Die Verfahrenshilfewerberin wurde darauf aufmerksam gemacht, dass bei nicht fristgerechter oder nicht vollständiger Befolgung der Aufträge dem Antrag nicht stattgegeben werden kann. Dem Schreiben wurde ein Merkblatt über Verfahrenshilfeanträge beigelegt.

9. Der Mängelbehebungsauftrag vom 19.10.2021 wurde der Verfahrenshilfewerberin mittels RSb-Brief geschickt. Laut Rückschein der Post AG wurde eine Benachrichtig der Hinterlegung in der Abgabestelle der Verfahrenshilfewerberin hinterlassen. Das Schriftstück lag ab dem 23.10.2021 zur Abholung bereit.

Am 12.11.2021 langte das nicht behobene Schreiben, der Mängelbehebungsauftrag vom 19.10.2021, wieder bei der belangten Behörde mit dem Vermerk „nicht behoben“ ein.

10. Es erfolgte eine weitere Zustellung an die nunmehr aktuelle Wohnadresse der Verfahrenshilfewerberin und kam diese dem Mängelbehebungsauftrag mit Schreiben vom 22.11.2021 nach.

2. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

2.1. Feststellungen:

Die Feststellungen beruhen auf dem vorliegenden Verwaltungsakt, insbesondere auf dem per E-Mail übermittelten Vorlageantrag vom 05.07.2021.

Das Verfahren, für das die Gewährung der Verfahrenshilfe beantragt wurde, hat die Beschwerdevorentscheidung vom 20.08.2019, GZ: 2019-0566-9-002087 zum Gegenstand.

Die Verfahrenshilfewerberin hat am 03.09.2019 gemeinsam mit ihrem Vorlageantrag einen unvollständigen Verfahrenshilfeantrag beim AMS eingebracht.

Der Verfahrenshilfewerberin wurde vom Bundesverwaltungsgericht ein Mängelbehebungsauftrag übermittelt, dem die Verfahrenshilfewerberin nachgekommen ist.

2.2. Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem Akteninhalt, insbesondere aus dem Inhalt des nachgereichten Antrages auf Verfahrenshilfe samt Vermögensbekenntnis vom 22.11.2021.

2.3. Rechtliche Beurteilung:

2.3.1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da es sich beim Antrag auf die Gewährung von Verfahrenshilfe um keine Beschwerde handelt, besteht Einzelrichterzuständigkeit.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Zu A)   Zurückweisung des Antrages auf Verfahrenshilfe:

2.3.2. Die im vorliegenden Fall anzuwendende Rechtsvorschrift des VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 24/2017, lautet wie folgt:

„Verfahrenshilfe

§ 8a. (1) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ist einer Partei Verfahrenshilfe zu bewilligen, soweit dies auf Grund des Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, geboten ist, die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. Juristischen Personen ist Verfahrenshilfe sinngemäß mit der Maßgabe zu bewilligen, dass an die Stelle des Bestreitens der Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts das Aufbringen der zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel durch die Partei oder die an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten tritt.

(2) Soweit in diesem Paragraphen nicht anderes bestimmt ist, sind die Voraussetzungen und die Wirkungen der Bewilligung der Verfahrenshilfe nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung – ZPO, RGBl. Nr. 113/1895, zu beurteilen. Die Bewilligung der Verfahrenshilfe schließt das Recht ein, dass der Partei ohne weiteres Begehren zur Abfassung und Einbringung der Beschwerde, des Vorlageantrags, des Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens oder des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder zur Vertretung bei der Verhandlung ein Rechtsanwalt beigegeben wird.

(3) Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ist schriftlich zu stellen. Er ist bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht einzubringen. Für Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B VG ist der Antrag unmittelbar beim Verwaltungsgericht einzubringen.

(4) Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe kann ab Erlassung des Bescheides bzw. ab dem Zeitpunkt, in dem der Betroffene Kenntnis von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erlangt hat, gestellt werden. Wird die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer Säumnisbeschwerde beantragt, kann dieser Antrag erst nach Ablauf der Entscheidungsfrist gestellt werden. Sobald eine Partei Säumnisbeschwerde erhoben hat, kann der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe auch von den anderen Parteien gestellt werden.

(5) In dem Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ist die Rechtssache bestimmt zu bezeichnen, für die die Bewilligung der Verfahrenshilfe begehrt wird.

(6) Die Behörde hat dem Verwaltungsgericht den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe und die Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Hat das Verwaltungsgericht die Bewilligung der Verfahrenshilfe beschlossen, so hat es den Ausschuss der zuständigen Rechtsanwaltskammer zu benachrichtigen, damit der Ausschuss einen Rechtsanwalt zum Vertreter bestelle. Dabei hat der Ausschuss Wünschen der Partei zur Auswahl der Person des Vertreters im Einvernehmen mit dem namhaft gemachten Rechtsanwalt nach Möglichkeit zu entsprechen.

(7) Hat die Partei innerhalb der Beschwerdefrist die Bewilligung der Verfahrenshilfe beantragt, so beginnt für sie die Beschwerdefrist mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Beschluss über die Bestellung des Rechtsanwalts zum Vertreter und der anzufechtende Bescheid diesem zugestellt sind. Wird der rechtzeitig gestellte Antrag abgewiesen, so beginnt die Beschwerdefrist mit der Zustellung des abweisenden Beschlusses an die Partei zu laufen. Entsprechendes gilt für die Fristen, die sich auf die sonstigen in Abs. 2 genannten Anträge beziehen.

(8) Die Bestellung des Rechtsanwalts zum Vertreter erlischt mit dem Einschreiten eines Bevollmächtigten.

(9) In Verfahrenshilfesachen ist die Wiederaufnahme des Verfahrens nicht zulässig.

(10) Der Aufwand ist von jenem Rechtsträger zu tragen, in dessen Namen das Verwaltungsgericht in der Angelegenheit handelt.“

§ 66 Zivilprozessordnung (ZPO):

„§ 66. (1) In dem Antrag ist die Rechtssache bestimmt zu bezeichnen, für die die Verfahrenshilfe begehrt wird. Zugleich sind ein nicht mehr als vier Wochen altes Bekenntnis der Partei (ihres gesetzlichen Vertreters) über die Vermögens-, Einkommens- und Familienverhältnisse der Partei (Vermögensbekenntnis) und, soweit zumutbar, entsprechende Belege beizubringen; in dem Vermögensbekenntnis sind besonders auch die Belastungen anzugeben, weiter die Unterhaltspflichten und deren Ausmaß, sowie ob eine andere Person für die Partei unterhaltspflichtig ist. Für das Vermögensbekenntnis ist ein vom Bundesminister für Justiz aufzulegendes und im Amtsblatt der österreichischen Justizverwaltung kundzumachendes Formblatt zu verwenden. Ist dem Antrag kein solches Vermögensbekenntnis angeschlossen, so ist nach den §§ 84 und 85 vorzugehen, wobei jedoch in allen Fällen nach § 85 Abs. 2 eine Frist zu setzen ist; gleichzeitig ist der Partei das Formblatt zuzustellen.

(2) Über den Antrag ist auf der Grundlage des Vermögensbekenntnisses zu entscheiden. Hat das Gericht gegen dessen Richtigkeit oder Vollständigkeit Bedenken, so hat es das Vermögensbekenntnis zu überprüfen. Hierbei kann es auch die Partei unter Setzung einer angemessenen Frist zur Ergänzung des Vermögensbekenntnisses und, soweit zumutbar, zur Beibringung weiterer Belege auffordern. Der § 381 ist sinngemäß anzuwenden.“

2.3.3. In seinem Erkenntnis vom 11.09.2019, Ro 2018/08/0008, setzte sich der Verwaltungsgerichtshof ausführlich mit den Voraussetzungen für die Gewährung der Verfahrenshilfe nach § 8a VwGVG auseinander:

Aus der Anordnung des § 8a Abs. 1 VwGVG, wonach Verfahrenshilfe zu bewilligen ist, soweit dies auf Grund des Art. 6 Abs. 1 EMRK oder des Art. 47 GRC geboten ist, folgt zunächst, dass die Gewährung der Verfahrenshilfe nach dieser Bestimmung nicht in allen Verfahren der Verwaltungsgerichte in Betracht kommt, sondern erfordert, dass der Anwendungsbereich des Art. 6 Abs. 1 EMRK oder des Art. 47 GRC eröffnet ist (vgl. in diesem Sinn VwGH 31.08.2017, Ro 2017/21/0004 und 0013, Rn. 34). § 8a VwGVG ist im Übrigen insofern subsidiär, als die Bestimmung nur dann zur Anwendung gelangt, „soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist“.

Wenn in den sogenannten „Materiengesetzen“ somit Regelungen enthalten sind, deren Gegenstand der Verfahrenshilfe entspricht, ist § 8a VwGVG nicht anzuwenden (vgl. VwGH 30.08.2018, Ra 2018/21/0073; vgl. näher in Bezug auf § 52 BFA-VG VwGH 31.08.2017, Ro 2017/21/0004 und 0013). Soweit § 8a Abs. 1 VwGVG verlangt, dass die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint, entsprechen diese Voraussetzungen § 63 Abs. 1 ZPO. Der nationale Gesetzgeber hat damit von der nach der Rechtsprechung des EGMR (vgl. 20.11.2012, Dachnevic/Litauen, 41338/06; vgl. auch den Hinweis in EuGH 22.12.2010, DEB, C-279/09, Rn. 49) bestehenden Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Gewährung der Verfahrenshilfe von der finanziellen Situation der Partei bzw. deren (mangelnden) Erfolgsaussichten im Verfahren abhängig zu machen.

Zur Beurteilung, ob auf Grund des Art. 6 EMRK bzw. des Art. 47 GRC die Beigebung eines Rechtsanwaltes „geboten ist“, kommt es im Sinn der Judikatur des EGMR und des EuGH darauf an, ob dies für den „effektiven Zugang“ der Partei zum Gericht unentbehrlich ist. Dies ist in Übereinstimmung mit dieser Rechtsprechung jedenfalls dann zu verneinen, wenn die Voraussetzungen der Verfahrenshilfe nicht erfüllt sind, weil die Partei insbesondere die Kosten eines Rechtsanwaltes ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts bestreiten könnte oder die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung offenbar mutwillig oder aussichtslos ist. Sind diese Voraussetzungen aber erfüllt, ist maßgeblich, ob im Verfahren – insbesondere in Hinblick auf die Komplexität des Falles – Schwierigkeiten zu erwarten sind, die es der Partei verunmöglichen, ihre Interessen ohne Unterstützung eines Rechtsanwaltes wahrzunehmen. Dabei sind die persönlichen Umstände der Partei, wie ihr allgemeines Verständnis und ihre Fähigkeiten bzw. ihre Rechtskenntnisse zu berücksichtigen. Ergänzend ist in die Erwägungen auch die Bedeutung des Rechtsstreits für die Partei miteinzubeziehen. Dies entspricht im Sinn der Ausführungen in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (Hinweis 1255 BlgNR 25. GP 1 ff) grundsätzlich auch den Kriterien, die nach der Judikatur der Zivilgerichte für die Beurteilung, ob in Prozessen ohne Anwaltszwang im Sinn des § 64 Abs. 1 Z 3 ZPO die Beigebung eines Verfahrenshelfers nach Lage des Falles erforderlich ist, maßgeblich sind.

Vor dem Hintergrund der Manuduktionspflicht, der auch für nicht rechtkundige Bürger grundsätzlich zu bewältigenden Einhaltung der Formvorschriften und des Amtswegigkeitsprinzips, sowie der durch § 8a Abs. 1 VwGVG angeordneten ausdrücklichen Beschränkung der Gewährung der Verfahrenshilfe auf Fälle, in denen dies nach Art. 6 Abs. 1 EMRK oder Art. 47 GRC geboten ist, kommt der Beigebung eines Rechtsanwaltes als Verfahrenshelfer im Verfahren der Verwaltungsgerichte Ausnahmecharakter zu.

Sie kann jedoch im Einzelfall erforderlich sein (vgl. zu einer solchen Fallkonstellation VwGH 03.09.2015, Ro 2015/21/0032).

Dies könnte insbesondere dann der Fall sein, wenn schon die Formulierung einer Beschwerde bzw. eines Vorlageantrags, eines Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens oder eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bzw. die Erstattung weiteren Vorbringens im Verfahren – etwa auf Grund einer nach Lage des Falles bestehenden Pflicht der Parteien, an der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken (vgl. zur Mitwirkungspflicht etwa VwGH 19.06.2018, Ra 2018/03/0021, mwN) – besondere Schwierigkeiten aufwerfen, die die Fähigkeiten der Partei nach ihren persönlichen Umständen überschreiten.

Aus § 8a Abs. 2 zweiter Satz VwGVG ergibt sich insoweit eine weitere Einschränkung, als diese Bestimmung im Sinn der Erläuterungen der Regierungsvorlage (Hinweis 1255 BlgNR 25. GP 1 ff) so zu verstehen ist, dass die Bewilligung der Beigebung eines Rechtsanwaltes als Verfahrenshelfer nicht zwingend für das gesamte Verfahren des Verwaltungsgerichtes erfolgen muss, sondern auch nur auf einzelne Abschnitte des Verfahrens bzw. einzelne Verfahrenshandlungen – etwa die Abfassung und Einbringung der Beschwerde oder die Vertretung in der Verhandlung – beschränkt werden kann.

Voraussetzung einer solchen Einschränkung der Beigebung des Rechtsanwaltes bloß auf einzelne Abschnitte des Verfahrens ist aber, dass in Fällen, in denen sich im Sinn der genannten Kriterien ergibt, dass ein Verfahrenshelfer beizugeben ist, absehbar ist, dass die Partei im übrigen Verfahren der Unterstützung eines Rechtsanwaltes nicht bedarf.

2.3.4. Daraus folgt im Gegenstand:

Zunächst ist festzuhalten, dass Verfahren betreffend den Anspruch auf Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe in den Anwendungsbereich des Art. 6 EMRK fallen.

Eine spezifische Komplexität des Falles in der Weise, dass die Verfahrenshilfewerberin im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht anwaltlich vertreten sein müsste, ist gegenständlich nicht gegeben, da die Sachlage klar erscheint und es vorliegend nicht um die Lösung einer schwierigen Rechtsfrage geht. Besondere rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten, die eine rechtsanwaltliche Vertretung erforderlich machen, sind somit nicht zu erwarten.

Auch unter Berücksichtigung der persönlichen Umstände der Verfahrenshilfewerberin ist festzuhalten, dass diese ihre Fähigkeiten im Verkehr mit Behörden im Verfahren zweifelsfrei unter Beweis zu stellen vermochte.

Die Bedeutung der Sache für die Verfahrenshilfewerberin (Feststellung der Notstandhilfe) ist angesichts der damit verbundenen finanziellen Aufwendungen freilich nicht als gering anzusehen, jedoch für sich alleine betrachtet nicht ausreichend für die Gewährung der Verfahrenshilfe.

Insbesondere sind nämlich auch die Erfolgsaussichten des von der Verfahrenshilfewerberin angestrengten Beschwerdeverfahrens nicht als hoch anzusehen, da sich der Verwaltungsgerichtshof bereits mit vergleichbaren Sachverhalten auseinandergesetzt hat.

Aus den oben dargelegten Erwägungen ergibt sich, dass die Gewährung von Verfahrenshilfe im Lichte des Art. 6 Abs. 1 EMRK oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union im vorliegenden Fall nicht geboten ist.

Verfahrenshilfe ist gemäß § 8a Abs. 1 VwGVG nur dann vorgesehen, wenn beide Voraussetzungen, nämlich, dass ihre Gewährung rechtlich geboten ist und die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, kumulativ vorliegen. Auf die Vermögensverhältnisse der Verfahrenshilfewerberin war angesichts der obigen Ausführungen daher nicht mehr einzugehen.

Da die Voraussetzungen für die Bewilligung der Verfahrenshilfe nicht gegeben sind, war der darauf gerichtete Antrag spruchgemäß abzuweisen.

Eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes in der Hauptsache – d.h. über die bereits von der Verfahrenshilfewerberin eingebrachte Beschwerde gegen die im Spruch genannte Beschwerdevorentscheidung wird erst folglich gesondert unter dem zu GZ W260 2223329-1 protokollierten Verfahren entschieden werden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

EMRK Erfolgsaussichten Rechtsanwälte Verfahrenshilfeantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W260.2223329.2.00

Im RIS seit

20.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

20.12.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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