RS Vfgh 2021/10/5 E3338/2021

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Veröffentlicht am 05.10.2021
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
AsylG 2005 §8, §10, §57
FremdenpolizeiG 2005 §46, §52, §55
VfGG §7 Abs2

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten betreffend einen Staatsangehörigen von Afghanistan; mangelhafte Auseinandersetzung mit der sich äußerst rasch ändernden Situation betreffend die kriegerische Auseinandersetzung zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung und ihren Truppen; mangelhafte Prüfung der laufenden Entwicklung bei extremer Volatilität der Sicherheitslage auch in Orten der innerstaatlichen Fluchtalternative; mangelhafte Auseinandersetzung mit aktuellen Länderberichten

Rechtssatz

Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) verneint eine besondere, mit Blick auf Art2 und 3 EMRK drohende Gefahr für den Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Afghanistan. Da es nicht ausreiche, sich auf eine allgemein schlechte Sicherheits- und Versorgungslage zu berufen, stünde dem Beschwerdeführer angesichts seiner persönlichen Umstände eine innerstaatliche Fluchtalternative in Mazar-e Sharif zur Verfügung.

Der VfGH ist der Auffassung, dass auf Grundlage der - im angefochtenen Erkenntnis nicht berücksichtigten - länderberichtlichen Informationen vom 11.06.2021, insbesondere aber auf Grund der Kurzinformation der Staatendokumentation vom 19.07.2021 (und der zum Entscheidungszeitpunkt des BVwG verfügbaren, breiten medialen Berichterstattung) spätestens ab 20.07.2021, dh auch zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung des BVwG (21.07.2021) von einer extremen Volatilität der Sicherheitslage in Afghanistan auszugehen war, sodass jedenfalls eine Situation vorliegt, die den Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan einer realen Gefahr einer Verletzung seiner verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechte gemäß Art2 und 3 EMRK aussetzt. Indem das BVwG somit von einer im Hinblick auf Art2 und 3 EMRK zulässigen Rückkehrsituation ausgegangen ist, verstößt die Entscheidung des BVwG gegen das Recht auf Leben gemäß Art2 EMRK sowie das Recht gemäß Art3 EMRK, nicht der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden, und ist insoweit aufzuheben.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Asylrecht, Ermittlungsverfahren, Entscheidungsbegründung, Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2021:E3338.2021

Zuletzt aktualisiert am

16.12.2021
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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