TE Vwgh Erkenntnis 1996/10/29 95/11/0070

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Veröffentlicht am 29.10.1996
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §52;
KFG 1967 §66 Abs2 lite;
KFG 1967 §73 Abs1;
StVO 1960 §5 Abs2;
VStG §3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des I in D, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in H, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 5. Jänner 1995, Zl. I/7-St-I-933/1, betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 5. Jänner 1995 wurde dem Beschwerdeführer die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A und B gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 entzogen und festgelegt, daß ihm vom 9. Oktober 1993 bis einschließlich 30. Juni 1994 keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden darf (§ 73 Abs. 2 KFG 1967). In der Begründung des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe am 3. September 1993 in vermutlich alkoholisiertem Zustand als Lenker eines Kraftfahrzeuges einen Verkehrsunfall verschuldet und in der Folge die Durchführung des Alkomattestes verweigert. Dadurch habe er eine Verwaltungsübertretung gemäß § 99 Abs. 1 lit. b StVO 1960 i.V.m. § 5 Abs. 2 leg. cit. begangen, worin eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967 zu erblicken sei. Bei der Wertung gemäß § 66 Abs. 3 leg. cit. berücksichtigte die belangte Behörde eine Reihe von Verwaltungsvorstrafen, darunter zwei Übertretungen des § 64 Abs. 1 KFG 1967 (Fahren ohne Lenkerberechtigung), eine Übertretung des § 5 Abs. 1 StVO 1960 (Lenken eines Kraftfahrzeuges in alkoholisiertem Zustand) und fünf Übertretungen des § 4 Abs. 1 lit. a bzw. § 4 Abs. 5 StVO 1960 ("Fahrerflucht"). Der Beschwerdeführer sei daher als nicht verkehrszuverlässig anzusehen, wobei auch kein Einwand gegen die schon im "bestätigten" Mandatsbescheid von der Erstbehörde vertretene Annahme bestehe, der Beschwerdeführer werde seine Verkehrszuverlässigkeit erst mit Ablauf des 30. Juni 1994 wieder erlangen.

Der Beschwerdeführer bekämpft diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Vorweg ist festzuhalten, daß die belangte Behörde - mangels Vorliegens einer sie bindenden Entscheidung der Verwaltungsstrafbehörde - die strittige Vorfrage, ob der Beschwerdeführer am 3. September 1993 eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b StVO 1960 i.V.m.

§ 5 Abs. 2 leg. cit. begangen habe und damit eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967 vorliege, gemäß § 38 AVG selbständig zu beurteilen hatte.

Der Beschwerdeführer bringt vor, er habe bei diesem Unfall eine 10 bis 12 cm lange Rißquetschwunde am Schädel und eine Gehirnerschütterung erlitten. Diese Gehirnerschütterung habe eine Bewußtseinsstörung hervorgerufen, weshalb er die Aufforderung zur Durchführung des Alkomattestes nicht verstanden habe und sohin auch eine Verweigerung nicht angenommen werden könne.

Die belangte Behörde holte zu dieser Frage ein amtsärztliches Gutachten ein, das auszugsweise folgenden Inhalt hatte:

"Die Frage, ob der Beschuldigte um 5.30 Uhr (Unfallzeitpunkt) oder 6.21 Uhr (Aufnahme im Krankenhaus und Diagnoseerstellung) bewußtlos oder stark bewußtseinsgetrübt war, oder ob er zum Unfallhergang konkrete Angaben machen kann oder nicht, weil er eine Gehirnerschütterung gehabt habe, ist für die Frage, ob er in der Lage war, den Alkomattest um

8.20 Uhr ordnungsgemäß durchzuführen bzw. ob er in der Lage war, die Aufforderung zu besagtem Test zu verstehen, ohne Bedeutung. Es wird von ihm ja keine Aussage zu dem Unfallhergang verlangt. Und eine Gehirnerschütterung ist definitionsgemäß eine kurzzeitige, also wenige Minuten, bis höchstens einer Viertelstunde andauernde Bewußtlosigkeit, aber kein tiefes Koma, daß man annehmen müßte, wenn man unterstellen wollte, daß er vom Unfall her noch drei Stunden später in seinem Bewußtsein so stark getrübt gewesen sei, daß er die Aufforderung zum Alkomattest nicht verstanden habe.

Von Bedeutung ist vielmehr in diesem Falle die Frage, ob Herr I., abgesehen von der Vorgeschichte, die ihn in diese Situation brachte, zum Zeitpunkt der Aufforderung, also am 3. September 1993 um 8.20 Uhr, gesundheitlich in der Lage war, die Aufforderung zur Alkomatuntersuchung zu verstehen und zu entscheiden, ob er sie durchführen will oder nicht und danach zu handeln.

Zu dieser Frage gibt die Aussage von Frau Dr. G nichts her, es sei denn, man mißt ihrer Aussage "es ist jedoch möglich, daß I. ca. drei Stunden nach dem Unfall die Aufforderung durchaus verstehen konnte," die gleiche Bedeutung bei wie ihrer vorherigen - schriftlichen (auf dem Krankenblatt) - Feststellung der Gehirnerschütterung zum Unfallszeitpunkt. Alle anderen Zeugen, die sich zu dieser Frage äußern, betonen übereinstimmend, daß Herr I. zum fraglichen Zeitpunkt durchaus bei Bewußtsein war und die an ihn gerichteten Fragen verstehen konnte und - so die sinngemäßen Aussagen - entsprechend reagierte.

Auf Grund dieser möglichen Befundaufnahme ergibt sich als Gutachten:

Es ist anzunehmen, daß der Beschuldigte infolge des Unfalls im Zusammenhang mit einer Rißquetschwunde am Schädel eine Gehirnerschütterung erlitten hat, die mit einer kurzzeitigen starken Bewußtseinstrübung bzw. Bewußtlosigkeit einhergegangen ist, die aufgrund der geschilderten Symptome auch als Gehirnerschütterung in das Krankenblatt eingetragen wurde. Es ist aber außer Zweifel - immer aufgrund der zugänglichen aktenmäßigen Befunde -, daß der Beschuldigte zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Alkomatuntersuchung durch die Gendarmerie am 4. September 1993 um 8.20 Uhr voll ansprechbar war, und es gibt keine konkreten Hinweise dafür, daß er die besagte Aufforderung zur Alkomatuntersuchung nicht verstanden bzw. die Folgen einer Verweigerung nicht einsehen und dementsprechend handeln hätte können. Es gibt auch keine Hinweise darauf, daß vielleicht eine verminderte Zurechnungsfähigkeit vorgelegen sein könnte ..."

Der Beschwerdeführer rügt dieses Gutachten als reines Aktengutachten als nicht hinreichend und unschlüssig. Mit der Problematik einer durch die Gehirnerschütterung hervorgerufenen Bewußtseinsstörung zum fraglichen Zeitpunkt setze sich der Sachverständige nicht auseinander. Er stützte sein Gutachten lediglich in unzureichender Weise auf die Aussagen der Gendarmeriebeamten.

Damit ist der Beschwerdeführer nicht im Recht:

Der Sachverständige verwertete als Grundlage für sein Gutachten, der Beschwerdeführer sei zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Ablegung des Alkomattests zurechnungsfähig gewesen, nicht nur die Angaben der Gendarmeriebeamten, sondern insbesondere auch die der Ärtztin, die den Beschwerdeführer behandelte. Aus diesen Angaben geht ebenfalls hervor, daß beim Beschwerdeführer lediglich für eine gewisse - kurze - Zeit eine Bewußtseinseinschränkung bestanden haben mag, jedoch keinerlei Anhaltspunkt dafür zu gewinnen ist, der Beschwerdeführer habe die an ihn in zeitlichem Abstand zum Unfall von nahezu 3 Stunden gerichtete Aufforderung nicht verstehen können bzw. nicht verstanden. Im übrigen hat der Sachverständige die von den Gendarmeriebeamten berichtete Art und Weise der Verweigerung als Indiz für die Zurechnungsfähigkeit des Beschwerdeführers gewertet. Darin kann eine Unschlüssigkeit des Gutachtens nicht erblickt werden (vgl. das einen ähnlichen Fall betreffende hg. Erkenntnis vom 23. September 1992, Zl. 92/03/0133).

Wenn die belangte Behörde aus den Aussagen der Gendarmeriebeamten folgerte, der Beschwerdeführer habe situationsbezogen reagiert, und nicht den Ausführungen des Beschwerdeführers folgte, ist dies das Ergebnis einer unbedenklichen Beweiswürdigung.

Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, die an ihn gerichtete Aufforderung zum Alkomattest an sich sei nicht deutlich genug gewesen, ist zu entgegnen, daß er dies erstmals in der Beschwerde vorträgt, es handelt sich somit um eine unzulässige Neuerung.

Die von der belangten Behörde angenommene bestimmte Tatsache im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967 ist daher gegeben. Unter Beachtung der von der belangten Behörde im Rahmen des § 66 Abs. 3 leg. cit. vorgenommenen Wertung des Vorlebens des Beschwerdeführers kann ihr daher nicht entgegengetreten werden, wenn sie wegen Verkehrsunzuverlässigkeit des Beschwerdeführers seine Lenkerberechtigung gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 entzogen und die Zeit gemäß § 73 Abs. 2 leg. cit. im oben dargestellten Ausmaß festgesetzt hat.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Alkotest Verweigerung Gutachten Beweiswürdigung der Behörde Gutachten rechtliche Beurteilung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995110070.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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