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L92054 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe OberösterreichNorm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie den Hofrat Dr. Fasching und die Hofrätin Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Tscheließnig, über die Revision des C L in L, vertreten durch Mag. Dietrich Seeber, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Harrachstraße 14, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 13. August 2020, Zl. LVwG-350838/2/Bm/BeS, betreffend Sozialhilfe (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Stadt Linz), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom 7. Mai 2020 erkannte die belangte Behörde dem Revisionswerber ab 1. März 2020 Sozialhilfe zur Unterstützung des Lebensunterhalts sowie zur Befriedigung des Wohnbedarfs in Form von monatlichen Leistungen gemäß dem Richtsatz für in Haushaltsgemeinschaft lebende volljährige Personen gemäß § 7 Abs. 2 Z 2 lit. a Oö. Sozialhilfeausführungsgesetz (Oö. SOHAG) zu. Die Leistung wurde bis 30. September 2020 befristet.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (Verwaltungsgericht) die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet ab und sprach aus, dass die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.
3 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, der Revisionswerber bewohne gemeinsam mit einer weiteren volljährigen Person, nämlich Frau M., eine Mietwohnung im Ausmaß von 80,63 m² mit drei Zimmern. Vor dem Hintergrund dieser Wohnverhältnisse sei die Führung von zwei völlig getrennten Haushalten insofern nicht möglich, als wohl Küche, Bad und WC von beiden Personen gemeinsam genutzt würden. Für diese Wohnung habe der Revisionswerber eine monatliche Miete in der Höhe von € 522,14 zu bezahlen. Der Antrag auf Wohnbeihilfe sei abgelehnt worden. Der Revisionswerber sei seit 21. Juni 2017 aufgrund eines Berufsverbotes arbeitslos. Seit 29. Mai 2017 sei er beim AMS gemeldet und arbeitsfähig. Er verfüge über eine Lebensversicherung in der Höhe von € 1.333,75.
4 Rechtlich führte das Verwaltungsgericht aus, die Richtsätze seien Höchstsätze, die sich an dem Netto-Ausgleichszulagen-Richtsatz für Alleinstehende orientierten. Die Abstufung beim Vorliegen einer Haushaltsgemeinschaft ergebe sich aus dem Umstand, dass in diesem Fall von einer Kostenersparnis auszugehen sei. Die Leistungen zur Befriedigung des Wohnbedarfs dürften das Maß des Notwendigen nicht übersteigen. Wenn vom Revisionswerber angeführt werde, dass ihm aufgrund der Höhe der Wohnungsmiete und Betriebskosten zur Deckung des nötigen Lebensbedarfes lediglich ein Betrag in der Höhe von € 119,61 verbleibe, sei es dem Revisionswerber durchaus zumutbar, in eine kleinere und damit günstigere Wohnung zu wechseln. Zudem liege es auch in der Entscheidung des Revisionswerbers, von seiner Mitbewohnerin einen entsprechenden Beitrag einzufordern.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Zur Zulässigkeit wird in der Revision vorgebracht, das Erkenntnis weiche in der Frage des Vorliegens eines gemeinsamen Haushaltes zur Richtsatzanwendung bei der Sozialhilfeberechnung inhaltlich von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab. In der Entscheidung 2012/10/0020 werde dargelegt, dass nach dem Willen des Gesetzgebers ein gemeinsamer Haushalt vorliege, wenn das Zusammenleben von Personen zu einer deutlichen Kostenersparnis gegenüber getrennten Haushalten führe, aber ein gemeinsamer Haushalt nicht bereits dann zu bejahen sei, wenn ein Teil einer Wohneinheit von einer anderen Person benutzt werde. Vielmehr komme es darauf an, dass zumindest in Teilbereichen eine gemeinsame Wirtschaftsführung bestehe. Die belangte Behörde und das Verwaltungsgericht würden aus der Tatsache, dass in der Wohnung des Revisionswerbers noch eine weitere Person lebe, schließen, dass dies eine wirtschaftliche Gemeinschaft schon vermuten lasse.
10 Gemäß § 7 Abs. 5 erster Satz Oö. SOHAG bilden mehrere in einer Wohneinheit oder Wohngemeinschaft lebende Personen, „soweit eine gänzliche oder teilweise gemeinsame Wirtschaftsführung nicht auf Grund besonderer Umstände ausgeschlossen werden kann“, eine „Haushaltsgemeinschaft“.
11 Solche „besonderen Umstände“ liegen nach den Gesetzesmaterialien (AB 1180/2019 Blg OöLT, 28. GP 12) etwa dann vor, „wenn die zur (Unter-)Miete lebende Person des Zimmers einer Wohneinheit nachweist, dass sie die gemeinsamen Einrichtungen des Haushalts (Küche, Badezimmer, Waschmaschine o.dgl.) auf Grund besonderer Lebensumstände nicht mitbenützt, sondern die betreffenden Bedürfnisse außerhalb der Wohneinheit befriedigt werden“.
12 In diesem Zusammenhang wird in den Gesetzesmaterialien auf das - auch in der Revision zitierte - hg. Erkenntnis 2012/10/0020 verwiesen, demzufolge eine gemeinsame Wirtschaftsführung in Teilbereichen etwa dann gegeben ist, wenn der (Unter-)Mieter auch Einrichtungen, die für die Haushaltsführung notwendig sind, wie etwa Küche, Badezimmer oder Waschmaschine, mitbenützt.
13 Angesichts der vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen entspricht die im angefochtenen Erkenntnis vorgenommene Anwendung des Richtsatzes gemäß § 7 Abs. 2 Z 2 lit. a Oö. SOHAG „für in Haushaltsgemeinschaft lebende volljährige Personen“ somit der eindeutigen Rechtslage. In der Revision wird auch nicht behauptet oder gar dargelegt, dass bzw. inwiefern im konkreten Fall besondere Umstände vorlägen, die eine gänzliche oder teilweise gemeinsame Wirtschaftsführung ausschlössen. Somit gelingt es mit diesem Vorbringen nicht, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG aufzuzeigen (vgl. etwa VwGH 16.2.2021, Ra 2020/10/0147).
14 In der Zulässigkeitsbegründung wird außerdem gerügt, im angefochtenen Erkenntnis werde fälschlicherweise die Meinung vertreten, dass es dem Revisionswerber zuzumuten sei, einen Wohnungswechsel vorzunehmen, wenn die monatliche Sozialhilfe bei Berücksichtigung der Abstufung die Wohn- und Lebensbedürfnisse nicht abdecken könne. Außerdem fehle es an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage, woran die Verpflichtung eines Sozialhilfebeziehenden festzumachen sei, einen Mietwohnungswechsel im Hinblick auf eine etwas günstigere Wohnung vorzunehmen bzw. ab welchen Kriterien eine Zumutbarkeit des Wohnsitzwechsels anzunehmen sei. Welche Leistungen zur Befriedigung des Wohnbedarfes in welchem Umfang noch als notwendig anzusehen seien bzw. unter Heranziehung welcher Kriterien das Maß des Notwendigen überschritten sei, sei nicht ausreichend judiziert.
15 Das Schicksal der Revision hängt nicht von der Beantwortung der Frage der Zumutbarkeit eines Wohnungswechsels ab, weil dem Revisionswerber nicht die Sozialhilfeleistung wegen Verletzung der Bemühungspflicht verweigert wurde, sondern ihm wegen der Annahme des Vorliegens einer Haushaltsgemeinschaft anstelle des begehrten Richtsatzes für alleinstehende Personen jener für in Haushaltsgemeinschaft lebende Personen zuerkannt wurde.
16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher ohne weitere Verfahren mit Beschluss gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 25. November 2021
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020100143.L00Im RIS seit
20.12.2021Zuletzt aktualisiert am
03.01.2022