TE Bvwg Erkenntnis 2021/10/12 W236 2123646-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.10.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

12.10.2021

Norm

AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §55 Abs2
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §58 Abs3
AsylG 2005 §8 Abs4
AsylG 2005 §9 Abs1
AsylG 2005 §9 Abs4
BFA-VG §9 Abs2
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §52

Spruch


W236 2123646-2/34E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Lena BINDER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, vertreten durch BBU GmbH – Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.08.2018, Zl. 1044861105/180637011, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 16.09.2021 zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und III. bis VI. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013, stattgegeben. Die Spruchpunkte I. und III. bis VI. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids wird stattgegeben und die Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter aufgrund des Antrags von XXXX vom 17.01.2018 um zwei weitere Jahre gemäß § 8 Abs. 4 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 verlängert.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Dem (damals minderjährigen) Beschwerdeführer, einem Staatsangehörigen Somalias, wurde nach Einreise in das österreichische Bundesgebiet und Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz am 09.11.2014 mit rechtskräftigem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.02.2016, ZI. 1044861105-140152455, gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Somalia zuerkannt und gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 22.02.2017 erteilt. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.12.2017, W159 2123646-1/15E, wurde die gegen die Abweisung seines Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten erhobene Beschwerde des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen.

Begründend für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Bescheid vom 22.02.2016 aus, dass dem in Shabelle geborenen und dort bis 2011 aufgewachsenen sowie danach in der Stadt Garoowe und schließlich in der Stadt Hargeysa gelebt habenden, der Volksgruppe der Gabooye angehörigen Beschwerdeführer, der keine öffentliche Schule besucht habe, sondern nur zu Hause von seinem Vater unterrichtet worden sei, und dessen Eltern und Geschwister zuletzt in Shabelle gelebt hätten, aufgrund der instabilen Sicherheitslage in Somalia eine Rückkehr derzeit nicht möglich sei. Aufgrund der sich in den allgemeinen Länderfeststellungen widerspiegelnden Gegebenheiten in Somalia sei dem Beschwerdeführer eine befristete Aufenthaltsberechtigung zu gewähren. Im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.12.2017 wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer dem Clan Madhiban angehöre und plausibel erscheine, dass der Beschwerdeführer tatsächlich aus Nordsomalia stamme.

2. Der Beschwerdeführer wurde in Österreich insgesamt viermal rechtskräftig wegen Vergehen nach dem Suchtmittelgesetz (SMG), BGBl. I Nr. 112/1997, und wegen des Vergehens der Körperverletzung verurteilt.

3. Am 17.01.2018 und 27.04.2018 beantragte der Beschwerdeführer die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005.

4. Mit Aktenvermerk vom 06.07.2018 hielt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl fest, dass betreffend den Beschwerdeführer ein Aberkennungsverfahren gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 eingeleitet worden sei, da die zur Gewährung des subsidiären Schutzes vorgelegenen Gründe nicht mehr gegeben seien.

5. Am 20.08.2018 wurde der Beschwerdeführer im Aberkennungsverfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er zusammengefasst an, in Österreich gelegentlich als Lagerarbeiter gearbeitet zu haben und ansonsten von Freunden Geld zu bekommen. Er habe bisher einen Deutschkurs auf dem Niveau A1 besucht, aber keine Prüfung gemacht, und eine HTL besucht, aber kein Zeugnis erhalten, weil er außerordentlicher Schüler gewesen sei. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hielt dem Beschwerdeführer zusammengefasst vor, dass Mogadischu unter Kontrolle der Regierung und AMISOM bleibe; aufgrund der überdurchschnittlichen Niederschläge im April 2018 könne eine verbesserte Versorgungssicherheit prognostiziert werden. Es gebe in Mogadischu diverse Hilfsorganisationen und seien dort Arbeitsmöglichkeiten vorhanden; die Nahrungsmittelpreise würden wieder den Normalwert erreichen. Somaliland akzeptiere nur aus Somaliland stammende Rückkehrer; Repressionen gegenüber Rückgeführten seien nicht bekannt. Dazu erklärte der Beschwerdeführer, aus Somalia geflüchtet zu sein und nicht zu wissen, zu wem er bei einer Rückkehr gehen könnte. Seine Eltern und Geschwister hätten sich bei seiner Ausreise in Shabeellaha Dhexe aufgehalten; wo sie nun seien, wisse er nicht, er habe seit seiner Ausreise keinen Kontakt zu ihnen gehabt.

6. Mit oben genanntem, gegenständlich angefochtenem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.08.2018 wurde dem Beschwerdeführer der ihm mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.02.2016 zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.). Die Anträge des Beschwerdeführers vom 17.01.2018 und vom 27.04.2018 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wurden abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012, wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005, erlassen (Spruchpunkt IV.) und wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Somalia zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise vierzehn Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).

Begründend wird zusammengefasst ausgeführt, dass die Gründe für die Zuerkennung subsidiären Schutzes insofern nicht mehr gegeben seien, als sich Mogadischu mittlerweile unter Kontrolle der Regierung und AMISOM befinde und die Versorgungslage sich aufgrund der Regenfälle wieder entspannt habe. Es sei nicht wahrscheinlich, dass der Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr, vor allem nach Mogadischu, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wäre. In Mogadischu könne der Beschwerdeführer die Unterstützung von Hilfsorganisationen in Anspruch nehmen, die (teils speziell für Rückkehrer) von Trinkwasserversorgung über finanzielle Unterstützung bis hin zu Wohnraumbeschaffung verschiedenste Unterstützungsleistungen anbieten würden. In Mogadischu gebe es Arbeitsmöglichkeiten; der Beschwerdeführer sein ein junger erwerbsfähiger Mann. Mogadischu sei für Normalbürger auch vergleichsweise sicher und stabil; die Situation in Mogadischu sei nach der Judikatur des EGMR vom 10.09.2015 nicht derartig, dass jeder Mensch in der Stadt einem entsprechenden Risiko ausgesetzt wäre. Durch die Tatsache, dass der Beschwerdeführer zum Beispiel in Mogadischu Unterstützung, Versorgung und Arbeit finden könne, seien die damaligen Hinderungsgründe weggefallen und sei ihm eine Rückkehr nach Somalia zumutbar.

7. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht am 18.09.2018 Beschwerde in vollem Umfang erhoben.

Begründend wird im Wesentlichen vorgebracht, dass die Sicherheitslage in Somalia dem (auszugsweise wiedergegebenen) Länderinformationsblatt zufolge äußerst prekär sei. Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln sei nicht gewährleistet. Die Gründe, die zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung geführt hätten, hätten sich im Wesentlichen nicht geändert. Die belangte Behörde habe zudem bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers nicht berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer seit über vier Jahren in Österreich wohne und keinen Kontakt zu seiner Familie in Somalia habe; es liege eine besondere Bindung des Beschwerdeführers an Österreich vor. Der Beschwerdeführer bereue seine strafbaren Handlungen sehr und bemühe sich, ein anständiges Leben zu führen.

8. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.03.2021 wurde die gegenständliche Rechtssache der bis dahin zuständigen Gerichtsabteilung abgenommen und der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung neu zugewiesen.

9. Die seitens des Bundesverwaltungsgerichtes für 07.07.2021 anberaumte Verhandlung wurde aufgrund des Nichterscheinens des Beschwerdeführers auf den 16.09.2021 vertagt.

10. Am 16.09.2021 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Somalisch und des Beschwerdeführers sowie dessen Rechtsvertretung statt, in welcher der Beschwerdeführer ausführlich zu seinen Lebensumständen in Österreich, seinen strafrechtlichen Verurteilungen und seinen Lebensumständen in bzw. Rückkehrbefürchtungen in Bezug auf Somalia befragt wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Auf Grundlage des Verwaltungsaktes der belangten Behörde, des Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes, des Verwaltungsaktes (1044861105-140152455) sowie des Gerichtsaktes (2123646-1) betreffend das Asylverfahren des Beschwerdeführers und Einsichtnahmen in das Zentrale Melderegister, das Zentrale Fremdenregister, das Grundversorgungs-Informationssystem und das Strafregister sowie insbesondere auf Grundlage der am 16.09.2021 durchgeführten mündlichen Beschwerdeverhandlung werden die folgenden Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1.1. Zum Verfahrensgang:

Dem (damals minderjährigen) Beschwerdeführer, einem Staatsangehörigen Somalias, wurde nach Einreise in das österreichische Bundesgebiet und Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz am 09.11.2014 mit rechtskräftigem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.02.2016, ZI. 1044861105-140152455, gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005, der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Somalia zuerkannt und gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 22.02.2017 erteilt. Begründend wurde im Wesentlichen festgehalten, dass dem in Shabelle geborenen und dort bis 2011 aufgewachsenen sowie danach in der Stadt Garoowe und schließlich in der Stadt Hargeysa gelebt habenden Beschwerdeführer aufgrund der instabilen Sicherheitslage in Somalia eine Rückkehr derzeit nicht möglich sei. Aufgrund der sich in den allgemeinen Länderfeststellungen widerspiegelnden Gegebenheiten in Somalia sei dem Beschwerdeführer eine befristete Aufenthaltsberechtigung zu gewähren.

Am 17.01.2018 und 27.04.2018 beantragte der Beschwerdeführer die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.08.2018 wurde dem Beschwerdeführer der ihm mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.02.2016 zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.). Die Anträge des Beschwerdeführers vom 17.01.2018 und vom 27.04.2018 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wurden abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Somalia zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise vierzehn Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).

Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht am 18.09.2018 Beschwerde in vollem Umfang erhoben.

Am 16.09.2021 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Somalisch und des Beschwerdeführers sowie dessen Rechtsvertretung statt, in welcher der Beschwerdeführer ausführlich zu seinen Lebensumständen in Österreich, seinen strafrechtlichen Verurteilungen und seinen Lebensumständen in bzw. Rückkehrbefürchtungen in Bezug auf Somalia befragt wurde.

1.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer führt die im Kopf dieser Entscheidung genannten Personalien; seine Identität steht nicht fest. Er ist somalischer Staatsangehöriger, Angehöriger des Clans der Madhiban und bekennt sich zum islamischen Glauben.

Der Beschwerdeführer stammt aus Middle Shabelle, wo er in einer Nomadenfamilie aufwuchs und bis zum Jahr 2011 in verschiedenen Dörfern der Region lebte. Im Anschluss hielt sich der Beschwerdeführer bis zu seiner Ausreise aus Somalia zunächst in Garoowe und in weiterer Folge in Hargeysa auf. Der Beschwerdeführer besuchte keine Schule, sondern wurde nur zu Hause von seinem Vater unterrichtet. Er war in Garoowe und Hargeysa als Schuhputzer erwerbstätig. Die Eltern und Geschwister des Beschwerdeführers lebten zuletzt in Middle Shabelle.

Seit seiner Einreise nach Österreich im November 2014 lebt der Beschwerdeführer durchgehend in Österreich. Er besuchte einen Deutschkurs auf dem Niveau A1; eine Prüfung machte er nicht. Er arbeitete ab und zu als Küchenhelfer und Lagerarbeiter; Ausbildungen absolvierte er nicht. Der Beschwerdeführer bestreitet seinen Lebensunterhalt durch den Bezug von Leistungen des AMS und der Sozialhilfe. Er lebt aktuell in einer Unterkunft XXXX . Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich über keine familiären Anknüpfungspunkte.

Der Beschwerdeführer ist gesund.

Der Beschwerdeführer wurde in Österreich viermal rechtskräftig strafrechtlich verurteilt:

1.       Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 24.07.2017, XXXX , wurde der Beschwerdeführer rechtskräftig unter Anwendung des Jugendgerichtsgesetzes 1988 (JGG), BGBl. Nr. 599/1988, wegen der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 erster und zweiter Fall und Abs. 2a zweiter Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten, bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren (bedingte Strafnachsicht widerrufen mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 04.03.2020, XXXX ), verurteilt.

2.       Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 09.10.2017, XXXX , wurde der Beschwerdeführer rechtskräftig unter Anwendung des JGG wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 2a und 3 SMG, § 15 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974, zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt.

3.       Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 20.03.2019, XXXX , wurde der Beschwerdeführer rechtskräftig unter Anwendung des JGG wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 2a SMG und des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt.

4.       Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 04.03.2020, XXXX , wurde der Beschwerdeführer rechtskräftig unter Anwendung des JGG wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 2a SMG zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt.

Der Beschwerdeführer befand sich von 10.07.2017 bis 24.07.2017, 23.08.2017 bis 22.02.2018 und 16.02.2020 bis 02.04.2021 in Strafhaft.

1.3. Zur Situation des Beschwerdeführers in Somalia und der dort herrschenden Lage:

Die Lage in Somalia hat sich in Bezug auf die für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten maßgebliche schlechte Sicherheits- und Versorgungssituation nicht wesentlich und nachhaltig gebessert.

Der Beschwerdeführer verfügt in Somalia nach wie vor weder über ein leistungsfähiges familiäres noch ein leistungsfähiges soziales Netz. Die Clanzugehörigkeit des Beschwerdeführers hat ebenso wenig eine Änderung erfahren wie der aufgrund dieser Clanzugehörigkeit bestehende Schutz.

Eine entscheidungswesentliche Änderung des für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten maßgeblichen Sachverhalts ist weder im Hinblick auf die individuellen Umstände des Beschwerdeführers im Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat noch in Bezug auf die allgemeine Lage in Somalia eingetreten. Der Beschwerdeführer wäre von der schwierigen Situation in Somalia, insbesondere der schlechten Versorgungs- und Sicherheitslage, zum gegenwärtigen Entscheidungszeitpunkt nicht wesentlich weniger intensiv betroffen, als mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.02.2016 festgestellt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu den Feststellungen zum Verfahrensgang:

Die Feststellungen zum Verfahren des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Verwaltungsakt betreffend das Verfahren über den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowie Verwaltungsakt betreffend das gegenständliche Aberkennungsverfahren des Beschwerdeführers) und den vorliegenden Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes (Gerichtsakt betreffend das Verfahren über den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowie Gerichtsakt betreffend das Aberkennungsverfahren des Beschwerdeführers) in Verbindung mit Einsichtnahmen in das Zentrale Melderegister, das Zentrale Fremdenregister und das Grundversorgungs-Informationssystem.

2.2. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zu der Identität, der Staatsangehörigkeit und der Volksgruppen- sowie Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers ergeben sich aus den gleichbleibenden und plausiblen Angaben des Beschwerdeführers in seinen bisherigen Verfahren (etwa AS 19, 93, 95 und 427 im Verwaltungsakt betreffend das Verfahren über den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz – im Folgenden: Verwaltungsakt Asylverfahren). Die Identität des Beschwerdeführers steht mangels Vorlage unbedenklicher Identitätsdokumente nicht fest.

Die Feststellungen zum Herkunftsort und den Aufenthaltsorten des Beschwerdeführers, seiner Schulbildung, seiner Berufserfahrung und seinen Familienangehörigen ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers in seinen bisherigen Verfahren unter Berücksichtigung der diesen Verfahren zugrunde gelegten Länderinformationen zu Somalia. Dabei wird zwar nicht übersehen, dass der Beschwerdeführer teils unstimmige Angaben bezüglich seiner Herkunftsregion tätigte: So erklärte er im Rahmen seines Asylverfahrens in der Erstbefragung, aus Hargeysa zu stammen (AS 19 Verwaltungsakt Asylverfahren) und nannte in weiterer Folge in seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als Herkunftsort die in dieser Bezeichnung nicht existente „Stadt Shabelle“, die in Südsomalia liege (AS 95 Verwaltungsakt Asylverfahren) und in welcher er bis 2011 gelebt habe (AS 99 Verwaltungsakt Asylverfahren), und führte weiters aus, vor seiner Ausreise zunächst in Garoowe und zuletzt in Hargeysa gelebt zu haben (AS 95 und 99 Verwaltungsakt Asylverfahren). In der mündlichen Verhandlung im Rahmen seines Asylverfahrens erklärte der Beschwerdeführer auf den Vorhalt, dass er in seiner Erstbefragung Hargeysa als Geburtsort angegeben habe, jedoch nachvollziehbar, dass dies ein Missverständnis gewesen sei und er dorthin geflüchtet sei (AS 428 Verwaltungsakt Asylverfahren); dies bekräftigte er auch in der gegenständlichen Beschwerdeverhandlung (Seite 8 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung). Im Wesentlichen (bis auf seine Angaben in der Erstbefragung) gleichbleibend legte der Beschwerdeführer in seinen bisherigen Verfahren damit stets dar, bis zum Jahr 2011 in Shabelle gelebt zu haben, wobei er diese Region zwar erstmals auf konkretes Nachfragen, aber dann gleichbleibend und ohne zu zögern als Middle Shabelle präzisierte (AS 428 Verwaltungsakt Asylverfahren; Seite 7 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung), und in der Folge auch in Garoowe und Hargeysa aufhältig gewesen zu sein. Im Hinblick auf die teils unpräzisen Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Herkunftsort ist einerseits zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt des Verlassens seiner Herkunftsregion im Jahr 2011 erst etwa zwölf Jahre alt war; andererseits hatte der Beschwerdeführer bereits in seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im August 2015 angegeben, dass seine Eltern Tiere gehabt hätten (AS 97 Verwaltungsakt Asylverfahren) und dies auch in der mündlichen Verhandlung im Rahmen seines Asylverfahrens (AS 429 Verwaltungsakt Asylverfahren) bestätigt und erklärte der Beschwerdeführer schließlich auch in der gegenständlichen Beschwerdeverhandlung mit diesen Angaben übereinstimmend und nachvollziehbar, dass sie Hirten bzw. Nomaden gewesen und in den Dörfern in Shabelle ständig gesiedelt seien, je nachdem, wo es Wasser und Gras für die Tiere gegeben habe (Seite 7 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung). Ebenso gleichbleibend erörterte der Beschwerdeführer in seinen bisherigen Verfahren zudem, keine richtige Schule besucht zu haben, sondern nur von seinem Vater unterrichtet worden zu sein (AS 95 und 428 Verwaltungsakt Asylverfahren, Seite 8 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung). Vor dem Hintergrund der Herkunft des Beschwerdeführers aus einer Nomadenfamilie, seiner mangelnden Bildung, dem Umstand, dass er seine Herkunftsregion bereits im Alter von etwa zwölf Jahren verließ, nie wieder zurückkehrte und sich auch danach nicht längerfristig in Garoowe und Hargeysa aufhielt, ist daher plausibel, dass der Beschwerdeführer mit Hargeysa in seiner Erstbefragung – bei der er überdies erst fünfzehn Jahre alt war, sodass seine diesbezüglichen Angaben auch unter dem Aspekt der Minderjährigkeit zu betrachten sind (vgl. zur Berücksichtigung der Minderjährigkeit in der Beweiswürdigung etwa VwGH 24.09.2014, Ra 2014/19/0020) – den Ort seines letzten Aufenthaltes (wie im weiteren Verfahren durchgehend angegeben) gemeint hatte. Auch, dass der Beschwerdeführer die genaue Lokalisation der Dörfer, in denen er in Middle Shabelle gelebt habe, sowie deren Ortsnamen nicht immer konkret bzw. gleichbleibend angeben konnte (AS 427f Verwaltungsakt Asylverfahren; Seite 7 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung), ist vor diesem Hintergrund – insbesondere auch den schlüssig dargelegten Ortswechseln je nach Weidesituation (Seite 7 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung) – nachvollziehbar, weshalb festzustellen ist, dass der Beschwerdeführer aus Middle Shabelle stammt, wo er bis zum Jahr 2011 lebte.

Die Feststellungen zum Aufenthalt, den Lebensumständen, den Aktivitäten und den sozialen, beruflichen und familiären Anknüpfungspunkten des Beschwerdeführers in Österreich ergeben sich aus den eigenen Angaben des Beschwerdeführers, insbesondere in der mündlichen Beschwerdeverhandlung (Seiten 4 bis 6 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung) in Verbindung mit den in seinen Verfahren vorgelegten Integrationsunterlagen (OZ 32) und einer Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister.

Die Feststellung zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers ergibt sich aus den eigenen Angaben des Beschwerdeführers in der Beschwerdeverhandlung (Seite 4 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung).

Die Feststellungen zu den strafrechtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers sowie der Anhaltung des Beschwerdeführers in Strafhaft ergeben sich aus den dem gegenständlichen Verwaltungs- und Gerichtsakt einliegenden Strafurteilen und der im Gerichtsakt einliegenden Verständigung vom Strafantritt (OZ 17) in Verbindung mit Einsichtnahmen in das Strafregister und das Zentrale Melderegister.

2.3. Zu den Feststellungen zur Situation des Beschwerdeführers in Somalia und der dort herrschenden Lage:

2.3.1. Die Feststellung, dass sich die Lage in Somalia in Bezug auf die für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten maßgebliche schlechte Sicherheits- und Versorgungssituation nicht wesentlich und nachhaltig gebessert hat, ergibt sich aus einem Vergleich des im Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl über die Zuerkennung von subsidiärem Schutz am 22.02.2016 aktuellen und dem Zuerkennungsbescheid auszugsweise zugrunde gelegten Länderinformationsblattes der Staatendokumentation zu Somalia vom 04.11.2014 (im Folgenden: LIB 2014), und den im aktuellen Aberkennungsverfahren herangezogenen Länderberichten (Seite 12 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung), insbesondere dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Somalia, Version 1 (im Folgenden: LIB Version 1).

Eingangs ist festzuhalten, dass die Zuerkennung von subsidiärem Schutz an den Beschwerdeführer mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.02.2016 erfolgte, weil davon ausgegangen wurde, dass dem Beschwerdeführer – wobei als Herkunftsregion des Beschwerdeführers „Shabelle“ und weitere Aufenthaltsort vor der Ausreise Garoowe und Hargeysa festgestellt wurden – aufgrund der instabilen Sicherheitslage in Somalia eine Rückkehr derzeit nicht möglich sei und aufgrund „der derzeitigen Gegebenheiten“ in Somalia, welche sich in den behördlichen allgemeinen Länderfeststellungen widerspiegeln würden, eine befristete Aufenthaltsberechtigung zu gewähren sei.

Zu dieser instabilen Sicherheitslage in Somalia und den generellen Gegebenheiten in Somalia, so insbesondere auch der Versorgungssituation, bzw. einer allfälligen Änderung sind die nachstehenden Erwägungen maßgeblich:

2.3.1.1. Zur Versorgungslage in Somalia:

Im LIB 2014 wird zur Versorgungslage in Somalia (Kapitel 23 – Grundversorgung/Wirtschaft, Seiten 53ff) Folgendes ausgeführt (Hervorhebungen nicht im Original):

„Auf dem Human Development Index rangiert Somalia auf den letzten fünf Plätzen (WB 7.4.2014). Somalia gehört damit zu den ärmsten Ländern der Erde. Der langjährige Bürgerkrieg sowie häufige Dürre- und Flutkatastrophen führen dazu, dass ein erheblicher Teil der Bevölkerung unter chronischem Mangel an ausreichender Versorgung mit Lebensmitteln, Trinkwasser und medizinischer Versorgung leidet. Bei den gängigen Indikatoren zur Messung der wirtschaftlichen Entwicklung liegt Somalia zumeist auf den letzten Plätzen: Bruttosozialprodukt, Lebenserwartung, Müttersterblichkeit, Kindersterblichkeit. Das Land ist seit Jahrzehnten auf Nothilfemaßnahmen aus dem Ausland angewiesen und ist der größte Empfänger von Nahrungsmittelhilfe weltweit (AA 3.2014a).

In den Jahren 2010-2012 starben fast 260.000 Menschen aufgrund einer Hungersnot. (EASO 8.2014). Zu Anfang des Jahres 2014 war die Zahl an Personen, die nicht in der Lage waren, ohne Nahrungsmittelunterstützung zu überleben, auf 860.000 zurückgegangen. Weitere zwei Millionen Menschen befanden sich an der Grenze zur Nahrungsmittelunsicherheit (UNSC 28.2.2014). Die Versorgungslage ist aber anhaltend schlecht (ÖB 10.2014) und Mitte 2014 ist die Zahl der akut von Nahrungsmittelnot betroffenen Personen wieder auf über eine Million angestiegen. Schlechte Regenfälle haben zur Nahrungsmittelunsicherheit beigetragen. Stark betroffen sind die Regionen Bakool, Benadir, Bari, Galgaduud, Gedo, Hiiraan, Lower und Middle Shabelle, Middle Jubba, Nugaal und der Süden von Mudug. Rund 62 Prozent der Betroffenen sind IDPs. Rund 218.000 Kinder sind akut unterernährt, 43.800 davon befinden sich in unmittelbarer Lebensgefahr. Die Gesamtsituation ähnelt jener vor der großen Hungersnot und die Gefahr einer Wiederholung besteht (UNOCHA 19.9.2014). In der Region Gedo sind 70 Prozent der Bevölkerung von der Dürre betroffen. In den Bezirken Baardheere, Ceel Waaq, Doolow und Luuq müssen Teile der Bevölkerung durch Lastwägen mit Trinkwasser versorgt werden. Andererseits sind die Prognosen für die Deyr-Regenzeit (Oktober-Dezember) gut (UNOCHA 17.10.2014).

[…]

Mit dem Zusammenbruch des Staates sind alle Sozialdienste – z.B. Gesundheitsversorgung, Arbeitssuche, Armutsbekämpfung – praktisch „privatisiert“ worden. Das einzige soziale Sicherheitsnetz, das verblieben ist, sind die Familie und der Clan (BS 2014).

[…]

Mogadischu selbst verfügt über internationale Anbindungen und eine große Zahl an Märkten. Es gibt einen florierenden Dienstleistungssektor (z.B. Wechselgeschäfte, Geldtransfers, Telekommunikation). Seit dem Jahr 2012 wurden die Wiederaufbauaktivitäten in der Stadt beschleunigt. Es gibt neue Hotels, Restaurants und Geschäfte; viele Rückkehrer haben in Mogadischu Betriebe eröffnet. Auch Straßenbeleuchtung und Müllentsorgung wurden reaktiviert (EASO 8.2014; vgl. BS 2014). Neben den Bauaktivitäten gibt es auch vermehrt Taxiunternehmen, Busunternehmen, Reinigungen, Elektronikhändler etc. und die damit verbundenen Arbeitsmöglichkeiten. Rückkehrer haben bei der Arbeitssuche in Mogadischu wahrscheinlich Vorteile, da sie eher gebildet sind und als einfallsreicher erachtet werden. Dies gilt noch mehr, wenn der Arbeitgeber selbst ein aus der Diaspora Zurückgekehrter ist (UKUT 3.10.2014).

Ein Hafenarbeiter in Kismayo verdiente im Jahr 2013 durchschnittlich 1-2 US-Dollar (50.000-100.000 SoSh) am Tag. Mehr als 43 Prozent aller Somali leben von weniger als einem US-Dollar pro Tag (EASO 8.2014).

In den Gebieten der al Shabaab hebt die Gruppe teils hohe Steuern (zakat) bei Bauern und Nomaden ein. Dies bedroht die Nahrungsmittelversorgung und lässt Menschen aus diesen Gebieten fliehen (EASO 8.2014).

In Puntland überleben mehr Mütter Schwangerschaft und Geburt, mehr Kinder gehen zur Schule, mehr Menschen haben Zugang zu Trinkwasser und medizinischer Versorgung. Der Handel über den Seehafen Bossaso und die wirtschaftliche Betätigung insgesamt haben einen spürbaren Aufschwung genommen, der jedoch bislang fast ausschließlich der dort lebenden Stadtbevölkerung zu Gute kommt (AA 3.2014a).

Nach einer schweren Umweltkatastrophe Ende des Jahres 2013 gelang es dem WFP und anderen UN-Agenturen den Betroffenen in Puntland Unterstützung zukommen zu lassen (UNSC 28.2.2014).“

Zur Rückkehr nach Somalia wird im LIB 2014 (Kapitel 25. – Rückkehr, Seiten 57ff) Folgendes ausgeführt (Hervorhebungen nicht im Original):

„Für Reisende nach Somalia fehlt es im Falle einer (sei es gesundheitlichen, sei es kriminalitätsbedingten) Notlage weitgehend an funktionierenden staatlichen Stellen, die Hilfe leisten könnten (AA 11.9.2014).

[…]

Der UNHCR geht davon aus, dass es in Mogadischu sehr schwer ist, ohne ein entsprechendes Unterstützungsnetzwerk zu überleben. Wenn der eigene Clan oder die Kernfamilie im Wohnbezirk nicht etabliert sind, werden sich Neuankömmlinge in einer prekären Situation wiederfinden (EASO 8.2014). Für den Lebenserhalt im wirtschaftlichen Sinne braucht es in erster Linie die Kernfamilie. Der größere Familienkreis wird den Lebenserhalt nur kurzfristig garantieren. Wenn eine Person nicht aus Mogadischu stammt, wird sie ausreichend Ressourcen benötigen, um sich dort niederzulassen. Bildung, erlernte Berufe und Kredite können ebenfalls eine Niederlassung bewerkstelligen. Außerdem gibt es lokale NGOs, die den Neuankömmlingen helfen können (EASO 8.2014; vgl. LIDIS 3.2014).

Mindestens 30.000 Personen sind im Jahr 2013 aus Kenia und Äthiopien kommend nach Somalia eingereist – viele davon aber nur temporär, z.B. zur Lageerkundung (EASO 8.2014). Im Rahmen eines Abkommens zwischen UNHCR, Kenia und Somalia plant UNHCR auch die Unterstützung von vorerst 10.000 Rückkehrern aus Kenia in die Bezirke Baidoa, Kismayo und Luuq (UNSG 3.3.2014). Bei allen Programmen geht es um freiwillige Rückkehr. Ausreichend gute Bedingungen für großangelegte Rückkehrprogramme sind gegenwärtig noch nicht gegeben (UNSG 2.12.2013; vgl. EASO 8.2014; ÖB 10.2014).

Zwangsrückführungen werden nur von sehr wenigen Ländern durchgeführt. Die meisten Betroffenen wurden aus Saudi Arabien deportiert (mehr als 34.000 Personen), das weder die Genfer Konvention ratifiziert hat, noch über ein Asylsystem verfügt. Einige Dutzend Personen wurden auch aus Kenia deportiert. IOM bietet den Ankömmlingen Unterstützung in Form von Repatriierung, medizinischer Betreuung, psycho-sozialer Unterstützung, Nahrung und Trinkwasser sowie Weitertransport an. Für gefährdete Personen gibt es auch Unterkunft und Schutz (EASO 8.2014).“

Im LIB Version 1 wird zur Versorgungslage in Somalia (Kapitel 23.1.1. – Grundversorgung und humanitäre Lage, betreffend Süd-/Zentralsomalia und Puntland, Seiten 176ff) Folgendes ausgeführt (Hervorhebungen nicht im Original):

“Die humanitären Bedürfnisse bleiben weiter hoch, angetrieben vom anhaltenden Konflikt, von politischer und wirtschaftlicher Instabilität und regelmäßigen Klimakatastrophen sowie der dreifachen Belastung durch Covid-19, Heuschrecken und Überflutungen (UNSC 13.11.2020, Abs.50; vgl. UNSC 17.2.2021, Abs.54). Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist in weiten Landesteilen nicht gewährleistet. Periodisch wiederkehrende Dürreperioden mit Hungerkrisen wie auch Überflutungen, zuletzt auch die Heuschreckenplage, die äußerst mangelhafte Gesundheitsversorgung sowie der mangelhafte Zugang zu sauberem Trinkwasser und das Fehlen eines funktionierenden Abwassersystems machen Somalia zum Land mit dem fünftgrößten Bedarf an internationaler Nothilfe weltweit (AA 2.4.2020, S.4/21). Covid-19 hat die bereits bestehende Krise nur noch verschlimmert. Es fügt sich ein in die Krisen der schlimmsten Heuschreckenplage seit 25 Jahren, schweren Überflutungen mit zeitweise 650.000 Vertriebenen, dem mancherorts andauernden Konflikt und vorangehenden Jahren der Dürre. Insgesamt gelten rund 2,6 Millionen Menschen als im Land vertrieben, 3,5 Millionen können auch nur die grundlegendste Nahrungsversorgung nicht sicherstellen (DEVEX 13.8.2020). Die Aussicht für das Jahr 2021 ist düster, die Gesamtzahl der auf Hilfe angewiesenen Menschen wird von 5,2 Millionen im Jahr 2020 auf 5,9 Millionen steigen (UNSC 17.2.2021, Abs.60). Seit dem Jahr 2000 hat Somalia 19 schwere Überschwemmungen und 17 Dürren durchgemacht. Das ist dreimal so viel wie im Zeitraum 1970-1990. Im Jahr 2017 stand Somalia nach einer schweren Dürre am Rand einer Hungersnot. 2019 gab es nach einer ungewöhnlichen Gu-Regenzeit die schlechteste Ernte seit der Hungersnot im Jahr 2011 (UNSOM 31.1.2021).“

Im Kapitel 23.2.2. – Grundversorgung betreffend Somalialand des LIB Version 1 (Seiten 198f) werden folgende Feststellungen getroffen (Hervorhebungen nicht im Original):

„Die Regierung ist in der Lage, grundlegende Dienste bereitzustellen. Gerade im Bildungs- und Gesundheitsbereich wurden hier signifikante Verbesserungen erreicht (BS 2020, S.11). Allerdings herrscht im Land noch immer ein hohes Maß an Armut (BS 2020, S.33). Es gibt kein öffentliches Wohlfahrtssystem. Soziale Unterstützung erfolgt entweder über islamische Wohltätigkeitsorganisationen, NGOs oder den Clan. Wohnungs- und Arbeitsmarkt sowie Armutsminderung liegen im privaten Sektor. Das eigentliche soziale Sicherungsnetz bilden die erweiterte Familie und der Clan. Auch Remissen aus dem Ausland tragen zu diesem Netz bei (BS 2020, S.29). Viele Haushalte sind darauf angewiesen (FH 4.3.2020, G4).

In vielen Teilen Somalilands gibt es nach wie vor Unsicherheit bei der Nahrungsmittelversorgung und Armut. In ländlichen Gebieten lebt mehr als eine von drei Personen in Armut, in urbanen Gebieten ist es mehr als eine von vier (HD 14.1.2021). Überdurchschnittlich viele der bei einer Studie befragten IDP-Familien haben Kinder bei Verwandten (76 %) oder aber auch in institutionellen Pflegeeinrichtungen (7%) untergebracht. Weitere 54% schicken Kinder zum Essen zu Nachbarn. Generell sind gesellschaftlicher Zusammenhalt und soziale Netze in Somaliland besser als in anderen Landesteilen (OXFAM 6.2018, S.11f). Wenn Verwandten aber die Ressourcen zur Hilfe ausgehen, führt der Weg oft ins IDP-Lager (TG 8.7.2019).

In Somaliland ist es den Menschen aufgrund der besseren Sicherheitslage und der grundsätzlich besseren Organisation der staatlichen Stellen und besseren staatlichen Interventionen im Krisenfalle rascher möglich, den Lebensunterhalt wieder aus eigener Kraft zu bestreiten (AA 2.4.2020, S.22). Allerdings hat das Land in mehreren aufeinanderfolgenden Jahren Dürre durchlebt. Vielen Menschen ist dadurch ihr Lebensunterhalt verloren gegangen. Auch früher hat es Dürren gegeben, aber nicht in dieser Frequenz (DEVEX 9.7.2019; vgl. TG 8.7.2019). Rund 725.000 Menschen sind akut von einer Unsicherheit in der Nahrungsmittelversorgung betroffen (ÖB 3.2020, S.19). Aus Bari, Nugaal und Sanaag kommen Anfang 2021 Meldungen über Wassermangel; auch die Region Togdheer ist von der Krise betroffen (UNOCHA 27.1.2021, S.1). Die National Disaster Agency (NADFOR) hat bestätigt, dass eine schwere Dürre Teile von Maroodi-Jeex, Togdheer, Sool und Sanaag getroffen hat. Anfangs wurde durch die Regierung Nahrung verteilt, doch war dies zu wenig, um die betroffenen ca. 55.000 Familien zu versorgen (SLS 7.3.2021).

Bereits seit der Hungersnot 2011 versuchen internationale Organisationen, eine Resilienz gegenüber den Klimabedingungen in der Region aufzubauen. Allerdings führen akute Notlagen immer wieder zu einer Umplanung der Ressourcen, damit nötige Soforthilfe bereitgestellt werden kann (ÖB 3.2020, S.19). Der Konflikt in den umstrittenen Gebieten von Sool und Sanaag schränkt den Zugang für humanitäre Organisationen ein (USDOS 11.3.2020, S.14). Dahingegen kommt es zu keinen Problemen durch al Shabaab (LIFOS 3.7.2019, S.38).

Aufgrund der vergleichsweise guten Sicherheitslage, verzeichnen die UN in Somaliland weniger Zwischenfälle im Zusammenhang mit humanitärem Zugang als anderswo im Land (ÖB 3.2020, S.19). Alleine die UN führt für die somaliländischen Regionen folgende Zahlen an aktiven 198 Partnern an: Awdal: 29; Woqooyi Galbeed: 42; Togdheer: 34; Sool: 36; Sanaag: 32 (UNOCHA 11.2020).“

Weiters wird im LIB Version 1 im Kapitel 23.1.3. – Rückkehrspezifische Grundversorgung (Seiten 191ff) Folgendes festgestellt (Hervorhebungen nicht im Original):

„Unterstützung / Netzwerk: Der Jilib [Anm.: untere Ebene im Clansystem] ist unter anderem dafür verantwortlich, Mitglieder in schwierigen finanziellen Situationen zu unterstützen. Das traditionelle Recht (Xeer) bildet hier ein soziales Sicherungsnetz, eine Art der Sozial- und Unfallversicherung. Wenn eine Person Unterstützung braucht, dann wendet sie sich an den Jilib oder – je nach Ausmaß – an untere Ebenen (z.B. Großfamilie) (SEM 31.5.2017, S.5/31f). Eine erfolgreiche Rückkehr und Reintegration kann in erheblichem Maße von der Clanzugehörigkeit bzw. von lokalen Beziehungen der rückkehrenden Person abhängig sein. Rückkehrer ohne Clan- oder Familienverbindungen am konkreten Ort der Rückkehr finden sich ohne Schutz in einer Umgebung wieder, in der sie oftmals als Fremde angesehen werden (ÖB 3.2020, S.14). Auch in Mogadischu sind Freundschaften und Clannetzwerke sehr wichtig. Zur Aufnahme kleinerer oder mittelgroßer wirtschaftlicher Aktivitäten ist aber kein Netzwerk notwendig (FIS 7.8.2020, S.39). Insgesamt herrschen am Arbeitsmarkt Nepotismus und Korruption (SIDRA 6.2019a, S.5).

[…]

Rückkehrprogramme: In das europäische Programm zur freiwilligen Rückkehr ERRIN (European Return and Reintegration Network) wurde mit November 2019 auch die Destination Somalia aufgenommen. Umgesetzt wird das Programm vor Ort von der Organisation IRARA (International Return and Reintegration Assistance) mit Büro in Mogadischu. Das Programm umfasst – neben den direkt von Österreich zur Verfügung gestellten Mitteln – pro Rückkehrer 200 Euro Bargeld sowie 2.800 Euro Sachleistungen. Letztere umfassen (je nach Wunsch des Rückkehrers) eine vorübergehende Unterbringung, medizinische und soziale Unterstützung, Beratung in administrativen und rechtlichen Belangen, Unterstützung bei der Gründung eines Kleinunternehmens sowie schulische und berufliche Bildung (BMI 8.11.2019). Neben Mogadischu hat IRARA Standorte in Kismayo, Baidoa und Belet Weyne. Laut IRARA werden nicht nur freiwillige Rückkehrer, sondern auch abgewiesene Asylwerber, irreguläre Migranten, unbegleitete Minderjährige und andere vulnerable Gruppen unterstützt und vom Programm abgedeckt. Bei Ankunft bietet IRARA Abholung vom Flughafen; Unterstützung bei der Weiterreise; temporäre Unterkunft (sieben Tage); medizinische Betreuung; Grundversorgung. Zur Reintegration wird ein maßgeschneiderter Plan erstellt, der folgende Maßnahmen enthalten kann: soziale, rechtliche und medizinische Unterstützung; langfristige Unterstützung bei der Unterkunft; Bildung; Hilfe bei der Arbeitssuche; Berufsausbildung; Unterstützung für ein Start-up; Unterstützung für vulnerable Personen (IRARA o.D.a).

Das ebenfalls von der EU finanzierte Programm REINTEG bietet freiwilligen Rückkehrern – je nach Bedarf – medizinische und psycho-soziale Unterstützung; Bildung für Minderjährige; Berufstraining und Ausbildung, um ein Kleinunternehmen zu starten; die Grundlage für eine Arbeit, die ein eigenes Einkommen bringt; und Unterstützung bei Unterkunft und anderen grundlegenden Bedürfnissen. Durchschnittlich waren die REINTEG-Rückkehrer zwei Jahre lang weg aus Somalia (IOM 3.12.2020). Für Rückkehrer im REINTEG-Programm hat IOM im Mai 2020 eine Hotline eingerichtet. Rückkehrer melden sich dort, um etwa Fragen hinsichtlich der Zeitpläne zur ökonomischen Reintegration beantwortet zu bekommen, oder um hinsichtlich ihrer Mikro-Unternehmen oder auch z.B. für psycho-soziale oder medizinische Unterstützung anzusuchen (IOM 9.3.2021b). Nachdem schon im Jahr 2019 in Hargeysa erfolgreich ein Rückkehrer-Komitee für REINTEG eingerichtet worden war, wurde ein solches 2020 auch in Mogadischu gebildet. Die ebenfalls aus Rückkehrern zusammengesetzten Komitees unterstützen Rückkehrer nach ihrer Ankunft. Sie teilen Informationen und Netzwerke und stellen Kontakt zu relevanten Organisationen und Reintegrationsprojekten her (IOM 3.12.2020).

Unterkunft: Der Zugang zu einer Unterkunft oder zu Bildung wird von Rückkehrern im REINTEG-Programm als problematisch beschrieben (IOM 3.12.2020). Der Immobilienmarkt in Mogadischu boomt, die Preise sind gestiegen (BS 2020, S.25). In den „besseren“ Bezirken der Stadt, wo es größere Sicherheitsvorkehrungen gibt – z.B. Waaberi, Medina, Hodan oder das Gebiet am Flughafen – kostet die Miete eines einfachen Raumes mit 25m² 50-100 US-Dollar pro Monat. Am Stadtrand – z.B. in Heliwaa oder am Viehmarkt – sind die Preise leistbarer. Der Kubikmeter Wasser wird um 1-1,5 US-Dollar verkauft (FIS 7.8.2020, S.31). Es gibt keine eigenen Lager für Rückkehrer, daher siedeln sich manche von ihnen in IDP-Lagern an (LIFOS 3.7.2019, S.63; vgl. AA 2.4.2020, S.22, USDOS 11.3.2020, S.22). Vom Returnee Management Office (RMO) der somalischen Immigrationsbehörde kann gegebenenfalls eine Unterkunft und ein inner-somalischer Weiterflug organisiert und bezahlt werden, die Rechnung ist vom rückführenden Staat zu begleichen. Generell mahnen Menschenrechtsorganisationen, dass sich Rückkehrer in einer prekären Situation befinden und die Grundvoraussetzungen für eine freiwillige Rückkehr nicht gewährleistet sind (AA 2.4.2020, S.22f). Grundsätzlich braucht es zur Anmietung eines Objektes einen Bürgen, der vor Ort bekannt ist. Dies ist i.d.R. ein Mann. Für eine alleinstehende Frau gestaltet sich die Wohnungssuche dementsprechend schwierig, dies ist kulturell unüblich und wirft unter Umständen Fragen auf (FIS 7.8.2020, S.32).“

Die Gegenüberstellung dieser Länderinformationen des LIB 2014 und des LIB Version 1 lässt jedenfalls nicht den Schluss zu, dass es bezüglich der Versorgungslage in Somalia zu grundlegenden und nachhaltigen Verbesserungen gekommen wäre, sondern ist im Gegenteil eine weitere Verschlechterung der Versorgungslage in Somalia eingetreten. Während im LIB 2014 ausgeführt wird, dass Anfang des Jahres 2014 die Zahl an Personen, die nicht in der Lage gewesen seien, ohne Nahrungsmittelunterstützung zu überleben, auf 860.000 zurückgegangen sei sowie weitere zwei Millionen Menschen sich an der Grenze zur Nahrungsmittelunsicherheit befunden hätten und Mitte 2014 die Zahl der akut von Nahrungsmittelnot betroffenen Personen wieder bei über einer Million gelegen sei, wird im LIB Version 1 dargelegt, dass die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln in weiten Landesteilen nicht gewährleistet sei, wobei Covid-19 die infolge periodisch wiederkehrender Dürreperioden mit Hungerkrisen wie auch Überflutungen, der Heuschreckenplage, der äußerst mangelhaften Gesundheitsversorgung sowie des mangelhafte Zugangs zu sauberem Trinkwasser und des Fehlens eines funktionierenden Abwassersystems bereits bestehende Krise nur noch verschlimmert habe und sich in die Krisen der schlimmsten Heuschreckenplage seit 25 Jahren, schweren Überflutungen mit zeitweise 650.000 Vertriebenen, dem mancherorts andauernden Konflikt und vorangehenden Jahren der Dürre einfüge. Insgesamt seien nun bereits 3,5 Millionen Menschen nicht in der Lage, auch nur die grundlegendste Nahrungsversorgung sicherzustellen, wobei die Aussicht für das Jahr 2021 düster sei und die Gesamtzahl der auf Hilfe angewiesenen Menschen von schon 5,2 Millionen im Jahr 2020 weiter auf 5,9 Millionen steigen werde. In Somaliland kommt es dem LIB Version 1 zufolge zwar zu keinen Problemen mit Al Shabaab und verzeichnen die UN aufgrund der vergleichsweise guten Sicherheitslage in Somaliland weniger Zwischenfälle im Zusammenhang mit humanitärem Zugang als anderswo im Land; allerdings bilden auch dort das eigentliche soziale Sicherungsnetz die erweiterte Familie und der Clan und gibt es nach wie vor in vielen Teilen Somalilands Unsicherheit bei der Nahrungsmittelversorgung, wobei die Frequenz der bereits früher gegebenen Dürren zugenommen hat. Zwar wird nicht verkannt, dass dem LIB Version 1 zu entnehmen ist, dass inzwischen mehr Programme zur Unterstützung von Rückkehrern existieren, die verschiedene Formen der Unterstützung anbieten; allerdings wird der Zugang zu einer Unterkunft ungeachtet dessen als problematisch beschrieben und auf die prekäre Situation von Rückkehrern verwiesen. Bereits im LIB 2014 wird – wenngleich ausreichend gute Bedingungen für großangelegte Rückkehrprogramme noch nicht gegeben seien – auf die Möglichkeit der Unterstützung durch lokale NGOs und IOM verwiesen. IOM biete etwa Unterstützung in Form von Repatriierung, medizinischer Betreuung, psychosozialer Unterstützung, Nahrung und Trinkwasser sowie Weitertransport an; für gefährdete Personen gebe es auch Unterkunft und Schutz. Eine entscheidungswesentliche Änderung im Sinn einer grundlegenden und nachhaltigen Verbesserung der Versorgungslage in Somalia ist somit nicht ersichtlich.

2.3.1.2. Zur Sicherheitslage in Somalia allgemein und speziell in der Herkunftsregion des Beschwerdeführers:

Zur Sicherheitslage allgemein, in Süd-/Zentralsomalia und in Middle Shabelle wird im LIB 2014 (Kapitel 3. – Sicherheitslage, Seite 9, Kapitel 3.1 – Süd-/Zentralsomalia, Seiten 9ff und Kapitel 3.1.3. – Lower und Middle Shabelle, Seite 13) Folgendes ausgeführt (Hervorhebungen nicht im Original):

„Es gibt keine flächendeckende, effektive Staatsgewalt; auch die neue Regierung hat bislang über große Teile des Landes keine Kontrolle. Umfangreiche Gebiete werden von unterschiedlichen bewaffneten Gruppen beherrscht. Potentiell asylrechtlich relevante Tatsachen sind daher staatlichen Strukturen regelmäßig nicht eindeutig zuzuordnen, sondern resultieren häufig gerade aus deren Abwesenheit. Dabei muss nach den einzelnen Landesteilen differenziert werden (E 6.2013).

[…]

Insbesondere Süd-/Zentralsomalia leidet seit Ende der 1980er Jahre unter Bürgerkrieg und weitgehendem Staatszerfall (AA 3.2014c). Die Sicherheitslage bleibt volatil (UNSC 1.5.2014) vgl. UKFCO 10.4.2014) und hat sich seit Mai 2013 verschlechtert (EASO 8.2014). Die Zahl der Selbstmordattentate hat in den letzten Jahren zugenommen (AA 11.9.2014). Sowohl das österreichische Außenministerium (BMEIA 10.9.2014) als auch das deutsche Auswärtige Amt halten ihre Reisewarnungen für Somalia aufrecht (AA 11.9.2014).

Al Shabaab hat nach dem Verlust wichtiger Städte zunehmend auf Guerillakampf umgestellt. Folglich hat es einige sehr öffentlichkeitswirksame Attentate und Anschläge gegeben (UKFCO 10.4.2014). Mit dem Tod des Anführers der al Shabaab, Ahmed Godane, und dem Verlust der letzten Hafenstadt Baraawe ist die Gruppe zwar geschwächt, von einem Sieg über al Shabaab zu sprechen ist aber verfrüht (B 10.2014). Auch wenn al Shabaab weder die militärische Stärke noch den Willen hat, gegen die somalische Regierung und ihre Alliierten anzutreten, so stellen sie eine hinreichende Bedrohung für alle Versuche eines staatlichen Wiederaufbaus dar (BS 2014). Dabei bleiben die Möglichkeiten der föderalen, lokalen und regionalen Behörden, Terrorismus der al Shabaab zu unterbinden, eingeschränkt (USDOS 30.4.2014).

Mit Waffengewalt ausgetragene Streitigkeiten zwischen rivalisieren Clans oder Sub-Clans kommen hinzu (AA 3.2014c). Ein großes Waffenarsenal befindet sich in privatem Besitz und einige Gruppen fühlen sich von der Regierung nicht vertreten bzw. wollen von dieser nicht vertreten werden. Auch das ist ein Gefahrenpotential (B 10.2014). Weitere Spannungen zwischen lokalen Verwaltungen und der somalischen Regierung werden nicht ausgeschlossen (ÖB 10.2014). In den Regionen Puntland und Somaliland ist die Lage vergleichsweise stabiler, aber auch hier wirkt sich der Bürgerkrieg aus (AA 3.2014c).

Die UN haben für eigenes Personal folgende Einstufungen getroffen: Gelb (medium risk) für Bari, Nugaal, Doolow, Dhobley und den Sicherheitsbereich in Mogadischu; Orange (high risk) für Mudug, Galguduud und die von AMISOM (African Union Mission in Somalia) besetzten Garnisonsstädte (Merka, Baidoa, Kismayo u.a.) sowie für Mogadischu; Rot (very high risk) für die restlichen Teile der Regionen Lower und Middle Jubba, Gedo, Bakool, Bay, Hiiraan, Lower und Middle Shabelle (A 9.10.2014).

Im August 2011 räumte al Shabaab Mogadischu. Im Jahr 2012 eroberten somalische Armee und AMISOM u.a. Afgooye, Baidoa, Kismayo, Merka und Wanla Weyne. Bei der Offensive „Operation Eagle“ im März und April 2014 folgte die Einnahme von weiteren zehn Städten, u.a. Xudur, Waajid, Buulo Barde, Maxaas, Ceel Buur, Wabxo und Qoryooley (EASO 8.2014). Ende August begann die neue AMISOM-Offensive „Operation Indian Ocean“ bei deren Verlauf weitere Städte in den Regionen Hiiraan, Lower und Middle Shabelle, Lower Jubba und Bakool eingenommen werden konnten (UNSC 30.9.2014), darunter Cadale und Rage Ceel (Middle Shabelle), Baraawe (Lower Shabelle) (A 17.10.2014), Jalalaqsi und Fiidow (Hiiraan), Kurtunwaarey, Buulo Mareer und Golweyn (Lower Shabelle) sowie Tayeeglow (Bakool) (A 5.9.2014). Überhaupt befinden sich die meisten Städte in Süd-/Zentralsomalia nunmehr unter Kontrolle der Regierung und ihrer Alliierten, viele ländliche Gebiete befinden sich nach wie vor unter Kontrolle der al Shabaab. Allerdings stellen viele dieser Städte „Inseln“ im Gebiet der al Shabaab dar, und die Islamisten versuchen, die Versorgung mancher Städte durch Angriffe entlang der Einfallstraßen zu blockieren (EASO 8.2014). So leidet z.B. Buulo Barde (Hiiraan) seit März 2014 unter einer Blockade (UNOCHA 17.10.2014).

In weiten Teilen Süd-/Zentralsomalias finden Kampfhandlungen zwischen den somalischen Bürgerkriegsparteien statt (AA 11.9.2014). Die Sicherheitskräfte sind Angriffen durch al Shabaab und andere Elemente ausgesetzt. Die Straße von Mogadischu über Baidoa nach Luuq bleibt von al Shabaab bedroht. Vor allem zwischen Afgooye und Baidoa kommt es regelmäßig zu Zwischenfällen. Auch andere Straßen, die nach Afgooye führen, gelten als unsicher (EASO 8.2014).

Die Lage in Süd-/Zentralsomalia bleibt kritisch. Dies gilt auch für die Hauptstadt Mogadischu. In und um Mogadischu haben Zahl und Intensität der Anschläge zuletzt zugenommen (AA 11.9.2014). Vor allem außerhalb von Mogadischu ist die somalische Regierung auf AMISOM angewiesen, um ihren Einfluss erhalten zu können. Jedenfalls sind die Städte unter Kontrolle von AMISOM und somalischer Armee gegenüber einer Rückeroberung durch al Shabaab abgesichert (EASO 8.2014). Diese Garnisonsstädte liegen außerhalb der militärischen Reichweite der al Shabaab (D 18.6.2014). Allerdings verfügen weder AMISOM noch die somalische Armee über ausreichende Kapazitäten, um neu eroberte Gebiete adäquat abzusichern (UNHRC 4.9.2014).

[…]

In Middle Shabelle befinden sich AMISOM-Garnisonen (Burundi) in Jowhar und Warsheikh. Die Stadt Jowhar wird sicherheitstechnisch als unproblematisch und relativ stabil beschrieben. Allerdings gibt es im Umland Clankonflikte zwischen den Abgaal und Shiidle (Bantu) (EASO 8.2014). Insgesamt blieb es in Middle Shabelle in den vergangenen Monaten vergleichsweise ruhig (UNSG 25.9.2014). Im Zuge der Operation „Indian Ocean“ wurde die Küstenstadt Cadale am 1.10.2014 von AMISOM eingenommen (A 17.10.2014).“

Im LIB Version 1 wird zur Sicherheitslage allgemein, in Süd-/Zentralsomalia und in Middle Shabelle (Kapitel 5. – Sicherheitslage und Situation in den unterschiedlichen Gebieten, Seiten 22f, Kapitel 5.1. – Süd-/Zentralsomalia, Puntland, Seiten 24ff und Kapitel 5.1.4. – HirShabelle [Hiiraan, Middle Shabelle], Seiten 44ff) Folgendes ausgeführt (Hervorhebungen nicht im Original):

„Zwischen Nord- und Süd-/Zentralsomalia sind gravierende Unterschiede bei den Zahlen zu Gewalttaten zu verzeichnen (ACLED 2021). Auch das Maß an Kontrolle über bzw. Einfluss auf einzelne Gebiete variiert. Während Somaliland die meisten der von ihm beanspruchten Teile kontrolliert, ist die Situation in Puntland und – in noch stärkerem Ausmaß – in Süd-/Zentralsomalia komplexer. In Mogadischu und den meisten anderen großen Städten hat al Shabaab keine Kontrolle, jedoch eine Präsenz. Dahingegen übt al Shabaab über weite Teile des ländlichen Raumes Kontrolle aus. Zusätzlich gibt es in Süd-/Zentralsomalia große Gebiete, wo unterschiedliche Parteien Einfluss ausüben; oder die von niemandem kontrolliert werden; oder deren Situation unklar ist (LIFOS 9.4.2019, S.6).

[…]

Die Sicherheitslage bleibt instabil (BS 2020, S.38) bzw. volatil, mit durchschnittlich 285 sicherheitsrelevanten Vorfällen pro Monat. Die meisten Vorfälle waren Angriffe der al Shabaab, darunter auch Sprengstoffanschläge (UNSC 17.2.2021, Abs.13). Die österreichische Botschaft spricht in diesem Zusammenhang von einem bewaffneten Konflikt (ÖB 3.2020, S.2), während das deutsche Auswärtige Amt von Bürgerkrieg und bürgerkriegsähnlichen Zuständen berichtet (AA 2.4.2020, S.4/7).

AMISOM hält in Kooperation mit der somalischen Armee, regionalen Sicherheitskräften sowie mit regionalen und lokalen Milizen die Kontrolle über die seit 2012 eroberten Gebiete. Während die somalische Regierung und ihre Alliierten zwar im Großen und Ganzen territoriale Gewinne verzeichnen und die Kontrolle über die meisten Städte halten können, ist es ihnen nicht gelungen, die Kontrolle in ländliche Gebiete auszudehnen (BS 2020, S.6). Die somalische Regierung und AMISOM können keinen Schutz vor allgemeiner oder terroristischer Kriminalität im Land garantieren (AA 3.12.2020). Generell ist die Regierung nicht in der Lage, für Sicherheit zu sorgen. Dafür ist sie in erster Linie auf AMISOM, aber auch auf Unterstützung durch die USA – angewiesen. Dies wird sich in den nächsten Jahren nicht ändern (IP 1.11.2019; vgl. BS 2020, S.11). Weiterhin führt der Konflikt unter Beteiligung der genannten Parteien zu zivilen Todesopfern, Verletzten und Vertriebenen (USDOS 11.3.2020, S.1; vgl. ÖB 3.2020, S.2).

[…]

Laut Einschätzung eines Experten kann ein weiteres Zurückdrängen von al Shabaab durch AMISOM auf der aktuellen Grundlage nicht erwartet werden (BMLV 25.2.2021). In Lower Juba und Lower Shabelle kommt es nur noch sporadisch zu Störoperationen gegen al Shabaab (UNSC 13.11.2020, Abs.60). In der Vergangenheit hat die Bundesarmee wiederholt dabei versagt, von AMISOM geräumte Gebiete auch tatsächlich abzusichern (UNSC 1.11.2019, S.24). Trotzdem berät AMISOM die Übergabe weiterer Forward Operating Bases (FOBs) an die somalische Armee bzw. die Aufgabe einzelner FOBs (UNSC 13.11.2020, Abs.61).

Ein Vordringen größerer Kampfverbände der al Shabaab in unter Kontrolle der Regierung stehende Städte kommt nur in seltenen Fällen vor. Bisher wurden solche Penetrationen innert Stunden durch AMISOM und somalische Verbündete beendet. Eine Infiltration der Städte durch verdeckte Akteure von al Shabaab kommt in manchen Städten vor. Städte mit konsolidierter Sicherheit – i.d.R. mit Stützpunkten von Armee und AMISOM – können von al Shabaab zwar angegriffen, aber nicht eingenommen werden (BMLV 25.2.2021).

Al Shabaab führt nach wie vor eine effektive Rebellion (USDOS 10.6.2020, S.5). Al Shabaab bleibt die signifikanteste Bedrohung für Frieden und Sicherheit. Die Gruppe führt ihren Kampf mit zunehmender Intensität und Häufigkeit.

[…]

Gebietskontrolle: Al Shabaab wurde im Laufe der vergangenen Jahre erfolgreich aus den großen Städten gedrängt (ÖB 3.2020, S.2). Seit der weitgehenden Einstellung offensiver Operationen durch AMISOM seit Juli 2015 hat sich die Aufteilung der Gebiete nicht wesentlich geändert. Während AMISOM und die Armee die Mehrheit der Städte halten, übt al Shabaab über weite Teile des ländlichen Raumes die Kontrolle aus oder kann dort zumindest Einfluss geltend machen (UNSC 1.11.2019, S.10; vgl. ÖB 3.2020, S.2). Dabei kontrollierte al Shabaab im Jahr 2019 soviel Land, wie schon seit dem Jahr 2010 nicht mehr. Man rechnet mit 20% des gesamten Staatsterritoriums (USDOS 10.6.2020, S.5). Die Gebiete Süd-/Zentralsomalias sind teilweise unter der Kontrolle der Regierung, teilweise unter der Kontrolle der al Shabaab oder anderer Milizen. Allerdings ist die Kontrolle der somalischen Bundesregierung im Wesentlichen auf Mogadischu beschränkt; die Kontrolle anderer urbaner und ländlicher Gebiete liegt bei den Regierungen der Bundesstaaten, welche der Bundesregierung de facto nur formal unterstehen (AA 2.4.2020, S.5).

Die Regierung und ihre Verbündeten kontrollieren zwar viele Städte, darüber hinaus ist eine Kontrolle aber kaum gegeben. Behörden oder Verwaltungen gibt es nur in den größeren Städten. Der Aktionsradius lokaler Verwaltungen reicht oft nur wenige Kilometer weit. Selbst bei Städten wie Kismayo oder Baidoa ist der Radius nicht sonderlich groß. Das „urban island scenario“ besteht also weiterhin, viele Städte unter Kontrolle von somalischer Armee und AMISOM sind vom Gebiet der al Shabaab umgeben (BMLV 25.2.2021). Gegen einige dieser Städte unter Regierungskontrolle hält al Shabaab Blockaden aufrecht (HRW 14.1.2020). Al Shabaab ist in der Lage, Hauptver

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten