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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie die Hofräte Dr. Doblinger und Mag. Feiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Hotz, über die außerordentliche Revision der A GmbH & Co KG in B, vertreten durch die Waitz Rechtsanwälte GmbH in 4020 Linz, Am Winterhafen 4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 16. November 2020, LVwG-751014/2/MB/BD/SW, betreffend Abweisung eines Antrags auf Vergütung von Verdienstentgang nach dem Epidemiegesetz 1950 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom 18. August 2020 wies die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde den Antrag der Revisionswerberin - der Betreiberin einer Zeitungs- und Buchhandlung - vom 26. Mai 2020 auf Vergütung für den Verdienstentgang nach § 32 Epidemiegesetz 1950 (EpiG) ab.
2 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab. Die Revision erklärte es für nicht zulässig.
3 Rechtlich begründete das Verwaltungsgericht sein Erkenntnis zusammengefasst dahingehend, dass von Seiten der belangten Behörde gegen die Revisionswerberin keine Maßnahme nach § 20 EpiG gesetzt worden sei. Die sogenannte „Betriebsschließung bzw. -beschränkung“ sei auf Basis der Verordnung BGBl. II Nr. 96/2020 erfolgt, deren § 1 ab 16. März 2020 (unter anderem) das Betreten des Kundenbereichs von Betriebsstätten des Handels zum Zweck des Erwerbs von Waren untersagt habe. Diese Bestimmung sei am 30. April 2020 außer Kraft getreten und von der mit 1. Mai 2020 in Kraft getretenen COVID-19-Lockerungsverordnung, BGBl. II Nr. 197/2020, abgelöst worden, die das Betreten des Kundenbereichs von Betriebsstätten unter gewissen Voraussetzungen für zulässig erklärt habe.
4 Die Revisionswerberin habe ihren Antrag auf Vergütung von Verdienstentgang auf § 32 EpiG gestützt. Es seien jedoch sowohl die Verordnung BGBl. II Nr. 96/2020 als auch die Verordnung BGBl. II Nr. 197/2020 aufgrund von § 1 COVID-19-Maßnahmengesetz (COVID-19-MG) erlassen worden. Zwar blieben nach § 4 Abs. 3 COVID-19-MG die Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 unberührt, jedoch schränke § 4 Abs. 2 COVID-19-MG dies insofern ein, als die Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 betreffend die Schließung von Betriebsstätten im Rahmen des Anwendungsbereichs einer aufgrund von § 1 COVID-19-MG erlassenen Verordnung nicht zur Anwendung gelangten. Die mangelnde Differenzierung zwischen einer Beschränkung und einer Schließung sei dabei nicht von Relevanz. Insofern sei nämlich ausdrücklich intendiert und normativ festgehalten, dass in einem derartigen Fall keine Betriebsschließung nach § 20 EpiG angeordnet habe werden sollen, weshalb Ansprüche auf Vergütung des Verdienstentgangs nach § 32 Abs. 1 Z 1 EpiG per se schon ausgeschlossen seien (Hinweis auf VfGH 14.7.2020, G 202/2020, V 408/2020, u.a., Rn 94). Der Verfassungsgerichtshof habe ferner (unter Hinweis auf andere näher dargestellte finanzielle Ausgleichsmaßnahmen) ausgesprochen, dass eine durch §§ 1 und 4 Abs. 2 COVID-19-MG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 96/2020 bewirkte Entschädigungslosigkeit nicht verfassungswidrig sei. Da die Revisionswerberin keinen der in § 32 Abs. 1 EpiG gelisteten Sachverhalte verwirkliche, bestehe kein Anspruch auf Vergütung für den Verdienstentgang gemäß § 32 EpiG.
5 Die Unzulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht damit, dass zwar zur Frage der Vergütung für den Verdienstentgang in Zusammenhang mit COVID-19 noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliege, dies aber eine grundsätzliche Rechtsfrage nicht begründe, weil die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig und durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Juli 2020, G 202/2020, V 408/2020, u.a., klargestellt sei. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liege deshalb nicht (mehr) vor (Hinweis auf VwGH 26.4.2017, Ro 2015/10/0052, Rn 11).
6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
7 § 32 Abs. 1 bis 5 Epidemiegesetz 1950, BGBl. Nr. 186, in der (nach wie vor in Geltung stehenden) Fassung der Epidemiegesetznovelle 1974, BGBl. Nr. 702/1974, lautet:
„§ 32. (1) Natürlichen und juristischen Personen sowie Personengesellschaften des Handelsrechtes ist wegen der durch die Behinderung ihres Erwerbes entstandenen Vermögensnachteile dann eine Vergütung zu leisten, wenn und soweit
1. sie gemäß §§ 7 oder 17 abgesondert worden sind, oder
2. ihnen die Abgabe von Lebensmitteln gemäß § 11 untersagt worden ist, oder
3. ihnen die Ausübung einer Erwerbstätigkeit gemäß § 17 untersagt worden ist, oder
4. sie in einem gemäß § 20 im Betrieb beschränkten oder geschlossenen Unternehmen beschäftigt sind, oder
5. sie ein Unternehmen betreiben, das gemäß § 20 in seinem Betrieb beschränkt oder gesperrt worden ist, oder
6. sie in Wohnungen oder Gebäuden wohnen, deren Räumung gemäß § 22 angeordnet worden ist, oder
7. sie in einer Ortschaft wohnen oder berufstätig sind, über welche Verkehrsbeschränkungen gemäß § 24 verhängt worden sind,
und dadurch ein Verdienstentgang eingetreten ist.
(2) Die Vergütung ist für jeden Tag zu leisten, der von der in Abs. 1 genannten behördlichen Verfügung umfaßt ist.
(3) Die Vergütung für Personen, die in einem Arbeitsverhältnis stehen, ist nach dem regelmäßigen Entgelt im Sinne des Entgeltfortzahlungsgesetzes, BGBl. Nr. 399/1974, zu bemessen. Die Arbeitgeber haben ihnen den gebührenden Vergütungsbetrag an den für die Zahlung des Entgelts im Betrieb üblichen Terminen auszuzahlen. Der Anspruch auf Vergütung gegenüber dem Bund geht mit dem Zeitpunkt der Auszahlung auf den Arbeitgeber über. Der für die Zeit der Erwerbsbehinderung vom Arbeitgeber zu entrichtende Dienstgeberanteil in der gesetzlichen Sozialversicherung und der Zuschlag gemäß § 21 des Bauarbeiterurlaubsgesetzes 1972, BGBl. Nr. 414, ist vom Bund zu ersetzen.
(4) Für selbständig erwerbstätige Personen und Unternehmungen ist die Entschädigung nach dem vergleichbaren fortgeschriebenen wirtschaftlichen Einkommen zu bemessen.
(5) Auf den gebührenden Vergütungsbetrag sind Beträge anzurechnen, die dem Vergütungsberechtigten wegen einer solchen Erwerbsbehinderung nach sonstigen Vorschriften oder Vereinbarungen sowie aus einer anderweitigen während der Zeit der Erwerbsbehinderung aufgenommenen Erwerbstätigkeit zukommen.“
8 Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Die Revisionswerberin bringt unter diesem Gesichtspunkt zur Zulässigkeit ihrer Revision im Wesentlichen vor, dass sich der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 14. Juli 2020, G 202/2020, V 408/2020, u.a., ausschließlich mit der Frage befasst habe, ob die durch das Betretungsverbot des § 1 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 iVm § 1 COVID-19-MG bewirkte Eigentumsbeschränkung entschädigungslos habe vorgesehen werden können oder ob den betroffenen Unternehmen von Verfassungs wegen ein Anspruch auf Entschädigung eingeräumt werden müsse. Er habe weder über die Auslegung des § 4 Abs. 2 COVID-19-MG - und somit einer vorzunehmenden Differenzierung zwischen Betriebsschließung und -beschränkung - noch über eine analoge Anwendung des § 32 EpiG auf durch Verordnung des zuständigen Bundesministers verhängte beschränkende Maßnahmen abgesprochen. Sonstige einschlägige höchstgerichtliche Judikatur liege nicht vor. Die relevante Rechtslage sei nach den in Betracht kommenden Normen auch nicht klar und eindeutig. So werde in § 4 Abs. 3 COVID-19-MG klargestellt, dass die Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 unberührt blieben. § 20 EpiG differenziere klar zwischen Betriebsschließungen (Abs. 1) und (bloßen) Betriebsbeschränkungen (Abs. 2). Diese Differenzierung spiegle sich auch in § 32 Abs. 1 Z 5 EpiG wieder, wonach eine Vergütung für den Verdienstentgang zu leisten sei, „wenn und soweit sie ein Unternehmen betreiben, das gemäß § 20 in seinem Betrieb beschränkt oder gesperrt (arg ‚geschlossen‘) worden ist“. Der Ausschluss der Anwendung der Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 in § 4 Abs. 2 COVID-19-MG beziehe sich nach dem Wortlaut nur auf die Schließung nicht jedoch auf die Beschränkung von Betriebsstätten.
11 Aus der sich aus dem Legalitätsprinzip des Art. 18 B-VG ergebenden Bindung der Vollziehung an publizierte Gesetze sei ein Vorrang der Interpretation nach dem Wortsinn abzuleiten. § 4 Abs. 2 und 3 COVID-19-MG seien daher dahingehend auszulegen, dass die Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 - und hierbei insbesondere auch jene zum Anspruch auf Vergütung des Verdienstentgangs nach §§ 32 f EpiG - im Falle von Betriebsbeschränkungen sehr wohl zur Anwendung gelangten. Es komme der Unterscheidung zwischen einer Beschränkung und der Schließung daher Bedeutung zu, blieben doch im Fall einer Betriebsbeschränkung die Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 zur Gänze anwendbar, sodass der Revisionswerberin ein Anspruch auf Vergütung des Verdienstentgangs nach § 32 EpiG zustehe.
12 Mit diesem Vorbringen wird eine grundsätzliche Rechtsfrage nicht aufgezeigt:
13 Die Revisionswerberin stützt ihren Anspruch ausdrücklich auf § 32 EpiG. Die von ihr in diesem Zusammenhang genannte Bestimmung des § 32 Abs. 1 Z 5 EpiG stellt nun schon nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut auf einen nach § 20 EpiG eingeschränkten oder gesperrten Betrieb ab. Eine solche Betriebsbeschränkung liegt auch nach dem Zulässigkeitsvorbringen im hier zu beurteilenden Fall jedoch nicht vor, erfolgten die Einschränkungen nach den - im Zulässigkeitsvorbringen nicht in Zweifel gezogenen - Ausführungen des Landesverwaltungsgerichts doch durch die auf Grundlage des COVID-19-Maßnahmengesetzes erlassene Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, BGBl. II Nr. 96/2020.
14 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlen die Voraussetzungen für die Erhebung einer Revision auch dann, wenn sich das Verwaltungsgericht auf einen klaren Gesetzeswortlaut stützen kann. Ist somit die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig, dann liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG vor, und zwar selbst dann, wenn zu einer der anzuwendenden Normen noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen wäre (siehe etwa VwGH 6.8.2020, Ra 2020/09/0040; 20.12.2017, Ra 2017/12/0124; siehe zur Notwendigkeit eines substantiierten Vorbringens bei Vorliegen eines eindeutigen Gesetzeswortlauts zur Darlegung der Erforderlichkeit einer Lückenfüllung durch Analogie auch VwGH 27.4.2017, Ra 2017/12/0015, je mwN).
15 Entgegen dem Zulässigkeitsvorbringen stellte aber auch bereits der Verfassungsgerichtshof in seiner zu vergleichbaren Fällen ergangenen Rechtsprechung klar, dass die Bestimmungen des COVID-19-Maßnahmengesetzes in Verbindung mit § 1 der Verordnung BGBl. II Nr. 96/2020 im Ergebnis bewirken, dass mit diesen keine Betriebsschließungen nach § 20 EpiG angeordnet wurden, weshalb in diesen Fällen insbesondere Ansprüche auf Vergütung des Verdienstentgangs nach § 32 Abs. 1 Z 5 EpiG ausgeschlossen sind (VfGH 14.7.2020, G 202/2020, V 408/2020, u.a., Rn 94). § 4 Abs. 2 COVID-19-MG knüpft dabei keineswegs nur an Betriebsschließungen an, sondern vielmehr an (alle) mit Verordnungen nach § 1 leg. cit. verfügten Maßnahmen, und schließt für diese die Anwendung der Bestimmungen über Betriebsschließungen, sohin auch das diesbezügliche Entschädigungsrecht des Epidemiegesetzes 1950 aus, also auch für den Fall, dass auf Grundlage von § 1 COVID-19-MG keine Betretungsverbote, sondern bloß (minder eingreifende) Maßnahmen verfügt werden (VfGH 26.11.2020, E 3412/2020; E 3417/2020). Im Übrigen wurde die Rechtslage bereits durch das Erkenntnis des VwGH 24.2.2021, Ra 2021/03/0018, klargestellt.
16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, weshalb sie gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen war.
Wien, am 11. März 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021090028.L00Im RIS seit
17.12.2021Zuletzt aktualisiert am
17.12.2021