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001 Verwaltungsrecht allgemeinNorm
B-VG Art139 Abs6Beachte
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie die Hofräte Dr. Doblinger und Mag. Feiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Hotz, über die außerordentliche Revision der A GesmbH in B, vertreten durch Dr. Corvin Hummer, Mag. Birke Schönknecht, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Maysedergasse 5, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 3. Dezember 2020, LVwG-751091/2/BP/MAH, betreffend Abweisung eines Antrags auf Vergütung von Verdienstentgang nach dem Epidemiegesetz 1950 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Stadt Steyr), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Schriftsatz vom 28. Juli 2020 beantragte die revisionswerbende Partei, ein Textilhandelsunternehmen, gemäß § 32 Epidemiegesetz 1950 (EpiG) Vergütung für den im Zeitraum von 15. April bis 30. April 2020 in ihrer näher bezeichneten, einen Kundenbereich von mehr als 400 m² aufweisenden Betriebsstätte entstandenen Verdienstentgang. Sie begründete dies damit, dass mit der auf § 1 COVID-19-Maßnahmengesetz gestützten Verordnung des Bundesministers für Gesundheit, Soziales, Pflege und Konsumentenschutz BGBl. II Nr. 96/2020 das Betreten des Kundenbereichs von Betriebsstätten des Handels untersagt worden sei. Zunächst seien von diesem Verbot nur systemrelevante Betriebe ausgenommen gewesen. Mit 14. April 2020 seien weitere Betriebsstätten des Handels, wie etwa Bau- und Gartenmärkte, sowie Geschäfte mit einem Kundenbereich im Inneren von nicht mehr als 400 m² ausgenommen worden. Mit Erkenntnis vom 14. Juli 2020 habe der Verfassungsgerichtshof unter anderem die Gesetzwidrigkeit der Wortfolge „wenn der Kundenbereich im Inneren maximal 400 m² beträgt“ in § 2 Abs. 4 der Verordnung BGBl. II Nr. 96/2020 idF BGBl. II Nr. 151/2020 festgestellt. Von diesem für rechtswidrig erklärten Betretungsverbot im Zeitraum vom 15. April 2020 bis 30. April 2020 sei die revisionswerbende Partei betroffen gewesen.
2 Mit dem angefochtenen, im Beschwerdeverfahren ergangenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich den Antrag ab. Die Revision erklärte es für nicht zulässig.
3 Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
4 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
5 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlen die Voraussetzungen für die Erhebung einer Revision zum einen etwa dann, wenn sich das Verwaltungsgericht auf einen klaren Gesetzeswortlaut stützen kann. Ist somit die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig, dann liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG vor, und zwar selbst dann, wenn zu einer der anzuwendenden Normen noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen wäre (siehe etwa VwGH 6.8.2020, Ra 2020/09/0040; 20.12.2017, Ra 2017/12/0124).
6 Zum anderen ist die Frage, ob die Voraussetzung des Art. 133 Abs. 4 B-VG - also eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung - vorliegt, im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen. Wurde die zu lösende Rechtsfrage in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - auch nach Einbringung der Revision - bereits geklärt, liegt daher keine Rechtsfrage (mehr) vor, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme (vgl. z.B. VwGH 25.2.2020, Ra 2019/09/0108).
7 Soweit die Revisionswerberin zur Zulässigkeit ihrer außerordentlichen Revision auf § 20 EpiG und damit auf § 32 Abs. 1 Z 5 EpiG zur Begründung ihres Anspruchs rekurriert, stellt diese Bestimmung schon nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut auf einen nach § 20 EpiG eingeschränkten oder gesperrten Betrieb ab. Eine solche Betriebsbeschränkung liegt im hier zu beurteilenden Fall nicht vor. Insoweit wurde die Rechtslage bereits durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Februar 2021, Ra 2021/03/0018, klargestellt (siehe zu einem vergleichbaren Fall etwa auch VwGH 11.3.2021, Ra 2021/09/0012).
8 Wenn sich die revisionswerbende Partei für den von ihr für den Zeitraum vom 15. April bis zum 30. April 2020 geltend gemachten Anspruch nach § 32 EpiG jedoch ausdrücklich auf das gemäß § 2 Abs. 4 der Verordnung BGBl. II Nr. 96/2020 idF BGBl. II 151/2020 bestanden habende und vom Verfassungsgerichtshof mit seiner Entscheidung vom 14. Juli 2020 als gesetzwidrig erkannte Betretungsverbot für Geschäfte mit einem Kundenbereich von mehr als 400 m² beruft, ist sie darauf hinzuweisen, dass der Verfassungsgerichtshof mit seinem Erkenntnis vom 14. Juli 2020, V 411/2020, kundgemacht vom Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz am 29. Juli 2020, BGBl. II Nr. 340/2020, feststellte, dass die Wortfolge „wenn der Kundenbereich im Inneren maximal 400 m² beträgt“ sowie der vierte Satz - „Veränderungen der Größe des Kundenbereichs, die nach dem 7. April 2020 vorgenommen wurden, haben bei der Ermittlung der Größe des Kundenbereichs außer Betracht zu bleiben.“ - in § 2 Abs. 4 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, BGBl. II Nr. 96/2020, idF BGBl. II Nr. 151/2020, gesetzwidrig waren, und gemäß Art. 139 Abs. 6 zweiter Satz B-VG aussprach, dass die als gesetzwidrig festgestellten Bestimmungen nicht mehr anzuwenden sind. Diese aufgehobenen Bestimmungen ist daher nicht mehr anzuwenden; auf diese Bestimmungen lässt sich auch schon deshalb ein Ersatzanspruch im Verwaltungsweg nicht stützen (siehe VwGH 30.5.2011, 2010/12/0034, zur Rückwirkung der Feststellung der Gesetzwidrigkeit einer Verordnung).
9 Den zur Zulässigkeit der Revision ferner geltend gemachten Verfahrens- und Begründungsmängeln (fehlende Feststellung zum konkreten Flächenausmaß der Betriebsstätte und der Höhe des im Anspruchszeitraum eingetretenen Verdienstentgangs sowie Auseinandersetzung mit dem zum Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes erstatteten Vorbringen) fehlt es im vorliegenden Fall an Relevanz für eine Entscheidung in dieser Sache, sodass auch damit eine Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG zukäme, nicht aufgezeigt wird.
10 Die Revision war somit nach § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 7. April 2021
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Auslegung Allgemein authentische Interpretation VwRallg3/1 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021090048.L00Im RIS seit
17.12.2021Zuletzt aktualisiert am
17.12.2021