Entscheidungsdatum
01.12.2021Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
ZustG §16Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat durch seine Richterin Dr.in Müller, LL.M. über die Beschwerde des Herrn AA, Adresse 1, **** Z, gegen den Bescheid des BB vom 23.11.2020, Zl ***, betreffend Verfahren nach der TBO 2018, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 30.09.2021,
zu Recht erkannt:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen und Beschwerdevorentscheidung bestätigt.
2. Zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung wird der Akt gemäß § 6 AVG weitergeleitet.
3. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Weiters fasst das Landesverwaltungsgericht Tirol fasst durch seine Richterin Dr.in Müller, LL.M über den Antrag des Beschwerdeführers auf Protokollberichtigung der am 30.09.2021 im Zuge der öffentlichen mündlichen Verhandlung erstellten Verhandlungsschrift den
B E S C H L U S S
1. Der Spruchpunkt 1 des Erkenntnisses vom 30.09.2021 wird berichtigt wie folgt: „Die Beschwerde wird zurückgewiesen und die Beschwerdevorentscheidung bestätigt.“
2. Dem Antrag auf Berichtigung des Protokolls vom 30.09.2021 wird gemäß § 17 VwGVG iVm § 14 Abs 7 AVG keine Folge gegeben.
3. Gegen Spruchpunkt 1. dieses Beschlusses ist die ordentliche Revision an den VwGH gem Art 133 Abs 4 nicht zulässig, gegen Spruchpunkt 2. ist gemäß § 25a Abs 3 VwGG eine abgesonderte Revision an den VwGH gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e zum Erkenntnis
I. Verfahrensgang:
Mit dem Bauansuchen vom 30.04.2020, eingelangt am 04.05.2020, beantragte der Beschwerdeführer die Erteilung der Baubewilligung für den Dachgeschossausbau, die Sanierung der Terrasse und des Kellers sowie diverse Änderungen im Anwesen Adresse 1 angesucht. Mit Bescheid vom 23.11.2020 zur AZ *** wurde eine Baubewilligung erteilt und an der von ihm angegebenen Adresse 1, **** Z zugestellt.
In weiterer Folge erging der Berichtigungsbescheid vom 17.05.2021 zur AZ ***, der dem Beschwerdeführer ebenfalls an der angegebenen Adresse zugestellt wurde. Gegen diesen Berichtigungsbescheid brachte der Beschwerdeführer die undatierte Beschwerde ein, die er am 17.06.2021 zur Post gab und am 18.06.2021 bei der belangten Behörde einlangte. Darin teilte er mit, dass er nunmehr in Y gemeldet sei und der bekämpfte Bescheid nach dem 17.05.2021 durch Abgabe an ein dort lebendes Familienmitglied zugestellt worden sei. Die Zustellung sei mangelhaft und der Beschwerdeführer habe den Bescheid erst am 20.05.2021 von einem Familienmitglied durch physische Übergab erhalten, sodass sich erst ab diesem Zeitpunkt die Rechtsmittelfrist bemesse und die Beschwerde rechtzeitig sei.
Mit der Beschwerdevorentscheidung vom 05.07.2021 wurde die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Berichtigungsbescheid vom 17.05.2021 als verspätet zurückgewiesen.
Dagegen brachte der Beschwerdeführer rechtzeitig den gegenständlichen (undatierten) Vorlageantrag, in eventu einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ein. Er brachte vor, dass er an der Adresse in Z nur seinen Nebenwohnsitz habe und nicht ständig wohnhaft sei. Sein Lebensmittelpunkt sei in Y, Adresse 2. An diesen Wohnsitz hätte die Zustellung erfolgen müssen, zumal dieser auch als Hauptwohnsitz gemeldet sei.
Im Übrigen dürfen Rsb-Schreiben nur an Erwachsene als Ersatzempfänger zugestellt werden. Der Rückschein trage jedoch die Unterschrift seines Sohnes, der minderjährig sei und am 12.03.2004 geboren sei. Es werde seine Einvernahme beantragt.
Da der Sohn als Ersatzempfänger nach dem ZustellG ausscheide, sei die Zustellung rechtswidrig erfolgt und liege ein Zustellmangel vor. Erst mit der physischen Übergabe an den Beschwerdeführer habe die Beschwerdefrist zu laufen begonnen. Es liege sohin keine Verspätung vor. Im Übrigen sei das rechtliche Gehör verletzt worden, da die Behörde keinen Verspätungsvorhalt gemacht habe.
Mit Schreiben vom 18.08.2021 wurde der Beschwerdeakt dem Landesverwaltungsgericht Tirol vorgelegt.
In der mündlichen Verhandlung vom 30.09.2021 wurde der vom Beschwerdeführer beantragte Zeuge CC, Sohn des Beschwerdeführers, sowie der Postzusteller ebenso wie der Beschwerdeführer einvernommen.
In weiterer Folge beantragte der Beschwerdeführer die Einvernahme der Zeugin DD zum Beweis dafür, dass die gegenständliche Unterschrift nicht von einer Mitbewohnerin des Beschwerdeführers geleistet worden sei und damit keine ordnungsgemäße Zustellung an den Beschwerdeführer erfolgt sei.
Daraufhin verkündete die Richterin das Erkenntnis, führte die Entscheidungsgründe aus und erteilte die Belehrung hinsichtlich der Antragstellung auf Ausfertigung des Erkenntnisses, die nach der Zustellung des Protokolls möglich ist.
Mit Schreiben vom 28.10.2021 beantragte des Beschwerdeführer die schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses.
II. Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer hat mit der Adresse 1, **** Z das Bauansuchen vom 30.04.2020 gestellt und am 04.05.2020 eingebracht.
Im Laufe dieses Bauverfahrens gab er der Behörde nicht an, dass er seinen Hauptwohnsitz geändert hat und gab auch keine Änderung der Zustelladresse an. Mit 19.05.2020 meldete der Beschwerdeführer seinen bisherigen Hauptwohnsitz in der Adresse 1, **** Z als Nebenwohnsitz und die Adresse 2, **** Y, als Hauptwohnsitz an. Seine Familie wohnt nach wie vor in der Adresse 1, **** Z, mit dem Hauptwohnsitz und auch er wohnt nach wie vor an dieser Adresse mit seiner Familie, zumindest mit seinem Sohn CC, und ist dort regelmäßig aufhältig.
Er bekämpft den Berichtigungsbescheid vom 17.05.2021. Dieser wurde dem Beschwerdeführer an die Adresse 1, **** Z, am 19.05.2021 durch Übergabe an einen Mitbewohner mit der Unterschrift „EE“ zugestellt. Diese Unterschrift stammt von CC, geb 12.03.2004, der Sohn des Beschwerdeführers, der in der gleichen Wohnung wie der Beschwerdeführer wohnt. Dieser nahm die Sendung an.
Die Beschwerde gegen den Berichtigungsbescheid brachte der Beschwerdeführer am 17.06.2021 zur Post, sodass sie am 18.06.2021 bei der Behörde einlangte.
Es kann nicht festgestellt werden, wann der Beschwerdeführer vom Berichtigungsbescheid Kenntnis erlangte. Es kann weiters nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer vom 19.05. bis zum 20.05.2021 ortsabwesend gewesen ist.
III. Beweiswürdigung:
Aus den Zustellnachweisen ergibt sich unzweifelhaft die Zustellung am 19.05.2021 an den Mitbewohner namens EE. Der beantragte Zeuge und Sohn des Beschwerdeführers CC gab glaubwürdig an, dass er diese Sendung entgegengenommen hat und den Zustellnachweis unterschrieben hat. Er erklärte dem Gericht nachvollziehbar, dass er diese Unterschrift damals geleistet hat und dass es sich um seine Unterschrift handle. Er führte auch nachvollziehbar aus, dass er zu Corona-Zeiten die meiste Zeit zu Hause war und dementsprechend öfters die Post entgegengenommen hat. Der Postzusteller berichtete zwar, dass er sich an eine Dame erinnern konnte, die die Zustellung entgegengenommen hat, konnte jedoch keine weiteren Angaben machen, sodass diese Aussage nicht als aussagekräftig eingestuft wurde, da der Postzusteller verständlicherweise einige Zustellungen durchzuführen hat.
Der Zeuge CC führte auch nachvollziehbar und glaubwürdig aus, dass sein Vater nach wie vor zu Hause in der Adresse 1, **** Z, in der gemeinsamen Familienwohnung wohnt, obwohl es der Beschwerdeführer anders schilderte. Diese Aussage wurde vom Beschwerdeführer auch nicht in Frage gestellt. Vielmehr bestätigte der Zeuge klar, dass er an der Familienadresse wohnhaft ist und zumindest mit seinem Sohn CC wohnt.
Der Zeuge berichtete auch, dass er – genauso wie der Beschwerdeführer – nicht festmachen könne, wann der Beschwerdeführer vom Berichtigungsbescheid Kenntnis erlangte. Dass der Beschwerdeführer beruflich in Wien zum Zeitpunkt der Zustellung am 19.05. bis zum 20.05.2021 abwesend gewesen ist, war nicht glaubwürdig, zumal er dies erst in seiner Einvernahme vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol vorbrachte. Bisher hatte er immer ausgeführt, dass er nicht ständig an dieser Adresse aufhältig sei und dies nicht mehr sein Hauptwohnsitz sei. Im Übrigen hat er auch keine Beweise dafür beigebracht, dass er tatsächlich und gegebenenfalls wie lange durchgängig in Wien aufhältig gewesen wäre, sodass keine Feststellungen zu einer Ortsabwesenheit getroffen werden konnten.
Aus dem ZMR-Auszug erkennt man, dass der Beschwerdeführer sich am 19.05.2020 im ZMR umgemeldet hat und den bisherigen Hauptwohnsitz in der Adresse 1, **** Z als Nebenwohnsitz und die Adresse in Y, Adresse 2, **** Y, als Hauptwohnsitz gemeldet hat.
Die Einvernahme der beantragten Zeugin hat sich erübrigt, der der Sohn – wie beantragt – einvernommen wurde und von ihm die Sendung entgegengenommen wurde. Die Sache war sohin entscheidungsreif. Im Übrigen führte der Sohn des Beschwerdeführers aus, dass seine Mutter – die beantragte Zeugin – nicht mit „EE“ sondern mit „FF-EE“ unterschreibt.
IV. Rechtslage
Die relevante Bestimmung des Zustellgesetzes laut:
„Ersatzzustellung
§ 16. (1) Kann das Dokument nicht dem Empfänger zugestellt werden und ist an der Abgabestelle ein Ersatzempfänger anwesend, so darf an diesen zugestellt werden (Ersatzzustellung), sofern der Zusteller Grund zur Annahme hat, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält.
(2) Ersatzempfänger kann jede erwachsene Person sein, die an derselben Abgabestelle wie der Empfänger wohnt oder Arbeitnehmer oder Arbeitgeber des Empfängers ist und die – außer wenn sie mit dem Empfänger im gemeinsamen Haushalt lebt – zur Annahme bereit ist.
[…]“
Die relevante Bestimmung des VwGVG lautet:
„Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
§ 33. […]
(4) Bis zur Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden. § 15 Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden. Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden. Die Behörde oder das Verwaltungsgericht kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.
[…]“
V. Rechtliche Würdigung:
Zu Spruchpunkt 1.:
Als „Abgabestelle“ wird gemäß § 2 Z 4 ZustG definiert: „die Wohnung oder sonstige Unterkunft, die Betriebsstätte, der Sitz, der Geschäftsraum, die Kanzlei oder auch der Arbeitsplatz des Empfängers, im Falle einer Zustellung anlässlich einer Amtshandlung auch deren Ort, oder ein vom Empfänger der Behörde für die Zustellung in einem laufenden Verfahren angegebener Ort“. Unter einer Wohnung ist jene Räumlichkeit zu verstehen, die der Empfänger tatsächlich benützt, wo er also tatsächlich wohnt (ua VwGH 30.6.2005, 2003/18/0209).
Unter einer Wohnung ist jene Räumlichkeit zu verstehen, in der jemand seine ständige Unterkunft hat, wo sich also der Mittelpunkt seiner Lebensverhältnisse befindet. Es kommt darauf an, ob die Wohnung im Zeitpunkt der Zustellung tatsächlich bewohnt wird, nicht aber darauf, wo der Empfänger polizeilich gemeldet ist (ua VwGH 21.4.2011, 2011/01/0124). Die kurzfristige Abwesenheit von der Wohnung nimmt dieser nicht den Charakter einer Abgabestelle (VwGH 19.9.1996, 95/19/0527).
Die Zustellung darf nur an einer Abgabestelle erfolgen, wobei die in § 2 Z 4 ZustG genannten Abgabenstellen in keiner Rangordnung zueinanderstehen, und die Auswahl der Abgabestelle, wenn mehrere bestehen, der Behörde überlassen bleibt (ua VwGH 23.11.2011, 2009/11/0022). Daher ist auch die Zustellung an einer Abgabestelle zulässig, wenn zur gleichen Zeit an einer anderen Abgabestelle zulässig zugestellt wurde. Eine Gesetzesbestimmung des Inhaltes, eine gleichzeitige Verfügung der Zustellung an verschiedenen Orten sei unzulässig, findet sich nicht (VwGH 19.9.2001, 99/09/0228). Es kann zum gleichen Zeitpunkt an mehreren Orten eine Abgabestelle vorliegen (VwGH 24.3.1998, 94/05/0242).
Auf die polizeiliche Meldung als Hauptwohnsitz kommt es nicht an (ua VwGH 25.4.2002, 2001/07/0120). Es mag sein, dass eine Partei nach der erfolgten Ummeldung an jener Anschrift keinen „ordentlichen Wohnsitz“ mehr hatte; das bedeutet aber nicht, dass dort kein tauglicher „Ort der Zustellung“ mehr bestanden hätte, wie eine Wohnung oder auch Geschäftsräumlichkeit oder dergleichen. Ob die Partei dort ihren ordentlichen Wohnsitz hatte oder nicht, ist irrelevant. Erfolgten Zustellungen an diese Anschrift klaglos, war das zumindest ein Indiz für die Tauglichkeit dieser Abgabestelle (VwGH 5.12.2000, 99/06/0102). Der bisherigen Wohnung wird vor dem Tag der endgültigen Wohnungsräumung nicht den Charakter einer Abgabestelle genommen (VwGH 24.3.1997, 95/19/1302).
Liegen die Voraussetzungen für eine Ersatzzustellung gemäß § 16 ZustG vor, ist sie vorzunehmen. „Darf“ bedeutet nicht die Einräumung einer Wahlmöglichkeit zwischen Ersatzzustellung und Hinterlegung. Die Ersatzzustellung geht der Hinterlegung vor (Bumberger/Schmid, Praxiskommentar zum Zustellgesetz § 16 [Stand 1.1.2018, rdb.at], K9).
Im Falle der Ersatzzustellung ist es Sache des Empfängers, darzutun, dass der anwesende Ersatzempfänger die danach erforderlichen Voraussetzungen für die Wirksamkeit einer Ersatzzustellung nicht erfüllt und dass dies dem Zusteller bekannt sein musste (VwGH 6.12.2016, Ra 2016/11/0167).
„Erwachsenheit“ setzt zwar Mündigkeit, nicht aber Volljährigkeit voraus (VwGH 30.1.2001, 99/05/0197; 19.6.1990, 89/04/0276; 22.12.1988, 88/17/0232). So konnte nach Ansicht des VwGH auch einem 17 Jahre und 3 Monate alten Handelsschüler ein Schriftstück rechtswirksam als Ersatzempfänger zugestellt werden (VwGH 3.2.1987, 87/07/0005). Auch die Eigenberechtigung des Ersatzempfängers ist kein Erfordernis einer gültigen Zustellung nach § 16 ZustG (VwGH 22.12.1988, 88/17/0232).
Aus den Feststellungen ist zu entnehmen, dass der 17-jährige Sohn des Beschwerdeführers, der gemeinsam mit dem Beschwerdeführer in der Wohnung in der Adresse 1, **** Z, wohnt, die Sendung entgegengenommen und den Rückschein unterschrieben hat. Die Zustellung erfolgte sohin an den Ersatzempfänger, wie dies der Beschwerdeführer auch in seiner Beschwerdevorlage vorbringt.
Dass der Beschwerdeführer nicht seinen Lebensmittelpunkt in dieser Wohnung (gehabt) hätte, obwohl er dort zumindest mit seinem 17-jährigen Sohn gemeinsam wohnt, konnte nicht bewiesen werden, auch wenn es diese Wohnung von einem Hauptwohnsitz auf einen Zweitwohnsitz umgemeldet hat. Die Meldebestätigungen beurkundeten lediglich die Tatsache der Meldung, geben aber nicht über die tatsächlichen Verhältnisse Auskunft.
Da sohin die Zustellung des Berichtigungsbescheids am 19.05.2021 an Sohn des Beschwerdeführers als Ersatzempfänger erfolgte, hat der Beschwerdeführer gegen den Berichtigungsbescheid nicht rechtzeitig die Beschwerde eingebracht, indem sie erst am 17.06.2021 zur Post gab. Es war sohin richtigerweise die Beschwerde als verspätet zurückzuweisen und war die Beschwerdevorentscheidung zu bestätigen.
Zu Spruchpunkt 2.:
Gemäß § 33 Abs 4 VwGVG hat über den Eventualantrag auf Wiedereinsetzung die belangte Behörde zu entscheiden, sodass der Akt samt Antrag gem § 6 AVG weiterzuleiten ist.
VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision (zu Spruchpunkt 3.):
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Begründung zum Beschluss
I. Sachverhalt:
Mit der Beschwerdevorentscheidung vom 05.07.2021 wurde die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Berichtigungsbescheid vom 17.05.2021 als verspätet zurückgewiesen.
Der Beschwerdeführer beantragte mit dem Schreiben vom 28.10.2021, dass das Protokoll der Verhandlung vom 30.09.2021 dahingehend berichtigt wird, dass der Beschwerdeführer die schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses beantragt habe. Das Protokoll sei daher unvollständig und damit unrichtig. Ferner fehle es an der Protokollierung der vorweggenommenen rechtlichen Würdigung des Eventualantrages, in welchem die erkennende Richterin nicht zu entscheiden hatte.
In der Verhandlung vom 30.09.2021 wurde nach Durchführung des Beweisverfahrens das Erkenntnis mündlich verkündet. Begründet wurde die Entscheidung damit, dass keine Rechtswidrigkeit erkannt werden kann und sohin richtigerweise die Beschwerde zurückgewiesen worden ist. Zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist die belangte Behörde zuständig, sodass der Akt mit dem Antrag gem § 6 AVG weitergeleitet wird.
Mit Schreiben vom 04.10.2021 wurde dem Beschwerdeführer zu Handen seines Rechtsvertreters das mittels Schallträger verfasste Verhandlungsprotokoll gemäß § 29 Abs 2a VwGVG mit der Mitteilung übermittelt, dass er eine schriftliche Ausfertigung binnen zwei Wochen nach Zustellung der Niederschrift beantragten könne.
Mit Schreiben vom 28.10.2021 beantragte der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsvertreter die schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses sowie die Abänderung des Protokolls vom 30.09.2021 dahingehend, dass er einen Antrag auf schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses gestellt habe. Ferner fehle die Protokollierung der vorweggenommenen rechtlichen Würdigung des Eventualantrages, über welchen die erkennende Richterin nicht zu entscheiden hatte.
II. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus dem Protokoll, das mittels Schallträger verfasst und in weiterer Folge übertragen wurde.
Den mündlichen Antrag auf schriftliche Ausfertigung des mündlichen Erkenntnisses nach Schluss der Verhandlung wurde nicht zu Protokoll genommen, zumal die Richterin die gesetzliche Vorgehensweise dahingehend erläuterte, dass zunächst das Protokoll schriftlich übertragen und dem Beschwerdeführer zur Stellung eines Antrages gemäß § 29 Abs 2a VwGVG übermittelt wird. Mit Schluss der Verhandlung und mündlichen Verkündung hatte die Richterin sohin die Protokollierung beendet.
III. Rechtslage:
Die relevante Bestimmung des AVG lautet:
„Anbringen
§ 13. (1) Soweit in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, können Anträge, Gesuche, Anzeigen, Beschwerden und sonstige Mitteilungen bei der Behörde schriftlich, mündlich oder telefonisch eingebracht werden. Rechtsmittel und Anbringen, die an eine Frist gebunden sind oder durch die der Lauf einer Frist bestimmt wird, sind schriftlich einzubringen. Erscheint die telefonische Einbringung eines Anbringens der Natur der Sache nach nicht tunlich, so kann die Behörde dem Einschreiter auftragen, es innerhalb einer angemessenen Frist schriftlich oder mündlich einzubringen.
[…]“
„Niederschriften
§ 14. […]
(7) Die Niederschrift oder Teile davon können unter Verwendung eines Schallträgers oder in Kurzschrift aufgenommen werden. Die Angaben gemäß Abs. 2, die Feststellung, daß für die übrigen Teile der Niederschrift ein Schallträger verwendet wird, und die Tatsache der Verkündung eines mündlichen Bescheides sind in Vollschrift festzuhalten. Die Aufzeichnung und die in Kurzschrift aufgenommenen Teile der Niederschrift sind unverzüglich in Vollschrift zu übertragen. Die beigezogenen Personen können bis zum Schluß der Amtshandlung die Zustellung einer Ausfertigung der Übertragung verlangen und binnen zwei Wochen ab Zustellung Einwendungen wegen behaupteter Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit der Übertragung erheben. Wird eine solche Zustellung beantragt, so darf die Aufzeichnung frühestens einen Monat nach Ablauf der Einwendungsfrist, ansonsten frühestens einen Monat nach erfolgter Übertragung gelöscht werden.“
Die relevante Bestimmung des VwGVG lautet:
„Verkündung und Ausfertigung der Erkenntnisse
§ 29.
(1) Die Erkenntnisse sind im Namen der Republik zu verkünden und auszufertigen. Sie sind zu begründen.
(2) Hat eine Verhandlung in Anwesenheit von Parteien stattgefunden, so hat in der Regel das Verwaltungsgericht das Erkenntnis mit den wesentlichen Entscheidungsgründen sogleich zu verkünden.
(2a) Das Verwaltungsgericht hat im Fall einer mündlichen Verkündung die Niederschrift den zur Erhebung einer Revision beim Verwaltungsgerichtshof oder einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof legitimierten Parteien und Organen auszufolgen oder zuzustellen. Der Niederschrift ist eine Belehrung anzuschließen:
1. über das Recht, binnen zwei Wochen nach Ausfolgung bzw. Zustellung der Niederschrift eine Ausfertigung gemäß Abs. 4 zu verlangen;
2. darüber, dass ein Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß Abs. 4 eine Voraussetzung für die Zulässigkeit der Revision beim Verwaltungsgerichtshof und der Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof darstellt.
(2b) Ist das Erkenntnis bereits einer Partei verkündet worden, kann ein Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß Abs. 4 bereits ab dem Zeitpunkt gestellt werden, in dem der Antragsteller von dem Erkenntnis Kenntnis erlangt hat. Ein Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß Abs. 4 ist den übrigen Antragsberechtigten zuzustellen.
[…]
(4) Den Parteien ist eine schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses zuzustellen. Eine schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses ist in den in Art. 132 Abs. 1 Z 2 B-VG genannten Rechtssachen auch dem zuständigen Bundesminister zuzustellen.
[…]“
IV. Erwägungen:
Zu Spruchpunkt 1.:
Nach § 17 VwGVG iVm § 62 Abs 4 AVG können Schreib- und Rechenfehler oder diesen gleichzuhaltende, offenbar auf einem Versehen oder offenbar ausschließlich auf den technisch mangelhaften Betrieb einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage beruhende Unrichtigkeiten in Erkenntnissen und Beschlüssen jederzeit vom Verwaltungsgericht von Amts wegen berichtigt werden können.
Aus dem Inhalt der Entscheidung und dem Spruch der Beschwerdevorentscheidung lässt sich klar erkennen, dass die Beschwerde (als verspätet) zurückgewiesen und nicht abgewiesen wurde und die Beschwerdevorentscheidung bestätigt und nicht abgeändert wurde, sodass der Spruch entsprechend zu berichtigen war.
Zu Spruchpunkt 2.:
Der nach der Verkündung des mündlichen Erkenntnisses gestellte Antrag auf Protokollberichtigung vom 28.10.2021 hinsichtlich der am 30.09.2021 im Zuge der öffentlichen mündlichen Verhandlung erstellten Verhandlungsschrift zielt auf einen verfahrensleitenden Beschluss hinsichtlich einer für die Enderledigung maßgeblichen vollständigen und richtigen Verhandlungsschrift ab. Ein solcher verfahrensleitende Beschluss ist naturgemäß nicht gesondert anfechtbar, sondern nur im Rahmen der Anfechtung der Enderledigung.
Somit setzt die Fassung eines derartigen verfahrensleitenden Beschlusses ein Verfahren voraus, das noch offen und noch nicht entschieden ist. Im gegenständlichen Fall ist allerdings bereits vor der Stellung des gegenständlichen Antrages auf Protokollberichtigung vom 28.10.2021 die das Verfahren beendende Entscheidung erlassen worden. Somit liegt keine gesetzliche Grundlage für eine inhaltliche Befassung mit dem auf einen verfahrensleitenden Beschluss abzielenden Antrag mehr vor, da ein dafür erforderliches offenes Beschwerdeverfahren nicht mehr existiert (vgl LVwG Niederösterreich 22.12.2020, LVwG-AV-1060/002-2020; 27.08.2018, LVwG-AV-16/002-2018).
Es war daher dem Antrag keine Folge zu geben.
Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass der Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses gem § 29 Abs 2a VwGVG schriftlich binnen zwei Wochen nach der Zustellung der Niederschrift zu stellen ist. Dieser schriftliche Antrag ist entsprechend mit der schriftlichen Ausfertigung des Erkenntnisses den Parteien gem § 29 Abs 4 VwGVG zuzustellen.
Schließlich ist nur der Lauf und der Inhalt der Verhandlung erforderlichenfalls ihrem wesentlichen Inhalt nach in der Niederschrift festzuhalten. Nach dem Schluss der Verhandlung und insbesondere nach der mündlichen Verkündung bleibt sohin kein Raum für § 14 AVG.
Das Landesverwaltungsgericht Tirol ist sohin im Sinne der stRsp nicht verpflichtet ist, einen Antrag auf schriftliche Ausfertigung des mündlichen verkündeten Erkenntnisses (nach Schluss der Verhandlung) niederschriftlich aufzunehmen (VwGH 18.12.2015, Ro 2015/02/0031; 18.12.2015, Ro 2015/02/0030). Vielmehr wir gemäß § 12 VwGVG angeordnet, dass sämtliche Anbringen (im Verständnis des § 13 AVG) in verwaltungsgerichtlichen Verfahren nach dem VwGVG schriftlich (als "Schriftsatz") einzubringen sind. Damit ist insoweit im VwGVG iSd § 17 bzw. § 38 VwGVG 2014 formal "anderes bestimmt", sodass für die Anwendung nicht nur des ersten, sondern auch des zweiten Satzes des § 13 Abs 1 AVG kein Raum bleibt (VwGH 18.12.2015, Ra 2015/02/0169).
Unzulässigkeit der ordentlichen Revision (zu Spruchpunkt 3.):
Die ordentliche Revision ist gegen den Spruchpunkt 1. unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Die ordentliche Revision zu Spruchpunkt 2. war im vorliegenden Fall nicht zuzulassen, da in Ansehung der klaren Rechtslage keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen war und im Übrigen gegen einen verfahrensleitenden Beschluss (vgl dazu VwGH vom 24.03.2015, 2014/05/0089) gemäß § 25a Abs 3 VwGG eine abgesonderte Revision und somit eine ordentliche Revision an den VwGH nicht zulässig ist.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Dr.in Müller, LL.M.
(Richterin)
Schlagworte
Verspätete BeschwerdeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2021:LVwG.2021.48.2195.8Zuletzt aktualisiert am
16.12.2021