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001 Verwaltungsrecht allgemeinNorm
B-VG Art133 Abs4Beachte
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie die Hofräte Dr. Doblinger und Mag. Feiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Hotz, über die außerordentliche Revision der A GmbH in B, vertreten durch die SWS Scheed Wöss Rechtsanwälte OG in 4020 Linz, Jaxstraße 2-4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 21. Oktober 2020, LVwG-751035/2/BP/NIF, betreffend Abweisung eines Antrags auf Vergütung von Verdienstentgang nach dem Epidemiegesetz 1950 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom 11. August 2020 wies die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde den Antrag der Revisionswerberin - der Betreiberin eines Kinocenters - vom 8. Juli 2020 auf Vergütung für den Verdienstentgang nach § 32 Epidemiegesetz 1950 (EpiG) ab. Die Auflistung der anspruchsbegründenden Sachverhalte in § 32 Abs. 1 Z 1 bis 7 EpiG sei als taxativ anzusehen. Die in der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, BGBl. II Nr. 96/2020, geregelten Einschränkungen seien aufgrund des COVID-19-Maßnahmengesetzes, BGBl. I Nr. 12/2020, erlassen worden.
2 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab.
3 Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig, weil zwar zur Frage der Vergütung für den Verdienstentgang in Zusammenhang mit COVID-19 noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliege, dies aber eine grundsätzliche Rechtsfrage nicht begründe. Die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen sei nämlich klar und eindeutig und durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Juli 2020, G 202/2020, V 408/2020, u.a., klargestellt.
4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
5 § 32 Abs. 1 bis 5 Epidemiegesetz 1950, BGBl. Nr. 186, in der (nach wie vor in Geltung stehenden) Fassung der Epidemiegesetznovelle 1974, BGBl. Nr. 702/1974, lautet:
„§ 32. (1) Natürlichen und juristischen Personen sowie Personengesellschaften des Handelsrechtes ist wegen der durch die Behinderung ihres Erwerbes entstandenen Vermögensnachteile dann eine Vergütung zu leisten, wenn und soweit
1. sie gemäß §§ 7 oder 17 abgesondert worden sind, oder
2. ihnen die Abgabe von Lebensmitteln gemäß § 11 untersagt worden ist, oder
3. ihnen die Ausübung einer Erwerbstätigkeit gemäß § 17 untersagt worden ist, oder
4. sie in einem gemäß § 20 im Betrieb beschränkten oder geschlossenen Unternehmen beschäftigt sind, oder
5. sie ein Unternehmen betreiben, das gemäß § 20 in seinem Betrieb beschränkt oder gesperrt worden ist, oder
6. sie in Wohnungen oder Gebäuden wohnen, deren Räumung gemäß § 22 angeordnet worden ist, oder
7. sie in einer Ortschaft wohnen oder berufstätig sind, über welche Verkehrsbeschränkungen gemäß § 24 verhängt worden sind,
und dadurch ein Verdienstentgang eingetreten ist.
(2) Die Vergütung ist für jeden Tag zu leisten, der von der in Abs. 1 genannten behördlichen Verfügung umfaßt ist.
(3) Die Vergütung für Personen, die in einem Arbeitsverhältnis stehen, ist nach dem regelmäßigen Entgelt im Sinne des Entgeltfortzahlungsgesetzes, BGBl. Nr. 399/1974, zu bemessen. Die Arbeitgeber haben ihnen den gebührenden Vergütungsbetrag an den für die Zahlung des Entgelts im Betrieb üblichen Terminen auszuzahlen. Der Anspruch auf Vergütung gegenüber dem Bund geht mit dem Zeitpunkt der Auszahlung auf den Arbeitgeber über. Der für die Zeit der Erwerbsbehinderung vom Arbeitgeber zu entrichtende Dienstgeberanteil in der gesetzlichen Sozialversicherung und der Zuschlag gemäß § 21 des Bauarbeiterurlaubsgesetzes 1972, BGBl. Nr. 414, ist vom Bund zu ersetzen.
(4) Für selbständig erwerbstätige Personen und Unternehmungen ist die Entschädigung nach dem vergleichbaren fortgeschriebenen wirtschaftlichen Einkommen zu bemessen.
(5) Auf den gebührenden Vergütungsbetrag sind Beträge anzurechnen, die dem Vergütungsberechtigten wegen einer solchen Erwerbsbehinderung nach sonstigen Vorschriften oder Vereinbarungen sowie aus einer anderweitigen während der Zeit der Erwerbsbehinderung aufgenommenen Erwerbstätigkeit zukommen.“
6 Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Die Revisionswerberin bringt zur Zulässigkeit ihrer Revision vor, dass die Rechtslage zwar eindeutig sei, jedoch nicht in der Richtung, die das Verwaltungsgericht offenbar vor Augen habe. Der Wortlaut des § 4 Abs. 2 COVID-19-Maßnahmengesetz (COVID-19-MG), BGBl. I Nr. 12/2020, spreche eindeutig nur von einer Schließung von Betriebsstätten. Aufgrund des eindeutigen Wortlauts sei kein Platz für irgendwelche Größenschlüsse oder teleologisch-systematische Erweiterungen des Gesetzeswortlauts. Auch die Ansicht des Verwaltungsgerichts, dass Ansprüche nach § 32 Abs. 1 Z 5 EpiG bei aufgrund der Maßnahmen-Verordnung verfügten Beschränkungen und Schließungen per se schon ausgeschlossen sein sollten, bedürfe einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof. Die vom Verwaltungsgericht zur Begründung herangezogene Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes könne dazu keine Abhilfe schaffen. Es sei daher notwendig, dass der Verwaltungsgerichtshof die aufgeworfene Rechtsfrage kläre, sodass eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliege.
9 Mit diesem allgemein gehaltenen Vorbringen wird eine grundsätzliche Rechtsfrage nicht aufgezeigt.
10 Die Revisionswerberin stützt ihren Anspruch ausdrücklich auf § 32 EpiG. Die von ihr in diesem Zusammenhang genannte Bestimmung des § 32 Abs. 1 Z 5 EpiG stellt schon nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut auf einen nach § 20 EpiG eingeschränkten oder gesperrten Betrieb ab. Eine solche Betriebsbeschränkung liegt auch nach dem Zulässigkeitsvorbringen im hier zu beurteilenden Fall nicht vor.
11 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlen die Voraussetzungen für die Erhebung einer Revision auch dann, wenn sich das Verwaltungsgericht auf einen klaren Gesetzeswortlaut stützen kann. Ist somit die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig, dann liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG vor, und zwar selbst dann, wenn zu einer der anzuwendenden Normen noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen wäre (siehe etwa VwGH 6.8.2020, Ra 2020/09/0040; 20.12.2017, Ra 2017/12/0124; siehe zur Notwendigkeit eines substantiierten Vorbringens bei Vorliegen eines eindeutigen Gesetzeswortlauts zur Darlegung der Erforderlichkeit einer Lückenfüllung durch Analogie auch VwGH 27.4.2017, Ra 2017/12/0015, je mwN). Im Übrigen wurde die Rechtslage bereits durch das Erkenntnis des VwGH 24.2.2021, Ra 2021/03/0018, klargestellt.
12 Überdies stellte auch der Verfassungsgerichtshof in seiner zu vergleichbaren Fällen ergangenen Rechtsprechung klar, dass die Bestimmungen des COVID-19-Maßnahmengesetzes in Verbindung mit § 1 der Verordnung BGBl. II Nr. 96/2020 im Ergebnis bewirken, dass mit diesen keine Betriebsschließungen nach § 20 EpiG angeordnet wurden, weshalb in diesen Fällen insbesondere Ansprüche auf Vergütung des Verdienstentgangs nach § 32 Abs. 1 Z 5 EpiG ausgeschlossen sind (VfGH 14.7.2020, G 202/2020, V 408/2020, u.a., Rn 94). § 4 Abs. 2 COVID-19-MG knüpft dabei keineswegs nur an Betriebsschließungen an, sondern vielmehr an (alle) mit Verordnungen nach § 1 leg. cit. verfügten Maßnahmen, und schließt für diese die Anwendung der Bestimmungen über Betriebsschließungen, sohin auch das diesbezügliche Entschädigungsrecht des Epidemiegesetzes 1950 aus, also auch für den Fall, dass auf Grundlage von § 1 COVID-19-MG keine Betretungsverbote, sondern bloß (minder eingreifende) Maßnahmen verfügt werden (VfGH 26.11.2020, E 3412/2020; E 3417/2020).
13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, weshalb sie gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen war.
Wien, am 11. März 2021
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021090017.L00Im RIS seit
17.12.2021Zuletzt aktualisiert am
17.12.2021