TE Bvwg Beschluss 2021/10/5 W171 2241995-3

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Veröffentlicht am 05.10.2021
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Entscheidungsdatum

05.10.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch


W171 2241995-3/6E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gregor Morawetz, MBA als Einzelrichter im am 02.09.2021 amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl XXXX , über die weitere Anhaltung von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Russische Föderation, beschlossen:

A) Das Verfahren wird gemäß § 28 Abs. 1 iVm § 31 Abs. 1 VwGVG eingestellt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge als BF bezeichnet), ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation, stellte am 13.01.2013 erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 13.02.2013 vollinhaltlich abgewiesen wurde. Gleichzeitig wurde der BF aus Österreich ausgewiesen. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 01.07.2013 als unbegründet abgewiesen.

2. Am 21.07.2014 wurde dem BF eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ erteilt und am 02.05.2015 eine „Rot-weiß-rot-Karte plus“ ausgestellt.

3. In weiterer Folge wurde der BF mehrfach straffällig.

4. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge als BFA bezeichnet) vom 30.11.2018 wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung in die Russische Föderation zulässig ist. Gleichzeitig wurde gegen ihn ein auf die Dauer von acht Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.07.2019 als verspätet zurückgewiesen.

5. Am 20.04.2020 stellte der BF einen Folgeantrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des BFA vom 04.06.2020 vollinhaltlich wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.10.2020 als unbegründet abgewiesen.

6. Am 13.01.2021 stellte der BF einen weiteren Asyl-Folgeantrag. Mit Bescheid des BFA vom 26.02.2021 wurde der faktische Abschiebeschutz aufgehoben, mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.03.2021 wurde festgestellt, dass die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes rechtmäßig ist. Die Behandlung der dagegen eingebrachten Beschwerde lehnte der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 29.04.2021 ab.

7. Das Bundesamt erließ am 08.04.2021 gemäß § 34 Abs. 3 Z. 1 BFA-VG einen den BF betreffenden Festnahmeauftrag. Am 15.04.2021 wurde der BF von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes aufgegriffen, festgenommen und einvernommen.

8. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 16.04.2021 wurde gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG über den BF Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme sowie zur Sicherung der Abschiebung angeordnet.

9. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.05.2021, XXXX wurde eine Beschwerde gegen die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft abgewiesen und ein Fortsetzungsausspruch erlassen.

10. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.08.2021, XXXX wurde gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen, und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig war.

11. Am 02.09.2021 legte das BFA aufgrund der bisherigen Anhaltedauer des BF die gegenständlichen Verfahrensakten gemäß § 22a Abs. 4a BFA-VG dem Bundesverwaltungsgericht vor.

12. Am 06.09.2020 langte beim Bundesverwaltungsgericht die Berichterstattung der LPD Niederösterreich ein, wonach der BF am 05.09.2021 in die Russischen Föderation abgeschoben worden sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen

1. Feststellungen

Der dargestellte Verfahrensgang wird als entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt.

Insbesondere wird festgestellt, dass der BF sich von 16.04.2021 bis 05.09.2021 in Schubhaft befand, am letztgenannten Tag in die Russischen Föderation abgeschoben wurde und damit die Schubhaft nicht über den 05.09.2021 hinweg andauerte.

2. Beweiswürdigung

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den vorliegenden Verwaltungsakt des BFA sowie den hg. Akt des Bundesverwaltungsgerichts. Insbesondere wurden dabei die Entscheidungen des Asylgerichtshofes vom 01.07.2013, des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.07.2019, vom 13.10.2020, vom 04.03.2021, vom 19.05.2021 sowie vom 16.08.2021 berücksichtigt. Weiters wurde in das zentrale Fremdenregister und die Anhaltedatei sowie das Strafregister Einsicht genommen.

Die Feststellung zur Abschiebung des BF in die Russischen Föderation ergibt sich aus der Berichtserstattung der LPD Wien, welche im Akt einliegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gema?ß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschla?gigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG, FPG) nicht getroffen, und es liegt somit Einzelrichterzusta?ndigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2018/57, geregelt (§ 1 leg. cit). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetztes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gema?ß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren u?ber Beschwerden gema?ß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im U?brigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngema?ß anzuwenden, die die Beho?rde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt ha?tte.

Der mit „Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft“ betitelte § 22a BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, lautet:

㤠22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

[…]

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.(…)“

Gema?ß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zuru?ckzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gema?ß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fa?llen ist. Aus diesen Bestimmungen ergibt sich aber auch, dass eine bloß formlose Beendigung (etwa durch Einstellung mittels Aktenvermerkes) eines nach dem VwGVG vom Verwaltungsgericht gefu?hrten Verfahrens nicht in Betracht kommt. Handelt es sich doch bei der Entscheidung eines Verwaltungsgerichts, ein bei ihm anha?ngiges Verfahren nicht weiterzufu?hren, um eine Entscheidung iSd § 31 Abs. 1 VwGVG (vgl. zur Bejahung der Notwendigkeit der Fa?llung eines Beschlusses u?ber die Verfahrenseinstellung auch Fuchs in Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren, § 28 VwGVG Anm 5 und § 31 VwGVG Anm 5, sowie Schmid in Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahren der Verwaltungsgerichte, § 28 VwGVG Anm K 3 und § 31 VwGVG Anm K 2) [ vgl. VwGH vom 29.04.2015, Zl. Fr 2014/20/0047].

In welchen Fällen das Verfahren einzustellen ist, regelt das VwGVG nicht. Die Einstellung steht nach allgemeinem Verständnis am Ende jener Verfahren, in denen ein Erledigungsanspruch nach Beschwerdeeinbringung verloren geht. Neben dem Fall der Zurückziehung der Beschwerde oder "des Untergangs" des Beschwerdeführers kann analog zu § 33 Verwaltungsgerichtshofgesetz (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idF BGBl. I Nr. 33/2013, eine Einstellung des Verfahrens auch bei materieller Klaglosstellung des Beschwerdeführers wegen Wegfall des Rechtsschutzinteresses in Betracht kommen (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren [2013], § 28 VwGVG, Anm. 5).

Hierzu führte der VwGH in Ro 2017/10/0032, 27.02.2019 aus:

§ 33 Abs. 1 VwGG lässt sich entnehmen, dass der Gesetzgeber das Rechtsschutzbedürfnis als Prozessvoraussetzung für das Verfahren vor dem VwGH versteht. Liegt diese Voraussetzung schon bei Einbringung einer Revision nicht vor, ist diese unzulässig, fällt die Voraussetzung erst nach Einbringung einer zulässigen Revision weg, so führt dies zu einer Einstellung des Verfahrens (vgl. B 30. Jänner 2013, 2011/03/0228; B 23. Oktober 2013, 2013/03/0111; B 9. September 2015, Ro 2015/03/0028). Diese Überlegungen über das Bestehen eines Rechtsschutzinteresses als Voraussetzung für eine zulässige Beschwerdeerhebung können auch auf das Verfahren vor dem VwG übertragen werden (vgl. E 28. Jänner 2016, Ra 2015/11/0027).“

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die zur Verfahrenseinstellung führende Gegenstandslosigkeit der Beschwerde auch dann eintreten, wenn auf andere Weise als durch Abänderung des angefochtenen Bescheides im Sinne des Beschwerdeführers durch Änderung maßgebender Umstände das rechtliche Interesse des Beschwerdeführers an der Entscheidung im Nachhinein wegfällt (vgl. zB VwGH 17.12.2007, 2005/12/0153, mwN).

Das Bestehen eines Rechtsschutzinteresses ist immer dann zu verneinen, wenn es für die Rechtsstellung des Einzelnen keinen Unterschied macht, ob die angefochtene Entscheidung aufrecht bleibt oder aufgehoben wird, bzw. wenn die Erreichung des Verfahrenszieles keinen objektiven Nutzen hat (Vgl. VwGH Ro 2016/21/0008 v. 30.06.2016).

Rechtlich folgt daraus:

Mit Vorlage durch das BFA am 02.09.2021 galt die Beschwerde für den BF als eingebracht, sodass ein Verfahren vor dem BVwG anhängig und eine förmliche Entscheidung zu treffen war.

Letztmalig wurde mit 16.08.2021 durch das BVwG die Überprüfung des Vorliegens der maßgeblichen Voraussetzungen sowie der Verhältnismäßigkeit der andauernden Anhaltung vorgenommen. Neuerlich wäre eine solche Überprüfung vier Wochen später, also bis 13.09.2021 durchzuführen gewesen. Bereits am 05.09.2021 wurde der BF jedoch in die Russischen Föderation abgeschoben. Seit diesem Zeitpunkt – welcher noch innerhalb der vierwöchigen Überprüfungsfrist lag – bestand somit keine weitere Anhaltung und damit auch kein Rechtsschutzinteresse des BF an einer inhaltlichen Entscheidung. Ausgehend von der oben dargestellten Judikatur des VwGH war damit das Verfahren mittels Beschluss einzustellen.

Zu Spruchpunkt B. – Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Anhaltung Ausreise mangelnder Anknüpfungspunkt Verfahrenseinstellung Voraussetzungen Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W171.2241995.3.00

Im RIS seit

17.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

17.12.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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