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41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, AsylrechtNorm
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1Leitsatz
Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander betreffend die Erlassung eines unbefristeten Einreiseverbotes gegen einen Staatsangehörigen des Irans; keine Auseinandersetzung mit dem vom BFA erlassenen EinreiseverbotSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis, soweit damit die Beschwerde gegen die Erlassung eines unbefristeten Einreiseverbotes abgewiesen wird, in dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973) verletzt worden.
Das Erkenntnis wird insoweit aufgehoben.
2. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.
Insoweit wird die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
II. Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.616,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Der Beschwerdeführer ist ein am 9. Juni 1983 geborener iranischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Perser an. Er lebte ab dem Jahr 1995 mit seiner Familie in der Ukraine und reiste 2003 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein.
2. Mit Bescheid vom 28. September 2004 des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) wurde ihm der Status des Asylberechtigten zuerkannt und festgestellt, dass ihm kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme.
3. Der Beschwerdeführer wurde im Jahr 2005 erstmals wegen versuchten Diebstahles straffällig. 2008 sowie 2010 folgten weitere Verurteilungen wegen Körperverletzung und Sachbeschädigung. 2011 wurde er wegen schweren Raubes, Nötigung, schwerer Körperverletzung, schwerer Sachbeschädigung, Gefährdung der körperlichen Sicherheit und eines Waffendeliktes zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt.
4. Der Beschwerdeführer befand sich vom 29. Juli 2011 bis 13. November 2019 in Haft, wurde danach bedingt vorzeitig entlassen und wird seit Dezember 2019 im Rahmen der Bewährungshilfe betreut.
5. Mit Bescheid vom 7. April 2017 erkannte das BFA dem Beschwerdeführer den Status des Asylberechtigten gemäß §7 Abs1 Z1 AsylG 2005 ab und stellte gemäß §7 Abs4 AsylG 2005 fest, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft nicht mehr zukomme. Weiters wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß §8 Abs1 Z2 AsylG 2005 in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran nicht zuerkannt und ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß §10 Abs1 Z4 AsylG 2005 iVm §9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß §52 Abs2 Z3 FPG erlassen und gemäß §52 Abs9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Iran gemäß §46 FPG zulässig sei. Gemäß §55 Abs1a FPG wurde keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt. Schließlich wurde einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß §18 Abs2 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt und gemäß §53 Abs1 iVm Abs3 Z1 FPG ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen.
6. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
7. Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 11. Februar 2021 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde des Beschwerdeführers mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides zu lauten habe: "Gemäß §55 Abs2 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung."
8. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten behauptet und die Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses beantragt wird.
9. Die Gerichts- und Verwaltungsakten wurden vorgelegt, eine Gegenschrift wurde nicht erstattet.
II. Erwägungen
A. Soweit sich die Beschwerde gegen die Erlassung des unbefristeten Einreiseverbotes richtet, ist sie begründet:
1. Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.
2. Diesem einem Fremden durch ArtI Abs1 leg cit gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl zB VfSlg 16.214/2001), wenn das Verwaltungsgericht dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).
3. Wie der Verfassungsgerichtshof weiter zu dem aus dem Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander folgenden Willkürverbot in Zusammenhalt mit dem aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden rechtsstaatlichen Gebot der Begründung gerichtlicher Entscheidungen ausgesprochen hat, müssen die für die angefochtene Entscheidung maßgeblichen Erwägungen aus der Begründung der Entscheidung hervorgehen, da nur auf diese Weise die rechtsstaatlich gebotene Kontrolle durch den Verfassungsgerichtshof möglich ist (vgl jeweils mwN VfGH 2.5.2011, U2559/10; 7.3.2012, U2899/10; 13.12.2017, E940/2017).
4. Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung ist dem Bundesverwaltungsgericht ein willkürliches Vorgehen anzulasten:
4.1. Das Bundesverwaltungsgericht unterlässt in seinem Erkenntnis jegliche Auseinandersetzung in Bezug auf das vom BFA erlassene Einreiseverbot. Dieses findet an keiner Stelle des Erkenntnisses auch nur Erwähnung, was den rechtsstaatlichen Anforderungen an die Begründung gerichtlicher Entscheidungen widerspricht (vgl VfGH 26.6.2020, E948/2020; 10.3.2021, E2122/2020).
4.2. Die angefochtene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes ist somit hinsichtlich der Erlassung eines unbefristeten Einreiseverbotes begründungslos ergangen. In diesem Umfang ist es einer nachprüfenden Kontrolle durch den Verfassungsgerichtshof nicht zugänglich, folglich mit Willkür belastet und daher aufzuheben.
B. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt:
Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde ablehnen, wenn sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat oder von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs2 B-VG). Eine solche Klärung ist dann nicht zu erwarten, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.
1. Die Beschwerde rügt die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten. Nach den Beschwerdebehauptungen wären diese Rechtsverletzungen aber zum erheblichen Teil nur die Folge einer –allenfalls grob – unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beurteilung der aufgeworfenen Fragen insoweit nicht anzustellen.
2. Demgemäß wurde beschlossen, von einer Behandlung der Beschwerde, soweit sie sich gegen die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran, gegen die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, gegen die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, gegen die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat Iran und gegen die Festsetzung einer 14-tägigen Frist zur freiwilligen Ausreise richtet, abzusehen (§19 Abs3 Z1 iVm §31 letzter Satz VfGG).
III. Ergebnis
1. Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis, soweit damit die Beschwerde gegen die Erlassung eines unbefristeten Einreiseverbotes abgewiesen wird, in dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl 390/1973) verletzt worden.
2. Das Erkenntnis ist daher in diesem Umfang aufzuheben.
3. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und diese gemäß Art144 Abs3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten (zum System der Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof durch den Verfassungsgerichtshof nach Inkrafttreten der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 vgl VfSlg 19.867/2014).
4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 bzw §19 Abs3 Z1 iVm §31 letzter Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– enthalten. Ein Ersatz der Eingabengebühr ist nicht zuzusprechen, da der Beschwerdeführer Verfahrenshilfe im vollen Umfang genießt.
Schlagworte
Asylrecht, Entscheidungsbegründung, Rückkehrentscheidung, RechtsstaatsprinzipEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2021:E1103.2021Zuletzt aktualisiert am
16.12.2021