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L92003 Sozialhilfe Grundsicherung Mindestsicherung NiederösterreichNorm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Tscheließnig, über die Revision der B S in M, vertreten durch Dr. Stella Spitzer-Härting, Rechtsanwältin in 1050 Wien, Krongasse 22/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 25. September 2020, Zl. LVwG-AV-1252/001-2019, betreffend Mindestsicherung/Sozialhilfe (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Mistelbach), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 25. September 2020 erkannte das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich der Revisionswerberin - im Beschwerdeverfahren - nach dem NÖ Mindestsicherungsgesetz (NÖ MSG) für den Zeitraum vom 1. Oktober bis 31. Dezember 2019 (Geld-)Leistungen zur Deckung des notwendigen Lebensunterhaltes in bestimmter Höhe zu, während es den Antrag der Revisionswerberin auf Leistungen zur Deckung des notwendigen Wohnbedarfes abwies.
2 Für den Zeitraum vom 1. Jänner bis 30. September 2020 erkannte das Verwaltungsgericht der Revisionswerberin als Unterstützung nach dem NÖ Sozialhilfe-Ausführungsgesetz (NÖ SAG) - in jeweils bestimmter Höhe - monatliche Geldleistungen zur Unterstützung des allgemeinen Lebensunterhaltes sowie monatliche Sachleistungen zur Befriedigung des Wohnbedarfs zu.
3 Die Revision gegen dieses Erkenntnis ließ das Verwaltungsgericht nicht zu.
4 Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung - soweit für die vorliegende Revisionssache von Interesse - zugrunde, die Revisionswerberin bewohne eine Mietwohnung, für die sie einen Wohnaufwand in der Höhe von € 600,15 zu tragen habe; dazu beziehe sie einen monatlichen Wohnzuschuss in Höhe von € 250,--.
5 Die Revisionswerberin sei ein Mensch mit besonderen Bedürfnissen und befinde sich in einer bestimmten Kolping-Werkstatt in teilstationärer Betreuung; bis zum 5. August 2020 habe sie kein Arbeitseinkommen bezogen; seitdem sei sie geringfügig beschäftigt und beziehe ein Einkommen in der Höhe von € 385,79 im Monat.
6 Darüber hinaus beziehe die Revisionswerberin monatlich Pflegegeld in der Höhe von € 97,30 und erhöhte Familienbeihilfe.
7 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, auf den Leistungszeitraum vom 1. Oktober bis 31. Dezember 2019 seien die Bestimmungen des NÖ MSG, auf den Leistungszeitraum ab dem 1. Jänner 2020 hingegen die Bestimmungen des NÖ SAG anzuwenden.
8 Auf den zunächst genannten Leistungszeitraum finde § 2 Z 2 der Verordnung über die Berücksichtigung von Eigenmitteln, LGBl. 9200/2-4 idF LGBl. Nr. 45/2018 (außer Kraft getreten am 31. Dezember 2019), Anwendung, welcher wie folgt laute:
„§ 2
Anrechenfreies Einkommen
Vom Einkommen sind nicht anzurechnen:
1. [...]
2. Leistungen, die wegen des besonderen körperlichen Zustandes des Empfängers gewährt werden (z. B. Pflegegeld), es sei denn, der Hilfe Suchende selbst hat Anspruch auf diese Leistungen und es wird ihm Sozialhilfe in Form eines teilstationären oder stationären Dienstes zuteil; [...]“
9 Da auf die Revisionswerberin, welche sich in teilstationärer Betreuung befinde, die Voraussetzungen des letzten Halbsatzes des § 2 Z 2 der Verordnung zuträfen, sei deren Pflegegeld - soweit damit nicht ein Kostenbeitrag für die Unterbringung in der Betreuungseinrichtung geleistet werden müsse - als Einkommen anzurechnen.
10 Sowohl hinsichtlich des Mindeststandards zur Befriedigung des Wohnbedarfs gemäß § 1 Abs. 2 Z 1 NÖ Mindeststandardverordnung (bis 31. Dezember 2019) als auch hinsichtlich des Richtsatzes („an monatlichen Sachleistungen zur Befriedigung des Wohnbedarfs“) gemäß § 1 Abs. 2 Z 1 NÖ Richtsatzverordnung (ab 1. Jänner 2020) sei der von der Revisionswerberin bezogene Wohnzuschuss zu berücksichtigen und von den Ansätzen der genannten Verordnungen abzuziehen; dies ergebe sich einerseits aus § 11 Abs. 3 NÖ MSG (in dessen Fassung seit LGBl. Nr. 24/2016; dazu Hinweis auf VwGH 21.11.2019, Ra 2018/10/0038) und andererseits aus der insoweit gleichlautenden Bestimmung des § 14 Abs. 2 (letzter Satz) NÖ SAG.
11 Infolge dessen berechnete das Verwaltungsgericht die Höhe der von ihm - unter Berufung auf § 12 Abs. 4 zweiter Satz NÖ SAG - (ab 1. Jänner 2020) als Sachleistungen zuerkannten Unterstützung zur Befriedigung des Wohnbedarfs, indem es vom Richtsatz gemäß § 1 Abs. 2 Z 1 NÖ Richtsatzverordnung den von der Revisionswerberin bezogenen Wohnzuschuss subtrahierte.
12 2. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
13 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
14 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
15 3.1. In den Zulässigkeitsausführungen der vorliegenden außerordentlichen Revision wendet sich die Revisionswerberin zunächst gegen die im angefochtenen Erkenntnis bis 31. Dezember 2019 vorgenommene Anrechnung des ihr verbleibenden Pflegegeldes (als Einkommen) auf die zuerkannten Leistungen der Mindestsicherung.
16 Diese Anrechnung entsprach allerdings der insoweit eindeutigen, bis 31. Dezember 2019 in Kraft gestandenen Bestimmung des § 2 Z 2 der Verordnung über die Berücksichtigung von Eigenmitteln (vgl. oben unter Rz 8), weshalb die Revisionswerberin in diesem Zusammenhang - auch mit ihrer nicht präzisierten Behauptung eines Widerspruchs „zu den Bestimmungen der §§ 13 und 18 BPGG [Bundespflegegeldgesetz], des NÖ Sozialhilfegesetzes und der Eigenmittelverordnung“ - eine grundsätzliche Rechtsfrage nicht darlegt (vgl. dazu etwa VwGH 15.5.2019, Ro 2019/01/0006, mwN).
17 Im Übrigen weist die NÖ Landesregierung in ihrer Revisionsbeantwortung zutreffend darauf hin, dass die genannte Bestimmung mit 31. Dezember 2019 außer Kraft getreten ist; in einem solchen Fall liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht vor, wenn es - wie vorliegend - angesichts eines kleinen Kreises potentiell betroffener Personen nicht wahrscheinlich ist, dass noch über eine nennenswerte Anzahl vergleichbarer Fälle zu entscheiden sein wird (vgl. etwa VwGH 30.4.2019, Ra 2017/06/0142 bis 0144, mwN).
18 3.2. Auch die im Weiteren von der Revisionswerberin problematisierte Anrechnung des bezogenen Wohnzuschusses auf den Mindeststandard gemäß § 1 Abs. 2 Z 1 NÖ Mindeststandardverordnung bzw. den Richtsatz gemäß § 1 Abs. 2 Z 1 NÖ Richtsatzverordnung entspricht - anders als die Revisionswerberin behauptet - dem Gesetz (vgl. § 11 Abs. 3 zweiter Satz NÖ MSG bzw. § 14 Abs. 2 letzter Satz NÖ SAG).
19 Entgegen der Auffassung der Revisionswerberin, welche dafür § 5 Abs. 5 und § 6 Sozialhilfe-Grundsatzgesetz ins Treffen führt, erscheint dadurch die „tatsächliche Abdeckung des Wohnbedarfs“ nicht als gefährdet, vielmehr berücksichtigt die Rechtslage schlicht den Umstand, dass ein Teil dieses Wohnbedarfs anderweitig - eben durch den gewährten Wohnzuschuss - abgedeckt wurde (vgl. den nunmehr in § 3 Abs. 2 NÖ SAG verankerten Grundsatz der Subsidiarität der Sozialhilfe).
20 3.3. Schließlich richten sich die Zulässigkeitsausführungen der Revisionswerberin dagegen, dass das Verwaltungsgericht die Unterstützung nach dem NÖ SAG zur Befriedigung des Wohnbedarfs in Form von Sachleistungen (und nicht von Geldleistungen) zuerkannt hat.
21 Treffend weist die Revisionsbeantwortung der NÖ Landesregierung darauf hin, dass die Revision in ihren Gründen darauf nicht mehr zurückkommt, sodass mit diesem Vorbringen schon deshalb keine grundsätzliche Rechtsfrage aufgezeigt wird (vgl. etwa VwGH 28.2.2019, Ra 2018/14/0280, oder 18.5.2020, Ro 2019/12/0007, jeweils mwN; zum Grundsatz des Vorrangs von Sachleistungen zur Befriedigung des Wohnbedarfs vgl. im Übrigen jüngst VwGH 5.10.2021, Ra 2020/10/0134).
22 4. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
23 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 25. November 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020100160.L00Im RIS seit
20.12.2021Zuletzt aktualisiert am
03.01.2022