Entscheidungsdatum
11.10.2021Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
W136 2239156-1/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Brigitte HABERMAYER-BINDER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , vertreten durch die Rechtsanwälte Mag Stefan GEISLER und Mag. Markus GREDLER, gegen den mit Beschwerdevorentscheidung vom 12.01.2021 bestätigten Bescheid des Militärkommandos Tirol, Ergänzungsabteilung, vom 14.10.2020, Zl. P1438311/5-MilKdo T/Kdo/ErgAbt/2020, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 26 Abs. 1 Z 2 WG 2001 iVm § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang
1. Der am XXXX geborene Beschwerdeführer (BF) wurde mit Beschluss vom 14.07.2017 für tauglich befunden.
2. Am 27.08.2020 wurde dem BF ein Einberufungsbefehl für den Einrückungstermin 11.01.2021 rechtswirksam zu gestellt.
3. Mit Antrag vom 29.09.2020 ersuchte der BF um Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes und brachte dazu im Wesentlichen Folgendes vor:
Er habe mit Pachtvertrag vom 01.01.2019 den Hof XXXX , Betriebsnummer XXXX , in XXXX , von seinem Vater Herrn XXXX , geb. XXXX übernommen, der Pensionist sei. Es handle sich um einen Milchviebetrieb mit insgesamt 24 Großvieheinheiten, sie sich ganzjährig am Betrieb befänden und zweimal täglich gemolken würden. Der Hof befände sich auf 1.100 m Seehöhe, die Felder seien sehr steil und daher schwer zu bewirtschaften. Auch gehöre eine Aste auf 1200 m Seehöhe zum Hof, wo im Winter das Jungvieh untergebracht werde. Da im Winter keine Zufahrt mit dem Auto möglich sei, müsse täglich per Fußmarsch die Versorgung der Tiere gewährleistet werden. Sein Vater sei aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage im vollen Ausmaß am Betrieb mitzuhelfen, weshalb die meisten der ca. 3800 anfallenden Arbeitsstunden der BF leisten müsse. Die Anstellung einer Arbeitskraft wäre finanziell nicht möglich, sodass der BF im Falle der Leistung des Grundwehrdienstes den Hof aufgeben müsse. Er ersuche deshalb um Befreiung von der Ableistung des Grundwehrdienstes. Gleichzeitig legte der BF dazu den Pachtvertrag vom 01.01.2019 sowie U.
3. Mit Schreiben vom 22.09.2020 ersuchte das Militärkommando TIROL (nachfolgend belangte Behörde) die Landwirtschaftskammer Tirol um nähere Angaben zum Landwirtschaftsbetrieb und die Heimatgemeinde des BF um nähere Angaben zum Landwirtschaftsbetrieb, zu dessen Eigentümern bzw. allfälligen Pächtern, zum Wehrpflichtigen (Adresse, Berufsausbildung, allfällige Nebenbeschäftigungen und Sozialversicherung), zu allen mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen (v.a. Beruf und allfällige Mithilfe bzw. deren Zumutbarkeit) und zu vom elterlichen Wohnsitz verzogenen Geschwistern des Wehrpflichtigen zu machen und anzugeben, welche Gründe die Pachtung/Übernahme des Betriebes durch den Wehrpflichtigen unumgänglich gemacht hätten.
4. Mit Schreiben vom 12.10.2020 wurde seitens der ersuchten Gemeinde nähere Angaben zum landwirtschaftlichen Betrieb und den BF übermittelt. Zusammenfassend ergibt sich daraus, dass der BF eine Maurerlehre im Juli 2020 abgeschlossen habe. Der BF arbeite nebenbei noch in Vollzeit als Maurer, er sei der geplante Hofnachfolger. Am Hof würden seine Eltern und ein Bruder leben, der jedoch berufstätig sei. Der Vater des BF könne aufgrund seines Alters nur mehr leichte Arbeiten übernehmen. Seitens der Gemeinde werde eine Befreiung des BF befürwortet.
Mit Schreiben vom 07.10.2020 wurde seitens der ersuchten Landwirtschaftskammer Tirol nähere Angaben zum landwirtschaftlichen Betrieb und den BF übermittelt. Zusammenfassend ergibt sich daraus, dass der BF die Landeslehranstalt XXXX abgeschlossen und danach eine Maurerlehre absolviert hat. Der Hof, ein Bergbauerbetrieb der Erschwerniszone III, stehe im Eigentum des Vaters des BF und werde durch den BF als Pächter im Nebenerwerb bewirtschaftet. Der Vater des BF sei aufgrund seines Alters nicht in der Lage, schwere körperliche Arbeiten auszuführen, er helfe in einem geringen Umfang mit. Die Mutter führe den Haushalt und könne ebenso nur in einem geringen Umfang bei leichten Tätigkeiten mithelfen. Der um eineinhalb Jahre ältere Bruder des BF sei gelernter Mechatroniker und gehe einer Beschäftigung in XXXX nach. Er sei zwar noch am Hof gemeldet, sei jedoch meist bei seiner Freundin, die in naher Zukunft ein Kind erwarte und werde demnächst den Betrieb verlassen, um einen eigenen Haushalt zu gründen. Aufgrund seiner persönlichen Lebenssituation stehe der Bruder für eine Mithilfe kaum zur Verfügung. Im Bezirk XXXX stehe ein Maschinen- und Betriebshilfering, bei dem bei Bedarf Aushilfskräfte angefordert werden könnten, zur Verfügung, es sei allerdings schwierig bei Arbeitsspitzen eine entsprechend qualifizierte Aushilfskraft zu finden. Vor allem die tägliche Viehversorgung am Morgen und am Abend sowie Erntearbeiten im Sommer und Düngungsarbeiten im Frühling und im Herbst würden Schwerpunkte bei der Bewirtschaftung des Betriebes darstellen.
5. Mit dem bekämpften Bescheid vom 14.10.2020, wies die belangte Behörde den Antrag des BF vom 29.09.2020 auf Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes gemäß § 26 Abs. 1 Z 2 WG 2001 ab.
Hierzu wird in der Begründung nach Darlegung des bisherigen Verfahrensganges wie folgt ausgeführt (auszugsweise, Anonymisierung durch das BVwG):
„Aus den vom Militärkommando Tirol durchgeführten Erhebungen ergibt sich nachstehender Sachverhalt:
Gemäß Erhebung bei der Bezirkslandwirtschaftskammer XXXX ist Ihr Vater, XXXX , geb. XXXX Alleineigentümer des landwirtschaftlichen Betriebes XXXX XXXX . Der Betrieb wird im Pachtwege seit 01.01.2019 von Ihnen auf eigene Rechnung und Gefahr bewirtschaftet. Sie haben die Landeslehranstalt in XXXX besucht und diese mit dem Facharbeiterbrief abgeschlossen. Im Anschluss daran haben Sie noch eine Maurerlehre absolviert. Der Hof wird von Ihnen im Nebenerwerb bewirtschaftet. Der gegenständliche Betrieb umfasst eine Gesamtfläche von rund 9,33 ha Dauergrünland und ca. 2 ha Wald. Bei der landwirtschaftlich genutzten Fläche stehen rund 7.5 ha im Eigentum Ihres Vaters. Das Dauergrünland wird als mehrmähdiges Grünland bewirtschaftet. Es werden rund 1,8 ha Pachtgrund (Dauergrünland) bewirtschaftet. Beim Betrieb handelt es sich um einen landwirtschaftlichen Bergbauernbetrieb der Erschwerniszone III der aktuell mit 245 Erschwernispunkten bewertet ist. Am Hof ist eine Eimermelkanlage vorhanden mit welcher die Kühe ganzjährig am Hof gemolken werden. Weiters sind am Betrieb alle für eine ordnungsgemäße und ortsübliche Bewirtschaftung eines solchen Betriebes notwendigen Maschinen und Geräte vorhanden. Durchschnittlich werden am Hof 33 Rinder - davon 18 Milchkühe - gehalten, wobei die Milchkühe und die Kälber ganzjährig am Hof sind. Aufgrund der Auflassung der Milchkontingentierung gibt es lediglich einen Liefervertrag mit der Heumilchsennerei Fügen, an welchen ganzjährig die erzeugte Milch geliefert wird. Die Milch wird durch den Verarbeitungsbetrieb direkt am Hof abgeholt. Im Bezirk XXXX existiert ein Maschinen- und Betriebshilfering, von dem bei Bedarf Aushilfskräfte angefordert werden können. Es wird mit keinem Betrieb im Rahmen der Nachbarschaftshilfe zusammengearbeitet. Für den gegenständlichen Betrieb errechnet sich eine nachhaltige Kapitaldienstgrenze von € 38.787,- und ein betrieblicher Arbeitsaufwand von 2.904 Stunden was einen Arbeitskräftebedarf von 1,5 Personen gleichkommt.
Die behördlichen Erhebungen bei der Gemeinde XXXX haben Folgendes ergeben:
Der landwirtschaftliche Betrieb befindet sich im Eigentum Ihres Vaters, XXXX und wir seit dem 01.01.2019 von Ihnen im Pachtweg als Nebenerwerb geführt. Sie übernehmen, aufgrund des Alters und der gesundheitlichen Beeinträchtigung Ihres Vaters, im erheblichen Umfang alleine die anfallenden Tätigkeiten in der Landwirtschaft. Sie Arbeiten in Vollzeit als Maurer bei der Firma XXXX .
Im gemeinsamen Haushalt, XXXX sind neben Ihnen noch folgende Personen mit Hauptwohnsitz gemeldet.
- XXXX Nikolaus, Vater (Landwirt)
- XXXX Marianne, Mutter (Hausfrau)
- XXXX David, Bruder (Mechatroniker)
Nachdem ein für die Entscheidung ausreichender, in sich geschlossener Sachverhalt gegeben war, über welchen Sie uneingeschränkt in Kenntnis sind, konnte ein zusätzliches Parteiengehör unterbleiben.
[…]
Weiters ist entsprechend ständiger Spruchpraxis des Verwaltungsgerichtshofes jeder taugliche Staatsbürger unbeschadet des Grundrechtes auf freie Existenzgestaltung im Interesse einer Harmonisierung seiner beruflichen (wirtschaftlichen) bzw. familiären Gegebenheiten mit seiner öffentlich-rechtlichen Verpflichtung zur Leistung des gesetzlich vorgesehenen Präsenzdienstes verhalten, allenfalls im Einvernehmen mit seinen Angehörigen, seine Belange dahingehend auszurichten und hat im Falle seiner Heranziehung zum Wehrdienst mit der Unterbrechung der jeweiligen Berufsausübung – welcher Art immer – zu rechnen.
In diesem Zusammenhang ist in Ansehung eines nicht geleisteten Präsenzdienstes im Rahmen persönlicher und beruflicher Planung darauf entsprechend Bedacht zu nehmen und sind vorhersehbare Schwierigkeiten möglichst zu vermeiden bzw. zu verringern, nicht jedoch zu vergrößern oder gar erst zu schaffen; es ist somit Sache des Wehrpflichtigen, unter Bedachtnahme auf die gesetzliche Verpflichtung zur Leistung des Grundwehr-dienstes seine wirtschaftlichen Angelegenheiten so einzurichten, dass einer Einberufung keine vorhersehbaren Schwierigkeiten entstehen.
Wird diese Harmonisierungspflicht verletzt, so ist den allenfalls im Zuge einer Antragstellung daraus abgeleiteten wirtschaftlichen Interessen eine besondere Rücksichtswürdigkeit im Sinne der zitierten Gesetzesbestimmung abzusprechen.
In Ihrem Fall liegen zwar wirtschaftliche Interessen Ihrerseits als Pächter des gegenständlichen landwirtschaftlichen Betriebes vor, jedoch ist diesen auf Grund nachstehender Erwägungen eine besondere Rücksichtswürdigkeit im Sinne der Gesetzesbestimmung nicht zuzumessen.
Die Interessen hinsichtlich der Aufrechterhaltung bzw. Fortführung der betreffenden Landwirtschaft sind zum gegebenen Zeitpunkt als im zumindest gleichen Maße wie bei Ihnen, bei Ihrem Vater als Eigentümer des landwirtschaftlichen Betriebes gelegen anzusehen.
Zumindest seit Ihrer erstmaligen Stellungsuntersuchung (14.11.2017) bzw. seit der Aufforderung zu dieser hätten Sie die Planung und Gestaltung Ihrer privaten wirtschaftlichen (beruflichen) Angelegenheiten im Sinne einer Harmonisierung mit der öffentlich-rechtlichen Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes so vorzunehmen gehabt, dass für den Fall der zu erwartenden Einberufung vorhersehbare oder zu befürchtende Schwierigkeiten vermieden oder möglichst verringert werden.
Es ist dem vorliegenden Sachverhalt nicht zu entnehmen, dass unvorhergesehene Ereignisse es Ihnen nicht erlaubt hätten, mit der Pachtung des landwirtschaftlichen Betriebes bis nach Ableistung des Grundwehrdienstes zuzuwarten.
Ungeachtet dessen erfolgte Ihre Pachtung am 01.01.2019 ohne Bedachtnahme auf Ihre noch bevorstehende Präsenzdienstleistung. Sie haben somit Ihre wirtschaftlichen Angelegenheiten nicht mit Ihrer öffentlichen Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes harmonisiert, was die besondere Rücksichtswürdigkeit Ihrer wirtschaftlichen Interessen ausschließt.
Der Grundsatz der Dispositionspflicht im Hinblick auf eine bevorstehende Präsenzdienst-leistung ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch auf den Fall zu übertragen, dass sich der Wehrpflichtige auf die angebliche Bedrohung seiner Existenz beruft (vgl. Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 01.12.1992, Zl. 92/11/ 0252, und vom 27.04.1995, Zl. 95/11/0015).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es auch nicht Angelegenheit der Behörde, Ihnen bzw. dem Besitzer des landwirtschaftlichen Betriebes Problemlösungen hinsichtlich Ihrer eingeschränkten Verfügbarkeit während Ihrer Präsenzdienstleistung aufzuzeigen, sondern es ist Ihre Sache, bzw. die des Eigentümers, die Interessenslage mit der noch nicht erfolgten Erfüllung Ihrer Präsenzdienstpflicht in Einklang zu bringen.
Schließlich werden auch Sie selbst während der Leistung des Grundwehrdienstes nach Maßgabe der dienstfreien Zeit, insbesondere aber an den Wochenenden, Gelegenheit haben, auf dem Betrieb unterstützend mitzuwirken.
Das Militärkommando Tirol weist auch darauf hin, dass Sie bei vereinzelt anfallenden Arbeiten, die Ihre persönliche Anwesenheit erforderlich erscheinen lassen, die Möglichkeit haben, bei Ihrem Einheitskommandanten eine Dienstfreistellung im Sinne des § 45 Abs. 4 des im Spruch zitierten Wehrgesetzes 2001 zu beantragen.
Es liegen auch keine besonders rücksichtswürdigen familiären Interessen vor, die Ihre Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes rechtfertigen würden. Dies deshalb, weil nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besonders rücksichtswürdige familiäre Interessen im Sinne des § 26 leg. cit. nur dann vorliegen, wenn ein Familienangehöriger in seinen eigenen Belangen der Unterstützung des Wehrpflichtigen bedarf, die ihm dieser aber wegen der Leistung des Grundwehrdienstes nicht gewähren kann und wenn der unterstützungsbedürftige Familienangehörige als Folge des Ausbleibens dieser Unterstützung in seiner Gesundheit oder in sonstigen lebenswichtigen Interessen gefährdet würde (vergleiche dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30.03.1993, Zl.93/11/0042). Die Gefährdung der Gesundheit von Familienangehörigen etwa in Form einer Pflegebedürftigkeit durch Ihre Leistung des Grundwehrdienstes haben Sie nicht geltend gemacht und war dem Antrag auch nicht zu entnehmen.
[…]
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.“
6. Gegen diesen Bescheid erhob der BF am 08.11.2020 fristgerecht Beschwerde und führte begründend darin Folgendes aus: Die belangte Behörde habe Erhebungen bei der Gemeinde als bei der BLK durchgeführt, jedoch die Erhebungsergebnisse nicht vollständig in den Bescheid aufgenommen und auch dem BF keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, was sein Rechts auf Parteiengehör verletze. Es stelle sich die Frage, ob die an die Gemeinde gestellten Fragen nicht die Persönlichkeitsrechte der Eltern und des Bruders des BF verletzen. Zur Verletzung der von der belangten Behörde festgestellten Harmonisierungspflicht werde mitgeteilt, dass der BF habe den Betrieb gepachtet habe, weil die Gesundheit seines Vaters aufgrund dessen Alters angeschlagen sei. Wenn die belangte Behörde darauf verweise, dass der BF nach Maßgabe der dienstfreien Zeit auch während des Grundwehrdienstes Gelegenheit haben werde, im Betrieb unterstützend mitzuwirken, sei darauf zu verweisen, dass er während des Grundwehrdienstes nicht mehr in der Lage sein werde morgens und abends am Betrieb tätig zu sein. Zudem wäre sein Vater in seiner Gesundheit oder sonstigen lebenswichtigen Interessen gefährdet, wenn die Unterstützung des BF ausbliebe. Es stelle sich die Frage, wie die belangte Behörde ohne medizinisches Gutachten feststellen könne, dass die Gesundheit des Vaters des BF nicht gefährdet wäre. Der Bruder des BF sei mittlerweile mit seiner Freundin und ihrem gemeinsamen neugeborenen Sohn zusammengezogen und lebe nicht mehr am Hof. Fremde Arbeitskräfte oder der Maschinenring seien wegen der finanziellen Belastungen nicht in Anspruch genommen werden, seine Mutter, geboren XXXX , sei Bäuerin, den ganzen Tag beschäftigt und habe seit 22 Jahren keinen Urlaub gehabt. Er ersuche um faire Bewertung der Argumente und eine unvoreingenommene Entscheidung.
Der Beschwerde waren folgende Unterlagen beigelegt: 1.) Ärztliches Attest des Dr. XXXX , Allgemeinmediziner, wonach der Vater des BF chronisch krank sei, weshalb er den Betrieb nicht führen könne und auf die Hilfe seines Sohnes angewiesen sei; 2.) Berufsschulzeugnis des BF; 3.) Geburtsurkunde des Neffen des BF, Meldezettel des Bruders des BF und dessen Anmeldung zur Werkmeisterschule; 4.) Empfehlungsschreiben des Arbeitgebers des BF mit dem Ersuchen, diesen derzeit nicht einzuberufen.
7. Über Aufforderung der belangten Behörde, einen Facharztbefund betreffend den Gesundheitszustand seines Vaters vorzulegen, übermittelte der BF eine radiologische Befundnachricht seines Vaters.
8. Mit Schreiben vom 16.1.2020 teilte die belangte Behörde dem BF mit, dass mit Einberufungsbefehl des Militärkommandos Tirol der Einrückungstermin vom 11.01.2021 auf den 06.04.2021 abgeändert wurde, damit gegenständliches Verfahren vor einem tatsächlichen Antritt des Grundwehrdienstes abgeschlossen werden könne. Unter einem wurde dem BF folgendes Parteien gehör zur Stellungnahme binnen zwei Wochen eingeräumt (auszugsweise, Anonymisierung durch das BVwG):
„[…] Am Hof ist eine Eimermelkanlage vorhanden mit welcher die Kühe ganzjährig am Hof gemolken werden. Weiters sind am Betrieb alle für eine ordnungsgemäße und ortsübliche Bewirtschaftung eines solchen Betriebes notwendigen Maschinen und Geräte vorhanden. Durchschnittlich werden am Hof 33 Rinder - davon 18 Milchkühe - gehalten, wobei die Milchkühe und die Kälber ganzjährig am Hof sind. Aufgrund der Auflassung der Milchkontingentierung gibt es lediglich einen Liefervertrag mit der Heumilchsennerei Fügen, an welchen ganzjährig die erzeugte Milch geliefert wird. Die Milch wird durch den Verarbeitungsbetrieb direkt am Hof abgeholt. Im Bezirk XXXX existiert ein Maschinen- und Betriebshilfering, von dem bei Bedarf Aushilfskräfte angefordert werden können. Es wird mit keinem Betrieb im Rahmen der Nachbarschaftshilfe zusammengearbeitet. Für den gegenständlichen Betrieb „ XXXX “ errechnet sich eine nachhaltige Kapitaldienstgrenze von € 38.787,- und ein betrieblicher Arbeitsaufwand von 2.904 Stunden was einen Arbeitskräftebedarf von 1,5 Personen gleichkommt.
Im gemeinsamen Haushalt, XXXX sind neben Ihnen noch folgende Personen mit Hauptwohnsitz gemeldet.
- XXXX , Vater (Pensionist)
- XXXX , Mutter (Hausfrau)
Die vorgelegten Befunde Ihres Vaters von Herrn Dr. med. XXXX und der Röntgenpraxis XXXX wurden dem militärischen Sachverständigen ObstA Dr. med. MAYR Andreas zur Beurteilung vorgelegt. Dieser kam zur Entscheidung, dass Ihrem Vater schwere körperliche Arbeiten und Überkopfarbeiten nicht mehr zugemutet werden können, die eigenständige Führung eines landwirtschaftlichen Betriebes ist nur schwer vorstellbar. Die vorgelegte Befund-CD wurde Ihnen, aufgrund der nicht vorhandenen technischen Möglichkeit zum Lesen dieser Befunde, am 30.11.2020 rückübermittelt und in der Beweisaufnahme nicht berücksichtigt. Diese Befunde können gerne in schriftlicher Form zur Beurteilung nachgereicht werden.
Ihre Mutter XXXX , geb. XXXX ist Hausfrau und Bäuerin. Sie führt den Haushalt und hilft bei zahlreichen Arbeiten in der Landwirtschaft (Heuernte, ausmisten, füttern der Tiere, Reinigung des Melkgeschirrs usw.) mit.
Ihr Bruder XXXX , Mechatroniker, wohnhaft seit XXXX in XXXX , ist berufstätig und besucht vom XXXX die Werkmeisterschule - XXXX .
Sie Arbeiten in Vollzeit als Maurer bei der Firma XXXX . […]“
Dazu gab der BF mit Schreiben vom 29.12.2020 im Wesentlichen an, dass bei der angegebenen Kapitaldienstgrenze sein Einkommen, welches er bei der Fa. XXXX erhalte, bereits eingerechnet sei. Hinsichtlich eines Einsatzes von Aushilfskräften durch den Maschinenring sei es bei Arbeitsspitzen extrem schwierig qualifizierte Kräfte zu erhalten.
9. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 12.01.2021 wies die belangte Behörde die Beschwerde ab und bestätigte den angefochtenen Bescheid. Hierzu wird in der Begründung nach Darlegung des bisherigen Verfahrensganges und Feststellungen zum Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht Folgendes ausgeführt (auszugsweise, Anonymisierung durch das BVwG):
Das Militärkommando TIROL hat nach Prüfung und Beurteilung des vorliegenden Sachverhaltes Folgendes erwogen:
„Die Abweisung Ihres Antrages auf Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes erfolgte zu Recht.
Nach bestehender Rechtslage werden wirtschaftliche bzw. familiäre Interessen im Sinne der vorangeführten Gesetzesbestimmung im Wesentlichen lediglich durch konkrete, weitgehend gefährdete Eigentumsrechte des betroffenen Wehrpflichtigen selbst hinsichtlich seiner betrieblichen Existenzgrundlage bzw. durch die ausschließliche Abhängigkeit einer allenfalls gegebenen Unterstützungsbedürftigkeit eines nahen Familienangehörigen in lebenswichtigen Belangen von der uneingeschränkten Verfüg-barkeit des Antragstellers begründet.
Weiters ist entsprechend ständiger Spruchpraxis des Verwaltungsgerichtshofes jeder taugliche Staatsbürger unbeschadet des Grundrechtes auf freie Existenzgestaltung im Interesse einer Harmonisierung seiner beruflichen (wirtschaftlichen) bzw. familiären Gegebenheiten mit seiner öffentlich-rechtlichen Verpflichtung zur Leistung des gesetzlich vorgesehenen Präsenzdienstes verhalten, allenfalls im Einvernehmen mit seinen Angehörigen, seine Belange dahingehend auszurichten und hat im Falle seiner Heranziehung zum Wehrdienst mit der Unterbrechung der jeweiligen Berufsausübung – welcher Art immer – zu rechnen.
In diesem Zusammenhang ist in Ansehung eines nicht geleisteten Präsenzdienstes im Rahmen persönlicher und beruflicher Planung darauf entsprechend Bedacht zu nehmen und sind vorhersehbare Schwierigkeiten möglichst zu vermeiden bzw. zu verringern, nicht jedoch zu vergrößern oder gar erst zu schaffen; es ist somit Sache des Wehrpflichtigen, unter Bedachtnahme auf die gesetzliche Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes seine wirtschaftlichen Angelegenheiten so einzurichten, dass einer Einberufung keine vorhersehbaren Schwierigkeiten entstehen.
Wird diese Harmonisierungspflicht verletzt, so ist den allenfalls im Zuge einer Antragstellung daraus abgeleiteten wirtschaftlichen Interessen eine besondere Rücksichtswürdigkeit im Sinne der zitierten Gesetzesbestimmung abzusprechen.
In Ihrem Fall liegen zwar wirtschaftliche Interessen Ihrerseits als Pächter des gegenständlichen landwirtschaftlichen Betriebes vor, jedoch ist diesen auf Grund nachstehender Erwägungen eine besondere Rücksichtswürdigkeit im Sinne der Gesetzesbestimmung nicht zuzumessen.
Die Interessen hinsichtlich der Aufrechterhaltung bzw. Fortführung der betreffenden Landwirtschaft sind zum gegebenen Zeitpunkt als im zumindest gleichen Maße wie bei Ihnen, bei Ihrem Vater als Eigentümer des landwirtschaftlichen Betriebes gelegen anzusehen.
Zumindest seit Ihrer erstmaligen Stellungsuntersuchung (14.11.2017) bzw. seit der Aufforderung zu dieser hätten Sie die Planung und Gestaltung Ihrer privaten wirtschaftlichen (beruflichen) Angelegenheiten im Sinne einer Harmonisierung mit der öffentlich-rechtlichen Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes so vorzunehmen gehabt, dass für den Fall der zu erwartenden Einberufung vorhersehbare oder zu befürchtende Schwierigkeiten vermieden oder möglichst verringert werden.
Es ist dem vorliegenden Sachverhalt nicht zu entnehmen, dass unvorhergesehene Ereignisse es Ihnen nicht erlaubt hätten, mit der Pachtung des landwirtschaftlichen Betriebes bis nach Ableistung des Grundwehrdienstes zuzuwarten.
Ungeachtet dessen erfolgte Ihre Pachtung am 01.01.2019 ohne Bedachtnahme auf Ihre noch bevorstehende Präsenzdienstleistung. Sie haben somit Ihre wirtschaftlichen Angelegenheiten nicht mit Ihrer öffentlichen Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes harmonisiert, was die besondere Rücksichtswürdigkeit Ihrer wirtschaftlichen Interessen ausschließt.
Der Grundsatz der Dispositionspflicht im Hinblick auf eine bevorstehende Präsenzdienst-leistung ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch auf den Fall zu übertragen, dass sich der Wehrpflichtige auf die angebliche Bedrohung seiner Existenz beruft (vgl. Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 01.12.1992, Zl. 92/11/ 0252, und vom 27.04.1995, Zl. 95/11/0015).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es auch nicht Angelegenheit der Behörde, Ihnen bzw. dem Besitzer des landwirtschaftlichen Betriebes Problemlösungen hinsichtlich Ihrer eingeschränkten Verfügbarkeit während Ihrer Präsenzdienstleistung aufzuzeigen, sondern es ist Ihre Sache, bzw. die des Eigentümers, die Interessenslage mit der noch nicht erfolgten Erfüllung Ihrer Präsenzdienstpflicht in Einklang zu bringen.
Schließlich werden auch Sie selbst während der Leistung des Grundwehrdienstes nach Maßgabe der dienstfreien Zeit, insbesondere aber an den Wochenenden, Gelegenheit haben, auf dem Betrieb unterstützend mitzuwirken.
Das Militärkommando Tirol weist auch darauf hin, dass Sie bei vereinzelt anfallenden Arbeiten, die Ihre persönliche Anwesenheit erforderlich erscheinen lassen, die Möglichkeit haben, bei Ihrem Einheitskommandanten eine Dienstfreistellung im Sinne des § 45 Abs. 4 des im Spruch zitierten Wehrgesetzes 2001 zu beantragen.
Es liegen auch keine besonders rücksichtswürdigen familiären Interessen vor, die Ihre Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes rechtfertigen würden. Dies deshalb, weil nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besonders rücksichtswürdige familiäre Interessen im Sinne des § 26 leg. cit. nur dann vorliegen, wenn ein Familienangehöriger in seinen eigenen Belangen der Unterstützung des Wehrpflichtigen bedarf, die ihm dieser aber wegen der Leistung des Grundwehrdienstes nicht gewähren kann und wenn der unterstützungsbedürftige Familienangehörige als Folge des Ausbleibens dieser Unterstützung in seiner Gesundheit oder in sonstigen lebenswichtigen Interessen gefährdet würde (vergleiche dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30.03.1993, Zl.93/11/0042).
Die Gefährdung der Gesundheit von Familienangehörigen etwa in Form einer Pflegebedürftigkeit durch Ihre Leistung des Grundwehrdienstes haben Sie nicht geltend gemacht und war dem Antrag auch nicht zu entnehmen.
Hinsichtlich Ihrer eingebrachten Beschwerde und der von Ihnen getätigten Stellungnahme im Rahmen des Parteiengehörs hat die ho. Behörde in der vorliegenden Beschwerdevorentscheidung Folgendes erwogen und entschieden:
Ihren eingebrachten Beschwerdegründe der Rechtswidrigkeit, der mangelhaften und fehlerhaften Beweiswürdigung sowie der Nichtgewährung des Parteiengehörs werden als nicht begründet gewertet und können keine Änderung der vom Militärkommando Tirol getroffenen Entscheidung bewirken.
Dieser Entscheidung liegen folgende Überlegungen zugrunde:
Es obliegt der bescheiderlassenden Behörde zu entscheiden, welche Erhebungsergebnisse für die Bescheiderlassung als relevant angesehen werden. Es ist keineswegs verpflichtend, alle Erhebungsergebnisse - womöglich wörtlich oder vollständig - zu übernehmen, sondern es ist völlig ausreichend, die erheblichen und für die Entscheidung maßgeblichen Fakten zusammenzufassen und in den Bescheid einzuarbeiten.
Die Erhebungen wurden im Rahmen eines Amtshilfeverfahrens an die Gemeinde XXXX bzw. an die Bezirkslandwirtschaftskammer XXXX gerichtet. Sollten die dort aufliegenden Daten für die Beantwortung der Fragen nicht ausreichen, wird davon ausgegangen, dass der betreffende Wehrpflichtige als Auskunftsperson befragt wird und nicht Auskünfte von Drittpersonen, im gegebenen Fall von Ihrer Mutter, eingeholt werden. Das Militärkommando Tirol musste also davon ausgehen, dass die Auskünfte von Ihnen erteilt wurden und Sie daher sehr wohl über den Sachverhalt uneingeschränkt in Kenntnis sind.
Darüber hinaus wurde dieser angebliche Mangel durch die Gewährung eines Parteien-gehörs im Zuge des Beschwerdeverfahrens behoben und Ihnen die Gelegenheit eingeräumt, nochmals Stellung zum Erhebungsergebnis zu nehmen. Von dieser Möglichkeit haben Sie auch Gebrach gemacht.
Ihre Behauptung, die Gemeinde wäre über das Alter bzw. den Beruf der Eltern Ihres Vaters bzw. Ihrer Mutter befragt worden, entspricht nicht den Tatsachen, so dass auch nicht näher auf die von Ihnen daraus gezogenen Schlussfolgerungen (Pflicht zur Mithilfe, Disposition und Harmonisierung für die Eltern Ihrer Eltern) eingegangen wird.
Im Punkt 5 des Fragebogens werden Angaben zu den Eltern (…) des WEHRPFLICHTIGEN, sofern diese nicht in gemeinsamen Haushalt wohnen, erbeten. Wenn eine derart klar formulierte Frage vom Bearbeiter der Gemeinde oder von der Auskunftsperson nicht richtig verstanden bzw. interpretiert wird, liegt dies nicht im Verantwortungsbereich der ho. Behörde.
Richtig ist, dass über die Personalien der nächsten Angehörigen väterlicher- bzw. mütterlicherseits Erhebungen gepflogen werden und deren Lebensumstände ggf. bei der Gesamtbeurteilung der familiären Verhältnisse Berücksichtigung finden können. Durch diese Erhebungen werden weder Persönlichkeitsrechte noch Datenschutz-bestimmungen verletzt.
Die wirtschaftlichen bzw. privaten Verhältnisse Ihres Bruders David, der zum Zeitpunkt der Erhebung noch in gemeinsamen Haushalt mit Ihnen und Ihren Eltern lebte, sind für die Beurteilung des Sachverhalts von essentieller Bedeutung, da zur Unterstützung Ihres Vaters nicht nur Sie, sondern alle Familienangehörigen heranzuziehen sind.
Die Unterstützungspflicht betreffend Ihren Vater trifft also nicht ausschließlich Sie, sondern auch Ihre Mutter und Ihren Bruder. Das ergibt sich zum einem aus § 90 des Allgemein Bürgerlichen Gesetzbuches, wonach Ehegatten zum Beistand verpflichtet sind, sowie zum anderen aus § 137 leg. cit. wonach Eltern und Kinder einander beizustehen haben.
In diesem Konnex verweist die ho. Behörde auf die Rechtsprechung des Verwaltungs-gerichtshofes, wonach zur Unterstützung eines Familienmitgliedes nicht ausschließlich der Sohn, der zur Erfüllung seiner Wehrpflicht einberufen werden soll, sondern vielmehr die gesamte Familie berufen ist (vergleiche dazu das Erkenntnis des Verwaltungs-gerichtshofes vom 08. Mai 1990, Zl. 89/11/0056). Es ist daher auch Ihr Bruder dazu verhalten, Ihre Eltern in Ausnahmefällen zu unterstützen.
Die Bescheid erlassende Behörde anerkennt zwar, dass die berufliche Tätigkeit bzw. die familiäre Situation Ihres Bruders eine Unterstützung erschwert, vertritt jedoch gleichzeitig die Ansicht, dass eine solche Unterstützung im Bedarfsfall nicht grundsätzlich unmöglich, sondern bei entsprechender Disposition vor allem in der Freizeit und an Wochenenden, zumutbar und wirksam wäre.
Darüber hinaus haben auch jene Familienmitglieder, deren Unterstützungsbedürftigkeit der Wehrpflichtige geltend macht, ihre wirtschaftlichen Angelegenheiten unter Bedachtnahme auf die Präsenzdienstpflicht des Wehrpflichtigen einzurichten. Sie haben daher so zu disponieren, dass der Wehrpflichtige während der Erfüllung seiner Präsenzdienst-pflicht ausreichend vertreten werden kann (vergleiche dazu die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 01. Dezember 1992, Zl. 92/11/0113, und vom 01. Oktober 1996, Zl. 95/11/0314).
Es sind somit auch Ihre Eltern in Kenntnis Ihres noch ausstehenden Grundwehrdienstes dazu verhalten, entsprechende Dispositionen für die Dauer Ihrer präsenzdienstbedingten Abwesenheit zu treffen.
Nötigenfalls ist auch eine vorübergehende Einschränkung der Tierhaltung, auch wenn diese mit Einkommenseinbußen verbunden ist, zu überlegen und generell zumutbar (vergleiche dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. September 1986, Zl. 86/12/0137).
Es liegt der ho. Behörde fern, Ihrem Vater das „Recht auf Pension“ abzusprechen. Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass Dispositionen getroffen werden müssen, um dem zur Leistung des Präsenzdienstes heranzuziehenden Wehrpflichtigen diese gesetzliche Verpflichtung auch zu ermöglichen. Hinsichtlich der gesundheitlichen Probleme Ihres Vaters siehe die weiter unten angeführten Überlegungen bei der Beurteilung über das Vorliegen besonders rücksichtswürdiger familiärer Interessen.
Ihre philosophischen Überlegungen über Betriebsschließungen, Hofnachfolge, System-relevanz der Landwirtschaft, Eigenversorgung Österreichs, Landschaftspflege u. ä. sind zwar von allgemeinem Interesse, stellen aber im vorliegenden Verwaltungsverfahren keine entscheidungsrelevanten Fakten dar, die bei der Erlassung des vorliegenden Bescheids in Erwägung gezogen werden könnten.
Auch wenn Sie nicht um Lösungsvorschläge gebeten haben, kann die ho. Behörde darauf verweisen, dass es ausschließlich Sache des Wehrpflichtigen bzw. des Besitzers des landwirtschaftlichen Betriebs ist, gangbare Wege, die die Erfüllung der Wehrpflicht nicht gefährden, zu finden.
Es steht Ihnen frei, bei Ihrer Einheit um eine dauerhafte Heimschläfer-Genehmigung anzusuchen, wodurch Sie – genauso wie während Ihres Berufsschulbesuches – in die Lage versetzt würden, täglich heimzufahren und am Hof tätig zu sein.
Hinsichtlich der besonders rücksichtswürdigen familiären Verhältnisse wird Folgendes festgestellt:
Die ho. Behörde verlangt keineswegs, Ihr Vater „solle halt mehr arbeiten“. Wie Sie selbst anführen, wird Ihr Vater nicht nur von Ihnen, sondern auch von Ihrer Mutter und Ihrem Bruder unterstützt.
Es scheint daher durchaus zumutbar, dass unter Zugrundelegung entsprechender Dispositionen ein modus operandi gewählt wird, der eine ordnungsgemäße Bewirtschaftung des ggstdl. landwirtschaftlichen Betriebs bei einem Arbeitskräftebedarf von 1,5 Personen (Arbeitsaufwand von 2904 Stunden gemäß Angaben der Bezirkslandwirtschaftskammer XXXX ) ermöglicht.
Ob dies im Rahmen einer Aufteilung der Aufgaben innerhalb des Familienverbandes, durch Beiziehung externer Hilfskräfte oder durch eine vorübergehende Reduzierung des Betriebsgeschehens passiert, liegt in Ihrer bzw. Ihres Vaters Lösungskompetenz.
Vom militärärztlichen Sachverständigen wurde Ihrem Vater zwar eine einschränkende Minderung seiner Arbeitsfähigkeit (schwere körperliche Arbeiten und Überkopfarbeiten, eigenständige Führung eines landwirtschaftlichen Betriebes) attestiert, Es liegen daher auch familiäre Rücksichten vor, die vom Gesetz erforderte besondere Rücksichtswürdigkeit kann Ihnen jedoch nicht beigemessen werden, da eine Aufrechterhaltung des Betriebes unter Beachtung der oben angeführten Dispositionspflichten auch bei körperlicher Einschränkung Ihres Vaters machbar scheint.
Unter dem Ausdruck „Pflegefall“ wird im allgemein gebräuchlichen Sprachgebrauch die Situation einer zu betreuenden Person verstanden, die einer pflegerischen Betreuung bedarf und ohne diese Betreuung den Anforderungen des täglichen Lebens nicht mehr eigenständig gewachsen ist. Auch ohne das Vorliegen medizinischer Gutachten kann in der vorliegenden Causa den Ausführungen in Ihrem Befreiungsantrag entnommen werden, dass es sich im Falle Ihres Vaters nicht um einen „Pflegefall“ im eigentlichen Wortsinn handelt.
Wie bereits ausgeführt, obliegt es Ihnen bzw. Ihrem Vater als Besitzer, entsprechende Voraussetzungen zu schaffen, dass die Führung der Landwirtschaft auch unter Berück-sichtigung der eingeschränkten Einsatzfähigkeit Ihres Vaters aufrechterhalten werden kann.
Ihre – polemische – Frage, ob Ihr Bruder auf Grund Ihres noch nicht abgeleisteten Präsenzdienstes nicht Vater werden und nicht mit seiner Freundin zusammenziehen hätte dürfen, wir als rhetorische Frage qualifiziert, wodurch sich eine Beantwortung erübrigt. Auf die Pflichten Ihres Bruders zur Unterstützung Ihrer Eltern wurde in diesem Bescheid (s. Seite 10f) bereits ausführlich eingegangen.
Die durch gesetzliche Auflagen notwendig werdenden und geplanten Maßnahmen stellen ein in der Zukunft gelegenes Ereignis dar und können zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung keine Berücksichtigung finden. Zudem muss bei Planung bzw. späterer Ausführung auf das Faktum Ihres noch nicht geleisteten Präsenzdienstes Rücksicht genommen werden.
Ihren Ausführungen ist zu entnehmen, dass Ihre Mutter bereits jetzt zahlreiche Arbeiten in der Landwirtschaft erledigt und es kann ihr daher zugemutet werden, dies für einen zeitlich begrenzten Zeitraum während Ihrer Präsenzdienstleistung weiter fortzuführen.
Es ist nicht Aufgabe der ho. Behörde, irgendwelche „Beweise“ vorzulegen, welche Arbeiten Ihre Mutter zu erledigen habe, sondern es liegt – wie oben dargelegt – an Ihnen und Ihrem Vater eine allen zumutbare Arbeitsaufteilung zu treffen.
Der Wille des Gesetzgebers hinsichtlich der Möglichkeit einer Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes ergibt sich einerseits aus dem Wehrgesetz und seinen Ausführungsbestimmungen, andererseits aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. der Bundesverwaltungsgerichte. Das Militärkommando orientiert sich ausschließlich an diesen legistischen Vorgaben.
Der impliziert ausgedrückte Vorwurf, das Militärkommando Tirol würde durch die Erlassung dieses abweisenden Bescheides gegen Grundsätze des Rechtsstaates verstoßen bzw. Grund- und Menschenrechte verletzen, wird auf das Schärfste zurückgewiesen. […]
Zu der im Rahmen des Parteiengehörs vorgebrachten Stellungnahme wird Folgendes festgestellt:
Dass die Bezirkslandwirtschaftskammer laut Ihren Angaben Ihr Einkommen bei der Firma XXXX in die Kapitaldienstgrenze miteingerechnet hat, wird ho. zur Kenntnis genommen.
Es wird auch nicht bezweifelt, dass der Einsatz von Aushilfskräften bzw. eine Einstellung von Fremdarbeitskräften Schwierigkeiten mit sich bringen kann, dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass eine solche Vorgangsweise eine mögliche Alternative unter mehreren darstellt und im Bedarfsfall konkret in Erwägung gezogen werden muss, um dem Wehrpflichtigen die Leistung des Präsenzdienstes zu ermöglichen. […]
Die vorgelegten Befunde und Atteste wurden vom militärärztlichen Gutachter als Grundlage für seine Entscheidung herangezogen. Es erhebt sich daher in keiner Weise die Frage einer mangelnden Glaubwürdigkeit der behandelnden Ärzte.
Der in Ihrem Besitz befindliche Einberufungsbefehl für Jänner 2021 wurde vorderhand auf den Einberufungstermin April 2021 abgeändert, um das vorliegende Verfahren abwickeln zu können. Es handelt sich hiebei um ein Entgegenkommen des Militärkommandos Tirol, da eine Antragstellung auf Befreiung grundsätzlich eine Einberufung nicht hindert, d. h. ohne Abänderung der Einberufung hätten Sie den Einberufungstermin 11.01.2021 wahrnehmen müssen, obwohl das Befreiungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist. Es steht Ihnen frei, nach rechtskräftiger Entscheidung über Ihren Antrag ggf. um eine für Sie zeitlich und örtlich möglichst günstige Einberufung zu ersuchen. […]
Eine nähere Erörterung Ihres sonstigen Beschwerdevorbringens konnte im Hinblick Eine nähere Erörterung Ihres sonstigen Beschwerdevorbringens konnte im Hinblick auf die oben angeführten Erwägungen unterbleiben, zumal sie zu keiner anderen Entscheidung als zur Abweisung Ihrer Beschwerde hätte führen können.“
10. Mit Schreiben vom 24.01.2021 stellte der BF den Antrag, dass seine Beschwerde dem BVwG vorgelegt werde und nahm gleichzeitig zur Begründung der Beschwerdevorentscheidung Stellung.
11. Mit Anschreiben der belangten Behörde vom 29.01.2021 (hg. eingelangt am selben Tag) wurden die Beschwerde und der gegenständliche Verfahrensakt dem BVwG zur Entscheidung vorgelegt.
12. Mit E-Mail vom 08.04.2021 teilte die belangte Behörde auf Nachfrage mit, dass der Einrückungstermin des BF mit Bescheid auf den 04.10.2021 abgeändert wurde.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
1.1. Die Beschwerde sowie die Beschwerdevorentscheidung wurden rechtzeitig erhoben.
1.2. Für das Bundesverwaltungsgericht steht der unter Punkt I dargelegte Sachverhalt, was den Zeitpunkt des Eintrittes der Tauglichkeit des BF am 14.07.2017 sowie den entscheidungswesentlichen Beginn der geltend gemachten landwirtschaftlichen Tätigkeit im landwirtschaftlichen Betrieb XXXX seit 01.02.2019 im Pachtwege unstrittig fest. Der BF hat im Juli 2020 eine Lehre als Maurer abgeschlossen. Der BF ist Vollzeit bei einer Baufirma beschäftigt.
Dies ergibt sich aus der diesbezüglich vorliegenden Aktenlage sowie dem damit übereinstimmenden Vorbringen des BF.
1.3. Hinsichtlich des landwirtschaftlichen Betriebes des BF und seiner Familienangehörigen sowie der damit im Zusammenhang stehenden familiären Verhältnisse kann Folgendes festgestellt werden:
Seit 01.01.2019 ist der BF Pächter des landwirtschaftlichen Betrieb XXXX , welchen er von seinem Vater, der sich zwischenzeitlich in Alterspension befindet, übernommen hat. Der gegenständliche Betrieb umfasst eine Gesamtfläche von rund 9,33 ha Dauergrünland und ca. 2 ha Wald. Es handelt es sich um einen landwirtschaftlichen Bergbauernbetrieb der Erschwerniszone III der aktuell mit 245 Erschwernispunkten bewertet ist. Für den gegenständlichen Betrieb „errechnet ein betrieblicher Arbeitsaufwand von 2.904 Stunden was einen Arbeitskräftebedarf von 1,5 Personen gleichkommt. Am Hof ist eine Eimermelkanlage vorhanden mit welcher die Kühe ganzjährig am Hof gemolken werden. Weiters sind am Betrieb alle für eine ordnungsgemäße und ortsübliche Bewirtschaftung eines solchen Betriebes notwendigen Maschinen und Geräte vorhanden. Durchschnittlich werden am Hof 33 Rinder - davon 18 Milchkühe - gehalten, wobei die Milchkühe und die Kälber ganzjährig am Hof sind. Die Milch wird durch den Verarbeitungsbetrieb direkt am Hof abgeholt. Im gemeinsamen Haushalt sind neben dem BF noch dessen Vater, Pensionist, und dessen Mutter, Hausfrau, mit Hauptwohnsitz gemeldet und stehen als Arbeitskräfte stehen neben dem BF zur Verfügung, wobei dem Vater des BF aufgrund seines Gesundheitszustandes lediglich leichte körperliche Arbeiten zugemutet werden können. Weiters steht dem BF als Arbeitskraft sein ebenso in Vollzeit beschäftigter Bruder zumindest geringfügig für das Wochenende zur Verfügung.
Diese Feststellungen konnten unmittelbar aufgrund der unbestrittenen Aktenlage sowie dem Parteienvorbringen getroffen werden.
Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG Abstand genommen werden, da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint und eine mündliche Erörterung die weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Dem Entfall der Verhandlung stehen auch weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958 noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegen.
2. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gegenständlich liegt mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen eine Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu Spruchpunkt A):
2.1. § 26 des Wehrgesetzes 2001, BGBl. I Nr. 146/2001 (WG 2001), zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 109/2019, lautet auszugsweise:
"Befreiung und Aufschub
§ 26. (1) Taugliche Wehrpflichtige sind, soweit zwingende militärische Erfordernisse nicht entgegenstehen, von der Verpflichtung zur Leistung eines Präsenzdienstes zu befreien
1. von Amts wegen, wenn und solange es militärische Rücksichten oder sonstige öffentliche Interessen erfordern, und
2. auf ihren Antrag, wenn und solange es besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche oder familiäre Interessen erfordern. ..."
2.2. Die belangte Behörde hat das Vorliegen besonders rücksichtswürdiger wirtschaftlicher Interessen des BF im Sinne der bezogenen Gesetzesstelle verneint, weil den zwar grundsätzlich vorliegenden wirtschaftlichen Interessen des BF als Pächter des landwirtschaftlichen Betriebs, eine besondere Rücksichtswürdigkeit im Sinne der Gesetzesbestimmung letztlich nicht zuzumessen gewesen sei. In Kenntnis seiner noch ausstehenden Präsenzdienstverpflichtung (jedenfalls seit dem Zeitpunkt des Eintrittes der Tauglichkeit am 14.07.2017) war der BF dazu verpflichtet seine wirtschaftlichen Interessen mit seiner öffentlich-rechtlichen Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes zu harmonisieren (Harmonisierungspflicht).
2.3. Im Zusammenhang mit dem Anspruch auf Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes wegen besonders rücksichtswürdiger wirtschaftlicher Interessen hat der Verwaltungsgerichtshof Folgendes ausgesprochen:
2.3.1. „Das Vorliegen besonders rücksichtswürdiger wirtschaftlicher Interessen im Sinn des § 26 Abs. 1 Z 2 Wehrgesetz 2001 setzt voraus, dass der Wehrpflichtige selbst Unternehmensinhaber ist, was auch beim Unternehmenspächter zu bejahen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. September 2005, Zl. 2003/11/0026). Nach dem zitierten Erkenntnis ist der Wehrpflichtige gehalten, seine wirtschaftlichen Dispositionen so zu treffen, dass für den Fall seiner Einberufung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes voraussehbare Schwierigkeiten vermieden und nicht durch die Aufnahme einer wirtschaftlichen Tätigkeit solche Schwierigkeiten erst geschaffen werden. Unterlässt es ein Wehrpflichtiger seine wirtschaftlichen Angelegenheiten mit der Wehrpflicht zu harmonisieren, so können die daraus abgeleiteten wirtschaftlichen Interessen nicht als besonders rücksichtswürdig im Sinne des § 26 Abs. 1 Z. 2 Wehrgesetzes 2001 angesehen werden (vgl. etwa auch das hg. Erkenntnis vom 21. Februar 2012, Zl. 2011/11/0086, mwN).“ (VwGH vom 27.01.2014, Zl. 2013/11/0246)
2.3.2. „Die Obliegenheit zur Harmonisierung der (beruflichen) Dispositionen mit der Wehrpflicht beinhaltet auch, rechtzeitig und vorausschauend - somit durch geeignete wirtschaftliche Dispositionen - für die Möglichkeit einer Vertretung des Wehrpflichtigen während der Dauer des Grundwehrdienstes zu sorgen (Hinweis Erkenntnisse vom 29. September 2005, 2003/11/0026, 27. März 2008, 2008/11/0011, und vom 27. März 2008, 2007/11/0202).“ (VwGH vom 23.09.2014, Ro 2014/11/0081).
2.3.3. „Jedenfalls dann, wenn es an Anhaltspunkten dafür fehlt, dass der Wehrdienstpflichtige vor seiner Stellung vernünftigerweise hätte annehmen können, dass es ihm an der Tauglichkeit fehle, ist keinesfalls davon auszugehen, dass die Obliegenheit zur Harmonisierung etwa erst mit der Feststellung der Tauglichkeit besteht (Hinweis E vom 23.09.2014, Ro 2014/11/0081).“ (VwGH vom 10.06.2015, GZ 2013/11/0166)
2.3.4. „Die Verpflichtung, die Dispositionen in wirtschaftlicher Hinsicht so zu treffen, dass für den Fall der Einberufung zur Leistung des Grundwehrdienstes voraussehbare Schwierigkeiten vermieden und nicht durch das Eingehen von Verpflichtungen derartige Schwierigkeiten erst geschaffen werden, besteht nicht erst ab Zustellung des Einberufungsbefehls, wenn also der Termin, ab wann der Betreffende den Grundwehrdienst zu leisten hat, bekannt ist, sondern bereits ab dem Zeitpunkt, ab dem von ihm verlangt werden kann, dass er nunmehr Handlungen unterlässt, die die Erfüllung der mit der Staatsbürgerschaft verbundenen Wehrpflicht vereiteln oder gefährden können (Hinweis E 22. Jänner 1991, 90/11/0068; E 18. Mai 1993, 93/11/0074). (Hier: Dieser Zeitpunkt ist mit der Zusicherung der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft anzusetzen.)“ (VwGH vom 18.11.2008, GZ 2008/11/0096)
2.4. Im Lichte der vorangeführten Judikatur kommt dem Beschwerdevorbringen, wonach besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche Interessen beim BF vorlägen, keine Berechtigung zu (begründend mehr dazu ab 2.6.).
2.5. Ebenso hat die belangte Behörde das Vorliegen besonders rücksichtswürdiger familiärer Interessen des BF im Sinne der bezogenen Gesetzesstelle verneint (§ 26 Abs. 1 Z 2 WehrG 2001), weil solche nur dann vorliegen, wenn ein Familienangehöriger in seinen eigenen Belangen der Unterstützung des Wehrpflichtigen bedarf, die ihm dieser aber wegen der Leistung des Grundwehrdienstes nicht gewähren kann und wenn der unterstützungsbedürftige Familienangehörige als Folge des Ausbleibens dieser Unterstützung in seiner Gesundheit oder in sonstigen lebenswichtigen Interessen gefährdet würde (VwGH vom 27.03.2008, Zl. 2007/11/0202). Eine Pflegebedürftigkeit seines Vaters habe aber der BF nicht geltend gemacht, noch habe eine solche dem vorliegenden Sachverhalt entnommen werden können.
2.5.1. Insoweit der BF in seinem Vorlageantrag von besonders rücksichtswürdigen familiären Interessen spricht, da die Gesundheit seines Vaters sehr wohl gefährdet sei, ist darauf zu verweisen, dass er selbst angibt, dass sein Vater keineswegs ein Pflegefall ist und es keinen Hinweis darauf, dass der BF selbst zur Unterstützung seines Vaters unabkömmlich wäre (vgl. wie zB bei VwGH 04.12.1987, ZI. 87/11/0094).
In diesem Zusammenhang ist vielmehr aufmerksam zu machen, dass sich aus Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ergibt, dass die Harmonisierungspflicht miteinschließt, rechtzeitig für eine erforderliche Vertretung des Wehrpflichtigen durch Dritte vorzusorgen (Hinweis E 24. Mai 2005, 2004/11/0022, VwGH vom 27.03.2008, Zl. 2007/11/0202).
2.5.2. Im Lichte der vorangeführten Judikatur kommt dem Beschwerdevorbringen, wonach besonders rücksichtswürdige familiäre Interessen beim BF vorlägen, weil er der Einzige sei, der die Arbeiten am Hof verrichten könne, keine Berechtigung zu.
2.6. Vor dem festgestellten Hintergrund, dass der BF noch während seiner Berufsausbildung zum Maurer und auch trotz seiner ausgeübten Vollzeitbeschäftigung als Maurer bisher in der Lage war, den von seinem Vater gepachteten Betrieb im Nebenerwerb zu führen, kann letztlich nicht erkannt werden, warum die wirtschaftliche Existenz bei einer Einberufung des BF zwingend gefährdet wäre, wenn der Betrieb auch bisher trotz Vollzeitbeschäftigung des BF von diesem geführt werden konnte. Dabei wird zwar nicht verkannt, dass, wie der BF vorbringt, dass im Hinblick auf die Entfernung der Kaserne trotz allfälliger Genehmigung zum „Heimschlaf“ Schwierigkeiten zu erwarten sind, allerdings muss diesbezüglich darauf verwiesen werden, dass der BF auch bisher trotz seines landwirtschaftlichen Betriebes mehrere Wochen während seiner Lehre die Berufsschule in XXXX besucht hat, also genau in jener Stadt, in der er den Grundwehrdienst am 11.01.2010 zu leisten gehabt hätte.
Vor dem Hintergrund, dass die selben Familienmitglieder des BF diesem wie schon bisher zur Verfügung stehen werden, um ihm im Betrieb zu unterstützen, kann nicht erkannt werden, dass durch die Leistung des Grundwehrdienstes nunmehr die wirtschaftliche Existenz des BF als Pächter oder die seines Vaters als Eigentümer des landwirtschaftlichen Betriebes gefährdet wäre. Wenn der BF bezugnehmend auf ein von der belangten Behörde zitiertes Judikat des Verwaltungsgerichtshofes aus dem Jahr 1986, wonach eine vorübergehende Einschränkung der Erwerbstätigkeit durchaus zumutbar ist, darauf verweist, dass sich zwischenzeitlich aufgrund des EU Beitritts Österreich die Lebens- und Einkommensverhältnisse in der Landwirtschaft verändert hätten, so ist darauf zu verweisen, dass nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (nach dem EU Beitritt) wirtschaftliche Nachteile, sofern diese keine existentielle Bedrohung darstellen, in Kauf genommen werden müssen (vgl. VwGH vom 21.11.2000, Zl. 2000/11/0064).
2.7. Auch wenn die präsenzbedingte Abwesenheit des BF für den Betrieb letztlich den Wegfall der Hauptarbeitskraft bedeutet, hatte der BF zweifelsfrei Zeit wirtschaftliche Dispositionen zu treffen, um den weiteren Fortbestand des Betriebes rechtzeitig zu sichern bzw. zumindest bei der absehbaren Einberufung zum sechs Monate dauernden Grundwehrdienst in der Lage zu sein, den landwirtschaftlichen Betrieb (einstweilen) weiterzuführen.
Angesichts der langen (mehrmonatigen/-jährigen) Vorlaufzeit, ist davon auszugehen, dass wohl eine zufriedenstellende Lösung – allenfalls unter Zuhilfenahme von Fachleuten der Landwirtschaftskammer – für den Betrieb ausgearbeitet werden hätte können bzw werden kann (mit Betriebshelfern bzw. kurzfristigen, vorübergehenden Betriebseinschränkungen). Bei einer wie hier vorliegenden entsprechend langen Vorlaufzeit wäre dieses Problem sicher zu lösen und wären entsprechende Betriebshelfer zu finden bzw. könnten betriebsfremde Personen unterstützend bzw. vertretend tätig sein.
Der BF hätte seine wirtschaftlichen Angelegenheiten unter Bedachtnahme auf seine Präsenzdienstpflicht entsprechend richten müssen. Er hätte daher bereits bei Übernahme des Hofes als Pächter seit 01.01.2019 schon so disponieren müssen, dass er während der Leistung des Präsenzdienstes ausreichend vertreten werden könnte.
2.8. Was die vom BF ausgeübte Vollzeitbeschäftigung betrifft, ist der belangten Behörde ebenso beizupflichten, dass kein Grund ersichtlich ist, warum es dem BF nicht auch während seines Präsenzdienstes möglich sein sollte, nach dem Dienst und in seiner dienstfreien Zeit, dem Betrieb zur Verfügung zu stehen. Darüber hinaus besteht im Übrigen auch die Möglichkeit bei unaufschiebbaren Arbeiten, bei denen die persönliche Anwesenheit des BF unbedingt erforderlich erscheint, ein Ansuchen um Dienstfreistellung im Sinne des § 45 Abs. 4 WG 2001 zu stellen.
Abermals ist darauf hinzuweisen, dass der BF im vorliegenden Fall am 14.07.2017 von der Stellungskommission für tauglich befunden worden ist. Dem BF hätte damit bewusst sein müssen, dass er in naher Zukunft zur Ableistung des ordentlichen Präsenzdienstes eingezogen werden würde. Ungeachtet dessen hat er den gegenständlichen Landwirtschaftsbetrieb mit 01.01.2019 im Pachtwege parallel zu seiner Maurerlehre und übernommen.
2.9. Da es für die Befreiung des BF vom Grundwehrdienst somit an den gesetzlichen Voraussetzungen fehlte, war die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid gemäß § 26 Abs. 1 Z 2 WG 2001 iVm § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Die maßgebliche Rechtsfrage des Vorliegens besonders rücksichtswürdiger wirtschaftlicher bzw familiärer Interessen im Verständnis des § 26 Abs. 1 Z 2 WG 2001 wurde in der bisherigen Rechtsprechung des VwGH mehrfach behandelt. Nach der oben zu Spruchpunkt A dargelegten Rechtsprechung waren im vorliegenden Fall solche zu verneinen.
Schlagworte
Befreiungsantrag familiäre Interessen Grundwehrdienst Harmonisierungspflicht landwirtschaftlicher Betrieb Präsenzdienst Tauglichkeit wirtschaftliche Interessen ZeitpunktEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W136.2239156.1.00Im RIS seit
16.12.2021Zuletzt aktualisiert am
16.12.2021