Entscheidungsdatum
24.08.2021Norm
AsylG 2005 §5Spruch
W125 2236496-1/45E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Christian FILZWIESER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX (alias XXXX alias XXXX alias XXXX ), geb. am XXXX (alias XXXX alias XXXX ), StA Senegal (alias Gambia), vertreten durch Braunsberger-Lechner und Loos Rechtsanwälte, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.02.2020, ZI. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 10.06.2021 zu Recht erkannt:
A) Der Beschwerde wird gemäß § 21 Abs. 3 erster Satz BFA-VG stattgegeben, das Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz ist zugelassen und der bekämpfte Bescheid wird behoben.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein seinem vorgelegten Reisepass zufolge Staatsangehöriger Senegals, stellte am 13.09.2019 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Zum Zeitpunkt der Antragstellung verfügte er über einen gültigen italienischen Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen.
2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.02.2020 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz, ohne in die Sache einzutreten, gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass gemäß Art. 12 Abs. 1 oder 3 iVm Art 22 Abs. 7 der Dublin III-VO Italien für die Prüfung des Antrages zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Italien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).
Aufgrund eines Zustellmangels konnte dieser Bescheid dem Beschwerdeführer erst am 12.10.2020 zugestellt werden.
3. Am 23.10.2020 erhob der Beschwerdeführer im Wege seines gewillkürten Vertreters Beschwerde.
4. Mit Erkenntnis vom 18.12.2020 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde des Beschwerdeführers ohne Verhandlung als unbegründet ab und es erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG als nicht zulässig.
In rechtlicher Hinsicht kam das Bundesverwaltungsgericht zu dem Ergebnis, dass sich aus Art. 12 Abs. 3 lit. a der Dublin-III-VO die Zuständigkeit Italiens zur Prüfung des in Rede stehenden Antrages auf internationalen Schutz ergeben habe. Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, er verfüge über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht wegen der Inanspruchnahme der unionsrechtlichen Freizügigkeit durch seine Ehefrau während des gemeinsamen Aufenthaltes in Malta, wurde ferner ausgeführt, dass der Beschwerdeführer für die Erwerbstätigkeit seiner nunmehrigen Ehefrau in Malta jegliche Belege schuldig geblieben sei und dass jedenfalls kein längerer Aufenthalt der Ehefrau des Beschwerdeführers außerhalb Österreichs (in Ausübung der unionsrechtlichen Niederlassungsfreiheit) vorgelegen sei. Die nachhaltige Verwirklichung eines unionsrechtlichen Freizügigkeitssachverhalts sei somit weder fundiert behauptet worden noch sonst objektiviert. Auch stünde die (ohnehin nicht angenommene) Rechtsposition des Beschwerdeführers als begünstigter Drittstaatsangehöriger seiner Außerlandesbringung nicht entgegen, weil begünstigte Drittstaatsangehörige hiervon explizit nur in den in § 61 Abs. 1 Z 2 FPG vorgesehen Fällen ausgenommen seien, welche im Konkreten nicht vorlägen. Eine mündliche Verhandlung habe unterbleiben können, weil der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde, den Stellungnahmen und den Ermittlungsschritten des Bundesverwaltungsgerichts, zu denen jeweils Parteiengehör gewährt worden sei, geklärt erscheine.
4.1. Am Tag der Genehmigung des Erkenntnisses des BVwG übermittelte das BFA ein Schreiben des Magistrats der Stadt XXXX vom 17.12.2020, mit dem der zuständige Sachbearbeiter mitteilt, dass der Beschwerdeführer am 16.12.2020 einen Antrag auf Aufenthaltsbewilligung gestellt habe; die Ehegattin aber bei der Befragung keine Ahnung vom „Vorleben“ ihres Gatten gehabt und ihm alle Fragen auf Englisch übersetzt hätte. Es bestehe der Verdacht auf „Scheinehe“.
5. Dagegen erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof. Der VfGH wies die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 28.02.2021, E 218/2021-5 ab, insbesondere auch weil durch die angefochtene Entscheidung Art 8 EMRK nicht verletzt worden sei.
6. In der Folge erkannte der Verwaltungsgerichtshof der außerordentlichen Revision mit Beschluss vom 16.02.2021 die aufschiebende Wirkung zu und mit Erkenntnis vom 26.04.2021, Ra 2021/14/0015-10 (zugestellt an das BVwG am 29.04.2021), behob er sodann die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Begründet wurde dies zunächst damit, dass die rechtliche Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts, im Falle des § 61 Abs. 1 Z 1 FPG könne eine Anordnung zur Außerlandesbringung auch begünstigter Drittstaatsangehöriger erfolgen, unzutreffend sei. Zudem beruhe die Annahme, der Beschwerdeführer sei kein begünstigter Drittstaatsangehöriger, auf einem mangelhaften Verfahren. Das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seiner Stellung als begünstigter Drittstaatsangehöriger erweise sich vor dem Hintergrund der Rechtslage als relevant und ausreichend substantiiert, sodass das Bundesverwaltungsgericht mit der Ablehnung des Beweisantrages betreffend die Vernehmung des Beschwerdeführers und seiner nunmehrigen Ehefrau seinen Beurteilungsspielraum überschritten habe. Erst nach Aufnahme auch dieser Beweise hätte es zulässigerweise zum Ergebnis kommen dürfen, dass allenfalls keine hinreichenden Beweise für die nachhaltige Verwirklichung eines unionsrechtlichen Freizügigkeitssachverhalts vorlägen. Für den Fall, dass der Beschwerdeführer auf Grund seiner Rechtsposition als begünstigter Drittstaatsangehöriger eine aufenthaltsbeendende Maßnahme – konkret eine Außerlandesbringung in den nach der Dublin- III –VO an sich zuständigen Mitgliedstaat - nicht angeordnet werden könne, habe die Republik Österreich von ihrem Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO Gebrauch zu machen bzw. komme eine zurückweisende Entscheidung gemäß § 5 AsylG 2005 diesfalls nicht in Betracht (Rz 35).
7. Im fortgesetzten Verfahren wurde vom Bundesverwaltungsgericht zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung für den 10.06.2021 anberaumt.
8. Am Morgen, kurz vor Durchführung der mündlichen Verhandlung, langte ein Schriftsatz des Beschwerdeführervertreters tituliert mit „weiteres Vorbringen und Urkundenvorlage" ein. Darin wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers als österreichische Staatsbürgerin ihre Arbeitnehmerfreizügigkeit tatsächlich und effektiv in Anspruch genommen habe und dass sie auch beabsichtigt habe, längerfristig in Malta zu bleiben. Grund für die Rückkehr nach Österreich wären insbesondere familiäre Umstände gewesen; die Schwester der Ehefrau des Beschwerdeführers leide an Down Syndrom und ihre Betreuung sei während der Corona-Krise nur eingeschränkt gewährleistet gewesen. Für den Fall, dass dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet zukomme, könnte das Familienleben nur im Ausland fortgesetzt werden und wäre die Ehefrau des Beschwerdeführers somit an der Ausübung ihrer unionsrechtlichen Freizügigkeit in unzulässiger Art und Weise beschränkt. Darüber hinaus sei ihre Schwester auf ihre Pflege angewiesen.
Dem Vorbringen wurden diverse Beilagen angeschlossen, darunter eine formularmäßige Bestätigung über Einkünfte der Gattin des Beschwerdeführers (1238 Euro) wegen Beschäftigung vom 17.07.2020 bis 28.08.2020, eine Bestätigung über Buchung eines Apartments in Malta vom 01.07.2020 an für ein Jahr durch den Beschwerdeführer und seine nunmehrige Gattin (bei vorzeitiger Kündigung verfällt die Kaution) und der Arbeitsvertrag der Gattin des Beschwerdeführers vom 17.07.2020 (25 Stunden pro Woche mindestens; Befristung bis 30.09.2020; dass Nicht-EU Bürger als Arbeitnehmer ausgeschlossen wären, geht daraus nicht hervor).
9. Zur mündlichen Verhandlung erschienen sodann der Beschwerdeführer und seine Vertretung sowie ein Vertreter des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl. Der Einvernahme des Beschwerdeführers wurde ein Dolmetscher für die englische Sprache beigezogen und als Zeugin wurde XXXX , die Ehefrau des Beschwerdeführers, geladen und einvernommen.
Der obangeführte als „Weiteres Vorbringen und Urkundenvorlage“ titulierte Schriftsatz wurde dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Zuge der Beschwerdeverhandlung zur Durchsicht vorgelegt. Des Weiteren nahm die Verhandlung im Wesentlichen folgenden Verlauf:
" (...)
Befragung des BF:
Zur Identität und zur Ehe des BF:
Rl: Nennen Sie mir wahrheitsgemäß Ihren vollständigen Namen, Familienstand, Geburtsdatum und Staatsangehörigkeit?
BF: XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Senegal.
Rl: Sie legten während des Verfahrens eine Kopie ihres Reisepasses in Vorlage; heut wurde das Original vorgelegt und in Augenschein genommen. Dieses stimmt mit den Kopien im Akt überein. Die darin enthaltenen Personendaten sind nicht gleichlautend mit jenen des von Ihnen in Vorlage gebrachten Identifikationsdokuments von Malta und Sie haben während ihres Verfahrens auch mehrere Aliasidentitäten angegeben, was sagen Sie dazu?
BF: Das war am l. Tag meiner Ankunft in Malta. Wir waren mit dem Boot aus Libyen 4 Tage ohne Essen und Trinken auf dem Meer unterwegs. Die Amerikanische Marine hat uns dann gerettet und am nächsten Tag der Hafenbehörde übergeben. Da wurden wir dann das erste Mal vernommen. Dort ist mir ein Fehler passiert und ich habe den Namen falsch angegeben.
Rl: Festgehalten wird, dass die heute dargelegte Identität der im Reisepass entspricht.
R: Wann haben Sie Ihre Frau geheiratet?
BF: Im Dezember letzten Jahres.
Rl: Wissen Sie das genaue Datum?
BF: ich weiß den genauen Tag nicht mehr. Ich müsste im Dokument nachsehen, aber ich weiß, es war im Dezember.
Rl: Wo war die Hochzeit?
BF: In XXXX .
RI: Wo in XXXX ?
BF: Ich weiß den Namen auf Deutsch nicht.
D: Sie meinen das Standesamt?
BF: Ja, stimmt, Standesamt.
Rl: Wann haben Sie ihre nunmehrige Ehefrau kennengelernt und wo?
BF: Das war 2-3 Wochen, nachdem ich nach Wien gekommen bin. Wir haben uns vor der Disco
XXXX getroffen. Ich bin Anfang September 2019 nach Wien gekommen.
Rl: Seit wann sind Sie in einer Beziehung?
BF: Beim ersten Treffen haben wir Telefonnummern ausgetauscht und beim zweiten Treffen habe ich ihr schon gesagt, dass ich sie sehr gerne habe. Ich kann kein genaues Datum sagen, ab wann wir in einer Beziehung waren, aber für mich war das eigentlich gleich von Anfang an.
Rl: Aus dem Akt geht hevor, dass Sie am 19.11.2020 geheiratet haben. Kann das stimmen?
BF: Ja, im November haben wir geheiratet und im Dezember bin ich mit der Heiratsurkunde den Antrag auf Aufenthaltsgenehmigung stellen gegangen.
RI. Wann haben Sie sich dazu entschlossen, zu heiraten?
BF: Wir haben uns zur Heirat entschieden, als wir gemeinsam in Malta waren. Da habe ich um ihre Hand angehalten und sie hat ja gesagt.
Rl: Gab es eine Hochzeitsfeier?
BF: Nein. Denn damals war noch Lockdown wegen Corona. Beim Standesamt waren nur sie, meine Frau, und ich und eine Übersetzerin. Nach dem Standesamt sind wir dann nach Hause gefahren und da war auch ihr Vater, ihre Schwester, eine Freundin und die Übersetzerin dabei.
Rl: Wohnen Sie im selben Haushalt und wenn ja, seit wann?
BF: Ja. Seit unserer Rückkehr aus Malta wohne ich mit meiner Frau zusammen, gemeinsam mit ihrer Schwester und ihrem Vater.
Rl: Geht ihre Ehefrau in Österreich einer Beschäftigung nach? Was arbeitet sie?
BF: Ja, meine Frau arbeitet derzeit im KH XXXX bei der Teststation.
Rl: Wie gestaltet sich ihr gemeinsames Leben in Österreich? Wie kann ich mir Ihren Tagesablauf mit Ihrer Frau in Österreich vorstellen?
BF: Da meine Frau arbeitet, helfe ich ihrer Schwester Z.B. mit dem Frühstück und frage dann auch, was im Haus gebraucht wird. Ich putze auch und gehe mit dem Hund spazieren. Zweimal in der Woche habe ich Deutschkurs am Abend. Da meine Frau arbeitet, kann man grundsätzlich sage, dass ich ihr dafür im Haushalt helfe.
Rl: Lebt die Schwester Ihrer Frau mit Ihnen und Ihrer Frau im Haushalt?
BF: Ja. Auch der Vater. Er wohnt im Erdgeschoss und ich, meine Frau und die Schwester der Frau im ersten Stock.
Rl: Leben da noch andere Familienangehörigen Ihrer Frau?
BF: Nein.
Rl: Wo lebt Frau XXXX ? Ihr BFV führte aus, diese hätte zunächst die Schwester Ihrer Frau gepflegt.
BF: Andrea ist die Ehefrau des Bruders meiner Frau und wir leben Grundstück an Grundstück, nur durch einen Zaun getrennt.
Rl: Zur Schwester Ihrer Frau, die Sie pflegen. Bekommt sie auch Unterstützung und Pflege von anderen Familienmitgliedern?
BF: Nein. Eigentlich kümmert sich am meisten meine Frau um ihre Schwester. Z.B. hilft sie ihr beim Duschen und dergleichen. Aber wenn meine Frau arbeiten ist, dann übernehme ich das. Während des Lockdowns war die Schwester jeden Tag zuhause und nicht an dem Ort, wo Leute wie sie diese Arbeit machen. Ich habe ihr dann beim Frühstück machen geholfen und war den ganzen Tag für sie da, wenn sie etwas brauchte. Ich habe zum Beispiel auch die Teller gewaschen. Die Schwester kann sich auch nicht so gut fortbewegen, sie sitzt meist den ganzen Tag am Gleichen Platz. (Nachgefragt nach der Bedeutung des zweiten Satzes): Meine Schwägerin hat das Down-Syndrom und geht eigentlich jeden Tag bis 15 oder 16 Uhr – sie nennen es „arbeiten". Es handelt sich um eine spezielle Arbeit für behinderte. Als meine Frau und ich zurückgekommen sind aus Malta, war die Arbeitsstätte aufgrund von Corona geschlossen.
Rl: Bekommt die Schwester von staatlichen Stellen wieder Unterstützung und Hilfe? Die Coronabestimmungen sind in den letzten Wochen wieder schwächer geworden.
BF: Ob sie finanzielle Unterstützung bekommt, kann ich nicht sagen. Zu ihr nach Hause kommt jetzt keine Helferin mehr. Aber die Schwägerin besucht wieder diese Arbeitsstätte, wo sie früher war. Montag - Mittwoch von 9 oder 10 Uhr bis 15 oder 16 Uhr ist sie dort.
Rl: Haben Sie einen gemeinsamen Freundeskreis?
BF: Im Prinzip sind alle Freunde mit meiner Frau bereits bekannt gewesen, wie ich sie kennengelernt habe. Jetzt verkehre ich aber auch mit diesen Freunden.
Rl: In welcher Sprache kommunizieren Sie mit ihrer Ehefrau?
BF: Im Moment ist es eine Mischung zwischen Deutsch und Englisch. Anfänglich haben wir hauptsächlich Englisch gesprochen, aber jetzt, wo ich auch Deutsch lerne, versuchen wir mehr Deutsch miteinander zu sprechen.
Rl verweist auf eine E-Mail des Magistrats XXXX (OZ 22), aus der hervorgeht, dass der BF am 16.12.2020 einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltskarte stellte; der Magistrat XXXX teilte diesbezüglich mit, dass der Verdacht der Scheinehe besteht. Nach gestriger Rückfrage ist der derzeitige Stand der, dass das Verfahren in XXXX ausgesetzt ist, weil man auf die Entscheidung des BVwG wartet. Was sagen Sie dazu?
BF: Ich liebe meine Frau sehr. Sie ist die allerliebste und beste Person, die ich jemals in meinem Leben getroffen habe. Seit meiner Ankunft in Europa habe ich schon viele Situationen durchgemacht. Ich war dann schon so weit, dass ich Angst hatte, überhaupt mit Weißen zu sprechen wegen der Erfahrungen, die ich gemacht habe. (Nachgefragt:) Ich hatte mit weißen Menschen generell Probleme, mit ihnen zu reden, weil ich immer das Gefühl hatte, dass sie nicht wollen, dass ich auf sie zugehe und mit ihnen rede. Meine Frau hat mir dann das Gegenteil bewiesen.
Rl an BFV: Warum haben Sie in diesem Verfahren einige Beweismittel relativ spät vorgelegt? Besteht ein Zusammenhang zum Niederlassungsverfahren?
BFV: Es ist klar, dass das Niederlassungsverfahren jetzt ausgesetzt ist. Die Angelegenheiten der behinderten Schwester hatte ich zuvor nicht richtig erfasst, daher wurde sie erst so spät vorgetragen. Die anderen zuletzt vorgelegten Dokumente beschäftigen sich mit der für mich zentralen Frage der Ausübung der Niederlassungsfreiheit.
Zum Aufenthalt in Malta:
RI: Sie haben ein Flugticket vom 11.03. von Wien nach Malta und ein Ferien-Foto von ihnen und ihrer Ehefrau vom 12.05.2020 (vermutlich) in Malta vorgelegt. Wo haben Sie beide davor Unterkunft bezogen? Zusätzlich haben Sie nun ein Flugticket Ihrer Frau vom 17.03.2020 vorgelegt. Wann sind Sie beide in Malta angekommen?
BF: Es ist richtig, dass wir getrennt voneinander geflogen sind. Ich bin am 11. Oder 12. März nach Malta geflogen und sie kam dann eine Woche später nach.
Rl: Was war der Grund dafür, dass Sie getrennt geflogen sind?
BF: Es war damals so, dass ich gerade aus dem Gefängnis entlassen worden war. Ich hatte einem Polizisten Ecstasy verkauft und war dann einen Monat in Wien in Haft. Von dort wurde ich dann in Schubhaft überstellt. Zu diesem Zeitpunkt lebte ich mit meiner Frau noch in Wien zusammen. Ich wollte dann direkt aus der Schubhaft nach Italien ausreisen, aber dies war aufgrund des Lockdowns nicht möglich. (Nachgefragt, ob ich aufgefordert war, das Land zu verlassen:) Zu diesem Zeitpunkt wussten weder meine Frau, noch ich, dass ich eine Aufforderung hatte, Österreich zu verlassen. Meine Frau hat erst später ein Schreiben erhalten und erst später erfahren, dass ich Österreich verlassen muss.
Rl: Ihre Frau hat abgewartet bis klar ist, wo Sie sind?
BF: Ich hatte es damals mit der Einreise aus Österreich sehr eilig. Nachdem ich nicht nach Italien konnte, bin ich dann gleich nach Malta geflogen. Ich bin vor meiner Frau geflogen, denn ich kenne Malta und wollte erst eine Bleibe finden. Ich glaube, sie hat zu dieser Zeit auch in Österreich arbeite müssen. Sie musste dann erst Vorkehrungen für die Ausreise treffen.
Rl: Wann waren Sie vorher schon in Malta? Waren Sie vor März 2020 schon dort?
BF: Ich war fast 2 Jahre lang in Malta, bevor ich dann nach Österreich gekommen bin.
Rl: Wann war das ungefähr?
BF: Meine erste Ankunft in Malta war- wenn ich mich nicht irre - im Oktober oder November 2013. Ich habe dann ein Jahr in Malta gelebt, ungefähr bis September 2014. Von dort bin ich dann nach Italien umgezogen. In Italien habe ich dann um Asyl angesucht und war 2 Jahre dort. Ich habe dann auch in Italien eine Aufenthaltsberechtigung bekomme, bin dann weiter nach Frankreich, Paris. Ich habe dann ca. 2 Jahre in Paris verbracht. 2017 oder 2018 bin ich dann wieder nach Malta zurückgekehrt. Dort war ich dann bis September 2019, als ich dann nach Österreich kam. Ich war dann bis zu meiner Ausreise nach Österreich durchgehend in Malta.
Rl: Hatten Sie in Frankreich auch ein Asylverfahren?
BF: Nein. Ich habe in Frankreich nicht um Asyl angesucht.
Rl: Sind Sie von Frankreich nach Malta legal geflogen, oder wurden Sie abgeschoben?
BF: Ich bin vor meiner Rückreise nach Malta noch nach Italien gefahren, um mir meine Dokumente verlängern zu lassen und war dann ein paar Tage in Italien, bevor ich von dort nach Malta übersetzte.
Rl: Dies war das letzte Mal, als Sie sich in Italien die Dokumente verlängern ließen, oder waren Sie dazwischen noch einmal dort, um die Dokumente zu verlängern?
BF: Ja, ich bin mehrmals zwischen Malta und Italien hin und hergependelt um zu prüfen, ob meine Dokumente noch gültig sind, ich habe aber in Malta gelebt und gearbeitet.
R: Wusste Italien Bescheid, dass Sie in Malta leben und arbeiten?
BF: Ich habe von mir aus offiziell nie gesagt, dass ich in Malta lebe. Aber als ich gefragt wurde, wo ich hauptsächlich wohne, habe ich gesagt „In Malta.". Offiziell habe ich es nie kundgetan, aber anlässlich der Dokumentenverlängerung in Italien haben sie mich gefragt, ich mich aufhalte und da habe ich „Malta." gesagt.
Rl: Laut Aktenstand haben die Italiener Ihren Aufenthaltsstatus aufgrund humanitärer Gründe zuletzt am 11. Juni 2018 erneuert. Ist das zutreffend?
BF: Ja.
Rl: Welche italienische Behörde war das? In welcher Stadt sind Sie zur Behörde gegangen?
BF: Das war die Einwanderungsbehörde in XXXX .
Rl: Wo liegt das?
BF: Das ist Mittelitalien, ca. eine Stunde Zugfahrtvon Rom entfernt.
Rl: Zurück zu Ihrem Aufenthalt in Malta. Haben die maltesischen Behörden Ihnen Dokumente für Ihre Arbeit dort ausgestellt?
BF: Ja, ich hatte in Malta eine Arbeitsgenehmigung und habe als Reinigungskraft im Hotel gearbeitet. Das war 2018/2019, ich habe bis zu meiner Ausreise nach Österreich gearbeitet.
Rl: Warum sind Sie damals weg aus Malta und zurück nach Österreich, wenn Sie dort Dokumente und eine Arbeit hatten?
BF: Zunächst einmal war einer der Gründe das Land selbst. Es gibt sehr viele Rassisten in Malta. Ich hatte zwar Arbeit, aber die Arbeitsbedingungen waren alles andere als gut. Ich habe mich dort nicht wohlgefühlt.
Rl: Warum haben Sie sich dann für Österreich als Ziel entschieden?
BF: Ich habe von vielen Seiten nur gutes über Österreich gehört und wie gut die Menschen hier sein sollen. Deshalb wollte ich es hier probieren.
Rl: Wo ist Ihre italienische Aufenthaltsberechtigung, die Sie zuletzt 2018 verlängern ließen? Haben Sie das Dokument noch?
BF: Die AB-Karte habe ich noch aus Italien. Sie ist nur abgelaufen und habe sie deshalb nicht mit. Aber ich habe den italienischen Personalausweis bei mir. Den kann ich vorlegen.
R bittet BF den Ausweis vorzulegen. Eine Kopie wird der Niederschrift angeschlossen.
Der Richter nimmt Augenschein in die Identitätskarte Nr. XXXX , ausgestellt am 15.12.2015.
Rl: Wie sind Sie 2019 von Malta nach Österreich gekommen? Es kann für die Einreise nicht genügt haben, dass Sie nur Ihren senegalesischen Reisepass vorlegen. Welche Dokumente haben Sie benutzt?
BF: Bei meiner Einreise war die Italienische AB-Karte noch gültig. Ich bin mit meiner italienischen AB-Karte und meinem senegalesischen Reisepass nach Österreich eingereist.
Rl: Haben Sie sich von März bis Anfang Juli 2020 durchgehend in Malta befunden? Sie haben Dokumente vorgelegt über Unterkunftnahme erst ab l. Juli 2020.
BF: Ich habe die erste Woche in Malta bei einem Freund gewohnt und nach einer Unterkunft für mich und meine Frau gesucht. Aber ohne einen Arbeitsvertrag bekommt man in Malta keinen Mietvertrag. Meine Frau hat deswegen erst eine Unterkunft für uns bei Air B&B gesucht. Wir mussten in Quarantäne und haben diese dort verbracht und gleichzeitig nach einer Wohnung gesucht. Wie gesagt, ohne Arbeit bekommt man in Malta keine Wohnung. Meine Frau hat dann eine sehr billige Unterkunft in einem Gästehaus in XXXX gebucht, wo wir dann 2-3 Monate gewohnt haben. Als meine Frau dann eine Arbeit gefunden hat, haben wir dann einen Mietvertrag für ein Jahr in XXXX gefunden.
Rl: Von März bis zum Arbeitsbeginn Ihrer Frau waren Sie durchgehend gemeinsam in Malta?
BF: Ja.
Rt: Zum „billigen Gästehaus": Wo in XXXX ist es? Haben Sie einen Namen oder eine Adresse?
BF: Die Straße ist XXXX . Die Nummer und den Namen weiß ich nicht mehr. Aber es befand sich an der XXXX .
Rl: Ist diese XXXX am Beginn oder am Ende der Halbinsel vor XXXX ? Gibt es ein Wahrzeichen in der Nähe?
BF: Es ist dort XXXX .
Rl: Im Akt ist ein Dokument der maltesischen Fremdenpolizei in XXXX . Daraus geht hervor, dass Sie am 12.03.2020 einen Antrag aufAufenthaltsberechtigung gestellt hätten. Als weiteres Datum ist der 12.05.2020 und dann der 15.09.2020 angeführt. Wie eine Rückfrage bei der maltesischen Behörde seitens des BFA ergeben hat, haben Sie 2020 keine offizielle neue
Aufenthaltsgenehmigung in Malta erhalten. Bitte nehmen Sie das im Akt befindliche Dokument in Augenschein.
BF: Wir nennen das „Das gelbe Buch". Die Datumseinträge sind quasi eine Quittung bzw. Bestätigung für das gelbe Buch. Wenn man sich um eine Arbeit bewirbt, muss man das vorzeigen, damit man dann auch einen Arbeitsvertrag bekommt. Alle drei Monate muss der Eintrag erneuert werden und darum sehen Sie hier die drei Daten.
Rl: Verstehe ich das richtig: Die maltesische Fremdenpolizei hat Ihnen problemlos diese Verlängerungen notiert, obwohl Sie zu diesem Zeitpunkt keine sonstige legale Aufenthaltsbewilligung in der EU hatten?
BF: Ja, weil dieses gelbe Buch hatte ich bereits wenige Monate nach meiner ersten Einreise nach Malta bekommen. Damit darf ich dort arbeiten und leben, es bedeutete eigentlich alles für mich.
Rl zeigt dem BF die entsprechenden Kopien des „Identifikationsdokuments von Malta" aus dem Akt, ausgestellt am 20.08.2019, das er als „gelbes Buch" identifiziert.
Rl: Entsprechend der Kopien, die wir davon im Akt haben, ist die letzte Eintragung im gelben Buch, dass es bis 06.03.2020 gültig sei. Gab es danach eine Verlängerung und wo ist das Original des gelben Buches?
BF: Ja, ich habe das gelbe Buch zuhause bei mir in Österreich. Als ich von Österreich nach Malta reiste, bin ich zur Einwanderungsbehörde gegangen. Da war das gelbe Buch aber schon abgelaufen. Deshalb haben sie mir dann das kleine weiße Papier gegeben, das Sie mir gezeigt haben. Ich hatte ja dann keine Arbeitserlaubnis. Auf diesem kleinen weißen Papier wurden dann die Verlängerungen angeführt.
RI: In Ihrem Fall hat die Einreisebehörde das so hingenommen und hat Ihnen ohne Anstand wieder die Aufenthaltsberechtigung gegeben?
BF: Ja, das ist ja im Prinzip schon das zweite gelbe Buch, weil das erste wurde damit verlängert. Bei meiner erstmaligen Einreise nach Malta wurde ich zunächst in einem Anhaltelager untergebracht. Da ich aber minderjährig war, hat man mich von dort in eine andere Unterkunft verlegt. Dort haben sich dann andere Leute um mein Verfahren gekümmert, daher weiß ich nicht, was da veranlasst oder gemacht wurde. Am Ende habe ich das gelbe Buch bekommen, das war für mich eine Arbeitsgenehmigung und meine ID-Card. ich habe dann auch gearbeitet und musste dann nur alle 3 Monate zur Verlängerung.
Rl: Haben Sie die maltesischen Behörden darüber informiert, dass Sie gemeinsam mit Ihrer Frau jetzt in Malta leben?
BF: Nein, das habe ich nicht offiziell angegeben, aber ich bin mit meiner Frau immer hingegangen.
Rl: Nachdem Sie beide in Malta ab dem 17.03.2020 zusammen waren - hatte da Ihre Frau sofort die Absicht, eine Beschäftigung aufzunehmen?
BF: Ja, genau das war der Plan. In Malta ist es eigentlich leicht, Arbeit zu finden. Meine Frau und ich wollten gleich eine Arbeit suchen, bloß wegen Corona war es nicht möglich, gleich eine Arbeit zu bekommen. Alles war geschlossen.
Rl: Nach ihrer Ankunft am 17.03.2020 - musste sich ihre Frau sogleich bei einer staatlichen Behörde melden? Wo ist sie da hingegangen?
BF: Ja, meine Frau hat sich dann arbeitssuchend gemeldet beim dortigen Jobcenter (Jobplus). Das war nicht gleich nach Ihrer Ankunft. Wir waren zunächst 2 Wochen in Quarantäne. Da haben wir uns schon nach einem Job umgesehen.
Rl: Wann hat sich Ihre Frau bei Jobplus gemeldet?
BF: Ich weiß das genaue Datum nicht mehr, es war aber nicht gleich nach der Ankunft in Malta, es war etwas später. Man muss sich ja vorher registrieren lassen, um dann die Arbeitssuchplattformen im Internet nutzen zu können. Das haben wir alles gemacht und dann hat meine Frau auf die Plattformen zugegriffen.
Rl: Hat Ihre Frau außer den Onlineaktivitäten bis Juli andere Aktivitäten gesetzt? Hat sie beispielsweise mit Arbeitgebern gesprochen oder sich schon bei Unternehmen beworben bzw. hatte sie Vorstellungsgespräche?
BF: Ja, das hat sie getan. Die meisten Arbeitgeber hat sie telefonisch kontaktiert. Gleich zwei Wochen nach der Ankunft, als die Quarantäne aus war. Die meisten Arbeitgeber haben aber gesagt, dass sie derzeit wegen Corona derzeit keine Leute aufnehmen. Sie sollte sich nach Corona wieder melden oder wenn die Situation besser ist.
Rl: Hatte Ihre Frau noch einen anderen Job von März bis Juli, der nicht im Akt ist oder war Sie in der Zeit aufJobsuche?
BF: Sie hat die ganze Zeit gesucht, bis sie die Kinderbetreuungsstelle bekommen hat, das war am 17. Juli.
Rl: Wie war da ein typischer Tag? Hat sie von Montag bis Freitag einen Job gesucht? Wie war da die Intensität? Hatte Ihre Frau viele Vorstellungsgespräche?
BF: Konkret kann ich mich erinnern, dass meine Frau ein Jobangebot bei einer Firma bekommen hat, die so etwas Ähnliches wie ein Onliecasino betreibt. Die Frau meinte, dass es in Malta zwar keine Stelle gibt, aber in einem anderen EU-Staat. Das hat meine Frau aber abgelehnt, weil wir in Malta bleiben wollten.
Rl: Wie haben Sie Ihren Lebensunterhalt verdient, wenn weder Ihre Frau, noch Sie einen Job hatten?
BF: Ja, das ist richtig. Zunächst ist noch meine Frau für meinen Unterhalt aufgekommen, aber dann ist auch ihr das Geld ausgegangen. Sie musste dann ihren Vater um Unterstützung bitten, weil wir kein Geld mehr hatten. Wir hatten nicht damit gerechnet, dass es so lange dauern würde, in Malta einen Job zu finden.
Rl: Wenn ich den Akt richtig lese, hat Ihre Frau von 17.07.2020 bis 28.08.2020 dann in Malta gearbeitet. Was wissen Sie darüber? War das Vollzeit? Was hat sie da gemacht?
BF: Meine Frau hat Vollzeit gearbeitet von Montag bis Freitag. Sie ist immer um 8 Uhr zur Arbeit gegangen und war gegen 14/15 Uhr mit der Arbeit fertig. Es ging um eine Tagesbetreuung für Kinder. Das war zwar nicht der Idealjob für meine Frau, aber wir haben uns gedacht, dass sie diese Arbeit macht, bis wir eine bessere Stelle für sie gefunden haben.
Rl: Hat Ihre Frau bezüglich Kinderbetreuungeine berufliche Vorerfahrung?
BF: Nein, eigentlich nicht, aber sie hat mir erzählt, dass Sie in Österreich Sozialarbeit für Teenager gemacht hat.
Rl: Warum hat das Arbeitsverhältnis geendet?
BF: Da hatten wir uns entschieden, nach Österreich zurückzukehren, deshalb.
Rl: Warum wollten Sie zu dem Zeitpunkt wieder weg aus Malta?
BF: Der Hauptgrund war ein familiärer. Durch die Coronakrise gab es Probleme bei der Betreuung der Schwester. Davor ist immer jemand ins Haus gekommen, der der Schwester beim Waschen und bei anderen Tätigkeiten geholfen hat. Diese Hilfe wurde wegen Corona eingestellt und so hat der Vater meiner Frau zusammen mit der Ehefrau ihres Bruders sich zwischenzeitlich um die Schwester gekümmert. Meine Frau hat dann gemeint, dass Lena sie braucht und sie zurückmuss, um zu helfen. Zudem war die Lage in Malta damals auch nicht gut für uns. Auch dort war die Coronakrise zu spüren. Dann haben wir uns von einem Moment auf den anderen entschieden, nach Österreich zurückzukehren. Da haben sie dann die Flughäfen gerade wieder geöffnet. Meine Frau sagte dann, dass sie jetzt zurückfliegt und ich sah keinen Grund darin, alleine in Malta zu bleiben.
Rl weist den BF darauf hin, dass aus der vorgelegten Kopie seines Reisepasses ferner zu entnehmen ist, dass er am 03.01.2020 von Europa über den Luftweg nach Senegal und anschließend über den Landweg am 04.01.2020 nach Gambia gereist ist, wo er sich bis zum 20.01.2020 befand und über den Landweg zurück nach Senegal reiste, von wo aus er noch am selben Tag über den Luftweg nach Europa zurückkehrte und dort am 21.01.2020 ankam; was können Sie mir dazu sagen? Was haben Sie in Gambia und in ihrem Herkunftsstaat Senegal gemacht?
BF: Meine Mutter lebt derzeit in Gambia, ist aber geborene Senegalesin. Ich wollte meine Mutter in Gambia besuchen. Ein Flug direkt nach Gambia ist aber deutlich teurer, als ein Flug nach Senegal. Deshalb bin ich in den Senegal geflogen und von dort nach Gambia.
Zum Aufenthalt in Österreich:
Rl: Zu ihren Meldedaten: ich habe hier aktuelle ZMR Auszüge aus denen zu entnehmen ist, dass Sie sich nach ihrer Ankunft in Österreich zunächst in einer Betreuungsstelle aufhielten, welche sie am 04.10.2019 verließen. Von 09.02.2020 bis 02.03.2020 waren Sie in der XXXX untergebracht und ab 27.01.2020 waren Sie mit Nebenwohnsitz in der XXXX bei Frau XXXX gemeldet. Seit 10.12.2020 ist ihr Hauptwohnsitz in der XXXX . Wo waren Sie vom 04.10.2019 bis 27.01.2020 aufhältig?
BF: Als ich nach Österreich kam, habe ich zunächst auf Asyl angersucht und war in einer Unterkunft gelebt. Von dort bin ich dann weg und habe bei einem Gambier gewohnt, den ich kenne. Bei ihm habe ich aber nicht offiziell gelebt. Als ich dann meine Frau kennenlernte und zu ihr zog, habe ich mich dann dort mit einem Meldezettel angemeldet.
Rl: Ihre Zeit im, Senegal/Gambia ist auch in dieser Zeit gewesen, oder?
BF: Ja, das ist richtig. Das war dann nach Neujahr im Jänner 2020. Als ich dann nach Österreich zurückkam, hatte ich eine Polizeikontrolle. Ich wurde nach meinem Ausweis gefragt und hatte kein österreichisches Dokument, sondern nur die italienische Aufenthaltskarte und meinen Reisepass. Die Polizei sagte mir dann, dass das nicht reicht. Meine Frau hat mir dann geholfen, da ich zu der Zeit schon bei ihr gewohnt habe, dass ich mich bei ihr melde.
Rl: Verfügen Sie abgesehen von ihrer Ehefrau über Familienangehörige oder sonstige Verwandte in Österreich?
BF: Nein, nur meine Frau und ihre Familie.
Rl: Haben Sie Familienmitglieder in anderen EU-Staaten?
BF: Nein, auch nicht.
R: Sind Sie in irgendwelchen Vereinen tätig, sozial aktiv oder gibt es sonst etwas, was Sie in diesem Zusammenhang berichten wollen?
BF: Nein, ich bin nicht bei irgendeiner Gruppe, Verein oder dergleichen in Österreich.
Rl: Sprechen/Verstehen Sie Deutsch? Haben Sie mich oder den D bis jetzt ein bisschen verstehen können?
BF: Ganz wenig, ich habe erst vor einem Monat die AI Prüfung abgelegt und mit dem A2 Kurs begonnen.
Rl verweist auf die rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung vom 02.03.2020. Können Sie mir hierzu etwas sagen? Ist diese Sache aus Ihrer Sicht erledigt oder besteht Gefahr, dass Sie wieder in diese Kreise geraten?
BF: Nein, ich werde derartiges bestimmt nie wieder tun. Ich lebe ja schon seit 2013 in Europa und habe mir sonst nie etwas zu Schulden kommen lassen. Ich weiß, das war nichts Schönes, was ich da getan habe, aber es war wegen meiner damaligen Situation, dass ich dies getan habe.
Für den Fall einer Überstellung nach Italien:
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.02.2020 wurde der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz, ohne in die Sache einzutreten, gemäß § 5 Abs. l AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass gemäß Art. 12 Abs. 1 oder 3 iVm Art 22 Abs. 7 der Dublin-III-VO Italien für die Prüfung des Antrages zuständig sei. Italien hat der Verpflichtung zur Aufnahme des BF zugestimmt und es ist die Überstellungsfrist nach Italien noch nicht abgelaufen.
Rl: Gibt es abgesehen von ihrem behaupteten Status als begünstigter Drittstaatsangehöriger und ihrem Familien-/Privatleben in Österreich etwaige sonstige Gründe, die gegen eine Überstellung nach Italien sprechen?
BF: Ich habe zwar eine Aufenthaltsgenehmigung für Italien, aber ich weiß nicht viel über dieses Land. Ich war auch nur knappe 2 Jahre in diesem Land und während dieser Zeit hauptsächlich in einem Flüchtlingslager für Asylanten. Aufgrund der Erfahrungen in Frankreich und Malta möchte ich dorthin nicht zurück. Das war ja auch der Grund, warum ich aus Italien nach Frankreich gegangen bin. Ich habe in Italien Werbemittel in Postkästen verteilt und dabei ist es immer wieder vorgekommen, dass ich von Autos auf der Straße angehupt wurde, mir der Mittelfinger gezeigt wurde oder andere erniedrigende Sachen gemacht wurden. Außerdem war es so, dass ich nach Erhalt der Karte das Asylantenheim verlassen musste und alleine dastand bzw. mir nicht einmal eine Unterkunft leisten konnte. Es war irgendwie so, dass die italienischen Behörden gesagt haben: „: Da hast du deine Aufenthaltskarte und jetzt geh." Und sich dann um nichts mehr gekümmert haben.
BFV: Keine Fragen zu diesem Zeitpunkt.
BehV: Hat Ihnen Ihre Frau, als sie die Arbeitsstelle in Malta begonnen hat, gesagt, warum sie dort eingestellt wurde? Hätte man ihr zum Beispiel im Vorstellungsgespräch etwas Näheres gesagt?
BF: Ja, ich war sogar selbst dabei, als sie sich um diese Stelle beworben hat. Sie hat sich online darum beworben und wurde dann angerufen. Man hat meine Frau dann probeweise ein oder zwei Tage arbeiten lassen um zu sehen, ob sie diese Arbeit auch kann. Sie hat mir dann auch gesagt, dass ihr von ihrer Chefin dann auch immer jemand zur Verfügung gestellt wurde, der ihr gezeigt hat, was und wie etwas zu tun ist. Sie wurde dann auch angestellt und bekam einen Arbeitsvertrag. Der war dann befristet und nicht auf lange Dauer. Aber sie hat die Stelle gleich angenommen, weil das war überhaupt der erste Job, den sie bekommen hat.
BehV: Sie sagten, dass es abgesehen von Corona, in Malta leichter wäre, einen Job zu finden. Welche Art von Job haben Sie für sich selbst in Malta gesucht?
BF: Aus meiner Erfahrung wusste ich, das Malta vor allem Tourismus und Gastronomiebetriebe hat und es dort immer offene Stellen für Reinigungskräfte gibt. Und selbst meine Frau sagte damals genauso wie ich, wenn wir beide nur einen Job als Reinigungskraft im Hotel bekommen, ist das ausreichend. Das war aber wegen der Coronakrise eben nicht einfach.
Die Verhandlung wird um 14:14 Uhr zwecks Erholungspause unterbrochen und um 14:34
Uhr fortgesetzt.
Dem BehV werden Kopien des Ausweises des BF und der letzteingebrachten Unterlagen des BFV in Kopie ausgehändigt.
Aufruf der Z um 14:35 Uhr
Rl belehrt die Z gemäß § 49 AVG und weist auf das Recht auf Verweigerung der Aussage hin.
Rl macht die Z nach §§ 50 und 49 Abs. 5 AVG auf die Folgen einer ungerechtfertigten Verweigerung (Ersatz der dadurch verursachten Kosten, Verhängung einer Ordnungsstrafe) und einer falschen Beweisaussage vor dem Bundesverwaltungsgericht (gerichtliche Strafbarkeit gemäß § 288 StGB) aufmerksam.
Es erfolgt eine Belehrung über die Geltendmachung von Kosten als Zeugin.
Befragung der Z:
Zu den persönlichen Verhältnissen und zur Ehe:
Rl: Die obangeführten Personendaten sind korrekt?
Z: Ja.
Rl: Was ist Ihr Familienstand?
Z: Ich bin mit dem BF verheiratet.
Rl: Wann, wie und wo haben Sie ihren Ehemann, den BF, kennengelernt?
Z: Soweit ich mich erinnere am 29.09.2019, da bin ich fortgegangen zum XXXX am Donaukanal und habe dort vor dem Gebäude, weil drinnen noch nicht viel los war, ein Getränk getrunken. Da habe ich ihn kennengelernt, da wir ins Reden gekommen sind.
Rl: Seit wann sind Sie mit diesem in einer Beziehung?
Z: Relativ schnell, ein Monat später ca. 2 Wochen nach dem Treffen würde ich sagen, dass es eine Beziehung gewesen ist.
Rl: Wann haben Sie sich dazu entschlossen, zu heiraten?
Z: Das war auf Malta, nachdem wir nach XXXX gegangen sind. Wir waren erst 3 Monate in XXXX und sind dann umgezogen.
Rt: Ist das plötzlich passiert?
Z: Für mich war das gemeinsame Wohnen in Malta die Möglichkeit zu sehen, ob das eine ernsthafte Beziehung ist und wie das Zusammenleben ist. Da habe ich in der Zeit dann gesehen, dass das funktioniert und ich mit dem Menschen mein Leben verbringen möchte.
Rl: Gab es eine Hochzeitsfeier?
Z: Es war während der Coronazeit, deshalb waren wir nur zu dritt - mein Mann, ich und meine Freundin, die übersetzt hat. Wir sind dann noch mit meinem Bruder und meiner Schwester zuhause zusammengesessen, aber das war es.
Rl: Wohnen Sie im selben Haushalt und wenn ja, seit wann?
Z: Seit wir von Malta zurückgekommen sind. Aber er hat vor Malta eigentlich schon bei mir gewohnt. Das war ca. nach 2 Monaten, im November 2019, als wir uns kennengelernt haben. Das ist grob geschätzt.
Rl: Gab es seitdem Unterbrechungen, als Sie länger getrennt waren?
Z: Ja, ich weiß aber nicht, ob das noch im Dezember 2109 war oder schon im Jänner 2020, da war er in Sambia und Italien wegen seines Visums. Das war fast ein Monat.
Rl: Warum war er in Gambia?
Z: Seine Familie besuchen.
Rl: Gab es sonst längere Trennungen?
Z: Er war fast ein Monat im Gefängnis. Das war dann danach im Februar/März und dann sind wir nach Malta. Er ist vorgeflogen und ich bin nachgekommen.
Rl: Wie ergab es sich, dass sie im März 2020 beide in Malta wieder zusammenkamen?
Z: Er wollte eigentlich nach Italien, um seine Karte zu verlängern. Dann war aber Lockdown und die Grenzen zu Italien zu. Malta war das einzige Land, wo der BF hinkonnte und wo es auch die Chance auf Arbeit gab. Deshalb haben wir dann kurzerhand die Entscheidung gefasst, nach Malta zu gehen, da ich der englischen Sprache auch mächtig bin. Das war sehr zum Leidwesen meines Vaters.
Rl: Warum ist der BF vorausgeflogen?
Z: Wegen der Quarantäne und weil er sich dort schon auskannte. Auch, weil er außer Landes musste, weil wir wussten, dass es diese dreimonatige Frist gibt für Asylwerber, in denen er das Land verlassen muss. Deshalb ist er vorausgeflogen. Eine Woche, nachdem ich eingereist bin, hat Malta die Grenzen geschlossen.
Rl: Wie gestaltet sich ihr gemeinsames Leben in Österreich?
Z: Wir wohnen in einem großen Haus mit meinem Vater und meiner Schwester. Es gibt einen großen Garten. Der Garten meiner Mutter wurde jetzt wieder aktiviert. Ich gehe 20 Stunden die Woche Arbeiten. Wir kümmern uns gemeinsam ums Haus. Es gibt im Haus auch viel zu entrümpeln und da viel frei zu machen. Mein Vater und meine Schwester wohnen ja auch mit im Haus, meine Mutter ist verstorben. Mein Mann leistet der Schwester Gesellschaft, wenn sie kocht, etwas unternimmt oder unterstützt sie im Haushalt. Er geht auch mit dem Familienhund spazieren und ist sehr liebevoll mit ihm. Er giest auch den Garten und besucht seinen dritten Deutschkurs. Da geht er 2x/Woche zur Volkshochschule.
Rl: Braucht Ihre Schwester viel Unterstützung?
Z: Vor allem bei der Körperhygiene, da sie auch ein bisschen übergewichtig ist und durch das Down-Syndrom ihre Arme etwas kürzer sind. Sie hat auch am Rücken eine längerfristige Wunde, einen sogenannten „Zwilling", der versorgt gehört. Sie ist fähig, sich selbst anzuziehen, kann leichte Gerichte kochen und sich das Frühstück selbst herrichten. Aber sie hat die Risikoeinschätzung nicht und braucht deshalb jemanden an ihrer Seite. Seit drei Wochen geht sie wieder drei Tage die Woche zur Lebenshilfe in die Arbeit. Sonst ist sie meistens zuhause.
Rl: Wer unterstützt Ihre Schwester in der Körperhygiene?
Z: Ich.
Rl: Gibt es sonst noch Bezugspersonen für Ihre Schwester?
Z: Den Vater, der ist natürlich die meiste Zeit auch zuhause. Auch XXXX , mein Bruder, der geht auch bei uns ein und aus. Mein anderer Bruder XXXX und seine Frau wohnen direkt nebenan im nächsten Haus und da ist auch Kontakt da.
Rl: Bekommt Ihre Schwester Pflegegeld?
Z: Ja. Mein Vater bekommt das Geld, da er der Vormund ist. Mein Vater ist XXXX Jahre alt.
Rl: Haben Sie einen gemeinsamen Freundeskreis?
Z: Ja, wenige, aber doch. XXXX zum Beispiel, sie ist auch eine Freundin des BF mittlerweile. Auch XXXX und XXXX und jetzt auch XXXX , der neu zugezogen ist.
Rl: Beabsichtigen Sie eine dauerhafte Beziehung mit Ihrem Gatten zu führen?
Z: Ja, absolut.
Rt: Unterstützen Sie den BF finanziell?
Z: Ja.
Zum Aufenthalt in Malta:
Rl: Ist es richtig, dass Sie in Malta, nachdem Sie in Quarantäne waren, in einem Gästehaus in XXXX waren und dann in XXXX ein Appartement gemietet haben?
Z: Ja.
Rl: Wann haben Sie in Malta begonnen, sich um Arbeit zu bemühen?
Z: Nach ca. 3 Wochen habe ich begonnen, online nach Arbeit zu suchen und zu recherchieren, wo man am besten fündig wird. Dann bin ich aufJobplus gekommen, das ist die offizielle maltesische Arbeitsvermittlung. Dort habe ich mich ungefähr im Mai registriert.
Rl: Wie viele Stunden haben Sie pro Tag ca. in die Jobsuche investiert?
Z: Es waren schwierige Umstände aber ca. 2-4 Stunden am Tag, je nachdem wie viele Jobangebote da waren. Ich habe immer reingeschaut in die Jobbörsen und mich ggfs. beworben.
Rl: In wie vielen Fällen hatten Sie ein Gespräch?
Z: Zweimal, da ist nichts draus geworden und das zweite Mal war dann schon der Job, wo ich zu arbeiten begonnen habe.
Rl: Ihr Mann sprach von einem Onlinecasino?
Z: Da hätte ich mich beworben, wurde aber zu keinem Interview eingeladen; betreffend des erstgenannten kann ich mich nicht mehr genau erinnern. Es war aber schwindlig, es war ein großes, prunkvolles Gebäude, wo ich mich mit 5 anderen Personen beworben hatte, die dann eingeteilt wurden. Aber daraus wurde nichts. Das Gebäude war in der Nähe des Flughafens.
Rl: Hatten Sie auch online Vorstellungsgespräche?
Z: Nein, allenfalls gab es kurze Telefonate.
Rl: Wie sind Sie auf den Kindergarten gekommen?
Z: Ich weiß nicht mehr, ob das bei Jobsplus war oder wo anders, aber es war auf jeden Fall ein Onlineportal, wo ich das gesehen hatte.
Rt: War eine Vorerfahrung nötig?
Z: Ich habe anfangs probegearbeitet. Man hat eine Vorausbildung gebraucht. Ich habe eine sozialpädagogische Ausbildung und habe schon mit Kleinkindern gearbeitet, deshalb wurde ich eingestellt.
Rl: Wo war das örtlich?
Z: Ich bin mit dem Bus ca. 20 Minuten gefahren, ich glaube nach XXXX . Die Details stehen sicher am Arbeitsvertrag. Es gab 3 Gruppen mit Kindern zwischen 3 und 8 Jahren, die meisten waren zwischen 3 und 4 Jahren alt, es gab zwei Tische mit Stühlen und hatte eher Schulatmosphäre. Ich war dort jeden Tag von Montag bis Freitag ca. 5 Stunden. Insgesamt war ich für 25 Stunden angestellt.
Rl: Warum hat das Dienstverhältnis geendet?
Z: Ich habe es beendet. Der Grund war, dass die Pflegesituation meiner Schwester sich verschlechtert hatte und mein Vater damit etwas überfordert war. Das Apartment hatte auch ein Kakerlaken-Problem. Die Grenzen waren dann gerade offen, deshalb war das dann die Entscheidung.
Rl: War es in Malta nicht nötig, sich bei der Behörde zu melden?
Z: Ich hätte mich bei Identity-Malta nach drei Monaten melden müssen, das habe ich auch gemacht und mich redlich bemüht, aber ich wurde dann informiert, dass ich einen Brief bekomme und angerufen werden würde, dass ich vorbeikommen solle. Das ist aber nie passiert. Ich habe dann immer angerufen, wurde aber immer vertröstet. In XXXX war das Hauptquartier, ich musste von XXXX nochmal ca. 15 Minuten mit dem Bus fahren.
Rl: Waren Sie mit Ihrem Mann einmal in XXXX mit?
Z: Ja, ich habe auch ein Unbedenklichkeitszeugnis von dort gebraucht.
R: Wie konnte die Polizei das einfach ausstellen?
Z: So wie ich das verstanden habe, bezog sich das nur auf Malta, dass sie schauen, ob ich in Malta schon vorbestraft bin.
Rl: Gibt es dazu einen Schriftverkehr?
BFV: Das können wir vorlegen.
BFV legt einen entsprechenden Mailverkehr vor, der als Anlage ./B der Verhandlungsschrift beigeschlossen wird. BehV nimmt Einsicht.
Rl: Womit haben Sie ihren Aufenthalt im Malta finanziert?
Z: Ich habe Unterstützung von meinem Vater bekommen und war zu der Zeit noch im Homeoffice einer österreichischen Firma, im Familienbetrieb.
Rl: Ist der österreichischen SV Ihre Arbeitszeit in Malta bekannt?
Z: Ja. Wie ich zurückgekommen bin und mich beim AMS gemeldet habe, haben sie ein Formular verlangt, das ich aus Malta besorgt und vorgelegt habe.
Rl: Haben Sie beabsichtigt längerfristig in Malta zu leben und zu arbeiten, abgesehen von den Problemen bezüglich Ihrer Schwester?
Z: Wir hatten es eigentlich schon geplant, ja. Auch, weil wir beide der Sprache mächtig waren und dort unbeschwert leben hätten können. Es ist ein schönes Land.
Rl: Malta ist ja doch eine kleine Insel mit einer speziellen Gesellschaft. Es ist schon eine große Entscheidung, wenn Sie als Österreicherin sagen. Sie gehen nach Malta. War das, dass Sie dort bleiben fix, oder noch in Schwebe?
Z: Zu Beginn war es nicht, dass wir sagen: „Wir wandern jetzt nach Malta aus." Sondern, dass wir zusammenbleiben wollten. Die Überlegungen haben sich dann erst dort ergeben. Die Malteser kennenzulernen war auch nicht so leicht, da ja Lockdown war.
Rl: Was hat Ihr Mann gemacht, während Sie gearbeitet haben?
Z: Der hat auch gearbeitet, in einem Burgerladen namens „ XXXX " (phonetisch). Wir haben relativ zeitgleich den Job gefunden, mit einer Woche Abstand haben wir dort zu arbeiten begonnen. Der BF hat dort Vollzeit gearbeitet.
Rl ersucht D, den BF zu fragen, wo der Burgerladen war.
BF: In der Nähe von XXXX , einer Touristenszene mit vielen Clubs. XXXX hieß das.
Rl an Z: Wollen Sie uns noch etwas sagen?
Z beginnt zu weinen.
Fragen oder Anträge des BFV: Was war Ihr Job für ein Arbeitsvertrag?
Z: Das war ein befristeter Arbeitsvertrag für 3 Monate, weil es nur um Ferienbetreuung ging.
Rl: War das ein privater Verein?
Z: Ich nehme an, dass es gefördert war, aber es war ein privates Unternehmen. Die Chefin hatte von Anfang an klar gemacht, dass das „ihr Baby" war. Meine Chefin würde sicher auch bestätigen, dass ich dort gearbeitet hat. Es gab keine Beschwerden, ich gehe davon aus, dass sie zufrieden war.
Rl: Hätte es eine Möglichkeit gegeben, den Vertrag zu verlängern?
Z: Das weiß ich nicht, der Vertag war auf 3 Monate fix verlängert.
Rl: Haben Sie vor Malta schon einmal im Ausland gearbeitet?
Z: Ich war vor langer, langer Zeit Au-pair in Irland, als ich 19 war.
BFV: Was haben Sie in Malta verdient?
Z: 700-750 Euro im Monat für ca. 25 Stunden. Könnten auch 30 gewesen sein.
Keine weiteren Fragen des BFV.
BehV: Wann haben Sie, während des Dienstverhältnisses in Malta, den Entschluss gefasst, zurück nach Österreich zu gehen?
Z: Ca. drei Wochen vor Ende.
BehV: Den Entschluss haben Sie dann sofort dem Arbeitgeber mitgeteilt?
Z: Ich meine mich zu erinnern, dass es eine 2-wöchige Kündigungsfrist gab. Es war nicht sofort, dass ich Bescheid gegeben habe, aber innerhalb einer Woche.
BehV: Und das hat keine Aufregung dort verursacht?
Z: Nein, da war großes Verständnis da, da ich gesagt hatte, dass ich zurück zur Familie nach Österreich muss.
BehV: Wann war dann der letzte Arbeitstag?
Z: Ein Freitag, der 28. August. Mein Rückflug war dann am Montag darauf, am 31.08.
Weitere Beweisanträge: Keine.
Entlassung der Z um 15:23 Uhr, vorbehaltlich später erfolgter Durchsicht des Protokolls. Die
Z wird ersucht, außerhalb des Verhandlungssaals zu warten. Fortsetzung der Beweisaufnahme mit dem BF.
Rl: Die Tätigkeit bei XXXX im Burgerladen haben Sie heute nicht erwähnt, wir haben jedoch über Ihre Jobsuche gesprochen. Warum haben Sie das nicht erwähnt?
BF: Es ist richtig, dass ich das nicht erwähnt habe. Ich war dort nur auf Probe und man hat mir einen Arbeitsvertrag in Aussicht gestellt. Dazu kam es aber nicht. Deshalb habe ich es nicht erwähnt.
Rl: Wie lange haben Sie dort gearbeitet?
BF: Zwei Monate glaube ich, weil ich habe zweimal ein Monatsgehalt bekommen.
Der Richter führt unbeschadet der zu treffenden Entscheidung das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation „Italien" (letzte Änderung: 03.11.2020) in das Verfahren ein und händigt es dem BFV aus. Eine Ausfolgung an das BFA unterbleibt, weil dieses Dokument dort ohnehin vorhanden ist.
BFV: Keine weiteren Anträge.
BFA: Ich weise darauf hin, dass die Ausübung der Freizügigkeit tatsächlich und effektiv sein muss, entsprechend der Rechtsprechung. Ich verweise auf VwGH 26.02.2013, ZI 2010/22/0104. Die Dauer der Beschäftigung spielt dementsprechend sehr wohl eine sehr wichtige Rolle.
Rl an BehV: Die Überstellungsfrist wird möglicherweise in absehbarer Zeit ablaufen. Wollen Sie dazu etwas ausführen?
BehV: Meinem Kenntnisstand ist sie offen und würde sich eine Überstellung ausgehen.
BFV: Es ist richtig, dass die Freizügigkeit, effektiv und tatsächlich in Anspruch genommen werden muss. Die zitierte Entscheidung des BehV ergibt sich, dass eine solche Ausübung der Freizügigkeit bereits bei einer bloßen Arbeitssuche vorliegen kann und eine tatsächliche Erwerbstätigkeit keine zwingende Voraussetzung ist.
R fragt den BF, ob er noch etwas Ergänzendes vorbringen will.
BF: Sie haben mich vorhin gefragt, ob es Gründe gibt, weshalb ich nicht nach Italien zurückkehren kann, abgesehen davon, dass meine Frau hier mit mir zusammenwohnt. Zu dieser Frage ist mir noch folgendes eingefallen: Meine italienischen Papiere sind bereits abgelaufen und vor zwei Jahren hat das Innenministerium in Italien eine neue Verordnung oder ein neues Gesetz erlassen, wonach man seine Aufenthaltsbewilligung nur dann verlängern darf, wenn man über einen Arbeitsvertrag verlängert. Seither ist es eigentlich fast unmöglich, in Italien einen Job zu finden. Es gibt auch kaum freie Arbeitsplätze, das heißt, ich hätte keine Chance, das Visum zu verlängern.
R fragt, ob der BF den D gut verstanden habe; der BF bejaht dies.“
10. Da sich aus einem zwischenzeitig eingeholten Versicherungsdatenauszug der Österreichischen Sozialversicherung ergeben hatte, dass die Gattin des Beschwerdeführers vom 02.01.2020 bis 24.07.2020 auch als Angestellte in einem österreichischen Betrieb angemeldet war, führte die Vertretung des Beschwerdeführers mit Äußerung vom 17.08.2021 aus, dass diese Tätigkeit im Home Office parallel zur Arbeitssuche in Malta ausgeübt worden war. Ferner wurde auf ergänzende Frage des Gerichts dargelegt, dass die Gattin des Beschwerdeführers von Jänner bis März 2002 als Au Pair in der Kinderbetreuung in Dublin tätig gewesen war.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
1.1 Die Identität des Beschwerdeführers steht – abgesehen von seiner Volljährigkeit – nicht abschließend fest. Für das Verfahren werden die Angaben aus dem vorgelegten senegalesischen Reisepass zugrunde gelegt. Er verwendete seit seiner Ankunft in der EU wiederholt unterschiedliche Identitäten.
Er stellte am 13.09.2019 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich, nachdem er in das Gebiet der „Dublinstaaten“ bereits Jahre zuvor erstmals eingereist war und zunächst in Malta am 08.11.2013 und sodann in Italien am 13.03.2015 Anträge auf internationalen Schutz gestellt hatte, welche jeweils abgelehnt wurden (in Malta am 25.05.2014, siehe Mitteilung des maltesischen Innenministeriums vom 21.10.2019).
Nach einem einjährigen Aufenthalt in Malta lebte der Beschwerdeführer etwa zwei Jahre in Italien. Es folgte ein etwa zweijähriger Aufenthalt in Frankreich und ab 2017/2018 lebte er wieder in Malta, von wo aus er jedoch (wiederholt) nach Italien pendelte, um sich dort sein Aufenthaltsrecht verlängern zu lassen.
Der Beschwerdeführer wurde in Malta als abgewiesener Asylwerber geduldet und hat dort jahrelang gearbeitet. In Italien hat der Beschwerdeführer Werbemittel verteilt.
In Italien wurde ihm am 15.09.2015 eine bis 2026 gültige Identitätskarte (Geburtsdatum XXXX ) ausgestellt.
Zum Zeitpunkt seiner Antragstellung in Österreich verfügte der Beschwerdeführer über einen italienischen Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen, zuletzt verlängert am 11.07.2018 gültig bis 13.03.2020 (Auskünfte des italienischen Innenministeriums vom 16.10.2019).
In Malta wurde ihm (Geburtsdatum XXXX ) am 20.08.2019 ein bis 06.03.2020 gültiges Identitätsdokument ausgestellt, dessen Verlängerung am 12.03.2020 in Aussicht genommen war. Die maltesischen Behörden hatten zu keinem Zeitpunkt Kenntnis, dass der Beschwerdeführer einen Aufenthaltstitel in Italien hatte (siehe vom Beschwerdeführer vorgelegte Urkunden und Stellu