Index
001 Verwaltungsrecht allgemeinNorm
COVID-19-MaßnahmenG 2020Beachte
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der R GmbH in W, vertreten durch die Bichler Zrzavy Rechtsanwälte GmbH & Co KG in 1030 Wien, Weyrgasse 8, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 26. November 2020, Zl. 405-8/63/1/2-2020, betreffend Ansprüche nach dem Epidemiegesetz 1950 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die revisionswerbende Partei ist Betreiberin eines Reisebüros am Standort S.
2 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 2. September 2020 wurde der Antrag der revisionswerbenden Partei auf Zuerkennung einer Vergütung für Verdienstentgang nach § 32 Epidemiegesetz 1950 (EpiG) in Höhe von insgesamt EUR 46.693,90 für den Zeitraum vom 16. März 2020 bis 30. April 2020 in Bezug auf die Filiale in S abgewiesen.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht (unter Spruchpunkt I.) die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde als unbegründet ab und erklärte (unter Spruchpunkt II.) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof für unzulässig.
4 Das Verwaltungsgericht stellte unter anderem fest, dass der Kundenbereich der Betriebsstätte laut den Angaben der revisionswerbenden Partei nicht mehr als 400 m2 betrage. In dem von der revisionswerbenden Partei beantragten Zeitraum seien keine ausdrücklich auf das EpiG gestützten individuellen behördlichen Maßnahmen oder Verordnungen betreffend die gegenständliche Betriebsstätte gesetzt worden.
5 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht zum beantragten Entschädigungsanspruch aufgrund des Betretungsverbotes gemäß § 1 COVID-19-Maßnahmenverordnung BGBl. II Nr. 96/2020 (im Folgenden: COVID-19-Maßnahmenverordnung-96) nach Wiedergabe der maßgeblichen Vorschriften des EpiG und des COVID-19-Maßnahmengesetzes (COVID-19-MG) sowie der dazu erlassenen Verordnungen im Wesentlichen aus, dass § 1 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 - gestützt auf die in § 1 Abs. 1 COVID-19-MG normierte Ermächtigung - für den Zeitraum vom 16. März 2020 bis 30. April 2020 das Betreten des Kundenbereichs von Betriebsstätten des Handels und von Dienstleistungsunternehmen zum Zweck des Erwerbs von Waren oder der Inanspruchnahme von Dienstleistungen untersagt habe. Die in § 2 COVID19-Maßnahmenverordnung-96 genannten Ausnahmen vom Betretungsverbot hätten die verfahrensgegenständliche Betriebsstätte der revisionswerbenden Partei nicht erfasst.
6 § 4 Abs. 3 COVID-19-MG in der im Zeitraum vom 16. März 2020 bis 30. April 2020 geltenden Fassung habe angeordnet, dass die Bestimmungen des EpiG unberührt blieben. § 4 Abs. 2 COVID-19-MG schränke dies jedoch insofern ein, als die Bestimmungen des EpiG betreffend die Schließung von Betriebsstätten im Rahmen des Anwendungsbereichs einer aufgrund von § 1 COVID-19-MG erlassenen Verordnung nicht zur Anwendung gelangten. Für die nach § 1 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 angeordnete Untersagung des Betretens des Kundenbereichs der Betriebsstätte der revisionswerbenden Partei am gegenständlichen Standort finde das EpiG somit keine Anwendung. Vor diesem Hintergrund bestehe kein Anspruch auf Vergütung des Verdienstentgangs nach § 32 EpiG.
7 Zum beantragten Entschädigungsanspruch aufgrund des Betretungsverbots öffentlicher Orte gemäß § 1 COVID-19-Maßnahmenverordnung, BGBl. II Nr. 98/2020 (im Folgenden: COVID-19-Maßnahmenverordnung-98), führte das Verwaltungsgericht zusammengefasst aus, dass § 1 dieser auf § 2 Z 1 COVID-19-MG gestützten Verordnung zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 das Betreten öffentlicher Orte verboten habe. Dem Vorbringen der revisionswerbenden Partei, wonach mit der COVID-19-Maßnahmenverordnung-98 faktisch eine Betriebssperre erfolgt sei und die Ausgangssperre in Folge der COVID-19-Maßnahmenverordnung-98 eine „Untersagung der Betriebsstätte“ gemäß § 20 Abs. 2 EpiG darstelle, weshalb der revisionswerbenden Partei eine Vergütung gemäß § 32 EpiG zustehe, sei zu entgegnen, dass sich die COVID-19-Maßnahmenverordnung-98 nach dem klaren Wortlaut der Promulgationsklausel ausdrücklich auf die Rechtsgrundlage des § 2 Z 1 COVID-19-MG und nicht auf § 20 EpiG stütze. Eine Vergütung für Vermögensnachteile nach dem EpiG sei nur in den in § 32 Abs. 1 Z 1 bis 7 EpiG taxativ aufgezählten Fällen vorgesehen. Ein aufgrund der COVID-19-Maßnahmenverordnung-98 entstandener Vermögensnachteil sei in dieser Aufzählung nicht enthalten, sodass ein Entschädigungsanspruch nach § 32 EpiG nicht bestehe.
8 Darüber hinaus habe sich der Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 14. Juli 2020, G 202/2020 ua, mit der Frage auseinandergesetzt, ob die durch das Betretungsverbot von Betriebsstätten gemäß § 1 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 bewirkte Eigentumsbeschränkung entschädigungslos vorgesehen habe werden können und sei zu dem Ergebnis gekommen, dass der nicht vorhandene Anspruch auf Entschädigung weder gegen das Grundrecht auf Unversehrtheit des Eigentums noch gegen den Gleichheitsgrundsatz verstieße.
9 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zur Zulässigkeit zusammengefasst geltend macht, aus den bisherigen Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes ließe sich entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht ableiten, dass ein Ersatzanspruch gemäß § 32 EpiG auf Grundlage der COVID-19-Maßnahmenverordnung-98, die ihre gesetzliche Grundlage in § 2 Z 1 COVID-19-MG habe, ausgeschlossen sei. Vielmehr sei davon auszugehen, dass auf Verordnungen, die ihre gesetzliche Grundlage nicht in § 1 COVID-19-MG hätten, die Regelungen des EpiG gemäß § 4 Abs. 3 COVID-19-MG uneingeschränkt anwendbar blieben.
10 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:
11 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Die Beurteilung der Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision durch den Verwaltungsgerichtshof erfolgt ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung. Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. aus vielen VwGH 4.9.2018, Ra 2018/03/0073, mwN). Der Verwaltungsgerichtshof hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die vorliegende Revision auf Basis ihres Zulässigkeitsvorbringens zulässig ist.
13 Ob eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen. Wurde die zu lösende Rechtsfrage daher in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - auch nach Entscheidung des Verwaltungsgerichtes oder selbst nach Einbringung der Revision - bereits geklärt, ist eine Revision wegen fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht (mehr) zulässig (vgl. etwa VwGH 29.11.2016, Ro 2016/06/0013).
14 Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits im Erkenntnis vom 24. Februar 2021, Ra 2021/03/0018, auf dessen nähere Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, dargelegt hat, setzt ein Anspruch auf Vergütung für den Verdienstentgang nach § 32 Abs. 1 Z 5 EpiG - ausgehend vom klaren Wortlaut dieser mit der Novelle BGBl. Nr. 702/1974 in Kraft getretenen und seither unverändert gebliebenen Norm - voraus, dass das vom Anspruchswerber betriebene Unternehmen „gemäß § 20 in seinem Betrieb beschränkt oder gesperrt worden ist“; Anspruchsvoraussetzung danach ist also eine Betriebsbeschränkung oder -sperre nach der Bestimmung des § 20 EpiG.
15 Eine konkret auf § 20 EpiG gestützte Betriebsschließung oder -beschränkung erfolgte im vorliegenden Fall allerdings nicht.
16 Entgegen der von der revisionswerbenden Partei vertretenen Ansicht beruft sich nämlich nicht nur die COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 in der Promulgationsklausel auf das COVID-19-MG (vgl. § 1 COVID-19-MG, BGBl. 96/2020 bis BGBl. II Nr. 162/2020). Vielmehr ist auch der Promulgationsklausel der COVID-19-Maßnahmenverordnung-98 zu entnehmen, dass diese sich auf § 2 Z 1 COVID-19-MG (BGBl. II Nr. 98/2020 bis BGBl. II Nr. 162/2020) stützt, womit die angesprochenen Verordnungen, mit denen Betretungsverbote vorgesehen wurden, im COVID-19-MG und nicht im EpiG ihre Grundlage finden.
17 Wenn in § 4 Abs. 3 COVID-19-MG angeordnet wird, dass die Bestimmungen des EpiG „unberührt“ bleiben, wird damit zudem weder der Inhalt noch der Anwendungsbereich des EpiG verändert. Die berufene Norm ändert also weder etwas an den Voraussetzungen für die Erlassung von Verfügungen iSd § 20 EpiG noch an denen für den Zuspruch einer Vergütung für Verdienstentgang nach § 32 EpiG. Sie bildet daher weder für sich noch im Zusammenhalt mit den auf das COVID-19-MG gestützten Verordnungen eine Grundlage für den Ersatzanspruch der revisionswerbenden Partei (vgl. erneut VwGH 24.2.2021, Ra 2021/03/0018). Vielmehr erfasst die Vergütungsregelung für Verdienstentgang nach § 32 EpiG lediglich die dort in Abs. 1 genannten, ausdrücklich nach dem EpiG geregelten Fälle (vgl. dazu auch § 12 Abs. 3 COVID-19-MG betreffend Betriebsschließungen sowie VfGH 26.11.2020, E 3412/2020, und - ausdrücklich auf dieCOVID-19-Maßnahmenverordnung-96 Bezug nehmend - VfGH 9.12.2020, E 4155/2020). Maßnahmen nach demCOVID-19-MG sind im Übrigen „in ein umfangreiches Maßnahmen- und Rettungspaket eingebettet“ und stellen derart prinzipiell keinen unverhältnismäßigen Eingriff in das Grundrecht auf Unversehrtheit des Eigentums dar (vgl. VfGH 14.7.2020, G 202/2020, Rn. 98 ff; VwGH 24.2.2021, Ra 2021/03/0018, Rn. 37).
18 Das Verwaltungsgericht hat daher zutreffend eine auf § 32 EpiG gestützte Entschädigung für den Verdienstentgang im beantragten Zeitraum verneint.
19 Im Übrigen ist dem Verwaltungsgericht zuzustimmen, wenn es ausführt, dass das Betreten des Kundenbereichs der Betriebsstätte der revisionswerbenden Partei im Zeitraum vom 16. März 2020 bis 30. April 2020 bereits aufgrund der COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 untersagt gewesen sei, weshalb nicht erkannt werden kann, dass aufgrund des Betretungsverbotes öffentlicher Orte nach § 1 COVID-19-Maßnahmenverordnung-98 ein weiterer Verdienstentgang für die revisionswerbende Partei entstanden sein könnte.
20 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen.
Wien, am 26. März 2021
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021030017.L00Im RIS seit
17.12.2021Zuletzt aktualisiert am
17.12.2021