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97 Öffentliches AuftragswesenNorm
BVergG 2006 §102 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie die Hofrätin Mag. Hainz-Sator und den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in der Revisionssache des Ing. H K in T, vertreten durch Dr. Robert Eiter, Rechtsanwalt in 6500 Landeck, Bruggfeldstraße 5, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 18. April 2018, Zl. LVwG-2018/S2/0831-4, betreffend vergaberechtliche Nachprüfung (mitbeteiligte Partei: Gemeinde T inT), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 1. Die mitbeteiligte Gemeinde führte als Auftraggeberin ein nicht offenes Vergabeverfahren ohne vorherige Bekanntmachung im Unterschwellenbereich betreffend „Zu- und Umbau Kindergarten und Volksschule [...] Baumeisterarbeiten“ durch.
2 Der Revisionswerber, der nicht zur Angebotsabgabe eingeladen wurde, hat durch die Ankündigung der für den 12. April 2018 angesetzten Gemeinderatssitzung von der Ausschreibung der Baumeisterarbeiten für das genannte Bauvorhaben erfahren. Am 9. April 2018 wurde dem Revisionswerber mitgeteilt, dass die Baumeisterarbeiten in einem nicht offenen Verfahren ohne vorherige Bekanntmachung ausgeschrieben worden seien und die Angebotsfrist bereits abgelaufen sei.
3 2.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 18. April 2018 wies das Verwaltungsgericht Tirol den Antrag des Revisionswerbers auf Nichtigerklärung der Aufforderung zur Angebotsabgabe als unbegründet ab (Spruchpunkt 1.). Die Anträge auf Nichtigerklärung der Nichtzulassung des Revisionswerbers, auf Nichtigerklärung der Bewerberauswahl (Bieterauswahl) und der in Aussicht genommenen Zuschlagserteilung sowie den Antrag, das Verwaltungsgericht möge aussprechen, dass der Revisionswerber als potentieller Bestbieter übergangen worden sei und ihm diesbezüglich auch ein Schadenersatzanspruch in Höhe des entgangenen Gewinns zuerkannt werden müsse, wurden als unzulässig zurückgewiesen (Spruchpunkt 2.) und der Antrag auf Kostenersatz wurde als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt 3.). Die ordentliche Revision erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig (Spruchpunkt 4.).
4 2.2. In der Begründung stellte das Verwaltungsgericht - über den in Rn. 1 und 2 bereits dargelegten Sachverhalt hinaus - fest, dass die Auftraggeberin fünf (befugte, leistungsfähige und zuverlässige) Unternehmer eingeladen habe, Angebote abzugeben. Angebote seien von vier Unternehmern gelegt worden.
Der Revisionswerber sei ein konzessionierter Planer und Bauunternehmer (Baumeisterbetrieb). Er habe ein Interesse am gegenständlichen Auftrag dargelegt. Nach seinem Vorbringen würde ihm ein Schaden drohen, weil er als Unternehmer nicht zum Zug käme.
5 Wenn der Revisionswerber die Nichtigerklärung einer in Aussicht genommenen Zuschlagserteilung begehre, sei - so das Verwaltungsgericht in seinen rechtlichen Erwägungen - darauf hinzuweisen, dass es sich dabei um ein verfehltes Begehren handle, das weder einer Verbesserung noch einer Umdeutung zugänglich sei, zumal ein noch nicht erteilter Zuschlag nicht für rechtswidrig erklärt werden könne.
6 Auch der Antrag, das Verwaltungsgericht wolle aussprechen, dass der Revisionswerber als potentieller Bieter übergangen worden sei und ihm diesbezüglich ein Schadenersatzanspruch in Höhe des entgangenen Gewinns zuzuerkennen sei, erweise sich als unzulässig, weil das Verwaltungsgericht in einem Nachprüfungsantrag lediglich zur Nichtigerklärung gesondert anfechtbarer Entscheidungen des Auftraggebers im Rahmen der vom Antragsteller geltend gemachten Beschwerdepunkte zuständig sei. Für die Zuerkennung eines allfälligen Schadenersatzanspruches fehle hier die Zuständigkeit.
7 Im gegenständlichen Fall habe der Revisionswerber ausdrücklich die Aufforderung zur Angebotsabgabe bekämpft. In einem nicht offenen Verfahren ohne vorherige Bekanntmachung sei die Aufforderung zur Angebotsabgabe eine gesondert anfechtbare Entscheidung. Der Antrag auf Nichtigerklärung der Aufforderung zur Angebotsabgabe sei daher zulässig, er erweise sich jedoch als nicht begründet.
8 Für die Wahl des Verfahrens zur Vergabe von Aufträgen im Unterschwellenbereich gelte als geschätzter Auftragswert der Wert des einzelnen Gewerks. Daraus ergebe sich, dass für die Vergabe der Baumeisterarbeiten hinsichtlich des Auftragswerts ein nicht offenes Verfahren ohne vorhergehende Bekanntmachung zulässig gewesen sei. In dem vorgelegten Vergabeakt sei dies entsprechend festgehalten worden.
9 Ein nicht zur Angebotslegung aufgeforderter Unternehmer könne zwar die Wahl des Vergabeverfahrens und die Ausschreibungsunterlagen bekämpfen. Hinsichtlich der Ausschreibungsunterlagen müssten jedoch ihn diskriminierende Bedingungen vorliegen. Dass eine allenfalls fehlerhaft bemessene Frist den Revisionswerber diskriminieren würde, sei nicht erkennbar.
10 Der Auftraggeber verstoße auch nicht (schon deswegen) gegen § 102 BVergG 2006, weil er nicht sämtliche ihm bekannten und die Voraussetzungen des § 102 Abs. 1 BVergG 2006 erfüllenden Unternehmer zur Angebotsabgabe aufgefordert habe. Dem Auftraggeber stehe es vielmehr frei, unter den ihm bekannten Unternehmern eine Auswahl zu treffen. Im vorliegenden Fall habe der Revisionswerber nicht dargetan, weshalb die vom Auftraggeber getroffene Auswahl vergaberechtswidrig sein solle. Um von einer Diskriminierung bei der Auswahl der aufzufordernden Unternehmer sprechen zu können, müssten weitere Umstände hinzutreten, die objektiv auf eine Diskriminierung schließen lassen würden. Derartige Anhaltspunkte habe der Revisionswerber nicht dargelegt und seien solche auch ansonsten im Verfahren nicht hervorgekommen.
11 Entgegen dem Beschwerdevorbringen habe sich im gegenständlichen Vergabeverfahren nicht ergeben, dass die Angebote zwei Prozent in der Angebotssumme auseinanderliegen würden, weshalb für eine Annahme von Preisabsprachen kein Substrat gegeben sei. Allein die Möglichkeit, dass Angebotspreise in einem gewissen prozentmäßigen Unterschied zueinander stünden, könne für sich allein genommen die Annahme von Preisabsprachen nicht tragen. Der Revisionswerber habe keine weiteren Gründe vorgebracht, weshalb er Preisabsprachen für möglich halte.
12 3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
13 4. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
14 Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
15 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
16 5.1. In der vorliegenden außerordentlichen Revision wird zur Begründung ihrer Zulässigkeit vorgebracht, es fehle Rechtsprechung zur Frage, welche Umstände - zusätzlich zur Nichteinladung zur Angebotsabgabe - hinzutreten müssten, die objektiv auf eine Diskriminierung schließen lassen würden. Gemäß § 102 Abs. 2 BVergG 2006 seien Unternehmen so häufig wie möglich zu wechseln. Dies sei im vorliegenden Fall nicht geschehen.
Zur Frage, ob die Nichtbeachtung des § 102 Abs. 2 BVergG 2006 irgendwelche Konsequenzen nach sich ziehe, liege ebenso keine Rechtsprechung vor.
Schließlich fehle eine solche zur Frage, inwieweit Vergabekriterien bzw. Zuschlagskriterien festzusetzen seien. Für die Ermittlung des technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebots seien neben dem Angebotspreis auch noch weitere Bewertungspunkte notwendig (mindestens ein weiteres Zuschlagskriterium), wie etwa Transportentfernung von den Hauptbaustoffen (ökologischer Aspekt, Umweltgerechtigkeit). Es habe jedoch nie eine Festlegung der Vergabekriterien durch die Gemeinde stattgefunden.
17 5.2. Gemäß § 102 Abs. 2 BVergG 2006 hat die Auswahl der aufzufordernden Unternehmer in nicht diskriminierender Weise stattzufinden. Der Auftraggeber hat die aufzufordernden Unternehmer so häufig wie möglich zu wechseln. Nach Möglichkeit sind insbesondere kleine und mittlere Unternehmer am Vergabeverfahren zu beteiligen.
Bereits Abs. 1 leg. cit. ordnet an, dass die Aufforderung zur Angebotsabgabe nur an befugte, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmer zu erfolgen hat.
18 § 102 BVergG 2006 regelt die Auswahl der Teilnehmer im nicht offenen Verfahren ohne vorherige Bekanntmachung und im Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung (vgl. dazu näher RV 1171 BlgNR 22. GP 77). Ungeachtet des aus § 102 Abs. 2 BVergG 2006 ableitbaren Rotationsprinzips und der explizit erwähnten Beteiligung kleiner und mittlerer Unternehmer gilt, dass die aufzufordernden Unternehmer die Voraussetzungen des § 102 Abs. 1 BVergG 2006 erfüllen müssen (vgl. Öhler/Schramm in Schramm/Aicher/Fruhmann [Hrsg], BVergG 2006 [2009] § 102 Rz. 19).
19 Im vorliegenden Fall hat der Revisionswerber weder im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht noch in der Revision konkrete Umstände aufgezeigt, dass die Auswahl der aufgeforderten Unternehmer in diskriminierender Weise vorgenommen worden wäre. Es wird insbesondere nicht vorgebracht, dass die Auftraggeberin die aufzufordernden Unternehmer nicht regelmäßig gewechselt hätte und den gegenständlich aufgeforderten Unternehmern die Befugnis, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit fehle.
20 Ausgehend davon kommt es auch auf die vom Revisionswerber als grundsätzlich erachteten Rechtsfragen, welche Umstände zusätzlich zur Nichteinladung zur Angebotsabgabe hinzutreten müssten und objektiv auf eine Diskriminierung schließen lassen würden, und welche Konsequenzen die Nichtbeachtung des § 102 Abs. 2 BVergG 2006 nach sich ziehe, gegenständlich nicht an. Zur Beantwortung bloß abstrakter Rechtsfragen auf Grund von Revisionen ist der Verwaltungsgerichtshof aber nicht berufen (vgl. zuletzt etwa VwGH 18.8.2021, Ra 2018/04/0193, mwN).
21 Das gilt in gleicher Weise für die - von der Revision ebenfalls als grundsätzlich angesehene - Rechtsfrage betreffend die Festlegung von Vergabekriterien bzw. Zuschlagskriterien: Erweist sich nämlich die Nichtaufforderung des Revisionswerbers zur Angebotsabgabe als nicht rechtswidrig, ist auch nicht ersichtlich, inwieweit dieser durch die behauptete mangelhafte Ausschreibung in seinen Rechten verletzt sein kann.
22 6. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 18. November 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2018040127.L00Im RIS seit
20.12.2021Zuletzt aktualisiert am
03.01.2022