TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/18 W182 2242797-1

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Veröffentlicht am 18.08.2021
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Entscheidungsdatum

18.08.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §57
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs3
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W182 2242797-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. PFEILER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX StA. Armenien, vertreten durch RA Dr. Joachim Rathbauer, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.04.2021, Zl. 1275968606/210394076, gemäß § 28 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 (VwGVG) idgF, zu Recht erkannt:

A) Der bekämpfte Bescheid wird ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 (B-VG), nicht zulässig.


Text


Begründung:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Die beschwerdeführende Partei (im Folgenden: BF), eine Staatsangehörige von Armenien, wurde am XXXX im Bundesgebiet geboren.

Die Anträge auf internationalen Schutz ihrer Eltern vom 10.12.2015 wurden mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) vom 28.6.2017, Zlen. 1098480707-151971805 (Vater) und 1098480805-151971821 (Mutter), gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und ihnen der Status von Asylberechtigten nicht zuerkannt. Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 wurde ihnen der Status von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Armenien nicht zugesprochen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde ihnen nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurden Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in die Republik Armenien gemäß § 46 FPG zulässig ist. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen festgelegt.

Die dagegen erhobenen Beschwerden der Eltern wurden mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 01.02.2021, Zlen. L515 2164907-1/14E (Vater) und L515 2164909-1/14E (Mutter), mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 120 Tage beträgt.

2. Der Mutter der BF wurde seitens des Bundesamtes am 26.03.2021 zur beabsichtigten Rückkehrentscheidung gegen die BF eine schriftliche Verständigung von der Beweisaufnahme samt beigefügter Länderfeststellungen zu Armenien zugestellt. Von der für die Beantwortung eines Fragenkataloges sowie zur Möglichkeit einer schriftlichen Stellungnahme eingeräumten Frist von einer Woche wurde seitens der Vertretung der BF kein Gebrauch gemacht.

3. Mit dem oben im Spruch genannten bekämpften Bescheid des Bundesamtes vom 22.04.2021 wurde sohin der BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG), gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG), erlassen (Spruchpunkt II.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Armenien zulässig sei (Spruchpunkt III.), wobei unter Spruchpunkt IV. festgestellt wurde, dass die Frist für ihre freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

4. Gegen den Bescheid wurde seitens der BF binnen offener Frist in allen Spruchpunkten Beschwerde erhoben. Darin wurde im Wesentlichen die Erkrankung des Vaters ( XXXX ) sowie eine Behandlung der BF aufgrund „ XXXX “ geltend gemacht. Es wurde beantragt, den angefochtenen Bescheid aufzuheben.

5. Für die BF wurde am 12.07.2021 im Bundesgebiet ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 16.08.2021, Zl. 1275968606/210938637, wurde der Antrag gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 AsylG 2005 idgF abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 idgF nicht erteilt, gegen die BF gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 idgF, § 52 Abs. 2 Z 2 FPG idgF eine Rückkehrentscheidung erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Armenien zulässig sei.

Über den Antrag ist bislang noch keine rechtskräftige oder durchsetzbare Entscheidung ergangen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen und Beweiswürdigung:

Der unter Punkt I. widergegebene Verfahrensgang wird der Entscheidung als entscheidungsrelevanter Verfahrens-Sachverhalt zugrunde gelegt.

Der Sachverhalt ergibt sich zweifelsfrei aus dem zur im Spruch genannten Verfahrenszahl vorgelegten erstinstanzlichen Akt, der Beschwerdeschrift, dem vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes sowie der Mitteilung des Bundesamtes vom 16.08.2021 samt übermittelter Kopie des Bescheides vom 16.08.2021, Zl. 1275968606/210938637.

2. Rechtliche Beurteilung:

1. Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn (Z 1) der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder (Z 2) die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Zu Spruchteil A):

2.1. Laut Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist nach der mit dem Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz (FNG, BGBl. I Nr. 87/2012) geschaffenen Systematik der aufenthaltsbeendenden Maßnahmen die Erlassung einer Rückkehrentscheidung grundsätzlich nicht zulässig, bevor über den Antrag auf internationalen Schutz abgesprochen wurde. In einem solchen Fall ist ein anhängiges Rückkehrentscheidungsverfahren einzustellen (vgl. dazu etwa VwGH 20.09.2018, Zl. Ra 2018/20/0349; VwGH 26.06.2019, Zl. Ra 2019/21/0146). Dazu führte der Verwaltungsgerichtshof bereits im Erkenntnis vom 04.08.2016, Zl. Ra 2016/21/0162, aus, dass nach § 10 Abs. 1 AsylG 2005 die Rückkehrentscheidung mit der negativen Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz "zu verbinden" ist, nach § 52 Abs. 2 FrPolG 2005 hat sie "unter einem" zu ergehen; sie setzt also die Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz voraus. Auch dann, wenn ein Rückkehrentscheidungsverfahren - unabhängig vom Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz - bereits anhängig ist, darf die Rückkehrentscheidung (unbeschadet eines allenfalls weiter bestehenden unrechtmäßigen Aufenthalts des Fremden) grundsätzlich nicht vor der Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergehen. Zugleich mit der Rückkehrentscheidung ist nämlich die Feststellung nach § 52 Abs. 9 FrPolG 2005 zu treffen, dass die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist; dies würde aber - jedenfalls in Bezug auf den Herkunftsstaat - bedeuten, das Ergebnis des Verfahrens über den Antrag auf internationalen Schutz, in dem diese Frage erst zu klären ist, vorwegzunehmen (vgl. dazu auch VwGH 26.06.2019, Zl. Ra 2019/21/0146). Im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15.03.2018, Zl. Ra 2017/21/0138, wurde dargelegt, dass diese Überlegungen auch vor dem Hintergrund der seit 01.11.2017 geltenden neuen Rechtslage aufrechtzuerhalten sind (vgl. dazu auch VwGH 25.09.2018, Zl. Ra 2018/21/0107).

Eine bereits von der Behörde erlassene, mit Beschwerde bekämpfte Rückkehrentscheidung ist vom Bundesverwaltungsgericht ersatzlos zu beheben. Eine Aussetzung des Rückkehrentscheidungsverfahrens bis zur Beendigung des Verfahrens über den Antrag auf internationalen Schutz kommt nicht in Betracht, weil es nach der Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz jedenfalls einzustellen wäre: sei es, weil Asyl oder subsidiärer Schutz gewährt wurde, sei es, weil eine negative Entscheidung und damit einhergehend eine Rückkehrentscheidung gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 2 FPG bzw. ein Ausspruch über die dauerhafte Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder ein Ausspruch nach § 8 Abs. 3a AsylG 2005 (der seit dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2017, BGBl. I Nr. 145/2017, ebenfalls mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme zu verbinden ist) ergangen ist (vgl. VwGH 20.09.2018, Zl. Ra 2018/20/0349).

2.2. Für die BF wurde am 12.07.2021 ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt, über den noch nicht rechtskräftig entschieden wurde. Wie der Verwaltungsgerichtshof in den oben zitierten Erkenntnissen ausgeführt hat, ist in einem solchen Fall eine – wie hier – bereits erlassene erstinstanzliche, mit Beschwerde bekämpfte Rückkehrentscheidung samt damit verbundenen Spruchpunkten vom Bundesverwaltungsgericht ersatzlos zu beheben, um das Ergebnis des Verfahrens über den Antrag auf internationalen Schutz nicht in unzulässiger Weise vorwegzunehmen. Eine Aussetzung des Verfahrens kommt nicht in Betracht.

Unter Zugrundelegung der zitierten Judikatur war sohin der im Spruch genannte, bekämpfte Bescheid des Bundesamtes vom 22.04.2021 ersatzlos aufzuheben.

Da der Sachverhalt diesbezüglich auch als geklärt anzusehen ist, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG auch auf eine Verhandlung verzichtet werden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung mangelnder Anknüpfungspunkt Rückkehrentscheidung Voraussetzungen Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W182.2242797.1.00

Im RIS seit

16.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

16.12.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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