TE Vwgh Beschluss 2021/3/11 Ra 2021/09/0011

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Veröffentlicht am 11.03.2021
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
82/02 Gesundheitsrecht allgemein

Norm

B-VG Art133 Abs4
COVID-19-MaßnahmenG 2020
COVID-19-MaßnahmenG 2020 §1
COVID-19-MaßnahmenG 2020 §4 Abs2
COVID-19-MaßnahmenV BGBl II 96/2020 §1
EpidemieG 1950 §20
EpidemieG 1950 §32 Abs1 Z5 idF 1974/702
VwGG §34 Abs1
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie die Hofräte Dr. Doblinger und Mag. Feiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Hotz, über die außerordentliche Revision der A Gesellschaft m.b.H. in B, vertreten durch die Koller & Schreiber Rechtsanwälte Partnerschaft in 1180 Wien, Währinger Straße 162, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 12. Oktober 2020, LVwG-750948/2/ER/AO, betreffend Abweisung eines Antrags auf Vergütung von Verdienstentgang nach dem Epidemiegesetz 1950 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Gmunden), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Bescheid vom 17. August 2020 wies die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde den Antrag der Revisionswerberin - der Betreiberin einer mehr als 400 m² großen Textilhandelsfiliale - vom 9. Juni 2020 auf Vergütung für den Verdienstentgang für den Zeitraum vom 16. März 2020 bis 30. April 2020 nach § 32 Epidemiegesetz 1950 (EpiG) ab.

2        Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab. Die Revision erklärte es für nicht zulässig.

3        Rechtlich begründete das Verwaltungsgericht seine Entscheidung unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Juli 2020, G 202/2020, V 408/2020, u.a., zusammengefasst dahingehend, dass durch die aufgrund § 1 COVID-19-Maßnahmengesetz (COVID-19-MG) erlassene Verordnung BGBl. II Nr. 96/2020 keine Betriebsschließung nach § 20 EpiG angeordnet worden sei, weshalb Ansprüche auf Vergütung des Verdienstentgangs nach § 32 Abs. 1 Z 5 EpiG ausgeschlossen seien. Die Betroffenheit von dem mit dieser Verordnung angeordneten Betretungsverbot stelle auch keinen Tatbestand dar, der eine Anwendung von § 32 EpiG ermögliche.

4        Zur Unzulässigkeit der Revision führte es aus, dass zwar zur Frage der Vergütung für den Verdienstentgang in Zusammenhang mit COVID-19 noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliege, dies aber eine grundsätzliche Rechtsfrage nicht begründe, weil die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig und durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Juli 2020, G 202/2020, V 408/2020, u.a., klargestellt sei. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liege deshalb nicht (mehr) vor (Hinweis auf VwGH 26.4.2017, Ro 2015/10/0052, Rn 11).

5        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhalts geltend machende außerordentliche Revision.

6        § 32 Abs. 1 bis 5 Epidemiegesetz 1950, BGBl. Nr. 186, in der (nach wie vor in Geltung stehenden) Fassung der Epidemiegesetznovelle 1974, BGBl. Nr. 702/1974, lautet:

„§ 32. (1) Natürlichen und juristischen Personen sowie Personengesellschaften des Handelsrechtes ist wegen der durch die Behinderung ihres Erwerbes entstandenen Vermögensnachteile dann eine Vergütung zu leisten, wenn und soweit

1.   sie gemäß §§ 7 oder 17 abgesondert worden sind, oder

2.   ihnen die Abgabe von Lebensmitteln gemäß § 11 untersagt worden ist, oder

3.   ihnen die Ausübung einer Erwerbstätigkeit gemäß § 17 untersagt worden ist, oder

4.   sie in einem gemäß § 20 im Betrieb beschränkten oder geschlossenen Unternehmen beschäftigt sind, oder

5.   sie ein Unternehmen betreiben, das gemäß § 20 in seinem Betrieb beschränkt oder gesperrt worden ist, oder

6.   sie in Wohnungen oder Gebäuden wohnen, deren Räumung gemäß § 22 angeordnet worden ist, oder

7.   sie in einer Ortschaft wohnen oder berufstätig sind, über welche Verkehrsbeschränkungen gemäß § 24 verhängt worden sind,

und dadurch ein Verdienstentgang eingetreten ist.

(2) Die Vergütung ist für jeden Tag zu leisten, der von der in Abs. 1 genannten behördlichen Verfügung umfaßt ist.

(3) Die Vergütung für Personen, die in einem Arbeitsverhältnis stehen, ist nach dem regelmäßigen Entgelt im Sinne des Entgeltfortzahlungsgesetzes, BGBl. Nr. 399/1974, zu bemessen. Die Arbeitgeber haben ihnen den gebührenden Vergütungsbetrag an den für die Zahlung des Entgelts im Betrieb üblichen Terminen auszuzahlen. Der Anspruch auf Vergütung gegenüber dem Bund geht mit dem Zeitpunkt der Auszahlung auf den Arbeitgeber über. Der für die Zeit der Erwerbsbehinderung vom Arbeitgeber zu entrichtende Dienstgeberanteil in der gesetzlichen Sozialversicherung und der Zuschlag gemäß § 21 des Bauarbeiterurlaubsgesetzes 1972, BGBl. Nr. 414, ist vom Bund zu ersetzen.

(4) Für selbständig erwerbstätige Personen und Unternehmungen ist die Entschädigung nach dem vergleichbaren fortgeschriebenen wirtschaftlichen Einkommen zu bemessen.

(5) Auf den gebührenden Vergütungsbetrag sind Beträge anzurechnen, die dem Vergütungsberechtigten wegen einer solchen Erwerbsbehinderung nach sonstigen Vorschriften oder Vereinbarungen sowie aus einer anderweitigen während der Zeit der Erwerbsbehinderung aufgenommenen Erwerbstätigkeit zukommen.“

7        Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8        Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9        Die Revisionswerberin begründet die Zulässigkeit ihrer Revision im Wesentlichen damit, dass Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Wirkung des Ausschlusses der Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 betreffend die Schließung von Betriebsstätten nach § 4 Abs. 2 COVID-19-MG auf die Anwendbarkeit der übrigen Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 - vor allem des § 32 EpiG - fehle. Ob Entschädigungsansprüche nach den anderen Tatbeständen des § 32 EpiG als durch Schließung von Betriebsstätten zustünden, besitze zudem über den konkreten Fall hinaus Bedeutung. Die durch § 1 COVID-19-MG in Verbindung mit § 1 der Verordnung BGBl. II Nr. 96/2020 angeordneten Betretungsverbote seien nämlich keine Schließungen, sondern Betriebsbeschränkungen, für die die Anwendung des § 32 EpiG nicht ausgeschlossen worden sei. Der Verfassungsgerichtshof habe sich in seinem Erkenntnis vom 14. Juli 2020, G 202/2020, V 408/2020, u.a., überdies nicht mit einem Entschädigungsanspruch nach § 32 EpiG sondern lediglich mit der Frage befasst, ob das Fehlen einer Bestimmung auf einen Vergütungsanspruch im COVID-19-Maßnahmengesetz verfassungswidrig sei.

10       Mit diesem Vorbringen wird eine grundsätzliche Rechtsfrage nicht aufgezeigt:

11       Die Revisionswerberin stützt ihren Anspruch in erster Linie auf § 32 Abs. 1 Z 5 EpiG. Diese Bestimmung stellt nun schon nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut auf einen nach § 20 EpiG eingeschränkten oder gesperrten Betrieb ab. Eine solche Betriebsbeschränkung liegt auch nach dem Zulässigkeitsvorbringen im hier zu beurteilenden Fall nicht vor, erfolgten die Einschränkungen auch nach diesem doch durch die auf Grundlage von § 1 COVID-19-MG erlassene Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, BGBl. II Nr. 96/2020. Im Übrigen wurde die Rechtslage durch das Erkenntnis des VwGH 24.2.2021, Ra 2021/03/0018, bereits klargestellt.

12       Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlen die Voraussetzungen für die Erhebung einer Revision auch dann, wenn sich das Verwaltungsgericht auf einen klaren Gesetzeswortlaut stützen kann. Ist somit die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig, dann liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG vor, und zwar selbst dann, wenn zu einer der anzuwendenden Normen noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen wäre (siehe etwa VwGH 6.8.2020, Ra 2020/09/0040; 20.12.2017, Ra 2017/12/0124, mwN).

13       Auf welchen anderen Tatbestand des § 32 EpiG als jenen nach dessen Abs. 1 Z 5 sich ein Ersatzanspruch im Fall eines hier gegenständlichen Betretungsverbots des Kundenbereichs von Betriebsstätten des Handels nach § 1 der Verordnung BGBl. II Nr. 96/2020 stützen könnte, führt die Revisionswerberin nicht näher aus. Ein solcher ist auch nicht ersichtlich.

14       Entgegen dem Zulässigkeitsvorbringen stellte zudem auch bereits der Verfassungsgerichtshof in seiner zu vergleichbaren Fällen ergangenen Rechtsprechung klar, dass die Bestimmungen des COVID-19-Maßnahmengesetzes in Verbindung mit § 1 der Verordnung BGBl. II Nr. 96/2020 im Ergebnis bewirken, dass mit diesen keine Betriebsschließungen nach § 20 EpiG angeordnet wurden, weshalb in diesen Fällen insbesondere Ansprüche auf Vergütung des Verdienstentgangs nach § 32 Abs. 1 Z 5 EpiG ausgeschlossen sind (VfGH 14.7.2020, G 202/2020, V 408/2020, u.a., Rn 94). § 4 Abs. 2 COVID-19-MG knüpft dabei keineswegs nur an Betriebsschließungen an, sondern vielmehr an (alle) mit Verordnungen nach § 1 leg. cit. verfügten Maßnahmen, und schließt für diese die Anwendung der Bestimmungen über Betriebsschließungen, sohin auch das diesbezügliche Entschädigungsrecht des Epidemiegesetzes 1950 aus, also auch für den Fall, dass auf Grundlage von § 1 COVID-19-MG keine Betretungsverbote, sondern bloß (minder eingreifende) Maßnahmen verfügt werden (VfGH 26.11.2020, E 3412/2020; E 3417/2020).

15       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, weshalb sie gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen war.

Wien, am 11. März 2021

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021090011.L00

Im RIS seit

17.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

17.12.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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