TE Bvwg Erkenntnis 2021/10/27 L517 2239809-2

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Veröffentlicht am 27.10.2021
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Entscheidungsdatum

27.10.2021

Norm

BEinstG §14
BEinstG §2
BEinstG §3
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §8a

Spruch


L517 2239809-2/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. NIEDERWIMMER als Einzelrichter über den Antrag von XXXX , geb. XXXX , auf Bewilligung der Verfahrenshilfe im Rahmen der Beschwerde gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle XXXX , vom 22.12.2020, OB: XXXX , betreffend die Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass, beschlossen:

A)

Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird gemäß § 8a Abs. 1 VwGVG abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl Nr. 1/1930 idgF, nicht zulässig.



Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. Die beschwerdeführende Partei (in Folge „bP“ genannt) begehrte mit Antrag vom 21.11.2019 beim Sozialministeriumservice - SMS, Landesstelle XXXX (in Folge belangte Behörde „bB“ genannt) die Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass und Neufestsetzung des Grades der Behinderung gemäß §§ 2, 14 BEinstG.

2. Mit Bescheid vom 17.12.2020 wurde gemäß § 14 Abs 1 und 2 BEinstG der Grad der Behinderung mit 60 v.H. neu festgesetzt. Am 22.12.2020 wurde der Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 60 v.H. an die bP versandt.

3. Dagegen erhob die bP am 08.02.2021 Beschwerde.

4. In ihrer Beschwerde wurde ein Antrag auf Verfahrenshilfe „für alle Anträge, ergänzenden Schriftsätze und Sachverständigengutachten durch einen Rechtsanwalt“ gestellt. Dem Antrag war kein Vermögensbekenntnis angeschlossen.

5. Am 23.02.2021 erfolgte die Beschwerdevorlage am Bundesverwaltungsgericht.

6. Am 24.08.2021 erging die Aufforderung des BVwG an die bB, auf Grundlage des im Beschwerdeverfahren gestellten Verfahrenshilfeantrages die ausständige Vermögensaufstellung beizubringen.

7. Am 26.08.2021 wurde die bP von der bB zur Vermögensaufstellung aufgefordert.

8. Mit Schreiben vom selben Tag teilte die bP der bB u.a. folgendes mit: „Betreffen des Auftrag des BVWG für Vermögensaufstellung gibt es keinen Grund dafür, weil das BVwG kann mir einfach direkt die Vermögensaufstellung übermitteln. Ich werde dem BVwG darauf senden.“

9. Bis zur Entscheidung ist keine Vermögensaufstellung eingelangt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 9 Abs. 1 BVwGG leitet und führt der Vorsitzende eines Senates das Verfahren bis zur Verhandlung. Die dabei erforderlichen Beschlüsse bedürfen keines Senatsbeschlusses. Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (RV 2008 BlgNR 24. GP, S.4) bedeutet dies, dass der Senatsvorsitzende „insbesondere die Entscheidung über den Antrag auf aufschiebende Wirkung, gegebenenfalls über den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung und über die Gewährung eines Verfahrenshilfeverteidigers" ohne Senatsbeschluss erlassen darf. Die Entscheidung über die Gewährung der Verfahrenshilfe unterliegt somit der Einzelrichterzuständigkeit.

Zu A) Verfahrenshilfe:

Der Antragsteller beantragte mit seiner Beschwerde vom 08.02.2021 Verfahrenshilfe.

Im Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) ist die Gewährung der Verfahrenshilfe seit der Novelle BGBl I 24/2017 in § 8a geregelt und trat gemäß § 58 Abs 4 VwGVG mit 01.01.2017 in Kraft.

§ 8a VwGVG idgF lautet wie folgt:

(1) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ist einer Partei Verfahrenshilfe zu bewilligen, soweit dies auf Grund des Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, geboten ist, die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. Juristischen Personen ist Verfahrenshilfe sinngemäß mit der Maßgabe zu bewilligen, dass an die Stelle des Bestreitens der Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts das Aufbringen der zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel durch die Partei oder die an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten tritt.

(2) Soweit in diesem Paragraphen nicht anderes bestimmt ist, sind die Voraussetzungen und die Wirkungen der Bewilligung der Verfahrenshilfe nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung - ZPO, RGBl. Nr. 113/1895, zu beurteilen. Die Bewilligung der Verfahrenshilfe schließt das Recht ein, dass der Partei ohne weiteres Begehren zur Abfassung und Einbringung der Beschwerde, des Vorlageantrags, des Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens oder des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder zur Vertretung bei der Verhandlung ein Rechtsanwalt beigegeben wird.

(3) Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ist schriftlich zu stellen. Er ist bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht einzubringen. Für Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG ist der Antrag unmittelbar beim Verwaltungsgericht einzubringen.

(4) Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe kann ab Erlassung des Bescheides bzw. ab dem Zeitpunkt, in dem der Betroffene Kenntnis von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erlangt hat, gestellt werden. Wird die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer Säumnisbeschwerde beantragt, kann dieser Antrag erst nach Ablauf der Entscheidungsfrist gestellt werden. Sobald eine Partei Säumnisbeschwerde erhoben hat, kann der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe auch von den anderen Parteien gestellt werden.

(5) In dem Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ist die Rechtssache bestimmt zu bezeichnen, für die die Bewilligung der Verfahrenshilfe begehrt wird.

(6) Die Behörde hat dem Verwaltungsgericht den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe und die Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Hat das Verwaltungsgericht die Bewilligung der Verfahrenshilfe beschlossen, so hat es den Ausschuss der zuständigen Rechtsanwaltskammer zu benachrichtigen, damit der Ausschuss einen Rechtsanwalt zum Vertreter bestelle. Dabei hat der Ausschuss Wünschen der Partei zur Auswahl der Person des Vertreters im Einvernehmen mit dem namhaft gemachten Rechtsanwalt nach Möglichkeit zu entsprechen.

(7) Hat die Partei innerhalb der Beschwerdefrist die Bewilligung der Verfahrenshilfe beantragt, so beginnt für sie die Beschwerdefrist mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Beschluss über die Bestellung des Rechtsanwalts zum Vertreter und der anzufechtende Bescheid diesem zugestellt sind. Wird der rechtzeitig gestellte Antrag abgewiesen, so beginnt die Beschwerdefrist mit der Zustellung des abweisenden Beschlusses an die Partei zu laufen. Entsprechendes gilt für die Fristen, die sich auf die sonstigen in Abs. 2 genannten Anträge beziehen.

(8) Die Bestellung des Rechtsanwalts zum Vertreter erlischt mit dem Einschreiten eines Bevollmächtigten.

(9) In Verfahrenshilfesachen ist die Wiederaufnahme des Verfahrens nicht zulässig.

(10) Der Aufwand ist von jenem Rechtsträger zu tragen, in dessen Namen das Verwaltungsgericht in der Angelegenheit handelt.

Gemäß § 8a Abs 1 VwGVG ist Verfahrenshilfe einer Partei zu gewähren, soweit dies auf Grund des Art 6 Abs 1 EMRK oder des Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.3.2010 S. 389, geboten ist. Durch den Verweis auf Art 6 Abs 1 EMRK und Art 47 GRC ist sichergestellt, dass die Verfahrenshilfe im verwaltungsgerichtlichen Verfahren den Anforderungen des Europäischen Menschenrechtsschutzes entspricht (siehe auch VwGH 3.9.2015, Ro 2015/21/0032).

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ist es nicht erforderlich, dass Verfahrenshilfe in allen erdenklichen Verfahren zu gewähren ist. Vielmehr bedarf es einer Prüfung im Einzelfall.

Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Prüfungsbeschluss, welcher zur Aufhebung des § 40 VwGVG führte, die Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte dahingehend zusammengefasst, dass der „Zugang zu einem Gericht nicht bloß theoretisch und illusorisch, sondern effektiv gewährleistet sein müsse"; in jenen Fällen, in denen es „unentbehrlich sei, dass der Partei eines Verfahrens ein unentgeltlicher Verfahrenshelfer beigestellt werde," müsse ein solcher beigestellt werden.

Für diese Beurteilung sind verschiedene Kriterien maßgeblich. Das sind zum einen Kriterien, die sich auf die Person der Parteien beziehen, nämlich ihre Vermögensverhältnisse oder ihre Fähigkeiten im Verkehr mit Behörden; zum anderen auch Kriterien, die in Zusammenhang mit der Rechtssache stehen, nämlich die Erfolgsaussichten, die Komplexität des Falles oder die Bedeutung der Angelegenheit für die Parteien (siehe 1255 der Beilagen XXV. GP - Regierungsvorlage - Erläuterungen zu § 8a VwGVG).

Zunächst ist auszuführen, dass der Antragsteller über entsprechende Fähigkeiten im Verkehr mit Behörden verfügt und aus der Formulierung seiner bisherigen Eingaben hervorkommt, dass er durchaus in der Lage ist, seine Rechte selbst wahrzunehmen. Dies stellte er durch seine eigenständig eingebrachten und detailliert ausformulierten Stellungnahmen und seine Beschwerde unter Beweis.

Ferner ist darauf hinzuweisen, dass den Antragsteller eine Mitwirkungspflicht dahingehend trifft, die Vermögensaufstellung beizubringen. Der Aufforderung der bB ist der Antragsteller nicht nachgekommen. Wie seinem Schreiben vom 26.08.2021 zu entnehmen ist, weigert sich der Antragsteller, der bB eine Vermögensaufstellung vorzulegen. Die Vermögensaufstellung ist erforderlich, um zu beurteilen, ob die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten. Mangels Vorlage der Vermögensaufstellung kann das BVwG nicht beurteilen, ob der Antragsteller außerstande ist, die Verfahrensführungskosten zu bestreiten. Der Antragsteller hat seine Mitwirkungspflicht verletzt.

Folglich war der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe spruchgemäß gemäß § 8a Abs. 1 VwGVG abzuweisen.

Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

3.3. Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Diesbezüglich ist die vorliegende Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG waren somit nicht gegeben.

Auf Grundlage der obigen Ausführungen war spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Mitwirkungspflicht Verfahrenshilfeantrag Vermögensbekenntnis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:L517.2239809.2.00

Im RIS seit

15.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

15.12.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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