TE Bvwg Erkenntnis 2021/10/29 W259 2233996-3

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Veröffentlicht am 29.10.2021
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Entscheidungsdatum

29.10.2021

Norm

AVG §71
B-GlBG §18a
B-GlBG §20 Abs3
B-GlBG §20 Abs6
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W259 2233996-3/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Ulrike RUPRECHT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch XXXX Rechtsanwälte XXXX , gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion XXXX vom XXXX .2020, Zl. XXXX , zu Recht:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund.

2. Mit Mail vom 13.07.2018 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass die von ihm angestrebte Planstelle einem anderen Bewerber verliehen worden sei. Am 19.07.2018 erlangte der Beschwerdeführer von dieser Mail Kenntnis.

3. Mit Schreiben vom 08.11.2018 stellte der Beschwerdeführer an die Gleichbehandlungskommission beim Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz einen Antrag gemäß § 23a B-GlBG.

4. Das Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz leitete den Antrag am 03.01.2019 zuständigkeitshalber an die Bundesgleichbehandlungskommission im Bundeskanzleramt weiter. Am selben Tag langte dieser bei der Bundesgleichbehandlungskommission ein.

5. Das Gutachten der Bundesgleichbehandlungskommission vom 19.12.2019 wurde dem Beschwerdeführer am 20.12.2019 zugestellt.

6. Der Beschwerdeführer stellte mit Schriftsatz vom 20.01.2020 einen Antrag auf Zuspruch von Ansprüchen nach dem B-GlBG.

7. Mit Bescheid vom 23.06.2020 wurde der Antrag vom 20.01.2020 als verspätet zurückgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Frist gemäß § 20 Abs. 3 B-GlBG im Ausmaß von 6 Monaten am 20.07.2018 begonnen habe zu laufen und durch die Einbringung des Antrages bei der Bundesgleichbehandlungskommission am 03.01.2019 bis zur Zustellung des Gutachtens an den Beschwerdeführer am 20.12.2019 die Frist gehemmt worden sei. Somit sei der Antrag vom 20.01.2020 verspätet eingebracht.

8. Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer eine Beschwerde ein, die mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.09.2020, W259 2233996-1/2E als unbegründet abgewiesen wurde.

Zugleich stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Dazu wurde zusammengefasst ausgeführt, dass der Antrag an die Bundesgleichbehandlungskommission auf Prüfung der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes bereits am 08.11.2018 durch die Kanzlei des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers eingeschrieben abgeschickt worden sei. Die Kanzleimitarbeiterin habe sich den Lauf der Fristenhemmung im Fristenbuch ab dem 08.11.2018 bis zum Einlangen des Gutachtens am 20.01.2020 vermerkt. Demnach sei der Antrag auf Zuspruch auch fristgerecht am 20.01.2020 bei der belangten Behörde eingebracht worden. Der Kanzleimitarbeiterin habe nicht zwingend auffallen müssen, dass der Antrag über fast zwei Monate nicht bei der Gleichbehandlungskommission eingelangt sei. Weiters hätten der Kanzleimitarbeiterin und dem Rechtsanwalt der Hinweis auf dem Gutachten der Bundesgleichbehandlungskommission, der Antrag wäre am 03.01.2019 dort eingelangt, nicht zwingend auffallen müssen, bzw. stelle das Nichtüberprüfen des angegebenen Datums im Gutachten einen minderen Grad des Verschuldens in der Kanzlei des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers dar.

9. Mit Bescheid der belangten Behörde vom XXXX .2020 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass für die Versäumung der Frist nicht ein Nichtüberprüfen des angegebenen Datums im Gutachten, sondern das Einbringen des Antrags an unzuständiger Stelle gewesen sei. An einen Rechtsanwalt sei ein höherer Sorgfaltsmaßstab anzulegen als an einen juristischen Laien. Es hätte diesem durchwegs auffallen müssen, dass der Antrag an einen falschen Adressaten ergangen sei. Somit treffe ihn selbst ein Verschulden an der Versäumung seiner Aufsichts- und Kontrollpflicht und handle es sich nicht um einen minderen Grad des Versehens.

10. Gegen den im Spruch angeführten Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Darin wird moniert, dass die belangte Behörde den Bescheid ohne Einholung der angebotenen Beweise bzw. Einvernahmen erlassen habe. Ferner wird ausgeführt, dass die Gleichbehandlungskommission seinerzeit beim Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz situiert gewesen sei. Nachdem der Antrag aber ministeriumsintern weitergeleitet worden sei, sei davon auszugehen, dass nicht das Datum des Einlangens bei der Bundesgleichbehandlungskommission relevant sei, sondern der Beginn der Fristenhemmung mit 08.11.2018 eingetreten sei. Außerdem stelle das Senden an die irrtümlich gewählte falsche (alte) Adresse einen minderen Grad des Verschuldens dar.

11. Die gegenständliche Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden von der belangten Behörde vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Der Beschwerdeführer steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund.

Der Beschwerdeführer bewarb sich mit Schreiben vom 02.02.2018 auf eine leitende Funktion. Mit Mail vom 13.07.2018 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass die von ihm angestrebte Planstelle einem anderen Bewerber verliehen wurde. Am 19.07.2018 erlangte der Beschwerdeführer von dieser Mail Kenntnis.

Mit Schreiben vom 08.11.2018 stellte der Beschwerdeführer an die Gleichbehandlungskommission beim Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz einen Antrag gemäß § 23a B-GlBG. Das Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz leitete den Antrag am 03.01.2019 zuständigkeitshalber an die Bundesgleichbehandlungskommission im Bundeskanzleramt weiter. Am selben Tag langte dieser bei der Bundesgleichbehandlungskommission ein. Die Weiterleitung wurde sowohl auf dem Antrag des Beschwerdeführers als auch im Gutachten der Bundesgleichbehandlungskommission vom 19.12.2019 festgehalten.

Das Gutachten der Bundesgleichbehandlungskommission vom 19.12.2019 wurde dem Beschwerdeführer am 20.12.2019 zugestellt.

Die Kanzleimitarbeiterin des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers vermerkte den Lauf der Fristenhemmung im Fristenbuch ab dem 08.11.2018 bis zum Einlangen des Gutachtens.

Der Beschwerdeführer stellte mit Schriftsatz vom 20.01.2020 einen Antrag auf Zuspruch von Ansprüchen nach § 18a B-GlBG, welcher mit Bescheid vom 23.06.2020 als verspätet zurückgewiesen wurde. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.09.2020, W259 2233996-1/2, als unbegründet abgewiesen. Die sechsmonatige Frist gemäß § 20 Abs. 3 iVm Abs. 6 B-GlBG endete am 07.01.2020.

Mit Schriftsatz vom 13.07.2020 stellte der Beschwerdeführer den gegenständlichen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Den Beschwerdeführer bzw. seinen rechtsfreundlichen Vertreter trifft nicht nur ein minderer Grad des Versehens an der Versäumung der Frist für das Einbringen des Antrags auf Zuspruch von Ansprüchen nach § 18a B-GlBG.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen stützen sich auf den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt, insbesondere auf den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 13.07.2020, den angefochtenen Bescheid und die Beschwerde, sowie auf den Gerichtsakt zu W259 2233996-1. Es ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund steht.

Die Feststellung, wann das Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz den Antrag des Beschwerdeführers vom 08.11.2019 an die zuständige Behörde, die Bundesgleichbehandlungskommission im Bundeskanzleramt, weitergeleitet hat, ergibt sich aus dem handschriftlichen Vermerk auf dem Antrag. Darauf wird festgehalten: „Wurde seitens des BMASGK am 3.1.2019 weitergeleitet.“

Zum Grad des Verschuldens und zum Vorliegen der Voraussetzungen eines Wiedereinsetzungsgrundes wird auf die Ausführungen in der rechtlichen Beurteilung verwiesen. Die übrigen Feststellungen konnten unmittelbar aufgrund der Aktenlage getroffen werden, weshalb der weitere festgestellte Sachverhalt als unbestritten gilt.

3. Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Zufolge § 135a Abs. 1 BDG 1979 liegt gegenständlich – da eine Angelegenheit nach dem B-GlBG vorliegt – keine Senatszuständigkeit vor.

3.1. Zu Spruchpunkt A) Abweisung der Beschwerde

3.1.1. § 20 Abs. 3 und 6 B-GlBG lauten:

(3) Ansprüche von Beamtinnen oder Beamten gegenüber dem Bund nach § 18a sind binnen sechs Monaten mit Antrag bei der Dienstbehörde geltend zu machen, die die Bewerbung oder Beförderung abgelehnt hat. Die Frist für die Geltendmachung des Anspruches nach § 18a beginnt mit Ablauf des Tages, an dem die Beamtin oder der Beamte Kenntnis von der Ablehnung der Bewerbung oder Beförderung erlangt hat.

[…]

(6) Die Einbringung des Antrages auf Prüfung der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes bei der Gleichbehandlungskommission bewirkt die Hemmung der Fristen nach Abs. 1 bis 4 bis zur Entscheidung der Bundes-Gleichbehandlungskommission. Die Zustellung des Gutachtens der Kommission oder einer schriftlichen Verständigung, wonach die Voraussetzungen für die Prüfung einer Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes nicht oder nicht mehr vorliegen, beendet die Hemmung der Fristen.

§ 22 Abs. 1 B-GlBG lautet:

(1)      Beim Bundeskanzleramt ist die Gleichbehandlungskommission des Bundes (in der Folge „Kommission“ genannt) einzurichten.

§ 6 Abs. 1 AVG lautet:

(1) Die Behörde hat ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen; langen bei ihr Anbringen ein, zu deren Behandlung sie nicht zuständig ist, so hat sie diese ohne unnötigen Aufschub auf Gefahr des Einschreiters an die zuständige Stelle weiterzuleiten oder den Einschreiter an diese zu weisen.

§ 71 AVG lautet:

(1) Gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:

1. die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder

2. die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, daß kein Rechtsmittel zulässig sei.

(2) Der Antrag auf Wiedereinsetzung muß binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.
(3) Im Fall der Versäumung einer Frist hat die Partei die versäumte Handlung gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen.

(4) Zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist die Behörde berufen, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war oder die die versäumte Verhandlung angeordnet oder die unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat.

(5) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages findet keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand statt.

(6) Die Behörde kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung aufschiebende Wirkung zuerkennen.

(7) Der Wiedereinsetzungsantrag kann nicht auf Umstände gestützt werden, die die Behörde schon früher für unzureichend befunden hat, um die Verlängerung der versäumten Frist oder die Verlegung der versäumten Verhandlung zu bewilligen.

3.1.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich aus § 71 AVG, dass der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Angaben über seine Rechtzeitigkeit zu enthalten hat und dass überdies anzugeben ist, aus welchem Grund der Antragsteller die Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 AVG als erfüllt ansieht. Dabei trifft ihn die Obliegenheit, im Antrag konkret jenes unvorhergesehene und unabwendbare Ereignis zu beschreiben, das ihn an der Einhaltung der Frist gehindert hat und diesen behaupteten Wiedereinsetzungsgrund glaubhaft zu machen, was aber als Grundlage ein entsprechendes Vorbringen voraussetzt (vgl. VwGH vom 21.12.1999, Zl. 97/19/0217-0219, 0231-0239). Das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen ist nur im Rahmen der Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers zu untersuchen. An den im Antrag vorgebrachten Grund bleibt die Partei gebunden (vgl. VwGH vom 17.03.2015, Ra 2014/01/0134; 25.02.2003, 2002/10/0223).

Um die Wiedereinsetzung zu rechtfertigen, muss das Ereignis für den Wiedereinsetzungswerber entweder unvorhergesehen oder unabwendbar gewesen sein. Nach dem Wortlaut des Gesetzes ("oder") genügt das Vorliegen eines der beiden Momente, - um den Wiedereinsetzungsanspruch zu begründen. Die Partei (der Antragsteller) muss an der zeitgerechten Vornahme einer befristeten Prozesshandlung durch ein Ereignis verhindert gewesen sein, das sie (er) nicht vorhergesehen hat oder dessen Eintritt sie (er) nicht abwenden konnte (Hengstschläger/Leeb, AVG § 72 Rz 37 [Stand 01.01.2020, rdb.at]).

Ein Ereignis ist unvorhergesehen, wenn die Partei es tatsächlich nicht miteinberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwartet werden konnte. Unabwendbar ist ein Ereignis jedenfalls dann, wenn sein Eintritt vom Willen des Betroffenen nicht verhindert werden kann (VwGH vom 31.03.2005, 2005/07/0020). Anders als das Tatbestandsmerkmal des "unabwendbaren" erfasst jenes des "unvorhergesehenen" Ereignisses die subjektiven Verhältnisse der Partei, sodass nicht der objektive Durchschnittsablauf, sondern der konkrete Ablauf der Ereignisse maßgebend ist (VwGH vom 17.02.1994, 93/16/0020). Die erforderliche zumutbare Aufmerksamkeit ist dann noch gewahrt, wenn der Partei (oder ihrem Vertreter) in Ansehung der Wahrung der Frist nur ein minderer Grad des Versehens unterläuft (VwGH vom 26.06.1985, 83/03/0134; VfGH vom 27.02.1985, G 53/83-13 u.a.).

3.1.3. Für den gegenständlichen Beschwerdefall ergibt sich daraus Folgendes:

Zu prüfen ist das Vorbringen des Beschwerdeführers in seinem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 13.07.2020 auf seine Tauglichkeit als Wiedereinsetzungsgrund. Darin wird vorgebracht, dass die Kanzleimitarbeiterin sich den Lauf der Fristenhemmung im Fristenbuch ab dem 08.11.2018 bis zum Einlangen des Gutachtens am 20.01.2020 vermerkt habe. Der Kanzleimitarbeiterin habe nicht zwingend auffallen müssen, dass der Antrag über fast zwei Monate nicht bei der Gleichbehandlungskommission eingelangt sei. Weiters hätten der Kanzleimitarbeiterin und dem Rechtsanwalt der Hinweis auf dem Gutachten der Bundesgleichbehandlungskommission, der Antrag wäre am 03.01.2019 dort eingelangt, nicht zwingend auffallen müssen, bzw. stelle das Nichtüberprüfen des angegebenen Datums im Gutachten einen minderen Grad des Verschuldens in der Kanzlei des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers dar.

Gemäß § 71 Abs. 1 AVG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Ein minderer Grad des Versehens hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht.

Bei der Bevollmächtigung eines Vertreters ist das Vorliegen der Voraussetzung für die Wiedereinsetzung nach den für den Vertreter maßgebenden Verhältnissen zu beurteilen. Das zur Versäumung führende Ereignis muss daher den Vertreter an der rechtzeitigen Vornahme der Handlung gehindert haben und für ihn unvorhergesehen oder unabwendbar gewesen sein (vgl. VwGH vom 17.09.1990, 87/14/0030; 28.04.1992, 92/05/0051; 23.06.2008, 2008/05/0122).

Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinn des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht in besonders nachlässiger Weise außer Acht gelassen haben (vgl. VwGH 17.03.2021, Ra 2021/14/0054; 28.8.2019, Ra 2019/14/0375, mwN).

Im gegenständlichen Fall war die falsche Eintragung des Beginns der Fristenhemmung, die den Vertreter an der rechtzeitigen Stellung des Antrags des Beschwerdeführers auf Zuspruch von Ansprüchen nach § 18a B-GlBG gehindert hat, nicht unabwendbar, weil diese vom Willen des Vertreters verhindert werden konnte. Im Hinblick auf die einem Vertreter unterlaufenen Fehler ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei trifft, wobei an berufliche und rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen ist als an rechtsunkundige und bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen (VwGH vom 17.03.2021, Ra 2021/14/0054).

Das Verschulden von Kanzleikräften stellt für den Vertreter dann ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis dar, wenn der Vertreter der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber seinen Kanzleikräften nachgekommen ist. Dabei ist durch entsprechende Kontrollen dafür vorzusorgen, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind (VwGH vom 17.03.2021, Ra 2021/14/0054; 10.07.2019, Ra 2019/14/0140, mwN).

Das Verschulden eines Bediensteten eines rechtskundigen Parteienvertreters kann nicht dem Verschulden des Vertreters gleichgesetzt werden. Der rechtskundige Vertreter hat aber gegenüber der ihm als Hilfsapparat zur Verfügung stehenden Kanzlei alle Vorsorgen zu treffen, die notwendig sind, um die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben zu gewährleisten, die ihm aus dem Bevollmächtigungsverhältnis obliegen. Dies betrifft vor allem die Organisation des Kanzleibetriebes und die wirksame Überwachung der Angestellten in Bezug auf die Einhaltung von Fristen. Auf Grund dieser Verpflichtung hat der rechtskundige Parteienvertreter auch den Kanzleibetrieb so einzurichten, dass allfällige Fristversäumnisse rasch erkannt werden (VwGH vom 08.10.2014, 2012/10/0100).

Wenn in keiner Weise dargelegt wird, ob jemals eine Kontrolle der manipulativen Vorgänge im Kanzleibetrieb oder der Kanzleiangestellten erfolgte bzw. wie das diesbezügliche Kontrollsystem eingerichtet ist, kann von einer Organisation des Kanzleibetriebes, die eine fristgerechte Setzung von Vertretungshandlungen mit größtmöglicher Zuverlässigkeit sicherstellt, und von einer wirksamen Überwachung keine Rede sein. Fehlt es an einem diesbezüglichen Vorbringen, liegt jedenfalls kein bloß minderer Grad des Versehens vor (VwGH vom 17.03.2021, Ra 2021/14/0054; 19.09.2017, Ra 2017/20/0102, mwN).

Demnach ist das Versehen der Kanzleiangestellten des Rechtsanwaltes dem Rechtsanwalt - und damit der Partei - dann als Verschulden anzulasten, wenn er die ihm zumutbare und nach der Sachlage gebotene Überwachungspflicht gegenüber der Kanzleiangestellten verletzt hat.

Aus dem Vorbringen im Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 13.07.2020 ist nicht ersichtlich, ob oder wie eine Kontrolle der manipulativen Vorgänge im Kanzleibetrieb oder der Kanzleiangestellten erfolgte bzw. wie das diesbezügliche Kontrollsystem eingerichtet ist, um einen allfälligen Fehler, wie er im vorliegenden Fall unterlaufen ist, aufdecken zu können. Daher ist bereits mangels einer Darlegung eines wirksamen Kontrollsystems beim Vertreter des Wiedereinsetzungswerbers von einem nicht minderen Grad des Versehens auszugehen.

Der Vollständigkeit halber wird festgehalten, dass auch in der Beschwerde in keiner Weise dargelegt wird, ob der Rechtsvertreter seiner Aufsicht- und Kontrollpflicht nachgekommen ist. Darin wird in diesem Zusammenhang lediglich angeführt, dass das Senden an die irrtümlich gewählte falsche (alte) Adresse einen minderen Grad des Verschuldens darstelle. Zwar wird nicht verkannt, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes auch ein Rechtsirrtum – etwa Unkenntnis von Rechtsvorschriften, unrichtige Beurteilung der Rechtslage etc. – einen Wiedereinsetzungsgrund darstellen kann (vgl. VwGH 06.05.2004, 2001/20/0195), jedoch ist – wie bereits dargelegt - an berufliche und rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab bei der Beurteilung des Vorliegens eines minderen Grades des Versehens anzulegen. Bei einer sorgfältigen Vorgehensweise wäre es dem Rechtsvertreter nicht unterlaufen, einen Antrag nach § 23a B-GlBG bei einer unzuständigen Behörde statt bei der (zuständigen) Gleichbehandlungskommission einzubringen. Immerhin normiert § 22 Abs. 1 B GlBG ausdrücklich, dass die Gleichbehandlungskommission des Bundes beim Bundeskanzleramt einzurichten ist (und davor bis Jänner 2018 beim Bundesministerium für Bildung und Frauen). Insgesamt kann beim Vertreter des Beschwerdeführers somit auch vor diesem Hintergrund nicht von einem minderen Grad des Versehens ausgegangen werden.

Die Voraussetzungen für die Bewilligung des Wiedereinsetzungsantrages sind daher nicht erfüllt.

Das im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 13.07.2020 enthaltene Vorbringen ist somit nicht geeignet, das Vorliegen eines Wiedereinsetzungsgrundes glaubhaft zu machen.

Die Glaubhaftmachung des behaupteten Wiedereinsetzungsgrundes ist bereits an den antragsbegründenden Behauptungen gescheitert, sodass sich die Einvernahme von Zeugen zum Beweis dieses Vorbringens erübrigt. Vor dem Hintergrund der geschilderten Rechtslage ist es nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn die belangte Behörde mit Blick auf das oben wiedergegebene Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag das Vorliegen der Voraussetzungen zur Bewilligung der begehrten Wiedereinsetzung als nicht gegeben erachtete (vgl. VwGH vom 22.09.2011, 2008/18/0509). Die belangte Behörde ging daher im Ergebnis zutreffend davon aus, dass der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abzuweisen war

Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

3.1.4. Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.

Demnach kann eine Verhandlungspflicht gemäß Art. 6 Abs. 1 EMRK nur dann entfallen, wenn die Ausnahmen für nicht übermäßig komplexe Rechtsfragen oder hochtechnische Fragen Platz greifen (vgl. VwGH 21.12.2016, Ra 2016/12/0067).

Da sich im vorliegenden Fall der Sachverhalt klar aus den Akten ergibt und es sich auch um keine komplexe Rechtsfrage handelt, kann von einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden. Die mündliche Erörterung lässt eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten.

3.2. Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlichen Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal der vorliegende Fall vor allem im Bereich der Tatsachenfragen anzusiedeln ist.

Schlagworte

Fristversäumung Gleichbehandlung öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis Verschulden des Vertreters Voraussetzungen Wiedereinsetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W259.2233996.3.00

Im RIS seit

16.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

16.12.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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