Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §38;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner und Dr. Bernard als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des H in S, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 21. Juni 1994, Zl. I/7-St-M-9165, betreffend vorübergehende Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer wegen Verkehrsunzuverlässigkeit die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A, B, C, E, F und G gemäß § 74 Abs. 1 KFG 1967 vorübergehend entzogen (von der Zustellung des Mandatsbescheides der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha vom 12. November 1990 an bis einschließlich 12. Mai 1991).
In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend; er beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat den Verwaltungsakt vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Der bekämpften Entziehungsmaßnahme liegt die Annahme zugrunde, der Beschwerdeführer habe am 20. Oktober 1990 ein Kraftfahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt und dadurch eine Verwaltungsübertretung gemäß § 5 Abs. 1 i.V.m. § 99 Abs. 1 lit. a StVO 1960 begangen. Hiebei kam es um 2.15 Uhr zu einem Verkehrsunfall, bei dem mehrere Personen verletzt wurden. Eine gegen 3.25 Uhr entnommene Blutprobe ergab einen Blutalkoholgehalt des Beschwerdeführers von 0,85 Promille.
Das Beschwerdevorbringen, die belangte Behörde habe über die Berufung des Beschwerdeführers nicht innerhalb von drei Monaten entschieden und damit gegen § 75 Abs. 5 KFG 1967 verstoßen, betrifft die Zeit vor Erlassung des angefochtenen Bescheides. Diese Säumigkeit der belangten Behörde führt nicht zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
Die Einstellung des aus Anlaß des Vorfalles vom 20. Oktober 1990 geführten Verwaltungsstrafverfahrens wegen Übertretung des § 5 Abs. 1 StVO 1960 (dieses Verfahren wurde laut Gegenschrift nach Ablauf der der Berufungsbehörde eingeräumten Entscheidungsfrist gemäß § 51 Abs. 5 VStG eingestellt) stand der Annahme einer bestimmten Tatsache gemäß § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967 nicht entgegen. Diese Bestimmung setzt nicht die Bestrafung wegen einer Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 StVO 1960, sondern die Begehung einer solchen Übertretung voraus. Der belangten Behörde war es daher entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers nicht verwehrt, diese Vorfrage nach Einstellung des Strafverfahrens aus einem bloß formellen Grund selbständig zu beurteilen.
Auch das übrige Vorbringen, mit dem der Beschwerdeführer die Annahme bekämpft, er habe am 20. Oktober 1990 ein Kraftfahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt, vermag keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen:
Die belangte Behörde stützte diese Annahme auf das vom Beschwerdeführer nicht bestrittene Ergebnis der Untersuchung seines Blutalkoholgehaltes in Verbindung mit dem von ihr eingeholten Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen vom 17. Jänner 1994. Dieser Sachverständige errechnete daraus einen Blutalkoholgehalt des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt des Verkehrsunfalles (ca. 2.15 Uhr) von "deutlich über 0,8 Promille (gegen 0,97 Promille)" und bezeichnete die Angaben des Beschwerdeführers über sein Trinkverhalten vor Antritt der Fahrt mangels konkreter Angaben über Menge, Art und insbesondere genauen Zeitpunkt des jeweiligen Alkoholkonsums als unbrauchbar für eine darauf aufbauende, auch nur einigermaßen nachvollziebare Berechnung des Blutalkoholgehaltes zum Unfallszeitpunkt.
Soweit der Beschwerdeführer das Unterbleiben der beantragten Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Fach der Gerichtsmedizin zur Feststellung des Blutalkoholgehaltes zum Unfallszeitpunkt rügt, ist ihm zu erwidern, daß es ihm freistand, ein Gutachten eines solchen Sachverständigen beizubringen, um damit seinen Standpunkt zu untermauern, sein Blutalkoholgehalt zum Unfallszeitpunkt habe noch nicht 0,8 Promille erreicht gehabt, weil der kurz vor Antritt der Fahrt konsumierte Alkohol bis zum Unfall noch nicht voll resorbiert gewesen sei. Die belangte Behörde hatte sich im übrigen zur Klärung dieser Frage gemäß § 52 Abs. 1 AVG (§ 24 VStG) der ihr beigegebenen amtlichen Sachverständigen zu bedienen. Dies ist hier geschehen.
Was den behaupteten "Spättrunk" anlangt, lag es am Beschwerdeführer, die Menge solcherart konsumierten Alkohols dezidiert zu behaupten und zu beweisen (vgl. das einen behaupteten "Nachtrunk" betreffende hg. Erkenntnis vom 28. April 1993, Zl. 92/02/0346, mit weiterem Judikaturhinweis), um damit seinen vorhin geschilderten Standpunkt zu untermauern. Diesem Erfordernis wird die (im angefochtenen Bescheid wiedergegebene, mit der Stellungnahme vom 17. Februar 1994 übereinstimmende) Trinkverantwortung des Beschwerdeführers nicht gerecht. Danach habe er am Vortag um 19.00 Uhr eine Flasche Bier und um 21.00 Uhr ein Seidel Bier konsumiert. Der daraus resultierende Blutalkoholgehalt dürfte um ca. 24.00 Uhr abgebaut gewesen sein. In der Folge habe er zwei Flaschen Bier konsumiert und "vermutlich" dann noch zwei "Gespritzte". Sicher sei er sich, daß er einen der beiden "Gespritzten" "unmittelbar vor Antritt der Fahrt zu sich genommen und nicht ganz ausgetrunken hat".
Diese Trinkverantwortung ist in mehrfacher Hinsicht unpräzise: Unklar ist nicht nur, wann genau der Beschwerdeführer die besagten zwei Flaschen Bier konsumierte, sondern insbesondere auch, ob er danach tatsächlich noch zwei "Gespritzte" zu sich nahm (arg. "vermutlich") und wieviel er von dem nach seinem Vorbringen zuletzt konsumierten "Gespritzten" trank. Der belangten Behörde kann nicht entgegengetreten werden, wenn sie sich in Anbetracht dieser ungenauen Angaben der Ansicht des ärztlichen Amtssachverständigen anschloß, sie bildeten keine taugliche Grundlage für eine darauf aufbauende genaue Berechnung des Blutalkoholgehaltes des Beschwerdeführers zum Unfallszeitpunkt.
Im übrigen wäre für den Beschwerdeführer selbst dann nichts gewonnen, wenn man mit ihm davon ausginge, daß der kurz vor Antritt der Fahrt konsumierte Alkohol bis zum Unfall noch nicht voll resorbiert worden sei. Dazu genügt es, auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur besonderen Bedeutung der sogenannten Anflutungsphase für die Annahme einer Alkoholbeeinträchtigung im Sinne des § 5 Abs. 1 StVO 1960 hinzuweisen (vgl. die Erkenntnisse vom 17. Juni 1992, Zl. 92/03/0073, und vom 15. Dezember 1993, Zl. 93/03/0067).
Aus diesen Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme VerwaltungsstrafrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1994110231.X00Im RIS seit
19.03.2001