TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/14 W161 2240617-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.09.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

14.09.2021

Norm

AsylG 2005 §5
B-VG Art133 Abs4
FPG §61

Spruch


W161 2240617-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Monika LASSMANN als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.03.2021, Zl. 421464304-200731261, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die ordentliche Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer, dessen Identität nicht feststeht, brachte nach der illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 31.07.2007 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz ein.

Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 26.02.2008 abgewiesen und der Beschwerdeführer gleichzeitig nach Indien ausgewiesen.

Die dagegen fristgerecht erhobene Berufung wurde vom Unabhängigen Bundesasylsenat mit Erkenntnis vom 30.05.2008 abgewiesen und die Entscheidung erwuchs am 02.06.2008 in Rechtskraft.

Die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 03.09.2008 abgelehnt.

1.2. Am 02.10.2008 brachte der Beschwerdeführer einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz ein, welcher mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 17.10.2008 wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG zurückgewiesen wurde.

Eine dagegen beim Asylgerichtshof erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 27.11.2008 abgewiesen. Die Entscheidung erwuchs am 28.11.2008 in Rechtskraft.

1.3. Am 17.08.2020 stellte der Beschwerdeführer einen dritten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Eine EURODAC-Abfrage ergab keinen Treffer.

3.1. Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: BFA) anlässlich einer Prüfung des Sicherungsbedarfes am 17.08.2020 gab der Beschwerdeführer an, er möchte noch einen Asylantrag einbringen, er sei ein Moslem und wegen der derzeitigen politischen Situation sei sein Leben in Indien sehr gefährdet. Befragt, warum er behördlich nicht gemeldet sei, gab der Beschwerdeführer an, er habe im Jahr 2014 einen Duldungsantrag eingebracht, dieser sei im Jahr 2016 abgelehnt worden. Danach habe sein Anwalt gemeint, er solle das Land verlassen und er sei in den letzten Jahren in Deutschland, Frankreich, Italien gewesen und erst vor 20 Tagen in Österreich eingereist. Er habe bei verschiedenen Freunden in XXXX Unterkunft genommen. Er lebe in Österreich von der Unterstützung seiner Freunde und gehe in einen Tempel essen. Er habe in Frankreich, Italien und Deutschland keinen Asylantrag gestellt. Er sei ohne Dokumente immer illegal gereist. Niemand habe ihn im Zug aufgehalten.

Der Beschwerdeführer wurde anschließend daran erinnert, sich behördlich zu melden.

3.2 Bei seiner Erstbefragung am 17.08.2020 gab der Beschwerdeführer an, er sei körperlich und geistig in der Lage, der Einvernahme ohne Probleme zu folgen. Befragt, in welchen Ländern er sich ab Verlassen Österreichs aufgehalten habe, gab der Beschwerdeführer an, ab 2016 sei er für ca. 2,5 Jahre in Deutschland gewesen. Im Jahr 2019 für 15 bis 20 Tage in Italien, für 1,5 Monate in Frankreich, dann wieder für ca. sechs bis sieben Monate in Deutschland. In Kroatien sie er durchgereist. Er habe in den genannten Ländern um Asyl ansuchen wollen, Freunde hätten ihm in den jeweiligen Ländern jedoch gesagt, dass er das lassen solle und nach Österreich zurückkehren solle. Befragt, warum er einen neuerlichen Asylantrag stelle, gab der Beschwerdeführer an, in Indien gebe es das Problem zwischen Hindus und Muslime. Da sein Vater bzw. seine gesamte Familie für die Gründung der Babri-Moschee gewesen wäre, würden sie nun von der Polizei belästigt und inhaftiert. Seine Familienmitglieder würden mitgenommen und gefoltert. Ob seine alten Fluchtgründe noch gelten, könne er nicht sagen, da er ja nicht nach Indien zurückgekehrt sei. Bei einer Rückkehr in die Heimat habe er Angst, getötet zu werden. Es sei alles möglich, seine Familie werde verfolgt. Die Änderungen der Situation bzw. seiner Fluchtgründe seien ihm seit Februar bis März 2020 bekannt.

4. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: BFA) richtete in der Folge Informationsersuchen an Deutschland, Italien, Frankreich, Griechenland und Kroatien.

Die kroatische, die französische und die deutsche Asylbehörde teilten in der Folge im Wesentlichen mit, dass die Person des Beschwerdeführers nicht bekannt sei.

Die italienische Asylbehörde teilte mit Schreiben vom 03.11.2020 mit, dass dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel, gültig bis zum 28.08.2020 gewährt worden wäre.

Das BFA richtete am 09.11.2020 ein auf Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Italien.

Mit Schreiben vom 12.01.2021 teilte das BFA der italienischen Dublin-Behörde Italien mit, dass aufgrund der nicht fristgerecht erfolgten Antwort gemäß Artikel 22 Abs. 7 Dublin-III-Verordnung Verfristung eingetreten und Italien nunmehr zuständig für die Durchführung des gegenständlichen Asylverfahrens sei. Die Überstellungsfrist habe am 10.01.2021 begonnen.

5. Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 26.02.2021 gab der Beschwerdeführer an, er sei geistig und körperlich in der Lage, der Einvernahme zu folgen. Er stehe nicht in ärztlicher Behandlung und nehme keine Medikamente. Er habe bisher im Verfahren der Wahrheit entsprechende Angaben getätigt. Er habe in der EU bzw. in Österreich keine Verwandten. Befragt, wo und wovon er derzeit lebe, gab der Beschwerdeführer an, er wohne in einem Heim in der XXXX und arbeite ein wenig als Zeitungszusteller. Über Vorhalt der beabsichtigten Abschiebung nach Italien gab der Beschwerdeführer an, er lebe seit ca. zehn Jahren hier in Österreich. Er bitte darum, ihm den Aufenthalt zu genehmigen und ihm auch eine Arbeitserlaubnis zu erteilen, damit er für sich sorgen könne. Befragt, welchen Status er in Österreich in diesen zehn Jahren gehabt hätte, gab der Beschwerdeführer an, er habe seit ca. zehn Jahren hier als Zeitungszusteller gearbeitet, er habe keine Arbeitserlaubnis und keinen Ausweis gehabt, aber er müsse sich ja den Lebensunterhalt hier leisten können. Er habe im 21. Bezirk gelebt und sei dort immer gemeldet gewesen. Über Vorhalt des Aufenthaltstitels in Italien gab er an, er habe keine Arbeitserlaubnis gehabt. Er sei gefragt worden, ob er einen Asylantrag stellen möchte. Er habe in Italien keinen Aufenthaltstitel gehabt, er sei von dort nach Frankreich. Er habe in Italien keinen Asylantrag gestellt. Er habe sich bei seinen indischen und pakistanischen Freunden erkundigt. Diese hätten gesagt, es sei besser, wenn er nach Österreich gehe. Er habe auch in Frankreich keinen Asylantrag gestellt. Dort hätten ihm Freunde dasselbe geraten. Seines Wissens nach habe er keinen Aufenthaltstitel in Italien. Er lebe ja hier. Er möchte nicht nach Italien. Er habe hier Freunde und spreche auch etwas die deutsche Sprache. Er habe den A2-Kurs abgeschlossen. Er habe hier viele Freunde, diese würden ihn unterstützen, falls es notwendig sei. Sobald er hier einen Aufenthaltstitel erhalte, möchte er sich selbständig machen. Er werde sich aus Indien Geld schicken lasse. Er bitte darum, ihm den Aufenthalt zu genehmigen und ihm eine Arbeitserlaubnis zu erteilen. Er habe den Dolmetscher einwandfrei verstanden, der Einvernahme folgen können und sei alles vollständig und richtig protokolliert worden.

6. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde I. der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Italien gemäß Art. 12 Abs. 4 in Verbindung mit Art. 22 Abs. 7 Dublin III-Verordnung zur Prüfung des Antrages zuständig ist, sowie II. die Außerlandesbringung des Beschwerdeführers gemäß § 61 Abs. 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge dessen Abschiebung nach Italien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei.

Dieser Bescheid legt in seiner Begründung insbesondere auch ausführlich die Lage für Asylwerber in Italien dar. Demnach sind der Zugang zum Asylverfahren sowie die Grund- und Gesundheitsversorgung für Asylwerber grundsätzlich gewährleistet. Auch Kritikpunkte am italienischen Asylwesen werden näher dargestellt. Im Einzelnen lauten die Länderfeststellungen folgendermaßen (unkorrigiert, gekürzt durch das Bundesverwaltungsgericht):

Zur Lage im Mitgliedsstaat:

COVID-19-Pandemie

Italien hat während der COVID-19-Krise die Registrierung neuer Asylanträge formell nicht suspendiert, jedoch waren die Quästuren in der Praxis geschlossen. Einige Gerichte, etwa in Rom, haben Quästuren jedoch angewiesen, Asylanträge zu registrieren. Die Versorgungsmaßnahmen wurden bis zum Ende der Pandemie verlängert, auch für Personen, die das Recht auf Unterstützung eigentlich verloren hätten. Asylwerber können bis längstens 31.1.2021 auch in Unterbringungseinrichtungen der zweiten Stufe (SIPROIMI) untergebracht werden, welche eigentlich für Schutzberechtigte reserviert sind. Sie erhalten dort aber nur jene Versorgung, die auch in Unterbringungseinrichtungen der ersten Stufe (CAS) vorgesehenen wäre. Gesundheitskarten mit Gültigkeitsende vor dem 30. Juni 2020 wurden bis zum 30. Juni verlängert. Aufenthaltsberechtigungen, einschließlich solcher von Asylwerbern und Schutzberechtigten, mit Ablaufdatum zwischen 31. Jänner und 15. April 2020 wurden bis zum 31. August verlängert. Dublin-Überstellungen von und nach Italien sind derzeit suspendiert. Während der COVID-Situation haben manche Gemeinden den Zugang zu bestimmten ergänzenden sozialen Leistungen an bisweilen mehrjährige Meldeerfordernisse gebunden, die von Asylwerbern bzw. Schutzberechtigten oft nicht zu erfüllen sind (ECRE 28.5.2020).

Nach einer Unterbrechung aufgrund der COVID-19-Pandemie haben alle Territorialkommissionen der nationalen Asylbehörde mit Ausnahme derjenigen in Foggia und Udine im September die persönlichen Asylinterviews wieder aufgenommen. Verzögerungen beim Zugang zu Asylverfahren wurden an verschiedenen Orten gemeldet (UNHCR 9.2020).

Italien hat mit Ende September 2020 fünf Schiffe im Einsatz, die als Quarantäneschiffe vor der italienischen Küste fungieren. Es gibt aber auch Quarantäneeinrichtungen auf dem Festland, die stark belegt sind, was zu Problemen bei der adäquaten Unterbringung, v.a. von Minderjährigen führen kann (UNHCR 9.2020).

Es gilt eine 14-tägige Quarantäne für über das Mittelmeer kommende Asylwerber. Nur wer am Ende dieses Zeitraums nicht positiv getestet wird, kann an eine andere Unterbringungseinrichtung überstellt werden (EASO 2.6.2020).

Aufenthaltsberechtigungen für Asylberechtigte wurden während der COVID-Situation automatisch verlängert. Italien erweiterte die Einkommens- und Familienunterstützungsmaßnahmen, die im Dekret „Cura Italia“ vorgesehen sind, das sind EUR 600 Bonus u.a. Leistungen für anerkannte Flüchtlinge oder Inhaber anderer Aufenthaltsgenehmigungen, die beruflich tätig sind (EASO 2.6.2020).

Quellen:

?        EASO European Asylum Support Office (2.6.2020): COVID-19 Emergency Measures in Asylum and Reception Systems, https://www.easo.europa.eu/sites/default/files/ covid19-emergency-measures-asylum-reception-systems.pdf, Zugriff 28.10.2020

?        ECRE – European Council on Refugees and Exiles (28.5.2020): INFORMATION SHEET 28 MAY 2020: COVID-19 MEASURES RELATED TO ASYLUM AND MIGRATION ACROSS EUROPE, https://www.ecre.org/wp-content/uploads/2020/05/COVID-INFO-28-May.pdf, Zugriff 28.10.2020

?        UNHCR - United Nations High Commissioner for Refugees (9.2020): UNHCR Italy Factsheet, September 2020, https://reliefweb.int/report/italy/unhcr-italy-factsheet-september-2020, Zugriff 28.10.2020

Allgemeines zum Asylverfahren

In Italien existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlichen Beschwerdemöglichkeiten:

C:\Users\PAJIC\AppData\Local\Microsoft\Windows\INetCache\Content.MSO\6A56B65A.tmp

(AIDA 5.2020; für ausführliche Informationen siehe dieselbe Quelle).

Am 5. Oktober hat der italienische Ministerrat eine neues sogenanntes Immigrationsdekret vorgelegt, das die vom ehemaligen Innenminister Salvini eingeführten Regelungen teilweise wieder aufheben würde. Es handelt sich dabei wohlgemerkt erst noch um eine Regierungsvorlage, die binnen 60 Tage vom Parlament abgesegnet werden muss und noch abgeändert werden kann. Momentan vorgesehen ist eine Aufweichung der momentan geltenden Regeln, etwa verbesserter Refoulement-Schutz und Umstrukturierung des Aufnahmesystems zu einem neuen „Aufnahme- und Integrationssystem“ mit Erstaufnahme für alle und danach Versorgung von Asylwerbern und Versorgung von Schutzberechtigten mit zusätzlichen integrationsfördernden Maßnahmen. Ferner würden die territorialen Asylkommissionen (erstinstanzliche Asylbehörde) mehr Befugnisse erhalten, künftig nicht mehr nur im Bereich des internationalen Schutzes, sondern auch im Falle von Abschiebungsverboten bei Fremden mit besonders schwerwiegendem Gesundheitszustand zu entscheiden (VB 13.10.2020).

Antragszahlen für 2019 gemäß italienischem Innenministerium:

C:\Users\PAJIC\AppData\Local\Microsoft\Windows\INetCache\Content.MSO\56901F78.tmp

(AIDA 5.2020; für ausführliche Informationen siehe dieselbe Quelle).

Im August 2020 waren in Italien 53.923 Asylerfahren anhängig. Von Jänner bis Juni 2020 wurden 21.905 Entscheidungen getroffen, davon waren 10% Zuerkennungen eines internationalen Schutzes, 9% subsidiärer Schutz, 5% humanitärer Schutz und 75% Zurückweisungen (UNHCR 25.10.2020).

Die Asylverfahren dauern im Durchschnitt sechs Monate, inklusive Beschwerdephase bis zu zwei Jahre (USDOS 11.3.2020).

Quellen:

?        AIDA - Asylum Information Database (5.2020): Association for Legal Studies on Immigration (ASGI) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE): Country Report: Italy, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_it_ 2019update.pdf, Zugriff 28.10.2020

?        UNHCR - United Nations High Commissioner for Refugees (25.10.2020): Italy Weekly Snapshot (18 Oct-25 Oct 2020), https://data2.unhcr.org/en/documents/download/ 82568, Zugriff 28.10.2020

?        USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Italy, https://www.ecoi.net/de/dokument/2027526.html, Zugriff 28.10.2020

?        VB des BM.I Italien (13.10.2020): Auskunft des VB, per E-Mail

Dublin-Rückkehrer

Wenn Italien einer Überstellung ausdrücklich zustimmt, wird der Flughafen angegeben, welcher der für das konkrete Asylverfahren zuständigen Quästur am nächsten liegt. Wenn Italien durch Fristablauf zustimmt, landen Rückkehrer üblicherweise auf den Flughäfen Rom-Fiumicino und Mailand-Malpensa, oft weit entfernt von ihrer zuständigen Quästur. Ihnen wird am Flughafen von der Polizei eine Einladung (verbale di invito) ausgehändigt, der zu entnehmen ist, welche Quästur für ihr Asylverfahren zuständig ist. Die Rückkehrer haben in der Regel drei Tage, um auf eigene Faust und oft auch auf eigene Kosten zu dieser Quästur zu gelangen, unabhängig von der Entfernung. Seit Februar 2020 gibt es am Flughafen Mailand einen Informationsschalter der Waldensischen Diakonie. Deren Mitarbeiter können Dublin-Rückkehrer mit Tickets zur Quästur von Varese (zuständig für den Flughafen, Anm.) ausstatten und können telefonisch Kulturvermittler kontaktieren, um weitere Informationen in den benötigten Muttersprachen bereitzustellen. Sind die Rückkehrer zu einer anderen Quästur vorgeladen, müssen sie selbst die Tickets besorgen, um dorthin zu gelangen. In Rom profitieren Dublin-Rückkehrer häufig vom mobilen Helpdesk der NGO A Buon Diritto am Bahnhof Tiburtina in Rom. Sobald sie am Flughafen Fiumicino angekommen sind, werden sie mündlich über das Verfahren informiert und mit dem Einladungsschreiben an die zuständige Quästur ausgestattet. Sie müssen die Quästur autonom und auf eigene Kosten erreichen (AIDA 5.2020). Es gibt solche NGOs auf Abruf auch in Bologna, Bari und Venedig (SFH 1.2020).

Die Situation von Dublin-Rückkehrern hängt vom Stand ihres Verfahrens in Italien ab:

1.       Wenn ein Rückkehrer noch keinen Asylantrag in Italien gestellt hat, kann er dies tun, so wie jede andere Person auch (AIDA 5.2020; vgl. SFH 1.2020). Tut er das nicht und hat auch kein Visum etc., wird der Rückkehrer als illegaler Migrant betrachtet und mit einer Anordnung zur Außerlandesbringung konfrontiert und möglicherweise auch in Schubhaft genommen (AIDA 5.2020; vgl. SFH 1.2020).

2.       Wenn das Verfahren eines Antragstellers in Italien suspendiert wurde, weil er sich dem Verfahren vor dem Interview entzogen hat, kann er, im Falle einer Rückkehre binnen 12 Monaten ab Suspendierung, einen neuen Interviewtermin beantragen. Sind mehr als 12 Monate vergangen und das Verfahren wurde beendet, kann ein Folgeantrag gestellt werden, für den seit Oktober 2018 verschärfte Regelungen gelten (AIDA 5.2020; vgl. SFH 1.2020).

3.       Hat ein Interview stattgefunden und wurde das Verfahren des Antragstellers in Italien in der Zwischenzeit negativ entschieden und ihm dies zur Kenntnis gebracht, ohne dass er Beschwerde eingelegt hätte, ist für den Rückkehrer eine Anordnung zur Außerlandesbringung und Schubhaft möglich. Wenn dem Antragsteller die negative Entscheidung nicht zur Kenntnis gebracht werden konnte, gilt diese seit Oktober 2018 nach 20 Tagen als zugestellt und ist für den Rückkehrer eine Anordnung zur Außerlandesbringung und Schubhaft möglich (AIDA 5.2020; vgl. SFH 1.2020).

(Für weitere Informationen, siehe Kapitel „Versorgung“, Subkapitel „Dublin-Rückkehrer“. Für Infos zur COVID-19-Pandemie siehe das gleichnamige Kapitel, Anm.)

Mit Gesetz 132/2018 wurde der humanitäre Schutzstatus stark überarbeitet und der Zugang zu dieser Schutzform eingeschränkt. Abgelaufene (alte) Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen, werden nicht erneuert (VB 22.2.2019) und können auch nicht mehr verlängert werden. Sie können jedoch bei rechtzeitiger Antragstellung und Erfüllung der Voraussetzungen in einen anderen Titel umgewandelt werden (Aufenthaltstitel für Arbeit, Familienzusammenführung, etc. oder in einen humanitären Titel neuer Rechtslage) (VB 25.2.2019). Ansonsten läuft der Titel ab und der Aufenthalt in Italien ist nicht mehr rechtmäßig (VB 22.2.2019; vgl. SFH 1.2020).

(Für weitere Informationen zu diesem Thema siehe Kapitel „Schutzberechtigte“, Anm.)

Quellen:

?        AIDA - Asylum Information Database (5.2020): Association for Legal Studies on Immigration (ASGI) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE): Country Report: Italy, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_it_ 2019update.pdf, Zugriff 28.10.2020

?        SFH – Schweizerische Flüchtlingshilfe (1.2020): Aufnahmebedingungen in Italien. Aktualisierter Bericht zur Lage von Asylsuchenden und Personen mit Schutzstatus, insbesondere Dublin-Rückkehrenden, in Italien, https://www.ecoi.net/en/file/local/ 2034578/200121-italien-aufnahmebedingungen-de.pdf.pdf, Zugriff 8.10.2020

?        VB des BM.I Italien (25.2.2019): Auskunft des VB, per E-Mail

?        VB des BM.I Italien (22.2.2019): Bericht des VB, per E-Mail

Non-Refoulement

Italien hat im Feber 2020 ein Memorandum of Understanding mit Libyen um drei weitere Jahre verlängert, in dessen Rahmen Libyen mit italienischer Unterstützung Migrantenboote stoppt und die Betreffenden nach Libyen zurückbringt. Dies wird von NGOs als indirekte Pushbacks nach Libyen betrachtet. (AIDA 5.2020; vgl. AI 16.4.2020). UNHCR bezeichnet diese Praxis nicht als Refoulement, will aber deren Rechtmäßigkeit untersuchen, da es Libyen nicht als „safe port“ betrachtet, da es relevante UN-Abkommen nicht unterzeichnet hat (USDOS 11.3.2020).

Berichten zufolge kommt es in den italienischen Adriahäfen immer wieder zu Pushbacks nach Griechenland, wenn illegale Migranten mit den aus Griechenland kommenden Schiffen auf denen sie entdeckt wurden, wieder nach Griechenland zurückgeschickt werden. Berichte über angebliches Refoulement antragswilliger Fremder, gibt es auch von den internationalen Flughäfen Rom Fiumicino und Mailand Malpensa. Weiters gibt es Berichte über formloses Zurückschicken von Migranten von der Grenze zu Slowenien. Nichtsdestotrotz erlaubte im Jahr 2019 der Civil Court in Rom 14 Eritreern, die 2008 unrechtmäßig nach Libyen zurückgeschickt wurden, den Zugang zum Asylverfahren in Italien. In zwei weiteren Fällen wurde verfügt, dass im Ausland aufhältigen Minderjährigen, davon einer ein in Libyen befindlicherer Nigerianer, humanitäre Visa zur Einreise auszustellen seien. 2019 annullierten italienische Gerichte weiterhin Überstellungen von afghanischen Asylwerbern in EU-Mitgliedsstaaten, in denen deren Asylverfahren bereits negativ erledigt worden waren, unter Verweis auf ein Ketten-Refoulement-Risiko nach Afghanistan (AIDA 5.2020).

Quellen:

?        AI – Amnesty International (16.4.2020): Human Rights in Europe - Review of 2019 – Italy, https://www.ecoi.net/de/dokument/2028200.html, Zugriff 7.10.2020

?        AIDA - Asylum Information Database (5.2020): Association for Legal Studies on Immigration (ASGI) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE): Country Report: Italy, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_it_ 2019update.pdf, Zugriff 28.10.2020

?        USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Italy, https://www.ecoi.net/de/dokument/2027526.html, Zugriff 28.10.2020

Versorgung

Mit der Einführung von Gesetzesdekret Nr. 113 vom 4.10.2018 (in Verbindung mit dem Umwandlungsgesetz Nr. 132 vom 1.12.2018 auch als „Salvini-Dekret“ bzw. „Salvini-Gesetz“ bekannt) gab es auch weitgehende Änderungen im Unterbringungssystem. Das bisherige System (CARA als Erstaufnahme, SPRAR als kommunal organisierte Unterbringung und Integration für Asylwerber und Schutzberechtigte, CAS als Notmaßnahme für Bootsflüchtlinge) wurde völlig neu organisiert und, neben der Nothilfe für neu ankommende Bootsmigranten, nur noch zwischen einer Erstaufnahme und einer sekundären Versorgungsschiene unterschieden (VB 19.2.2019; vgl. AIDA 5.20209).

Erstaufnahmeeinrichtungen („prima accoglienza“) ersetzen CAS und CARA. Zielgruppe dieser Einrichtungen sind Asylwerber (auch in einem Beschwerdeverfahren oder in Dublin-out-Verfahren bis zur Überstellung), ausdrücklich auch Dublin-Rückkehrer (VB 19.2.2019). Fremde, die in Italien bereits einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, werden in jener Region untergebracht, in welcher der Antrag ursprünglich eingebracht wurde. In allen anderen Fällen ist jene Region zuständig, in der sich der Flughafen befindet, an dem der Fremde ankommt. Bei den Ausschreibungsspezifikationen wird zwischen kollektiven und individuellen (z.B. Selbstversorger) Unterbringungsplätzen unterschieden. Die Versorgung sieht unter anderem folgende Leistungen vor:

?        Unterbringung, Verpflegung

?        Sozialbetreuung, Information, linguistisch-kulturelle Mediation

?        notwendige Transporte

?        medizinische Betreuung: Erstuntersuchung, ärztliche Betreuung in den Zentren zusätzlich zum allgemeinen Zugang zum nationalen Gesundheitsdienst

?        Hygieneprodukte

?        Wäschedienst oder Waschprodukte

?        Startpaket (Kleidung, Bettzeug, Telefonkarte)

?        Taschengeld (€ 2,50/Tag/Person bis zu € 7,50/Tag für eine Kernfamilie)

?        Schulbedarf

?        usw.

Nach Auskunft des italienischen Innenministeriums sind Plätze für Familien sowie allein reisende Frauen (mit Kindern) vorgesehen (VB 19.2.2019).

Integrationsmaßnahmen (Italienisch-Kurse, Orientierungskurse, Berufsausbildungen oder Freizeitaktivitäten) sind in der Erstaufnahme nicht mehr vorgesehen. Ebenso eingespart wurden psychologische Betreuung, welche nur noch in Hotspots und Schubhaftzentren verfügbar ist, Rechtsberatung und kulturelle Mediation. Da viele Ausschreibungen keine Ergebnisse brachten, erlaubte das Innenministerium im Feber 2020 den Präfekturen, minimale Abweichungen zu akzeptieren. Die Vorgaben und Einsparungen führten dazu, dass 2019 viele kleine Unterbringungseinrichtungen verschwanden (AIDA 5.2020).

Die sekundären Aufnahmeeinrichtungen (früher SPRAR) heißen ab sofort SIPROIMI („Sistema di protezione per titolari di protezione internazionale e per minori stranieri non accompagnati“ – Schutzsystem für international Schutzberechtigte und unbegleitete minderjährige Fremde). Asylwerber, mit Ausnahme unbegleiteter Minderjähriger, haben dort keinen Zugang mehr (AIDA 5.2020). SIPROIMI stehen nur noch Personen mit internationalem Schutz, unbegleiteten Minderjährigen, sowie Personen zur Verfügung, die nach der neuen Rechtslage einen Aufenthaltstitel wegen besonders berücksichtigungswürdiger Umstände haben („neue“ humanitäre Titel; siehe dazu mehr im Kapitel „Schutzberechtigte“, Anm.). In diesen Einrichtungen werden zusätzlich zu den oben beschrieben Leistungen auch Maßnahmen mit dem Ziel einer umfassenden Integration (Gesellschaft, Arbeitsmarkt, Sprache, etc.) geboten (VB 19.2.2019).

Personen mit humanitärem Schutz nach alter Rechtslage, die sich mit Stichtag 05.10.2018 noch in einem SPRAR/SIPROIMI befanden, können dort für den vorgesehenen Zeitraum bzw. bis zum Ende des Projektzeitraumes weiterhin bleiben. Jene Fremde mit humanitärem Schutz nach alter Rechtslage, die sich noch in einer Erstaufnahmeeinrichtung befinden, verbleiben dort so lange, bis ihnen von der Quästur der Aufenthaltstitel („permesso di soggiorno“) übergeben wurde und werden danach aus dem Aufnahmesystem entlassen (VB 19.2.2019).

In den letzten Jahren war das italienische Aufnahmesystem angesichts der zahlreichen Anlandungen von Migranten von Überforderung und dem Versuch geprägt, möglichst viele Unterbringungsplätze in möglichst kurzer Zeit zu schaffen. Dabei entstanden verschiedene Arten von Unterbringungszentren auf Projektbasis in Gemeinden, Regionen und zentraler Ebene mit nur grob festgelegt Zielgruppen. Mit der Neustrukturierung wurde ein differenziertes Aufnahmesystem geschaffen, das auch der Kritik des italienischen Rechnungshofes Rechnung trägt, der die undifferenzierte Unterbringung bzw. Erbringung insbesondere von kostspieligen Integrationsmaßnahmen an Migranten ohne dauerhaften Aufenthaltstitel bemängelt hat. So werden Asylwerber zukünftig in den Erstaufnahmeeinrichtungen untergebracht. Personen mit Schutzstatus bzw. einer der neuen Formen des humanitären Schutzes sowie allein reisende Minderjährige erhalten Zugang zu den sekundären Aufnahmeeinrichtungen, in denen zusätzlich integrative Leistungen angeboten werden (VB 19.2.2019).

Asylwerber dürfen zwei Monate nach Antragstellung legal arbeiten. In der Praxis haben Asylwerber jedoch Schwierigkeiten beim Zugang zum Arbeitsmarkt, etwa durch Verzögerungen bei der Registrierung ihrer Asylanträge (die damit einhergehende Aufenthaltserlaubnis ist für den Zugang zum Arbeitsmarkt wichtig), oder durch die Sprachbarriere, oder die geografische Abgelegenheit der Unterbringungszentren usw. (AIDA 5.2020).

Es gibt Berichte über Diskriminierung und Ausbeutung von Migranten durch Arbeitgeber. Die hohe Arbeitslosigkeit schmälert die Chancen von Migranten auf legale Anstellung (USDOS 11.3.2020).

Quellen:

?        AIDA - Asylum Information Database (5.2020): Association for Legal Studies on Immigration (ASGI) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE): Country Report: Italy, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_it_ 2019update.pdf, Zugriff 28.10.2020

?        USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Italy, https://www.ecoi.net/de/dokument/2027526.html, Zugriff 28.10.2020

?        VB des BM.I Italien (19.2.2019): Bericht des VB, per E-Mail

Unterbringung

Grundsätzlich sind bedürftige Fremde zur Unterbringung in Italien berechtigt, sobald sie den Willen erkennbar machen, um Asyl ansuchen zu wollen. Das Unterbringungsrecht gilt bis zur erstinstanzlichen Entscheidung bzw. dem Ende der Rechtsmittelfrist. Bei Rechtsmitteln mit automatischer aufschiebender Wirkung besteht das Unterbringungsrecht auch bis zur Entscheidung des Gerichts. Bei Rechtsmitteln ohne automatische aufschiebende Wirkung kann diese vom Gericht zuerkannt werden und in einen solchen Fall besteht auch das Unterbringungsrecht weiter. Seit Ende 2018 haben einige Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung mehr. In der Praxis erfolgt der tatsächliche Zugang zur Unterbringung erst mit der formellen Registrierung des Antrags (verbalizzazione), die bis zu einige Monate nach der Antragstellung stattfinden kann, abhängig von Region und Antragszahlen. In dieser Zeit müssen Betroffene alternative Unterbringungsmöglichkeiten finden, was problematisch sein kann. Zum Ausmaß dieses Phänomens gibt es allerdings keine statistischen Zahlen. Betroffene Asylwerber ohne ausreichende Geldmittel sind daher auf Freunde oder Notunterkünfte angewiesen, oder es droht ihnen Obdachlosigkeit. In ganz Italien gibt es auch informelle Siedlungen oder besetzte Häuser, in denen Fremde leben, unter ihnen Asylwerber und Schutzberechtigte (AIDA 5.2020).

Das offizielle italienische Unterbringungssystem für erwachsene Asylwerber stellt sich folgendermaßen dar:

CPSA (Centri di primo soccorso e accoglienza) / Hotspots

Es handelt sich dabei um Zentren an den Hauptanlandungspunkten der Migranten, die über das Mittelmeer nach Italien kommen. Die CPSA wurden 2006 gegründet und fungieren seit 2016 formell als Hotspots (gemäß dem sogenannten Hotspot-approach der Europäischen Kommission). Diese dienen der raschen erkennungsdienstlichen Behandlung, Trennung von Asylwerbern und Migranten und ihrer entsprechenden weiteren Behandlung. Ende 2019 gab es in Italien vier Hotspots in Apulien (Taranto) und Sizilien (Lampedusa, Pozzalo, Messina). Der Aufenthalt der Migranten in den Hotspots dauert oft wochenlang (AIDA 5.2020).
Erstaufnahme

Es gibt derzeit 13 Erstaufnahmezentren zur Unterbringung von Asylwerbern in 7 italienischen Regionen. Die Zentren sind meist groß, geografisch isoliert und der Standard der Unterbringungsbedingungen schwankt zum Teil. Überbelegung ist oft ein Problem. Im Falle von Platzmangel kann auch auf temporäre Strukturen (Centri di accoglienza straordinaria, CAS) zurückgegriffen werden, das sind Notunterkünfte der Präfekturen. Die Unterbringung in einem CAS soll so kurz als möglich dauern, bis zur Unterbringung des Betreffenden in einem Erstaufnahmezentrum. Doch es gibt derzeit über 6.000 CAS in ganz Italien und sie bilden damit die Mehrheit der im Land verfügbaren Unterbringungsplätze. In den CAS ist der Unterbringungsstandard von der betreibenden Präfektur abhängig (AIDA 5.2020).

Die Integration der Asylsuchenden beginnt erst nach Zuerkennung eines Schutztitels und Verlegung in eine sekundäre Aufnahmeeinrichtung (SIPROIMI) (AIDA 5.2020).

(Für Informationen zu SIPROIMI siehe Kapitel Schutzberechtigte, Anm.)
Private Unterbringung / NGOs

Außerhalb der staatlichen Strukturen existiert noch ein Netzwerk privater Unterbringungsmöglichkeiten, betrieben von Kirchen oder Freiwilligenverbänden. Ihre Zahl ist schwierig festzumachen. Interessant sind sie speziell in Notfällen oder als Integrationsmittel (AIDA 5.2020).

Nichtregierungsorganisationen und unabhängige Beobachter beklagen Unterschiede der in Aufnahmezentren angewandten Standards. Qualitativ hochwertigen Unterbringungen von lokalen Behörden stehen große Zentren unterschiedlicher Qualität gegenüber, bei denen es sich oft um umgewidmete Gebäude wie Schulen, Kasernen usw. handelt (USDOS 11.3.2020).

Wer nicht in einer offiziellen Unterbringungseinrichtung untergebracht ist, erhält keine finanzielle Unterstützung und hat keinen Anspruch auf weitere Sozialleistungen (RW 6.2020).

Viele Asylwerber und Personen mit Schutzstatus sind obdachlos und leben in verschiedenen italienischen Städten auf der Straße oder in informellen Siedlungen und besetzten Häusern. Freiwillige der NGOs Sant’Egidio und MEDU besuchen die Obdachlosen in Mailand einmal oder mehrmals pro Woche. Sant’Egidio verteilt Mahlzeiten, MEDU bietet medizinische Beratung und Behandlung an (SFH 1.2020). Informelle Siedlungen gibt es im ganzen Land, wenn auch Ende 2018 einige von den Behörden geräumt wurden (AIDA 5.2020). Vertreter von UNHCR, IOM und anderer humanitärer Organisationen und NGOs, berichten über tausende von legalen und illegalen Migranten und Flüchtlingen, die in verlassenen Gebäuden und in unzulänglichen und überfüllten Einrichtungen in Rom und anderen Großstädten leben und nur eingeschränkten Zugang zu medizinischer Versorgung, Rechtsberatung, Bildung und anderen öffentlichen Dienstleistungen haben (USDOS 11.3.2020).

Mit Stand 30.9.2020 befanden sich in Italien 82.072 Migranten in staatlicher Unterbringung, davon 217 in Hotspots, 57.496 in der Erstaufnahme und 24.359 in SIPROIMI (VB 5.10.2020).


CPR (Centri di Permanenza per il Rimpatrio)

Italien verfügt außerdem über neun Schubhaftzentrum (CPR) mit zusammen 1.380 Plätzen (AIDA 5.2020).

Quellen:

?        AIDA - Asylum Information Database (5.2020): Association for Legal Studies on Immigration (ASGI) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE): Country Report: Italy, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_it_ 2019update.pdf, Zugriff 28.10.2020

?        RW – Raphaelswerk (6.2020): Italien: Informationen für Geflüchtete, die nach Italien rücküberstellt werden, https://www.raphaelswerk.de/cms/contents/raphaelswerk. de/medien/dokumente/information-italien/i_rueckueberstellung_info_raphaelswerk _ev_ii_neuaufl_v11.pdf?d=a&f=pdf, Zugriff 7.10.2020

?        USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Italy, https://www.ecoi.net/de/dokument/2027526.html, Zugriff 28.10.2020

?        VB des BM.I Italien (5.10.2020): Bericht des VB, per E-Mail

Dublin-Rückkehrer

Mit der Einführung von Gesetzesdekret Nr. 113 vom 4.10.2018 (in Verbindung mit dem Umwandlungsgesetz Nr. 132 vom 1.12.2018; auch als „Salvini-Dekret“ bzw. „Salvini-Gesetz“ bekannt) wird festgelegt, dass die Erstaufnahmeeinrichtungen („prima accoglienza“) ausdrücklich auch die reguläre Unterbringungsmöglichkeit für Dublin-Rückkehrer sind (VB 19.2.2019), da für Asylwerber ein Zugang zu den Zentren der zweiten Stufe (SIPROIMI-Zentren) nicht vorgesehen ist, auch nicht für vulnerable Rückkehrer (AIDA 5.2020).

Im Sinne des Tarakhel-Urteils stellt Italien seit Februar 2015 in regelmäßigen Rundbriefen eine Liste von Einrichtungen zur Verfügung, welche für die Unterbringung von Familien geeignet sind, welche als Dublin-Rückkehrer nach Italien kommen. Im Sinne der neuen Rechtslage im Land hat Italien am 8. Jänner 2019 einen neuen Rundbrief versendet und auf die geänderten Gegebenheiten reagiert. Es wird darin bestätigt, dass in Übereinstimmung mit dem neuen Gesetz 132/2018, gemäß der Dublin-VO rücküberstellte Antragsteller nicht in SIPROIMI, sondern im Rahmen der Erstaufnahme (s.o.) untergebracht werden. Italien garantiert, dass diese Zentren dafür geeignet sein werden, um alle Arten von Betroffenen zu betreuen und die Einhaltung ihrer Grundrechte zu gewährleisten, vor allem die Familieneinheit und den Schutz Minderjähriger (AIDA 5.2020).

Dublin-Rückkehrer, die bereits einen Asylantrag in Italien gestellt hatten, bevor sie das Land verließen, sollten von der zuständigen Präfektur vom Flughafen in die Provinz der Antragstellung transferiert werden. Dublin-Rückkehrer, die noch keinen Asylantrag in Italien gestellt haben, sind in der Provinz des Ankunftsflughafens unterzubringen. Die Familieneinheit sollte dabei immer gewahrt bleiben. Manchen Rückkehrern wurde in der Vergangenheit die Unterbringung verweigert oder sie mussten lange auf diese warten (AIDA 5.2020; vgl. SFH 1.2020).

Solange sie im Asylverfahren sind und ihnen das Recht auf Unterkunft nicht entzogen wurde, können Dublin-Rückkehrer wie alle anderen Asylsuchenden in Italien nur in Erstaufnahmeeinrichtungen untergebracht werden. Waren sie zuvor in einer staatlichen Unterbringung oder wurde ihnen eine solche auch nur zugeteilt, die sie unerlaubt verlassen oder nicht bezogen haben, haben sie das Recht auf Unterbringung verloren. Das Recht auf Unterkunft können Asylsuchende nur zurückerhalten, wenn sie nachweisen können, dass sie das Zentrum wegen eines Unfalls, höherer Gewalt oder aus einem anderen triftigen persönlichen Grund verlassen haben. Die Präfektur entscheidet, ob die Person wieder aufgenommen wird. Wenn die Präfektur die Wiederaufnahme in das System ablehnt, gibt es keine alternative staatliche Unterbringungsmöglichkeit (SFH 1. 2020).

Wenn Dublin-Rückkehrer nach ihrer Überstellung nach Italien kein Anrecht mehr auf Unterkunft haben, kann das zu Problemen bei der Registrierung im Gesundheitssystem führen, wenn sie keine richtige Adresse als ihren ständigen Aufenthaltsort vorweisen können. Nicht alle Gemeinden in Italien erlauben die Angabe der Adresse einer NGO oder einer fiktiven Adresse (SFH 1.2020).

Quellen:

?        AIDA - Asylum Information Database (5.2020): Association for Legal Studies on Immigration (ASGI) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE): Country Report: Italy, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_it_ 2019 update.pdf, Zugriff 28.10.2020

?        SFH – Schweizerische Flüchtlingshilfe (1.2020): Aufnahmebedingungen in Italien. Aktualisierter Bericht zur Lage von Asylsuchenden und Personen mit Schutzstatus, insbesondere Dublin-Rückkehrenden, in Italien, https://www.ecoi.net/en/file/local/ 2034578/ 200121-italien-aufnahmebedingungen-de.pdf.pdf, Zugriff 8.10.2020

Medizinische Versorgung

Asylwerber und Personen mit einem Schutzstatus in Italien müssen sich beim italienischen nationalen Gesundheitsdienst registrieren und haben dann in Bezug auf medizinische Versorgung dieselben Rechte und Pflichten wie italienische Staatsbürger. Das gilt unabhängig davon, ob sie staatliche Versorgung genießen oder nicht. Das Recht auf medizinische Versorgung entsteht formell im Moment der Registrierung eines Asylantrags, wobei es aber in der Praxis in einigen Regionen bis zu einigen Monaten Verzögerung kommen kann, weil bei bestimmten Quästuren die Zuweisung des Steuer-Codes (codice fiscale), die im Zuge der Formalisierung des Asylantrags erfolgt und für den Zugang zur medizinischen Versorgung wichtig ist, länger dauert. Bis dahin haben die betroffenen Asylsuchenden nur Zugang zu medizinischen Basisleistungen wie etwa einer Notfallversorgung, wie sie gemäß Artikel 35 des Einwanderungsgesetzes (TUI) auch illegalen Migranten zusteht. Die Anmeldung beim italienischen nationalen Gesundheitsdienst erfolgt im zuständigen Büro des lokalen Gesundheitsdienstes (Azienda Sanitaria Locale , ASL), in der Gemeinde, in der der Asylwerber seinen Wohnsitz (domicilio) hat. Im Zuge der Registrierung wird eine europäische Gesundheitskarte (tessera europea di assicurazione malattia, auch oft bezeichnet als tessera sanitaria) ausgestellt. Die Registrierung berechtigt zu folgenden Leistungen: freie Wahl eines Hausarztes bzw. Kinderarztes (kostenlose Arztbesuche, Hausbesuche, Rezepte, usw.); Geburtshilfe und gynäkologische Betreuung bei der Familienberatung (consultorio familiare) ohne allgemeinärztliche Überweisung; kostenlose Aufenthalte in öffentlichen Krankenhäusern. Das Recht auf medizinische Versorgung sollte im Rahmen der Erneuerung der Aufenthaltserlaubnis nicht erlöschen. Wenn die Aufenthaltserlaubnis abgelaufen ist, besteht keine Garantie auf Zugang zu nicht notwendiger medizinischer Versorgung bis zur Erneuerung derselben, was aufgrund bürokratischer Verzögerungen einige Zeit dauern kann. Wenn Asylwerber keine Wohnsitzmeldung (domicilio) vorweisen können, erhalten sie auch keine Gesundheitskarte. Eines der größten Hindernisse für den Zugang zu Gesundheitsdiensten ist jedoch die Sprachbarriere (AIDA 5.2020).

Mit Einführung von Gesetzesdekret Nr. 113 vom 4.10.2018 (in Verbindung mit dem Umwandlungsgesetz Nr. 132 vom 1.12.2018; auch als „Salvini-Dekret“ bzw. „Salvini-Gesetz“ bekannt) ist die medizinische Versorgung von Asylwerbern weiterhin gewährleistet. Es wurde oft kritisiert, dass durch das neue Gesetz Asylwerber von der medizinischen Versorgung abgeschnitten würden, weil deren Registrierung bei den Gemeinden (residenza) nicht mehr vorgesehen ist. Letzteres ist grundsätzlich richtig, allerdings unterscheidet Italien beim „Wohnsitz“ zwischen „residenza“ und „domicilio“ (VB 19.2.2019). Nach der neuen Rechtslage ist die Einschreibung beim Nationalen Gesundheitsdienst für Asylwerber auf Basis des „domicilio“ garantiert (CILD 1.2.2019), welcher üblicherweise im Aufnahmezentrum liegt. Somit ist auch für Asylwerber weiterhin die Ausstellung einer Gesundheitskarte (tessera sanitaria) möglich, mit welcher sie Zugang zu den medizinischen Leistungen erhalten. Zusätzlich sind in den Erstaufnahmezentren Ärzte beschäftigt, die neben medizinischen Erstuntersuchungen und Notfallmaßnahmen auch die nationalen Gesundheitsdienste entlasten sollen. Der Zugang zu medizinischer Notversorgung in öffentlichen Spitälern bleibt weiterhin bestehen, auch für illegale Migranten (VB 19.2.2019).

Manche Asylwerber haben aufgrund von Problemen mit der Wohnsitzmeldung oder einer fehlenden Steuernummer Schwierigkeiten beim Zugang zu medizinischer Versorgung. Fiktive Adressen oder Adressen von NGOs werden nicht überall akzeptiert und bergen Probleme bei der Wahl eines Hausarztes, welcher in der Nähe des Wohnortes angesiedelt sein soll. Die Sprachbarriere ist auch ein großes Problem. Es gibt Organisationen, welche Personen beim Zugang zu medizinischer Versorgung behilflich sind (RW 6.2020).

Asylwerber können sich auf Basis einer Eigendeklaration bei den Büros des lokalen Gesundheitsdienstes (ASL) als bedürftig registrieren lassen. Sie werden dann arbeitslosen Staatsbürgern gleichgestellt und müssen keine Praxisgebühr („Ticket“) bezahlen. Die Befreiung gilt zunächst für zwei Monate ab Asylantragstellung (da in diesem Zeitraum kein Zugang zum Arbeitsmarkt besteht). Um die Ticket-Befreiung danach beizubehalten, müssen sich die AW offiziell arbeitslos melden. Aber die Praxis ist national nicht einheitlich gehandhabt und einige Regionen gewähren die Ticket-Befreiung nach zwei Monaten nicht weiter, weil sie die Asylwerber als inaktiv betrachten, jedoch nicht als arbeitslos (AIDA 5.2020), da sie vorher nie in Italien gearbeitet haben (RW 6.2020; vgl. SFH 1.2020). Laut Gesetz ist die Ticket-Befreiung auch bei niedrigem Einkommen möglich, doch Asylwerber mit niedrigem Einkommen kommen nicht in diesen Genuss, da ihnen entsprechende Bestätigungen aufgrund mangelnder verwaltungsinterner Anweisungen nicht ausgestellt werden (AIDA 5.2020).

Asylwerber mit psychischen Problemen und Folteropfer haben dasselbe Recht auf Zugang zu medizinischer Versorgung wie italienische Bürger. In der Praxis haben sie die Möglichkeit, von speziellen Leistungen des nationalen Gesundheitsdienstes, spezialisierter NGOs oder privater Stellen zu profitieren. Die NGOs ASGI und Ärzte ohne Grenzen betreiben in Rom seit April 2016 ein Zentrum zur Identifikation und Rehabilitation von Folteropfern. ASGI arbeitet auch mit anderen Institutionen zusammen und beobachtet die Einhaltung der verfassungsmäßigen Rechte der Migranten auf medizinische Versorgung (AIDA 5. 2020). Die psychische Gesundheitsversorgung ist in Italien im OECD-Vergleich nur mäßig ausgebaut, was Italiener genauso wie Asylwerber und Schutzberechtigte gleichermaßen betrifft (SFH 1.2020).

Personen mit irregulärem Aufenthalt können eine STP-Karte (straniero temporaneamente presente) beantragen (sechs Monate gültig, verlängerbar), mit der sie Zugang zu medizinischer Not- und Vorsorgeversorgung haben (RW 6.2020). Um eine STP-Karte zu erhalten, müssen die Personen sich mit einer Erklärung zur finanziellen Notlage, einer Erklärung, dass er/sie sich nicht beim nationalen Gesundheitsdienst (SSN) registrieren kann, sowie Identitätsdokumenten bei einer Büro des lokalen Gesundheitsdienstes melden. Die STP-Karte ist sechs Monate in ganz Italien gültig (SFH 1.2020).

MedCOI bearbeitet grundsätzlich keine medizinischen Anfragen zu EU-Mitgliedsstaaten, da die medizinischen Mitarbeiter von MedCOI (Ärzte) davon ausgehen, dass medizinische Behandlungsmöglichkeiten in der EU generell in ausreichendem Maße verfügbar sind. Ausnahmen von dieser Regel sind nur in sehr spezifischen Einzelfällen möglich (MedCOI 14.12.2016).

Quellen:

?        AIDA - Asylum Information Database (5.2020): Association for Legal Studies on Immigration (ASGI) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE): Country Report: Italy, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_it_ 2019update.pdf, Zugriff 28.10.2020

?        CILD - Coalizione Italiana Libertà e Diritti Civili (1.2.2019): ANAGRAFE E DIRITTI: COSA CAMBIA COL DECRETO SALVINI. Know Your Rights, https://immigrazione.it/docs/ 2019/know-your-rights.pdf, Zugriff 30.10.2020

?        MedCOI – Medical Country of Origin Information (14.12.2016): Auskunft MedCOI, per E-Mail

?        RW – Raphaelswerk (6.2020): Italien: Informationen für Geflüchtete, die nach Italien rücküberstellt werden, https://www.raphaelswerk.de/cms/contents/raphaels werk.de/medien/dokumente/information-italien/i_rueckueberstellung_info_raphaels werk_ev_ii_neuaufl_v11.pdf?d=a&f=pdf, Zugriff 7.10.2020

?        SFH – Schweizerische Flüchtlingshilfe (1.2020): Aufnahmebedingungen in Italien. Aktualisierter Bericht zur Lage von Asylsuchenden und Personen mit Schutzstatus, insbesondere Dublin-Rückkehrenden, in Italien, https://www.ecoi.net/en/file/local/ 2034578/200121-italien-aufnahmebedingungen-de.pdf.pdf, Zugriff 8.10.2020

?        VB des BM.I Italien (19.2.2019): Bericht des VB, per E-Mail

Zur Aktualität der Quellen, die für die Feststellungen herangezogen worden seien, werde angeführt, dass diese soweit sich die erkennende Behörde auf Quellen älteren Datums beziehe, aufgrund der unveränderten Verhältnisse nach wie vor als aktuell bezeichnet werden können.

Begründend führte die belangte Behörde aus, die Identität des Beschwerdeführers stehe fest. Der Beschwerdeführer leide an keinen schweren körperlichen Erkrankungen oder schweren psychischen Störungen.

Der Beschwerdeführer sei im Besitz eines italienischen Aufenthaltstitels, gültig bis zum 28.02.2020 gewesen. Italien sei für die Führung seines Asylverfahrens zuständig.

Der Beschwerdeführer verfüge über keine familiären oder verwandtschaftlichen Anknüpfungspunkte in Österreich, auch könne eine besondere Integrationsverfestigung seiner Person in Österreich nicht festgestellt werden. Ein vom Beschwerdeführer im besonderen Maße substantiiertes, glaubhaftes Vorbringen betreffend das Vorliegen besonderer, bescheinigter außergewöhnlicher Umstände, die die Gefahr einer hier relevanten Verletzung des Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK, im Falle einer Überstellung ernstlich für möglich erscheinen ließen, sei im Verfahren nicht hervorgekommen. Die Regelvermutung des § 5 AsylG 2005 treffe daher zu.

7. Gegen den Bescheid richtete sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde, mit der vorgebracht wird, der Beschwerdeführer hätte zum Zeitpunkt der Verfristung keinen gültigen Aufenthaltstitel gehabt, da der erhaltene Titel bereits abgelaufen gewesen wäre. Die Zuständigkeit lasse sich somit aus Art. 11 Abs. 1 nicht ableiten. Da der italienische Aufenthaltstitel zur Einreise in das Hoheitsgebiet nicht benützt worden wäre, lasse sich die Zuständigkeit auch nicht aus Absatz 4 und 5 des Art. 12 Dublin III-VO ableiten, da der Beschwerdeführer schon mehr als zehn Jahre ununterbrochen in Österreich lebe. Die Behörde habe sich mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers, seit zehn Jahren in Österreich zu leben und selbsterhaltungsfähig zu sein, nicht auseinandergesetzt.

8. Der gegenständliche Akt wurde der nunmehr zuständigen Abteilung am 01.07.2021 zugeteilt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist volljährig und eigenen Angaben zufolge indischer Staatsangehöriger. Er stellte in Österreich am 31.07.2007 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz, welcher rechtskräftig abgewiesen wurde. Sein zweiter Antrag auf Asyl vom 02.10.2008 wurde gemäß § 68 AVG rechtskräftig zurückgewiesen. In der Folge verließ der Beschwerdeführer zu einem unbekannten Zeitpunkt Österreich und hielt sich ab dem Jahr 2016 für ca. zweieinhalb Jahre in Deutschland auf. Im Jahr 2019 war er für etwa 15 bis 20 Tage in Italien, und für etwa 1,5 Monate in Frankreich. Anschließend war er wieder für ca. sechs bis sieben Monate in Deutschland. Der Beschwerdeführer stellte am 17.08.2020 einen dritten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete in der Folge Informationsersuchen an Deutschland, Italien, Frankreich, Griechenland und Kroatien. Den kroatischen, französischen und deutschen Asylbehörden war der Beschwerdeführer nicht bekannt. Die italienische Asylbehörde teilte mit Schreiben vom 03.11.2020 mit, dass dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel, gültig bis 28.08.2020 in Italien gewährt worden wäre.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 09.11.2020 ein auf Art. 12 Abs. 4 Dublin III-Verordnung gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Italien. Am 12.01.2021 teilte das BFA der italienischen Dublin-Behörde mit, dass aufgrund der nicht fristgerecht erfolgten Antwort gemäß Art. 22 Abs.7 Dublin III-VO Verfristung eingetreten und Italien nunmehr zuständig zur Führung des Asylverfahrens des Beschwerdeführers sei.

Ein Sachverhalt, der die Zuständigkeit Italiens wieder beendet hätte, liegt nicht vor.

Besondere, in der Person des Beschwerdeführers gelegene Gründe, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung in Italien sprechen, liegen nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Lage im Mitgliedstaat an.

Der Beschwerdeführer leidet aktuell an keinen lebensbedrohlichen Krankheiten. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass in Italien alle Krankheiten behandelbar sind und ausreichende medizinische Versorgung für Asylwerber auch in der Praxis gewährleistet ist.

Die aktuelle Situation hinsichtlich der COVID-19-Pandemie begründet keine Unmöglichkeit einer Rückkehr des BF nach Italien. Dieser gehört auch nicht zu einer Risikogruppe für die Krankheit COVID-19.

Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich über keine schützenswerten familiären oder privaten Bindungen. Insbesondere leben keine Verwandten des Beschwerdeführers in Österreich.

Der Beschwerdeführer war seit 07.08.2007 immer wieder mit Hauptwohnsitz im Bundesgebiet gemeldet. Eine durchgehende Meldung während der letzten zehn Jahre in Österreich kann nicht festgestellt werden. Insbesondere zwischen 23.03.2017 und 16.08.2020 gibt es keine Meldung des Beschwerdeführers in Österreich. Zuletzt Seit 28.09.2020 war der Beschwerdeführer seit 28.09.2020 bei Ute Bock als obdachlos gemeldet.

Seit 12.04.2021 kommt er seiner Meldeverpflichtung nicht nach.

Mit Schreiben vom 04.05.2021 informierten die österreichischen Dublin-Behörden, dass sich die Überstellungsfrist gemäß Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO aufgrund der Abwesenheit des Beschwerdeführers auf 18 Monate verlängert hat.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Reiseweg des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen eigenen Angaben, die auch mit der Aktenlage im Einklang stehen.

Die Feststellungen zu den Asylantragstellungen des Beschwerdeführers in Österreich und deren Ergebnis ergeben sich aus den beigeschafften Vorakten.

Die Feststellung, dass dem Beschwerdeführer in Italien ein Aufenthaltstitel, gültig bis 28.08.2020 gewährt wurde, ergibt sich aus dem Schreiben der italienischen Asylbehörde vom 03.11.2020.

Der vom Beschwerdeführer in seiner Einvernahme am 26.02.2021 aufgestellten Behauptung, wonach er seit ca. zehn Jahren in Österreich lebe, welche auch in der Beschwerde angeführt wird, konnte nicht gefolgt werden.

Diese Behauptung widerspricht den vom Beschwerdeführer zuvor im Verfahren getätigten Angaben. Er gab selbst bei seiner Einvernahme am 17.08.2020 an, sein Antrag sei im Jahr 2016 abgelehnt worden. Danach habe sein Anwalt ihm geraten, das Land zu verlassen und sei er in den letzten Jahren in Deutschland, Frankreich und Italien gewesen und erst vor 20 Tagen in Österreich eingereist. Diese Angaben wiederholte der Beschwerdeführer in der Folge bei der Erstbefragung am 17.08.2020, wo er ebenfalls angab, sich ab 2016 für ca. 2,5 Jahre in Deutschland aufgehalten zu haben. Im Jahr 2019 sei er in Italien und Frankreich gewesen, anschließend wieder in Deutschland.

Hätte sich der Beschwerdeführer die letzten zehn Jahre tatsächlich durchgehend in Österreich aufgehalten, hätte ihm Italien sicher keine Aufenthaltsbewilligung ausgestellt. Er bekam in Italien sogar eine Arbeitsbewilligung (permit of stay for working reasons).

Auch aus der eingeholten Meldeauskunft ergibt sich, dass der Beschwerdeführer die letzten Jahre nicht durchgehend in Österreich gemeldet war. Er war jeweils mit Hauptwohnsitz gemeldet für die Zeiträume 07.08.2007 bis 28.11.2008, vom 28.07.2011 bis 03.08.2011 (Aufenthalt im Polizeianhaltezentrum), vom 23.01.2012 bis 30.07.2012, vom 25.10.2012 bis 22.03.2017 und dann erst wieder seit 17.08.2020 (dritte Asylantragstellung). Die letzten Meldungen sind nicht durchgehend und ergibt sich aus dem Schreiben des BFA vom 04.05.2021, dass der Beschwerdeführer der Meldeverpflichtung seit 12.04.2021 nicht nachkommt.

Aus den dargelegten Erwägungen konnte dem behaupteten zehnjährigen durchgehenden Aufenthalt in Österreich somit nicht gefolgt werden.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand ergeben sich ebenfalls aus der Aktenlage. Eine Erkrankung wurde weder behauptet, noch wurden diesbezügliche Befunde vorgelegt.

Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat ergibt sich aus den umfangreichen und durch ausreichend aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen der angefochtenen Bescheide, die auf alle entscheidungswesentlichen Fragen eingehen. Das BFA hat in seinen Entscheidungen neben Ausführungen zur Versorgungslage von Asylwerbern in Italien auch Feststellungen zur dortigen Rechtslage und Vollzugspraxis von asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen (darunter konkret auch im Hinblick auf Rückkehrer nach der Dublin-VO) samt dem jeweiligen Rechtsschutz im Rechtsmittelweg getroffen. Dabei wurde die geänderte Gesetzeslage in Italien (Gesetzesdekret Nr. 113 vom 04.10.2018 in Verbindung mit dem Umwandlungsgesetz Nr. 132 vom 01.12.2018; „Salvini-Dekret“ bzw. „Salvini-Gesetz“) berücksichtigt und die Neuerungen betreffend die Erteilung von Aufenthaltstiteln aus humanitären Gründen und betreffend die (medizinische) Versorgung von Asylwerbern umfassend dargestellt.

Aus den im angefochtenen Bescheid dargestellten Länderinformationen ergeben sich keinerlei Hinweise darauf, dass das italienische Asylwesen grobe systemische Mängel aufweisen würde. Insofern war aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts insbesondere in Bezug auf die Durchführung des Asylverfahrens sowie auf die Versorgungslage von Asylsuchenden in Italien den Feststellungen der erstinstanzlichen Entscheidung zu folgen. Individuelle, unmittelbare und vor allem hinreichend konkrete Bedrohungen, welche den Länderberichten klar und substantiell widersprechen würden, hat der Beschwerdeführer nicht dargetan.

Die getroffenen notorischen Feststellungen zur aktuell vorliegenden Pandemie aufgrund des Corona-Virus ergeben sich aus den unbedenklichen tagesaktuellen Berichten und Informationen. Demnach ist nicht zu erkennen, dass sich die Situation in Italien schlechter darstelle als in Österreich. Es ist notorisch, dass die Mitgliedstaaten allesamt - wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß - vom Ausbruch der Pandemie betroffen sind und hier vor großen Herausforderungen im Gesundheitsbereich stehen. Diesbezüglich wurden und werden in den einzelnen Ländern tagesaktuell entsprechende Maßnahmen gesetzt (beispielsweise die Verhängung von Ausgangsbeschränkungen und Quarantänemaßnahmen sowie teilweise die Vornahme von Grenzschließungen und Einschränkungen im Personen- und Warenverkehr), welche die Ausbreitung von COVID-19 hintanhalten und gleichzeitig die medizinische Versorgung der Bevölkerung - seien es nun eigene Staatsbürger oder dort ansässige Fremde - möglichst sicherstellen sollen. Für den hier gegenständlichen Anwendungsbereich der Dublin-III-VO bedeutet dies konkret, dass zahlreiche Mitgliedstaaten die Durchführung von Überstellungen temporär ausgesetzt haben respektive keine sogenannten Dublin-Rückkehrer übernehmen, wobei die Mitgliedstaaten aufgrund der dynamischen Entwicklung der Situation im engen Austausch miteinander stehen, ebenso mit der Europäischen Kommission.

Mittlerweile haben die Mitgliedstaaten, die im regen Austausch miteinander stehen, die Überstellungen von Dublin- Rückkehrern (sowohl „in“ als auch „out“) wieder aufgenommen und sind laut Auskunft des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl die Dublin-Out Übe

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten