TE Bvwg Erkenntnis 2021/11/30 W124 2213028-1

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Veröffentlicht am 30.11.2021
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Entscheidungsdatum

30.11.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch


W124 2213028-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. FELSEISEN als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG sowie §§ 46, 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, 55 Abs. 1 bis 3 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang:

1.       Vorverfahren

1.1.    Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein indischer Staatsangehöriger, stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz. Am selben Tag erfolgte seine Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, im Rahmen welcher er zu seiner Person anführte, dass er am XXXX geboren sei, aus XXXX , Indien stamme, Punjabi spreche, der Volksgruppe der Jat und der Religionsgemeinschaft der Sikhs angehöre. Er habe in seinem Herkunftsstaat zwölf Jahre die Grundschule absolviert und zuletzt in XXXX , Punjab, gewohnt.

Der BF sei vor etwa zwei Monaten legal mit einem indischen Reisepass, den er infolge an einen Schlepper übergeben habe, aus Indien ausgereist. Er sei nach Österreich gekommen, weil er gehört habe, dass alle Inder hier Asyl erhalten würden. Er habe sowohl für Russland als auch die Slowakei ein Visum erhalten.

Zu seinen Fluchtgründen gab er an, seine Familie besitze Grundstücke mit einer Gesamtfläche von sieben Kila, die ein Sektenführer in Besitz genommen habe. Dieser habe sehr viele Kontakte und seien die Familienmitglieder des BF und er selbst geschlagen worden. Er habe Aus diesem Grunde hätten seine Eltern beschlossen, dass er das Land verlasse, wobei er nicht wisse, wo diese hingezogen sei. Bei einer Rückkehr fürchte er um sein Leben.

1.2.    Mit Schreiben vom XXXX teilte der BF dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) mit, dass sein richtiger Vorname XXXX , und nicht wie in der Erstbefragung protokolliert XXXX laute.

1.3.    Am XXXX wurde der BF vor dem BFA niederschriftlich einvernommen.

Er gab dabei im Wesentlichen an, er sei am XXXX geboren, sei ledig und habe keine Kinder. Er habe im Herkunftsstaat die zwölfte Schulstufe abgeschlossen und sei nie berufstätig gewesen. Er habe keine in Österreich bzw. einem Mitgliedstaat der EU lebende Verwandte und lebe mit einem Freund in einer Wohngemeinschaft. Von diesem erhalte er Kleidung und bei Bedarf etwa EUR 100,- im Monat. Vor seiner Einreise ins Bundesgebiet habe er sich eine Woche in der Slowakei befunden, dort jedoch keinen Asylantrag gestellt. Der BF wolle nicht zurück in die Slowakei, sondern in Österreich einen Asylantrag stellen.

1.4.    Mit Bescheid des BFA vom XXXX , Zahl XXXX , wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz vom XXXX ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und festgestellt, dass für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz gemäß Art. 12 Abs. 4 der VO (EU) Nr. 604/2013 die Slowakei zuständig ist (Spruchpunkt I.). Gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG 2005 wurde gegen den BF die Außerlandesbringung angeordnet. Demzufolge sei die Abschiebung des BF in die Slowakei gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig (Spruchpunkt II.).

1.5.    Am XXXX erhob der BF, vertreten durch XXXX , Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom XXXX .

1.6.    Am XXXX erfolgte zum Zwecke der Abschiebung ein Durchsuchungs-, und Festnahmeauftrag des BFA gemäß §§ 34 Abs. 3 Z 3, 35 Abs. 1 BFA-VG für den XXXX . Die Überstellung des BF in die Slowakei sei für den XXXX geplant, was im Abschiebeauftrag auf dem Landweg vom selben Tag festgehalten wurde.

1.7.    Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (im Folgenden: BVwG) vom XXXX , GZ XXXX , wurde die Beschwerde des BF vom XXXX gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG, mit der Maßgabe, dass für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz die Slowakei gemäß § 12 Abs. 2 der VO (EU) Nr. 604/2013 zuständig sei, abgewiesen.

1.8.    Dem Bericht der Landespolizeidirektion Wien vom XXXX zufolge sei der BF bei Versuch der Vollziehung des Festnahmeauftrags nicht in der von ihm gemeldeten Wohnung aufgefunden worden. Zwei an der gemeldeten Adresse wohnende Personen hätten angegeben, dass der BF nicht mehr dort lebe und sie nicht wüssten, wo er nunmehr aufhältig sei, weshalb eine amtliche Abmeldung des BF veranlasst worden sei.

Am selben Tag erfolgte eine Anzeige der Landespolizeidirektion Wien, der BF habe gegen die Vorschriften des Meldegesetzes verstoßen, indem er seinen Hauptwohnsitz aufgegeben und es unterlassen habe, sich beim Meldeamt polizeilich abzumelden, obwohl er dazu innerhalb von drei Tagen davor oder danach verpflichtet sei.

1.9.    Am XXXX erging zur Erlassung eines Abschiebeauftrags ein weiterer Festnahmeauftrag der Landespolizeidirektion Wien, da das Verfahren in zweiter Instanz rechtskräftig abgeschlossen worden sei.

1.10.   Die für den XXXX geplante Überstellung des BF in die Slowakei wurde am selben Tag abgesagt, da der BF zu diesem Zeitpunkt nicht auffindbar gewesen sei.

2.       Gegenständliches Verfahren

2.1.    Am XXXX wurde der BF im Zuge einer Personenkontrolle durch einen Beamten angehalten und fand eine niederschriftliche Einvernahme vor dem BFA statt, bei der er einen Folgeantrag auf internationalen Schutz stellte.

Befragt zu seiner Person gab der BF zusammengefasst an, er stamme aus dem Distrikt XXXX , Tehsil XXXX , Dorf XXXX (Indien), spreche Punjabi, sei XXXX nach Österreich gekommen und habe das Bundesgebiet seitdem nicht mehr verlassen. Er habe einen Bruder, der in Österreich lebe und ein Aufenthaltsvisum habe, seine restlichen Verwandten würden in Indien leben. Der BF sei gesund, ledig und habe keine Kinder. Er wohne derzeit in XXXX und sei sein Meldezettel immer aufrecht gewesen. Seinen Lebensunterhalt bestreite er durch das Zustellen von Zeitungen.

Zu seinen Fluchtgründen gab der BF an, in Indien würde er aufgrund von Grundstücksstreitigkeiten umgebracht werden. Seine Familie habe Grundstücke gehabt, die besetzt worden seien und als er dagegen agieren haben wolle, habe man ihn mit dem Tod bedroht. Bei einer Rückkehr würde er umgebracht werden.

2.2.    Am XXXX fand eine Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt. Der BF gab dabei an, er sei am XXXX geboren und stamme aus XXXX , Indien. Er spreche Punjabi und Hindi, gehöre der Volksgruppe und der Religionsgemeinschaft der Sikhs an. Er habe noch nie Dokumente besessen. Der BF habe seit der Stellung seines ersten Asylantrags am XXXX Österreich nicht verlassen und wolle hierbleiben, da er im Bundesgebiet einen Bruder habe, der in Besitz eines Visums sei. Seine Asylgründe aus dem ersten Verfahren halte er vollinhaltlich aufrecht. Bei einer Rückkehr nach Indien befürchte er von einer religiösen Partei umgebracht zu werden.

2.3.    Am XXXX fand erneut eine niederschriftliche Einvernahme vor dem BFA statt.

Der BF gab im Wesentlichen an, er sei am XXXX in Indien geboren und habe bis zu seiner Ausreise im Dorf XXXX , Distrikt XXXX gelebt. Dort würden nach wie vor sein Bruder, seine Eltern, Cousins und Cousinen sowie sein Onkel väterlicherseits wohnen. Der BF habe im Dorf zwölf Jahre die Grundschule absolviert und dann in der Landwirtschaft seines Vaters, die diesem noch immer gehöre, gearbeitet. Der BF gehöre der Volksgruppe der Karo und der Religionsgemeinschaft der Sikhs an. Er sei ledig und gesund. Seinen Reisepass habe er auf der Flucht an einen Schlepper abgegeben. Der BF bestreite seinen Lebensunterhalt in Österreich durch das Austragen von Zeitungen, wobei er etwa EUR 200,- bis 250,- pro Monat verdiene. Für seine Miete bezahle er EUR 150,-. Er könne auf Deutsch Grüßen und Zählen, habe jedoch noch keinen Deutschkurs absolviert. Er sei im Bundesgebiet stets gemeldet gewesen und von der Polizei in seiner Wohnung einige Male aufgesucht und kontrolliert worden, habe jedoch nie ein Schreiben bezüglich seiner Rückführung in die Slowakei erhalten.

Befragt zu dem Widerspruch, der BF habe in der Erstbefragung vom XXXX angegeben, er habe einen in Österreich wohnhaften Bruder, meinte er, dass dies stimme, er es jedoch nicht im Kopf gehabt habe, weil er von seinem Bruder in Indien gesprochen habe. Überdies handle es sich bei dem in Österreich aufhältigen Verwandten um einen „Cousinbruder“. Dieser sei verheiratet, und habe drei Kinder und sei bereits seit fünfzehn Jahren in Österreich. Der BF habe jedoch keinen Kontakt zu diesem, da die Beiden eine Auseinandersetzung gehabt hätten. Ansonsten habe er keine Verwandten im Bundesgebiet.

Zu seinen Fluchtgründen brachte der BF vor, er sei zwei bis drei Monate vor seiner Einreise in Österreich, die etwa im neunten Monat erfolgt sei, im Herkunftsstaat bedroht worden. Er sei deswegen bedroht worden, weil der XXXX auf die landwirtschaftlichen Grundstücke der Familie des BF gekommen sei und diese besetzen habe wollen. Während sein Bruder geschlagen worden sei, habe man gegen den BF ein Strafverfahren einleiten wollen. Die Familie sei belästigt worden und habe sie gemeinsam mit Verwandten Geld aufgebracht, damit der BF flüchten könne. Sein Vater sei nach Saudi-Arabien, seine Mutter nach XXXX , Indien, geflohen. Die Grundstücke der Familie seien mittlerweile vermutlich schon besetzt.

Auf Nachfrage, von wem der BF bedroht worden sei, gab dieser an, es habe sich dabei um zehn bis fünfzehn bezahlte „Gauner“ des XXXX gehandelt. Die Drohungen hätten im Heimatdorf und im Haus des BF stattgefunden, wo dieser sogar einmal geschlagen worden sei. Zu diesem Zeitpunkt waren sein zwölfjähriger Bruder und seine Mutter anwesend, da sein Vater bereits geflüchtet sei. Befragt, ob sein Bruder, obwohl dieser noch ein Kind gewesen sei, geschlagen worden sei, gab der BF an, sein Bruder sein nicht geschlagen worden. Auf Vorhalt seiner widersprüchlichen Aussagen meinte er, der Bruder sei doch geschlagen worden, nämlich am selben Tag wie der BF selbst. Der BF habe dabei eine Verletzung an der Hüfte erlitten und vom Arzt Schmerzmittel erhalten.

Der Mann, der die Grundstücke haben hätte wollen, sei Angehöriger der Kongress-Partei. Die Familie des BF hingegen sei Anhänger der Akali-Dalpartei. Auf Vorhalt, der BF habe in seiner Erstbefragung im XXXX angegeben, bei dem Mann habe es sich um einen Sektenführer gehandelt, gab der BF zuerst an, dieser sei Anführer der Akali-Dalpartei, kurz darauf meinte er, der Mann sei Führer der Kongresspartei. Bei einer Rückkehr werde ihn die Kongress-Partei umbringen lassen, da sie machthabend sei.

2.4.    Mit im Spruch angeführten Bescheid des BFA vom XXXX Zahl XXXX , wurde der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gegen ihn wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Indien gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Als Frist zur freiwilligen Ausreise wurden gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG vierzehn Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

Begründend führte das BFA zusammengefasst aus, dass nicht feststellbar gewesen sei, dass der BF in seinem Herkunftsstaat von staatlichen Behörden oder Dritten verfolgt werde bzw. einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt sei. Es könne nicht davon ausgegangen, dass der BF im Falle einer Rückkehr in eine existenzbedrohende Situation geraten könnte. Im Entscheidungszeitpunkt stelle seine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung nach Indien keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts dar. Der BF verfüge über soziale Anknüpfungspunkte in Indien, könne Unterstützung erhalten und sei es ihm zuzumuten, mit Hilfe der eigenen Arbeitsleistung seinen Lebensunterhalt zu sichern.

In Österreich wohne der BF in einer Privatunterkunft mit indischen Freunden und würden keine besonderen sozialen Kontakte bestehen. Der BF habe bisher keine Deutschkurse besucht und spreche kaum Deutsch. Er sei weder in Vereinen tätig noch betätige er sich gemeinnützig und sei keine besondere Integrationsverfestigung feststellbar gewesen.

2.5.    Gegen den am XXXX ordnungsgemäß zugestellten Bescheid erhob der BF, vertreten durch Österreichische Flüchtlings- und MigrantInnenhilfe, vollinhaltlich Beschwerde und beantragte die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung.

Er führte in seiner Beschwerdeschrift zusammengefasst aus, er sei in seiner Heimat in einen Grundstücksstreit verwickelt, wobei der Gegner nicht irgendein Nachbar, sondern die Sekte XXXX sei. Diese habe großen Einfluss und sei es schwer, gegen Ungerechtigkeiten seitens dieser Gruppierung vorzugehen. Derartige Grundstücksstreitigkeiten kämen in Indien sehr oft vor und stimme es mit der Berichtslage überein, dass diese oft eine korrupte Komponente aufweisen würden, da die Feinde meist gute Kontakte zur Politik hätten. Es entspreche auch den Fakten, dass die Sekte XXXX sich regelmäßig Land aneigne. Da es zur Beurteilung des Fluchtvorbringens des BF einer Betrachtung der konkreten fallbezogenen Lage in Indien bedürfe, beantrage der BF ausdrücklich konkrete Recherchen und eine Erhebung vor Ort.

Hinsichtlich der Integration des BF sei festzuhalten, dass dieser sich auf Deutsch verständigen könne, keine Grundversorgung in Anspruch nehme, sondern als Zeitungszusteller für seinen Lebensunterhalt selbstständig aufkomme und aufgrund seines Fußfassens am Arbeitsmarkt von einer außerordentlich guten Integration ausgegangen werden könne. Er sei auch sozial und kulturell bereits integriert, habe sich vorbildlich verhalten und sei unbescholten. Überdies sei der BF krankenversichert und verfüge über eine ortsübliche Unterkunft.

2.6.    Das BFA legte dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) die Beschwerde am XXXX vor.

2.7.    Mit Schreiben vom XXXX reichte das BFA ein Schriftstück des ÖAMTC vom XXXX zur Klassifizierung eines Führerscheins (Nicht-EWR), demzufolge der indische Führerschein des BF mit der Nummer XXXX umgeschrieben worden sei, sowie eine Kopie des indischen Führerscheins, nach.

2.8.    Mit Parteiengehör vom XXXX räumte das BVwG dem BF die Möglichkeit ein, binnen zehn Tagen zu den gleichzeitig übermittelten Länderinformationen zu Indien sowie seinen persönlichen Verhältnissen und seinem Aufenthalt in Österreich Stellung zu beziehen.

2.9.    Mit Stellungnahme vom XXXX brachte der BF vor, er habe keine Familienangehörigen in Österreich und noch keinen Deutschkurs absolviert, spreche jedoch ausreichend Deutsch, um sich im Alltag problemlos verständigen zu können. Er habe zahlreiche enge Kontakte zu Österreichern sowie eine große Liebe zur österreichischen Lebensart entwickelt. Er lebe seit seiner Einreise in einer ortsüblichen Unterkunft und sei selbsterhaltungsfähig. Der BF könne aufgrund der weiterhin bestehenden Verfolgungsbefürchtungen in seine Heimatgemeinde nicht zurückkehren und habe er keinerlei soziale oder familiäre Anknüpfungspunkte in anderen Teilen Indiens. Es bestehe demnach die Gefahr, bei einer Rückkehr in eine existenzielle Notlage zu geraten.

2.10.   Am XXXX langte beim BVwG ein Unterstützungsschreiben eines Herrn XXXX ein, welcher bestätigte, dass es sich beim BF um einen zuverlässigen Zeitungszusteller handeln würde und sei er gegen dessen Abschiebung sei.

2.11.   Am XXXX fand eine mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem BVwG in Anwesenheit des BF und seiner rechtsfreundlichen Vertretung statt. Die belangte Behörde nahm an der Verhandlung nicht teil.

Der BF brachte im Wesentlichen vor, er stamme aus dem Dorf XXXX , XXXX , Distrikt XXXX , Provinz Punjab (Indien) und spreche Punjabi, Englisch, Hindi sowie ein wenig Deutsch. Er habe bis einen Monat vor seiner Ausreise im Heimatdorf mit seiner Familie gelebt. Mit seiner Familie meine er seine Mutter und seinen Bruder, sein Vater lebe in Saudi-Arabien und schicke diesen regelmäßig Geld. Der BF habe in Indien zwölf Jahre die Grundschule besucht und diese mit Matura abgeschlossen. Er habe in seinem Herkunftsstaat nie gearbeitet, da es ihm dort gesundheitlich nicht gut gegangen sei. Bevor er Indien verlassen habe, habe er sich einen Monat in Delhi aufgehalten.

Derzeit würden seine Mutter und sein Bruder, der mittlerweile 21-22 Jahre alt sei, in einer Mietwohnung in der Stadt XXXX leben, die zehn Kilometer vom Heimatdorf entfernt sei. Der BF habe zu ihnen regelmäßigen Kontakt. In Indien würden ebenso sein Onkel mütterlicherseits und seine Tante väterlicherseits leben, er habe zu diesen jedoch keinen Kontakt. Auch zu seinem in Österreich lebenden Cousin habe er keinen Kontakt.

Zu seinen Fluchtgründen gab der BF an, seine Familie habe Grundstücksprobleme gehabt und sei deswegen bereits vor seiner Ausreise in die Stadt XXXX gezogen. Sie hätten ihr Heimatdorf verlassen müssen, weil ein Priester ihre Landwirtschaft in Besitz nehmen habe wollen, und dazu Leute geschickt habe, die oft den Bruder des BF geschlagen hätten. Auch er sei geschlagen worden, weshalb sein Vater nach Saudi-Arabien gezogen sei und die Flucht des BF finanziert habe. Danach hätten die Übergriffe auf seinen Bruder aufgehört. Auf Nachfrage, was er bei einer Rückkehr zu befürchten hätte, nachdem sein Bruder nun auch nicht mehr geschlagen werde, meinte er, sein Bruder werde doch ab und zu noch geschlagen, und drohe ihm dasselbe Schicksal.

Die Probleme mit dem mächtigen Priester namens XXXX , dessen Religionszugehörigkeit der BF nicht wisse, hätten XXXX begonnen. Der Priester habe mit einer politischen Partei zusammengearbeitet, die der BF jedoch nicht kenne, und sei mittlerweile in Besitz der Familiengrundstücke. Er habe die Grundstücke in Besitz nehmen wollen, um sie als Campus für eine Sekte, deren Namen der BF nicht wisse, zu verwenden. Der BF wisse nicht, über welchen Zeitraum die Probleme gegangen seien, weil sein in Indien lebender Bruder die Landwirtschaft mittlerweile nicht mehr aufsuche. Der Vater des BF sei deswegen zur Polizei gegangen, diese habe jedoch nichts unternommen. Der BF selbst habe nie Anzeige erstattet, da er sehr jung gewesen sei.

Erstmals habe ein Angriff stattgefunden, als er mit seinem Vater und seinem Bruder die Landwirtschaft bewässern habe wollen. Sie seien dabei von etwa fünfzehn bis zwanzig Personen mit Holzstöcken geschlagen worden und hätten danach ihre Verletzungen im Krankenhaus behandeln lassen. Sein Vater habe daraufhin beschlossen, noch im Jahr XXXX aus Indien auszureisen und einen Kila Landwirtschaft, den die Familie in einem anderen Dorf besessen habe, zur Finanzierung der Flucht zu verkaufen. Sein Bruder sei deswegen in Indien verblieben, weil die Familie nicht genug Geld gehabt habe, um für alle die Ausreise zu finanzieren.

Im Jahr XXXX sei der BF zwei- bis dreimal, XXXX ein- bis zweimal angegriffen worden. Zuletzt sei es zehn Tage vor der Ausreise des BF zu Bedrohungen und körperlichen Übergriffen gekommen. Sein Bruder und er hätten noch einmal nach der Landwirtschaft gesehen und seien dabei von zehn bis fünfzehn Personen, die für den Priester arbeiten würden, mit Holzstöcken geschlagen und mit dem Umbringen bedroht worden. Diese Personen hätten auch bereits ein Gebäude auf der Landwirtschaft erbaut und würden dort leben.

In Österreich sei der BF als Zeitungszusteller tätig und verdiene dadurch monatlich zwischen EUR 1.600,- und 2.700,-. Etwa im XXXX habe ihm bei seiner Tätigkeit für einen Monat ein Freund geholfen, dem er dann die Hälfte seines Gehalts zahlen habe müssen. Er sei versichert und bezahle dafür monatlich EUR 50,-. Weiters habe er Mietausgaben in Höhe von EUR 150,- pro Monat, wobei er gemeinsam mit einem anderen Asylwerber in einer Mietwohnung in XXXX lebe. Der Mietvertrag laufe über eine andere Person, die ihre Wohnung an die Beiden weitervermietet habe. In Zukunft wolle der BF seiner Mutter regelmäßig Geld schicken. Derzeit könne er dies nicht tun, weil jemand seine Asylkarte gestohlen, sein Auto auf den Namen des BF gemeldet habe und der BF nunmehr für viele Verkehrsstrafen aufkommen müsse. Auch habe diese Person die öffentlichen Verkehrsmittel ohne Fahrschein benutzt, und müsse der BF nun die Mahngebühren bezahlen. Der BF habe diesbezüglich bereits Anzeige erhoben. Der BF habe XXXX angefangen zu arbeiten und bisher keinen Deutschkurs besucht. Er sei nicht Mitglied eines Vereins oder einer sonstigen Organisation und lebe eine Tante von ihm mit ihrer Familie in Italien. Zu dieser habe der BF allerdings keinen Kontakt.

Der BF legte in der Verhandlung eine Anzeigebestätigung vom XXXX bei der Landespolizeidirektion Wien über den Gebrauch fremder Ausweise und Urkundenunterdrückung vor. Weiters legte er ein Mahnschreiben vom XXXX der XXXX GmbH & Co KG, der BF sei am XXXX ohne gültigen Fahrausweis angetroffen worden, sodass er innerhalb einer Woche den Betrag von EUR 145,- zu begleichen habe sowie eine Inkassomahnung vom XXXX der XXXX GmbH, laut der die aushaftende Gesamtforderung EUR 301,84 betrage, vor. Er legte weiters eine Versicherungserklärung der SVA für Freiberufler nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG, einen Verteilvertrag vom XXXX mit der XXXX GmbH sowie Honorarnoten aus den Monaten XXXX und XXXX bzw. XXXX vor.

Dem BF wurde in der Verhandlung eine Frist von vierzehn Tagen eingeräumt, um Einkommenssteuerbescheide aus den Jahren XXXX , einen Versicherungsdatenauszug, den Mietvertrag sowie sämtliche Lohnnachweise seit Beginn der Erwerbstätigkeit im Jahr XXXX vorzulegen.

2.12.   Mit Schreiben vom XXXX legte der BF Einkommenssteuererklärungen für XXXX und XXXX , einen Mietvertrag über ein unbefristetes Mietverhältnis zwischen Herrn XXXX als Vermieter und Herrn XXXX als Mieter sowie monatliche Gutschriften der XXXX GmbH für die Zustelldienste des BF von XXXX bis XXXX vor.

2.13.   Am XXXX übermittelte das BVwG dem BF das aktuelle Länderinformationsblatt zu Indien (generiert am 02.06.2021, Version 4) mit der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme binnen zehn Tagen. Von dieser Möglichkeit nahm der BF keinen Gebrauch.

II.      Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

1.1.    Zur Person des Beschwerdeführers

Der BF ist indischer Staatsangehöriger, gibt an am XXXX im Dorf XXXX , XXXX , Distrikt XXXX , Provinz Punjab (Indien), geboren zu sein, spricht Punjabi, Hindi sowie Englisch und gehört der Volksgruppe der Karo sowie der Religionsgemeinschaft der Sikhs an. Er wuchs in seinem Heimatdorf auf und lebte dort mit seiner Familie, also seiner Mutter und seinem Bruder, wobei nicht festgestellt werden konnte, zu welchem Zeitpunkt er bzw. die Familie vor seiner Ausreise das Dorf verließ.

Die Identität des BF kann nicht hinreichend festgestellt werden, er führt jedoch den Namen XXXX .

Der BF besuchte in seinem Heimatsstaat zwölf Jahre lang die Grundschule und schloss diese mit Matura ab. Überdies war er in der familieneigenen Landwirtschaft tätig.

Er ist gesund, leidet an keiner schwerwiegenden Krankheit und ist arbeitsfähig. Er ist ledig und hat keine Kinder.

In Hinblick auf die derzeit bestehende Covid-19 – Pandemie ist festzuhalten, dass der BF XXXX alt ist und weder an einer schwerwiegenden noch an einer lebensbedrohlichen Erkrankung leidet, womit er nicht unter die Risikogruppe der älteren Personen oder Personen mit (relevanten) Vorerkrankungen fällt. Er leidet insbesondere an keinen (chronischen) Atemwegserkrankungen oder anderen chronischen Krankheiten, wie Bluthochdruck, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, geschwächtem Immunstatus, Krebs oder Fettleibigkeit.

1.2.    Zu den Flucht- und Verfolgungsgründen im Herkunftsstaat

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF aus einem der von ihm genannten Gründe – konkret aufgrund von Grundstücksstreitigkeiten – seinen Herkunftsstaat verlassen hat oder ihm aus diesen Gründen im Fall seiner Rückkehr eine Gefahr oder Verfolgung drohe.

Weiters kann nicht festgestellt werden, dass der Herkunftsstaat des BF infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht gewillt oder in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter durch Privatpersonen abzuwenden.

Es kann zudem nicht festgestellt werden, dass der BF im Falle einer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Indien in seinem Recht auf Leben gefährdet wird, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder von der Todesstrafe bedroht wird oder für den BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde.

1.3.    Zum Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers

Der BF lebt in Österreich in keiner Familiengemeinschaft oder in einer familienähnlichen Gemeinschaft. Es lebt ein Cousin des BF mit dessen Familie in Österreich, zu diesem hat er jedoch keinen Kontakt. Weiters wohnt eine Tante mit ihrer Familie in Italien, jedoch hat der BF auch zu dieser keinen Kontakt. In seinem Herkunftsstaat, in der etwa zehn Kilometer vom Heimatdorf entfernten Stadt XXXX , leben nach wie vor seine Mutter und sein Bruder, zu denen er regelmäßigen Kontakt hat, sowie ein Onkel mütterlicherseits und eine Tante. Sein Vater ist in Saudi-Arabien wohnhaft, wobei nicht festgestellt werden konnte, wann er Indien verließ.

Es ist im Verfahren nicht hervorgekommen, dass der BF in Österreich über einen Freundeskreis, der auch österreichische Staatsangehörige umfasst, oder enge soziale Bindungen verfügt. Er ist nicht Mitglied eines Vereins, eines Clubs oder einer sonstigen Organisation. Er arbeitet sonntags ehrenamtlich in einem Sikh-Tempel, nimmt aber nicht auf sonstige Weise am gesellschaftlichen und kulturellen Leben in Österreich teil. Der BF absolvierte bisher keinen Deutschkurs und verfügt über keine maßgeblichen Deutschkenntnisse.

Der BF ist seit XXXX als Zeitungszusteller selbstständig erwerbstätig und erhält monatlich zwischen EUR 1.600,- und 2.700,- an Gutschriften von der XXXX GmbH, mit der er einen Verteilvertrag abgeschlossen hat. Laut seiner Einkommenssteuererklärung für das Jahr XXXX bezog er im selben Jahr ein Einkommen in Höhe von EUR 3.854,23, laut der Steuererklärung für XXXX bezog er im selben Jahr insgesamt EUR 7.478,34, weshalb er in beiden Jahren keine Steuern bezahlen musste. Es ist nicht ersichtlich, wie diese Beträge errechnet wurden, zumal der BF im Jahr XXXX insgesamt brutto EUR 7.174,61 und im Jahr XXXX brutto EUR 22.690,45 an Einkommen bezogen hat. Im XXXX verhalf dem BF für einen Monat ein Freund bei Verrichtung der Tätigkeit, weshalb er ihm in diesem Monat die Hälfte seines Gehalts zahlen musste.

Festgestellt wird, dass der BF keine Versicherungsbeiträge bezahlt.

Der BF wohnt in einer Mietwohnung in XXXX und ist an der von ihm angegebenen Adresse gemeldet, ist jedoch selbst nicht Vertragspartei des Mietvertrags. Er verfügt über einen indischen Führerschein mit der Nummer XXXX , von dem sich eine Kopie im Akt befindet, der umgeschrieben wurde.

Der BF ist strafgerichtlich unbescholten und bezieht derzeit keine Leistungen aus der Grundversorgung. Er befindet sich seit XXXX durchgehend im Bundesgebiet, obwohl sein erster Antrag auf internationalem Schutz XXXX vom BFA am XXXX und vom BVwG am XXXX in zweiter Instanz rechtskräftig wegen der Unzuständigkeit Österreichs zur Prüfung des Antrags zurückgewiesen wurde. Der Festnahmeauftrag vom XXXX zum Zwecke der Überstellung in die Slowakei konnte nicht durchgeführt werden, weil sich der BF nicht an der von ihm gemeldeten Adresse aufgehalten hat, weshalb er von der Landespolizeidirektion Wien am XXXX wegen eines Verstoßes gegen das MeldeG angezeigt wurde. Der BF hielt sich von XXXX bis zur Stellung seines zweiten Antrags am XXXX , sohin etwas über ein Jahr, illegal im Bundesgebiet auf.

1.4.    Zur Situation im Herkunftsstaat

Auszüge aus dem Länderinformationsblatt Indien vom 31.05.2021 mit letzter Kurzinformation vom 31.05.2021:

1.4.1.  Länderspezifische Anmerkungen

Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie verhängte die indische Regierung am 25. März 2020 eine Ausgangssperre über das gesamte Land, die nur in Einzelfällen (Herstellung lebensnotwendiger Produkte und Dienstleistungen, Einkaufen für den persönlichen Bedarf, Arztbesuche, usw.) durchbrochen werden durfte. Trotz der Ausgangssperre sanken die Infektionszahlen nicht. Seit der ersten Aufsperrphase, die am 8. Juni 2020 begann, schießt die Zahl der Infektionen noch steiler als bisher nach oben. Größte Herausforderung während der Krise waren die Millionen von Wanderarbeitern, die praktisch über Nacht arbeitslos wurden, jedoch auf Grund der Ausgangssperre nicht in ihre Dörfer zurückkehren konnten (ÖB 9.2020; vgl. HRW 13.1.2021). Viele von ihnen wurden mehrere Wochen in Lagern unter Quarantäne gestellt (also de facto eingesperrt), teilweise mit nur schlechter Versorgung (ÖB 9.2020). Menschen mit Beeinträchtigungen sind von coronabedingten Maßnahme wie Abriegelungen und sozialen Distanzierungen besonders betroffen. Der Zugang zu medizinischer Versorgung und lebenswichtigen Gütern und der Ausübung sozialer Distanzierung, insbesondere für diejenigen, die persönliche Unterstützung für Aufgaben des täglichen Lebens erhalten (HRW 13.1.2021). Während der ersten Wochen der COVID-19 Pandemie, wurden Muslime für die Verbreitung des Coronavirus, auch von Vertretern der Regierungsparteien verantwortlich gemacht (FH 3.3.2021; vgl. HRW 13.1.2021).

Nach Angaben des indischen Gesundheitsministeriums vom 11. Oktober 2020 wurden seit Beginn der Pandemie mehr als sieben Millionen Infektionen mit COVID registriert. Die täglichen offiziellen Fallzahlen stiegen zwar zuletzt weniger schnell als noch im September, die Neuinfektionen nehmen in absoluten Zahlen jedoch schneller zu als in jedem anderen Land der Welt. Medien berichten in einigen Teilen des Landes von einem Mangel an medizinischem Sauerstoff in Krankenhäusern (BAMF 12.10.2020).

Die Lage in Indien, dass mit Bezug auf das Infektionsgeschehen (neben den USA und Brasilien) zu den am schwersten von der COVID-19-Pandemie betroffenen Ländern weltweit zählt, hat sich sich gegenüber dem Sommer 2020 mit damals fast 100.000 Neuinfektionen pro Tag inzwischen etwas entspannt. Es erkranken offiziellen Angaben zufolge nach wie vor etwa 40.000 Menschen täglich am Virus. In den Ballungszentren kann die medizinische Versorgung weitestgehend aufrecht erhalten werden (GTAI 3.12.2020). Indiens Wirtschaft wurde durch die COVID-19-Pandemie stark beeinträchtigt (DFAT 10.12.2020; vgl. GTAI 3.12.2020). Das Land rutschte im zweiten Quartal des Geschäftsjahres 2020-21 erstmals in eine wirtschaftliche Rezession (PRC 18.3.2021). Es wird allgemein erwartet, dass das Land ab 2021 zu einem nachhaltigen Wachstum zurückkehren wird (DFAT 10.12.2020; vgl. GTAI 3.12.2020). Nach dem zweimonatigen harten Lockdown im Frühjahr 2020 hat die indische Regierung das öffentliche Leben im Rahmen ihrer Unlock-Strategie schrittweise wieder hochgefahren. Die Bundesstaaten und Unionsterritorien haben dabei weitreichendere Entscheidungsbefugnisse, welche Lockerungen sie umsetzen und welche nicht. Mit den bestehenden Einschränkungen sollen vor allem Superspreader-Events wie religiöse Großveranstaltungen und Hochzeiten eingedämmt werden. Massentests, Kontaktnachverfolgung, Isolierung von Infizierten und die Abschottung von Gebieten mit hohen Fallzahlen (Containment Zones) sollen helfen, das Virus zurückzudrängen (GTAI 3.12.2020; vgl. WKO 13.1.2021). Es kann daher vereinzelt und regional sowie zeitlich begrenzt zu erneuten Lockdowns kommen. Eine Skizzierung in „Red Zone“, „Orange Zone“ und „Green Zone“ wird von der Regierung des Bundesstaates/Unionsterritoriums in Absprache mit dem Gesundheitsministerium und der nationalen Regierung entschieden (WKO 13.1.2021).

Gegen regierungskritische Äußerungen, auch im Zusammenhang mit Maßnahmen der Regierung im Umgang mit der COVID-19 Pandemie wurden mittels aus der Kolonialzeit stammenden Gesetzen zur Staatsverhetzung und dem im Jahr 2000 erlassenen IT-Gesetz vorgegangen (FH 3.3.2021). Medienvertreter sehen sich Drohungen, Verhaftungen, Strafverfahren oder körperlichen Angriffen durch Mobs oder der Polizei wegen der Berichterstattung über die Pandemie ausgesetzt (HRW 13.1.2021). Mehrere von der Regierung zur Eindämmung einer Verbreitung der Pandemie getroffenen Maßnahmen wurden von Menschenrechtsanwälten als invasiv angesehen (FH 3.3.2021).

Im ersten Quartal 2021 wird Indien mit einem Anstieg der Fallzahlen vor einer zweiten COVID-19 Welle erfasst (TOI 21.3.2021; vgl. TFE 20.3.2021) und verzeichnete im Zeitraum ab April/Mai 2021 die höchsten Zahlen an täglichen Todesfällen wegen des Coronavirus seit Beginn der Pandemie (BAMF 3.5.2021). Kritik äußert sich aus dem Umstand heraus, dass Indien, ob seiner Pharmaindustrie, als "Apotheke der Welt" durch die Lieferung von Covid-19-Impfstoffen an viele Länder der Welt genießt (FE 20.3.2021; vgl. TOI 21.3.2021), gleichzeitig jedoch bei der Durchimpfung der eigenen Bevölkerung landesweit lediglich einen Wert von rund zwei Prozent erreicht (HO 28.4.2021).

Auch der Umstand, dass im Zuge der Regionalwahlen in einigen Bundesstaaten große Kundgebungen mit zum Teil Zehntausender Besucher abgehalten wurden, wie auch die Durchführung des hinuistischen Festes Kumbh-Mela in Haridwar im nördlichen Bundesstaat Uttarakhand, an dem im Zeitraum von Jänner 2021 bis zum 27. April knapp 25 Millionen Hindus vor Ort teilgenommen haben, attestieren der indischen regierung eine "praktizierte Sorglosigkeit". Die Aussage der BJP bei einer Wahlveranstaltung im Bundestaat Assam in der verkündet wurde, "Wahlveranstaltungen und religiöse Zusammenkünfte tragen nicht zur Verbreitung von Covid-19 bei", wird kritisiert (BAMF 3.5.2021; vgl. HO 28.4.2021).

Seit Mai 2021 sind alle Erwachsenen impfberechtigt, davor nur über 45-Jährige. In mehreren Bundesstaaten des Landes ist der Impfstoff ausgegangen, Hilfsgüter aus mehreren Ländern wie Beatmungsgeräte, Anlagen zur Sauerstofferzeugung, Medikamente und Impfstoff werden Indien von der internationalen Staatengemeionschaft zur Verfügung gestellt. Medienberichten zufolge will Indien die eigene Impfstoffproduktion bis Juni 2021 erhöhen, von der staalichen indischen Eisenbahngesellschaft gab bekannt, 4.000 Waggons mit einer Kapazität von 64.000 Betten als provisorische Stationen für Corona-Patienten bereitzustellen (BAMF 3.5.2021).

Alle Experten davon aus, dass kurzfristig die Fallzahlen wie auch die Zahlen der Toten weiter ansteigen werden, da das staatliche Gesundheitssystem in vielen Landesteilen schon jetzt an seine Grenzen gestoßen ist. Eine mittelfristige Prognose ist noch unklar. Eine Hoffnung stellt, bedingt durch den bereits erfolgten sehr breiten Ansteckung der Bevölkerung das Erreichen einer Herdenimmunität dar (HO 25.4.2021).

Quellen:

?        BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (3.5.2021): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw18-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=3, Zugriff 7.5.2021

?        BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (12.10.2020): https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2020/briefingnotes-kw42-2020.pdf;jsessionid=91E533F0FC7A0F35C0751A9F00F3D711.internet572?__blob=publicationFile&v=4, Zugriff 12.10.2020

?        DFAT – Australian Government - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (10.12.2020): DFAT Country Information Report India, https://www.ecoi.net/en/file/local/2043026/country-information-report-india.pdf, Zugriff 18.1.2021

?        FE – Financial Express (20.3.2021): Coronavirus Lockdown 2021 News Highlights: Only partial relaxation from lockdown in Nagpur from Monday, https://www.financialexpress.com/lifestyle/health/coronavirus-lockdown-2021-live-news-coronavirus-india-latest-march-20-updates-narendra-modi-covid-lockdown-night-curfew-maharashtra-mumbai-pune-nagpur-uttar-pradesh-delhi-bengaluru-hyderabad-punjab-gu/2216571/, Zugriff 22.3.2021

?        FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2046516.html, Zugriff 22.3.2021

?        GTAI – German Trade & Invest [Deutschland] (3.12.2020): Indien sieht erste Anzeichen einer Konjunkturbelebung, https://www.gtai.de/gtai-de/trade/specials/special/indien/indien-sieht-erste-anzeichen-einer-konjunkturbelebung-234424, Zugriff 18.1.2021

?        HO – Heise Online (25.4.2021): Telepolis: Corona in Indien: Sorglosigkeit, Mutanten und himmelschreiende Ungleichheit, https://www.heise.de/tp/features/Corona-in-Indien-Sorglosigkeit-Mutanten-und-himmelschreiende-Ungleichheit-6030218.html, Zugriff 7.5.2021

?        HRW – Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043608.html, Zugriff 18.1.2021

?        ÖB – Österreichische Botschaft New Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht Indien

?        PRC – Pew Research Center (18.3.2021): In the pandemic, India’s middle class shrinks and poverty spreads while China sees smaller changes, https://www.pewresearch.org/fact-tank/2021/03/18/in-the-pandemic-indias-middle-class-shrinks-and-poverty-spreads-while-china-sees-smaller-changes/, Zugriff 22.3.2021

?        TOI – Times of India (21.3.2021): Government failed to control Covid spread, must vaccinate all within months: Congress,
http://timesofindia.indiatimes.com/articleshow/81618736.cms?utm_source=contentofinterest&utm_medium=text&utm_campaign=cppst, Zugriff 22.3.2021

?        WKO – Wirtschaftskammer Österreich [Österreich] (13.1.2021): Coronavirus: Situation in Indien, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/coronavirus-infos-indien.html, Zugriff 18.1.2021

1.4.2.  Politische Lage

Letzte Änderung: 21.05.2021

Indien ist mit über 1,3 Milliarden Menschen und einer multireligiösen und multiethnischen Gesellschaft die bevölkerungsreichste Demokratie der Welt (CIA 27.4.2021; vgl. AA 23.9.2020). Indien hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einer regionalen Hegemonialmacht in Südostasien entwickelt. Nachdem sich das Land während des Kalten Krieges vor allem innerhalb der Blockfreienbewegung profilierte, verfolgt es heute eine eindeutig pro-westliche Politik (BICC 1.2021).

Indien ist eine parlamentarische Demokratie und verfügt über ein Mehrparteiensystem und ein Zweikammerparlament (USDOS 30.3.2021). Darüber hinaus gibt es Parlamente auf Ebene der Bundesstaaten (AA 23.9.2020). Im Einklang mit der Verfassung haben die 28 Bundesstaaten und acht Unionsterritorien ein hohes Maß an Autonomie und tragen die Hauptverantwortung für Recht und Ordnung (USDOS 30.3.2021).

Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und wird von einem Wahlausschuss gewählt, während der Premierminister der Regierungschef ist (USDOS 30.3.2021). Der Präsident nimmt weitgehend repräsentative Aufgaben wahr. Die politische Macht liegt hingegen beim Premierminister und seiner Regierung, die dem Parlament verantwortlich ist. Präsident ist seit 25. Juli 2017 Ram Nath Kovind, der der Kaste der Dalits (Unberührbaren) entstammt (GIZ 1.2021a).

Der Grundsatz der Gewaltenteilung von Legislative, Exekutive und Judikative ist nach britischem Muster durchgesetzt (AA 23.9.2020). Die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit ist verfassungsmäßig garantiert, der Instanzenzug ist dreistufig (AA 23.9.2020). Das oberste Gericht (Supreme Court) in New Delhi steht an der Spitze der Judikative und wird gefolgt von den High Courts auf Länderebene (GIZ 1.2021a).

Die Verfassung garantiert Rede- und Meinungsfreiheit (USDOS 30.3.2021). Unabhängigen Medien drücken eine große Bandbreite von Meinungen und Ansichten ohne Einschränkungen aus (USDOS 30.3.2021; vgl. FH 3.3.2021). Allerdings haben die Angriffe auf die Pressefreiheit unter der Regierung Modi zugenommen (FH 3.3.2021).

Im April/Mai 2019 wählten etwa 900 Mio. Wahlberechtigte ein neues Unterhaus. Im System des einfachen Mehrheitswahlrechts konnte die Bharatiya Janata Party (BJP) unter der Führung des amtierenden Premierministers Narendra Modi ihr Wahlergebnis von 2014 nochmals verbessern (AA 23.9.2020).

Als deutlicher Sieger mit 352 von 542 Sitzen stellt das Parteienbündnis "National Democratic Alliance (NDA)", mit der BJP als stärkster Partei (303 Sitze) erneut die Regierung. Der BJP-Spitzenkandidat und amtierende Premierminister Narendra Modi wurde im Amt bestätigt. Die United Progressive Alliance rund um die Congress Party (52 Sitze) erhielt insgesamt 92 Sitze (ÖB 9.2020; vgl. AA 19.7.2019). Die Wahlen verliefen, abgesehen von vereinzelten gewalttätigen Zusammenstößen v. a. im Bundesstaat Westbengal, korrekt und frei. Im Wahlbezirk Vellore (East) im Bundesstaat Tamil Nadu wurden die Wahlen wegen des dringenden Verdachts des Stimmenkaufs ausgesetzt und werden zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt (AA 19.7.2019). Mit der BJP-Regierung unter Narendra Modi haben die hindu-nationalistischen Töne deutlich zugenommen. Die zahlreichen hindunationalen Organisationen, allen voran das Freiwilligenkorps RSS [Rashtriya Swayamsevak Sangh], fühlen sich nun gestärkt und versuchen verstärkt, die Innenpolitik aktiv in ihrem Sinn zu bestimmen (GIZ 1.2021a). Mit der Reform des Staatsbürgerschaftsrechts treibt die regierende BJP ihre hindunationalistische Agenda weiter voran. Die Reform wurde notwendig, um die Defizite des Bürgerregisters des Bundesstaats Assam zu beheben und den Weg für ein landesweites Staatsbürgerregister zu ebnen. Kritiker werfen der Regierung vor, dass die Vorhaben vor allem Muslime und Musliminnen diskriminieren, einer großen Zahl von Personen den Anspruch auf die Staatsbürgerschaft entziehen könnten und Grundwerte der Verfassung untergraben (SWP 2.1.2020; vgl. TG 26.2.2020). Kritiker der Regierung machten die aufwiegelnde Rhetorik und die Minderheitenpolitik der regierenden Hindunationalisten, den Innenminister und die Bharatiya Janata Party (BJP) für die Gewalt verantwortlich, bei welcher Ende Februar 2020 mehr als 30 Personen getötet wurden. Hunderte wurden verletzt (FAZ 26.2.2020; vgl. DW 27.2.2020).

Bei der Wahl zum Regionalparlament der Hauptstadtregion New Delhi musste die Partei des Regierungschefs Narendra Modi gegenüber der regierenden Antikorruptionspartei Aam Aadmi (AAP) eine schwere Niederlage einstecken. Diese gewann die Regionalwahl erneut mit 62 von 70 Wahlbezirken. Die AAP unter Führung von Arvind Kejriwal, punktete bei den Wählern mit Themen wie Subventionen für Wasser und Strom, Verbesserung der Infrastruktur für medizinische Dienstleistungen sowie die Sicherheit von Frauen, während die BJP für das umstrittene Staatsbürgerschaftsgesetz warb (KBS 12.2.2020). Modis Partei hat in den vergangenen zwei Jahren bereits bei verschiedenen Regionalwahlen in den Bundesstaaten Maharashtra und Jharkhand heftige Rückschläge hinnehmen müssen (quanatra.de 14.2.2020; vgl. KBS 12.2.2020).

Bei Regionalwahlen in vier indischen Bundesstaaten und einem Unionsterritorium hat die konservative Regierungspartei BJP von Premierminister Modi offenbar keine Zugewinne erzielt. In Westbengalen liegt die BJP deutlich hinter der Regionalpartei All India Trinamool Congress (TMC) von Chefministerin Mamata Banerjee. Auch in Assam, Tamil Nadu, Kerala und Puducherry fanden Wahlen statt. Nur in Assam konnte die BJP an der Macht festhalten, aber auch dort erzielte sie – wie in den anderen Bundesstaaten – keine Zugewinne. Der Wahlkampf fand inmitten der Corona-Pandemie zum Teil mit riesigen Wahlkundgebungen statt. Viele Experten sehen darin die Ursache für den dramatischen Anstieg der Infektionszahlen im Land. Modi hatte sich im Wahlkampf besonders in Westbengalen engagiert, das an der Grenze zu Bangladesch liegt und eine starke muslimische Minderheit hat. Die BJP versprach, hunderttausende Muslime auszuweisen, die vor Jahrzehnten aus Bangladesch nach Indien geflohen sind (DS 3.5.2021).

Trotz der Annäherung an die USA und der zunehmenden Spannungen mit China betont Indien weiterhin seine strategische Autonomie. Diese beinhaltet auch den Anspruch auf eine eigenständige Rolle im Kontext der geopolitischen Spannungen zwischen China und den USA im Indo-Pazifik. So haben Indien und China in den letzten Jahren auch immer wieder kooperiert, zum Beispiel in der Shanghaier Orga-nisation für Zusammenarbeit. Innerhalb der Quad hat sich Indien für ein inklusives Verständnis des Indo-Pazifiks ausgesprochen, das im Unterschied zu den Vorstellungen der USA bislang immer die Einbeziehung Chinas beinhaltete (SWP 7.2020). Ein ständiger Sitz im UN-Sicherheitsrat ist weiterhin ein strategisches Ziel Indiens (GIZ 1.2021a).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (23.9.2020): Auswärtiges Amt, Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2038579/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_zur_asyl-_und_abschiebungsrelevanten_Lage_in_der_Republik_Indien_%28Stand_Juni_2020%29%2C_23.09.2020.pdf, Zugriff 15.10.2020

?        AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (19.7.2019): Auswärtiges Amt, Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien (Stand: Mai 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2014276/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_zur_asyl-_und_abschiebungsrelevanten_Lage_in_der_Republik_Indien_%28Stand_Mai_2019%29%2C_19.07.2019.pdf, Zugriff 15.10.2020

?        AA – Auswärtiges Amt (11.2.2021): Indien: Politisches Porträt, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/indien-node/politisches-portrait/206048, Zugriff 6.5.2021

?        BICC – Bonn International Centre for Conversion (1.2021): Informationsdienst - Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte: Länderinformation Indien, http://www.ruestungsexport.info/user/pages/04.laenderberichte/indien/2020_Indien.pdf, Zugriff 23.3.2021

?        CIA - Central Intelligence Agency (27.4.2021): The World Factbook – India, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/india/#people-and-society, Zugriff 6.5.2021

?        DS Der Standard (3.5.2021): Indien: Regionalwahl-Schlappe für Modi inmitten steigender Corona-Zahlen, https://www.derstandard.at/story/2000126330932/indienregionalwahl-schlappe-fuer-modi-inmitten-steigender-corona-faelle, Zugriff 6.5.2021

?        DW – Deutsche Welle (27.2.2020): Sierens China: Schwieriges Dreiecksverhältnis, https://www.dw.com/de/sierens-china-schwieriges-dreiecksverh%C3%A4ltnis/a-52556817, Zugriff 28.2.2020

?        FAZ – Frankfurter Allgemeine Zeitung (26.2.2020): Immer mehr Tote nach Unruhen in Delhi, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/indien-tote-bei-gewalt-zwischen-hindus-und-muslimen-in-delhi-16652177.html, Zugriff 28.2.2020

?        FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2046516.html, Zugriff 6.5.2021

?        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (1.2021a): Indien, Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/indien/geschichte-staat/, Zugriff 11.5.2021

?        KBS – Korean Broadcasting System (12.2.2020): Niederlage für Indiens Regierungschef Modi bei Wahl in Neu Delhi, http://world.kbs.co.kr/service/contents_view.htmlang=g&board_seq=379626, Zugriff 14.2.2020

?        ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht Indien

?        Quantara.de (14.2.2020): Herbe Niederlage für Indiens Regierungschef Modi bei Wahl in Neu Delhi, https://de.qantara.de/content/herbe-niederlage-fuer-indiens-regierungschef-modi-bei-wahl-in-neu-delhi, Zugriff 20.2.2020

?        SWP – Stiftung Wissenschaft und Politik (7.2020): Indisch-chinesische Konfrontation im Himalaya. Eine Belastungsprobe für Indiens strategische Autonomie, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2020A63_IndienChina.pdf, Zugriff 11.5.2021

?        SWP – Stiftung Wissenschaft und Politik (8.2019): Indiens Ringen um die Staatsbürgerschaft, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2020A02_wgnArora_WEB.pdf, Zugriff 18.2.2020

?        SWP – Stiftung Wissenschaft und Politik (8.2019): Keine Ruhe in Kaschmir. Die Auflösung des Bundesstaats und die Folgen für Indien, https://www.swp-berlin.org/10.18449/2019A45/, Zugriff 16.1.2020

?        TG – The Guardian (26.2.2020): Anti-Muslim violence in Delhi serves Modi well, https://www.theguardian.com/commentisfree/2020/feb/26/violence-delhi-modi-project-bjp-citizenship-law, Zugriff 28.2.2020

?        USDOS – US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048124.html, Zugriff am 6.5.2021

1.4.3.  Sicherheitslage

Letzte Änderung: 28.05.2021

Indien hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einer regionalen Hegemonialmacht in Südostasien entwickelt. Nachdem sich das Land während des Kalten Krieges vor allem innerhalb der Blockfreienbewegung profilierte, verfolgt es heute eine eindeutig pro-westliche Politik. Das Land ist ein wichtiger Handelspartner der EU und der Vereinigten Staaten (BICC 1.2021).

Es gibt in Indien eine Vielzahl von Spannungen und Konflikten, Gewalt ist an der Tagesordnung (GIZ 1.2021a). Aufstände gibt es auch in den nordöstlichen Bundesstaaten Assam, Manipur, Nagaland sowie in Teilen Tripuras. In der Vergangenheit konnte eine Zunahme von Terroranschlägen in Indien, besonders in den großen Stadtzentren, verzeichnet werden. Mit Ausnahme der verheerenden Anschläge auf ein Hotel in Mumbai im November 2008, wird Indien bis heute zwar von vermehrten, jedoch kleineren Anschlägen heimgesucht (BICC 1.2021). Aber auch in den restlichen Landesteilen gab es in den letzten Jahren Terroranschläge mit islamistischem Hintergrund. Im März 2017 platzierte eine Zelle des „Islamischen Staates“ (IS) in der Hauptstadt des Bundesstaates Madhya Pradesh eine Bombe in einem Passagierzug. Die Terrorzelle soll laut Polizeiangaben auch einen Anschlag auf eine Kundgebung von Premierminister Modi geplant haben (bpb 12.12.2017). Das Land unterstützt die US-amerikanischen Maßnahmen gegen den internationalen Terrorismus. Intern wurde eine drakonische neue Anti-Terror-Gesetzgebung verabschiedet, die Prevention of Terrorism Ordinance (POTO), von der Menschenrechtsgruppen fürchten, dass sie auch gegen legitime politische Gegner missbraucht werden könnte (BICC 1.2021).

Konfliktregionen sind Jammu und Kashmir (ÖB 9.2020; vgl. BICC 1.2021) und der von separatistischen Gruppen bedrohte Nordosten Indiens (ÖB 9.2020; vgl. BICC 1.2021, AA 23.9.2020). Der Punjab blieb im vergangenen Jahren von Terroranschlägen und Unruhen verschont (im Punjab wurden 2020 insgesamt 18 Vorfälle im Zusammenhang mit Terrorismus registriert (SATP 3.5.2021a). Neben den islamistischen Terroristen tragen die Naxaliten zur Destabilisierung des Landes bei. Von Chattisgarh aus kämpfen sie in vielen Unionsstaaten (von Bihar im Norden bis Andrah Pradesh im Süden) mit Waffengewalt gegen staatliche Einrichtungen. Im Nordosten des Landes führen zahlreiche Separatistengruppen (United Liberation Front Assom, National Liberation Front Tripura, National Socialist Council Nagaland, Manipur People’s Liberation Front etc.) einen Kampf gegen die Staatsgewalt und fordern entweder Unabhängigkeit oder mehr Autonomie (ÖB 9.2020; vgl. AA 23.9.2020). Der gegen Minderheiten wie Moslems und Christen gerichtete Hindu-Radikalismus wird selten von offizieller Seite in die Kategorie Terror eingestuft, sondern vielmehr als „communal violence“ bezeichnet (ÖB 9.2020).

Gewalttätige Operationen maoistischer Gruppierungen in den ostzentralen Bergregionen Indiens dauern an (ÖB 9.2020; vgl. AA 23.7.2020, FH 3.3.2021). Rebellen heben illegale Steuern ein, beschlagnahmen Lebensmittel und Unterkünfte und beteiligen sich an Entführungen und Zwangsrekrutierungen von Kindern und Erwachsenen. Zehntausende Zivilisten wurden durch die Gewalt vertrieben und leben in von der Regierung geführten Lagern. Unabhängig davon greifen in den sieben nordöstlichen Bundesstaaten Indiens mehr als 40 aufständische Gruppierungen, welche entweder eine größere Autonomie oder die vollständige Unabhängigkeit ihrer ethnischen oder Stammesgruppen anstreben, weiterhin Sicherheitskräfte an. Auch kommt es weiterhin zu Gewalttaten unter den Gruppierungen, welche sich in Bombenanschlägen, Morden, Entführungen, Vergewaltigungen von Zivilisten und in der Bildung von umfangreichen Erpressungsnetzwerken ausdrücken (FH 3.3.2021).

Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2017 insgesamt 812 Todesopfer durch terroristische Gewalt. Im Jahr 2018 wurden 940 Personen durch terroristische Gewalt getötet und im Jahr 2019 kamen 621 Menschen durch Terrorakte. 2020 belief sich die Opferzahl terroristischer Gewalt landesweit auf insgesamt 591 Tote. 2021 wurden bis zum 3. Mai insgesamt 164 Todesopfer durch terroristische Gewaltanwendungen registriert [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 3.5.2021b).

Gegen militante Gruppierungen, die meist für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikalen (z. B. Maoistisch-umstürzlerische) Auffassungen anhängen, geht die Regierung mit großer Härte und Konsequenz vor. Sofern solche Gruppen der Gewalt abschwören, sind in der Regel Verhandlungen über ihre Forderungen möglich. Gewaltlose Unabhängigkeitsgruppen können sich politisch frei betätigen (AA 23.9.2020).

Bauernproteste, die sich gegen die von der indischen Regierung verabschiedeten Gesetze zur Liberalisierung des Agrarsektors richten, dauern seit Monaten an. Widerstand hat sich vor allem bei Sikhs im Punjab – dem Brotkorb Indiens - formiert. Inzwischen protestieren aber auch Bauern in anderen Teilen des Landes. Als im Januar 2021 die Proteste in New Delhi gewalttätig wurden, antwortete die Regierung mit harten Maßnahmen. Da bei den Protesten viele Sikhs beteiligt sind und u.a. eine Sikh-Flagge im Roten Fort in Delhi gehisst wurde, unterstellt die indische Regierung eine Beteiligung der Khalistan-Bewegung an den Protesten (BAMF 22.3.2021).

Indien und Pakistan

Indien und Pakistan teilen sprachliche, kulturelle, geografische und wirtschaftliche Verbindungen, doch sind die Beziehungen der beiden Staaten aufgrund einer Reihe historischer und politischer Ereignisse in ihrer Komplexität verstrickt und werden durch die gewaltsame Teilung Britisch-Indiens im Jahr 1947, dem Jammu & Kashmir-Konflikt und die zahlreichen militärischen Konflikte zwischen den beiden Nationen bestimmt (EFSAS o.D.).

Pakistan erkennt weder den Beitritt Jammu und Kaschmirs zur indischen Union im Jahre 1947 noch die seit dem ersten Krieg im gleichen Jahr best

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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