Index
90/02 Kraftfahrgesetz;Norm
KDV 1967 §30 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde der M.O. in L, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 29. Jänner 1996, Zl. VerkR-392.010/7-1996/Vie, betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe B entzogen und gemäß § 73 Abs. 2 leg. cit. ausgesprochen, daß ihr bis zur Wiedererlangung der gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden dürfe.
In der Begründung dieses Bescheides verwies die belangte Behörde auf das von ihr eingeholte amtsärztliche Gutachten vom 10. Oktober 1995, in dem folgendes ausgeführt worden sei:
"Frau M.O., geb. am 31. März 1955, wurde am 9. Oktober 1995 in unserer Abteilung amtsärztlich untersucht hinsichtlich ihrer geistigen und körperlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe B.
Aus der aktenkundigen Vorgeschichte ergibt sich, daß bei Frau O. eine psychische Krankheit besteht und es sind im Akt die Krankengeschichten über die 3 letzten stationären Krankenhausaufenthalte in der Landesnervenklinik Wagner Jauregg enthalten, wobei die letzten stationären Behandlungen vom 16.3.1995 - 3.4.1995 sowie vom 15.6.1995 - 19.7.1995 erfolgten. Wie aus den Krankengeschichten abgeleitet werden kann, leidet Frau O. an einer sogenannten paranoiden Form einer schizophrenen Psychose, welche mit entsprechenden Medikamenten (Therapievorschlag mit Cisodinol Depot Injektion) behandelt werden sollte. Wie den Arztbriefen entnommen werden kann, besteht keinerlei Krankheits- oder Behandlungseinsicht, auch ist vermerkt, daß die Patientin beim Letztaufenthalt auf ausdrücklichen eigenen Wunsch am 19.7.1995 aus dem geschlossenen Bereich entlassen wurde. Neben den Krankengeschichten ist noch ein nervenfachärztliches Gutachten von Dr. H. vom 8.6.1995 aktenkundig, in welchem ebenfalls die dringend notwendige Therapie dokumentiert ist und Dienstunfähigkeit als Sprachlehrerin angeraten wird.
Frau O. ist beim heutigen Untersuchungsgespräch in keinster Weise kooperativ, sie ist nicht kontakt- und gesprächsbereit, ist feindselig, sehr abweisend und ablehnend. Eine Anamneseerhebung bzw. eine Gesprächsführung ist nicht möglich, sie wird im Gespräch beim Thema Krankheit, stationärer Behandlung etc. zunehmend erregt und aggressiv und gibt grundsätzlich keine adäquaten Antworten. Jeder Konfrontationsversuch mit ihren psychischen Problemen scheitert, es besteht völlige Krankheits- und damit verbunden auch Behandlungsuneinsicht. Frau O. wirkt im gesamten Verhalten sehr gespannt, ist motorisch unruhig und es zeigt sich ein deutlicher Tremor (Händezittern), auch dürften Wahninhalte vorhanden sein (nach eigenen Angaben sei sie nicht krank, sie brauche keine Behandlung, sie brauche sich insgesamt so eine Behandlung nicht bieten lassen, sie brauche keine Medikamente, es habe sich auch um keine Behandlung im Wagner-Jauregg gehandelt, sondern um Zwangseinweisungen, die u.a. von ihrer Schule angezettelt wurden ...).
Wie die heutige amtsärztliche Untersuchung ergab, besteht bei Frau O. weiterhin völlige Behandlungs- und Krankheitsuneinsicht bei bekannter schizoaffektiver Psychose. Dazu wird festgestellt, daß grundsätzlich unbehandelte Psychosen ein sicheres Beherrschen von Kraftfahrzeugen ausschließen. Da es jederzeit zu Gedächtnis- und Denkstörungen sowie Bewußtseinsstörungen kommen kann, ist ein angepaßtes Verhalten im Straßenverkehr nicht möglich.
ZUSAMMENFASSUNG: Frau O. ist wegen einer unbehandelten Psychose derzeit GEISTIG NICHT GEEIGNET, Kraftfahrzeuge der Gruppe B zu lenken. Ein Ausgleich durch Geübtheit ist bei unbehandelten Psychosen nicht denkbar."
Die Beschwerdeführerin habe hierauf mit Schreiben vom 6. Dezember 1995 ein von Dr. L. am 9. November 1995 erstelltes Gutachten vorgelegt, zu dem die Amtssachverständige wie folgt Stellung genommen habe:
"In unserem Gutachten vom 10.10.1995 wurde festgestellt, daß Frau O. wegen einer unbehandelten Psychose derzeit geistig nicht geeignet ist zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe B. Der negativen Beurteilung wurden insbesondere die aktenkundigen Krankengeschichten über die 3 letzten stationären Krankenhausaufenthalte in der Landesnervenklinik Wagner Jauregg zugrundegelegt. Der letzte stationäre Aufenthalt erfolgte vom 15.6. - 19.7.1995 und es kann aus den vorliegenden Krankengeschichten abgeleitet werden, daß Frau O. an einer paranoiden Form einer schizophrenen Psychose leidet, welche mit entsprechenden Medikamenten behandelt werden sollte, bei Frau O. besteht jedoch keinerlei Krankheits- oder Behandlungseinsicht. Die dringend notwendige Therapie ist auch im aktenkundigen nervenfachärztlichen Gutachten von Dr. H. vom 8.6.1995 dokumentiert.
Nunmehr ist ein nervenfachärztliches Gutachten von Univ.Prof. Dr. L. vom 9.11.1995 vorgelegt. Darin wird zum Ausdruck gebracht, daß laut Dr. L. bei Frau O. eine psychische Erkrankung anzunehmen ist. Es liege jedoch derzeit keine Beeinträchtigung der Fahrtauglichkeit vor. Dr. L. stellt weiters fest, daß ihm Frau O. nicht die Ermächtigung erteilt hat, die Krankengeschichte von der Landesnervenklinik Wagner Jauregg einzuholen Aus hiesiger Sicht ist dieses nunmehr vorliegende nervenfachärztliche Gutachten nicht in der Lage, eine positive Beurteilung hinsichtlich der Fahrtauglichkeit von Frau O. zu erwirken. Da Frau O. keine konkreten Angaben zu ihrer Krankheit macht, ist im vorliegenden Fall die Krankengeschichte der Landesnervenklinik Wagner Jauregg die allerwichtigste Beurteilungsgrundlage hinsichtlich der Fahreignung und es ist in sämtlichen Krankengeschichten dokumentiert, daß Frau O. an einer behandlungsbedürftigen psychischen Krankheit leidet, bei Frau O. jedoch keine Behandlungsbereitschaft und keine Krankheitseinsicht vorliegt. Angemerkt wird noch, daß wohl auch der Umstand, daß Frau O. dem Gutachter Dr. L. die Einsicht in ihre Krankengeschichten verwehrt hat, ein Hinweis auf die fehlende Krankheitseinsicht und Behandlungswilligkeit ist. Unser Gutachten vom 10.10.1995 bleibt vollinhaltlich aufrecht."
Die Beschwerdeführerin habe dazu mitgeteilt, das von ihr im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegte fachärztliche Gutachten Dris. H. vom 8. Juni 1995 beinhalte die Krankengeschichte ihrer letzten stationären Aufenthalte in der Oberösterreichischen Landesnervenklinik Wagner-Jauregg. Deshalb habe sie die Krankengeschichte dem Sachverständigen Dr. L. nicht zur Verfügung gestellt, weil sie ein objektives Urteil habe erhalten wollen. Dieses Gutachten Dris. L. ergebe, daß bei ihr keine Beeinträchtigung der Fahrtauglichkeit vorliege.
Bei der Beurteilung der vorliegenden Gutachten sei zu berücksichtigen, daß die Amtssachverständige ihrem Gutachten die Krankengeschichten der letzten drei stationären Krankenhausaufenthalte (die letzten beiden seien in der Zeit vom 16. März bis 3. April und vom 15. Juni bis 19. Juli 1995 erfolgt) sowie den fachärztlichen Befund Dris. H. vom 8. Juni 1995 und in ihrem ergänzenden Gutachten auch den Befund Dris. L. zugrunde gelegt habe. Die Beschwerdeführerin leide danach an einer sogenannten paranoiden Form einer schizophrenen Psychose, die mit entsprechenden Medikamenten behandelt werden sollte. Bei der amtsärztlichen Untersuchung sei die Beschwerdeführerin in bezug auf ihre Krankheit und die notwendige Behandlung völlig uneinsichtig gewesen. In ihrem ergänzenden Gutachten habe die Amtssachverständige darauf hingewiesen, daß das von Dr. L. erstellte Gutachten in Unkenntnis der Krankengeschichten erstellt worden sei. Diese seien aber die wichtigste Grundlage für die Beurteilung der geistigen Eignung der Beschwerdeführerin gewesen. In sämtlichen Berichten der genannten Landesnervenklinik sei dokumentiert, daß die Beschwerdeführerin an einer behandlungsbedürftigen psychischen Krankheit leide, diesbezüglich aber uneinsichtig sei. Die Amtssachverständige habe darauf hingewiesen, daß unbehandelte Psychosen ein sicheres Beherrschen von Kraftfahrzeugen ausschließen, da es jederzeit zu Gedächtnis-, Denk- sowie Bewußtseinsstörungen kommen könne und in diesem Zusammenhang ein angepaßtes Verhalten im Straßenverkehr nicht möglich sei. Die Ausführungen der Amtssachverständigen seien schlüssig und nachvollziehbar, weshalb sich die belangte Behörde diesen Ausführungen anschließe. Der Beschwerdeführerin fehle derzeit die geistige Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe B. Um das Vorliegen dieser Erteilungsvoraussetzung bejahen zu können, wäre eine konsequente Behandlung der bei der Beschwerdeführerin bestehenden Krankheit und eine anschließende neuerliche amtsärztliche Untersuchung erforderlich.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag auf Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Die Beschwerdeführerin rügt, die Amtssachverständige habe sich mit dem von ihr vorgelegten Gutachten Dris. L. nicht auseinandergesetzt.
Dieser Vorwurf ist unbegründet. Die Amtssachverständige hat in ihrem ergänzenden Gutachten vom 9. November 1995 darauf hingewiesen, daß die Beschwerdeführerin Dr. L. nicht die Ermächtigung erteilt habe, die Krankengeschichten von der genannten Krankenanstalt einzuholen. Im Hinblick darauf, daß die Beschwerdeführerin keine konkreten Angaben zu ihrer Krankheit mache, sei aber die Krankengeschichte die wichtigste Beurteilungsgrundlage. Das Gutachten Dris. L. sei daher nicht geeignet, eine positive Beurteilung der Beschwerdeführerin zu ermöglichen.
Diese Auffassung der Amtssachverständigen, der sich die belangte Behörde angeschlossen hat, ist nicht als unschlüssig zu erkennen. Im Gutachten Dris. L. wird eingangs ausdrücklich darauf hingewiesen, daß im Hinblick auf das Fehlen der Krankengeschichte zur damals wohl vorgelegenen psychischen Krankheit nicht Stellung genommen werden könne. Die Hinweise in diesem Gutachten, es gebe periodische Psychosen, die unter Umständen hochdramatisch mit massiven Krankheitssymptomen einsetzen und bisweilen auch ohne Therapie oder Absetzen der Therapie innerhalb kürzester Zeit wieder abklingen, aus psychiatrischer Sicht sei es naheliegend, eine derartige psychische Erkrankung bei der Untersuchten anzunehmen, es liege derzeit eine Beeinträchtigung der Fahrtauglichkeit der Beschwerdeführerin nicht vor, rechtfertigen nicht die Annahme, die Beschwerdeführerin sei ausreichend frei von psychischen Krankheiten und geistigen Behinderungen im Sinne des § 30 Abs. 1 Z. 1 und des § 31 KDV 1967. Die zahlreichen Aufenthalte der Beschwerdeführerin in der genannten Krankenanstalt - nach dem Inhalt des Berichtes dieser Anstalt vom 16. Mai 1994 betreffend den Aufenthalt vom 1. bis 9. Mai 1994 handelte es sich dabei bereits um die 9. Aufnahme - zeigen, daß es bei der Beschwerdeführerin immer wieder zu den von Dr. L. beschriebenen Ausbrüchen ihrer Krankheit kommt, sodaß im Sinne des § 31 KDV 1967 eine Beeinträchtigung ihres Fahrverhaltens erwartet werden muß. Daß im Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr. L. keine solche Beeinträchtigung vorlag, ändert daran nichts.
Der Vorwurf, das Gutachten der Amtssachverständigen sei auch deshalb mangelhaft, weil es keine Ausführungen enthalte, welche Auswirkungen die festgestellte Krankheit auf das Fahrverhalten der Beschwerdeführerin habe, ist gleichfalls nicht begründet, wie sich aus dem vorletzten Absatz des oben wiedergegebenen Gutachtens der Amtssachverständigen vom 10. Oktober 1995 ergibt. Die Richtigkeit dieser Beurteilung wird auch durch das in der Anzeige des Gendarmeriepostens Gmunden vom 15. Juni 1995 beschriebene Verhalten der Beschwerdeführerin bestätigt.
Die Amtssachverständige hat in ihrem Gutachten vom 10. Oktober 1995 ausgeführt, daß ein Ausgleich durch Geübtheit bei unbehandelten Psychosen nicht denkbar sei. Es liegt somit ein ärztliches Gutachten zu der im § 30 Abs. 2 KDV 1967 geregelten Frage des möglichen Ausgleiches durch erlangte Geübtheit vor, das nicht als unrichtig erkannt werden kann. Die Beschwerdeführerin ist dieser Beurteilung auch im Verwaltungsverfahren nicht konkret entgegengetreten. Es bedurfte daher keiner Feststellungen darüber, ob die Beschwerdeführerin in den letzten zwei Jahren Kraftfahrzeuge der Gruppe B tatsächlich gelenkt hat. Der diesbezüglich behauptete Verfahrensmangel liegt demnach nicht vor.
Da sich die Beschwerde nach dem Gesagten als unbegründet erwiesen hat, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996110088.X00Im RIS seit
12.06.2001