Entscheidungsdatum
24.11.2021Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
L517 2244742-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. NIEDERWIMMER als Vorsitzenden und den Richter Mag. Dr. STEININGER und den fachkundigen Laienrichter Mag. SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX geb. XXXX , vertreten durch den XXXX gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle XXXX , vom 17.03.2021, OB: XXXX in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF iVm § 1 Abs 2, § 40 Abs 1, § 41 Abs 1 und 2, § 45 Abs 1 bis 3 Bundesbehindertengesetz (BBG), BGBl. Nr. 283/1990 idgF stattgegeben und aufgrund des ermittelten Sachverhaltes festgestellt, dass die Voraussetzungen hinsichtlich der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass iSd zitierten Bestimmungen des BBG vorliegen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 Bundesverfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 idgF zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
29.10.2020—Antrag der beschwerdeführenden Partei (in Folge „bP“ genannt) vertreten durch den XXXX auf die Ausstellung eines Ausweises gemäß §29b Straßenverkehrsordnung 1960 (Parkausweis) und gleichzeitig auf die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass beim Sozialministeriumsservice XXXX - SMS, Landesstelle XXXX (in Folge belangte Behörde bzw. „bB“ genannt)
09.11.2020—Aufforderung zur Nachreichung aktueller medizinischer Unterlagen an die bP
30.11.2020—Übermittlung der medizinischen Unterlagen durch die bP
16.01.2021—Erstellung eines Sachverständigengutachtens durch einen Facharzt für Innere Medizin; Nachuntersuchung 01/2023; Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel
29.01.2021—Parteiengehör
01.03.2021—Stellungnahme der bP
17.03.2021—Bescheid der bB; Abweisung des Antrags vom 29.10.2020 auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass
03.05.2021 –Beschwerde der bP vertreten durch den XXXX
18.06.2021—Erstellung eines Sachverständigengutachtens durch eine Fachärztin für Innere Medizin; Dauerzustand; Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel
25.06.2021—Parteiengehör/ keine Stellungnahme
27.07.2021—Beschwerdevorlage am BVwG
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1.0.Feststellungen (Sachverhalt):
Die bP besitzt die XXXX Staatsbürgerschaft und ist an der im Akt ersichtlichen XXXX Adresse wohnhaft.
Die bP ist seit 22.02.2007 im Besitz eines Behindertenpasses mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 100 vH. Seit 12.10.2015 ist die Zusatzeintragung „Gesundheitsschädigung gem.§ 2 Abs.1 dritter Teilstrich VO 303/1996 liegt vor“ in den Behindertenpass eingetragen.
Am 29.10.2020 stellte die bP, vertreten durch den XXXX , den verfahrensgegenständlichen Antrag auf die Ausstellung eines Ausweises gemäß §29b Straßenverkehrsordnung 1960 (Parkausweis) und gleichzeitig auf die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass bei der bB.
Am 09.11.2020 wurde die bP zur Nachreichung aktueller medizinischer Unterlagen aufgefordert.
Am 30.11.2020 erfolgte die Übermittlung der medizinischen Unterlagen durch die bP.
In weiterer Folge wurde am 16.01.2021 ein Sachverständigengutachten durch einen Facharzt für Innere Medizin erstellt. Es wurde eine Nachuntersuchung für Jänner 2023 angeordnet und die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgestellt. Das Gutachten weist nachfolgenden relevanten Inhalt auf:
„Anamnese:
Vorgutachten 4/2010 mit einer Einschätzung von 100 % (Einschätzung nach RVO) bei erfolgter Herztransplantation 80 %, Zuckererkrankung 30 %, Depression 30 %, Folgezustand nach Schlaganfall mit Gleichgewichtsstörungen 20 % und Hochdruckleiden 20 %. Herztransplantation 2/2007 wegen Herzmuskelerweiterung (dilatative Cardiomyopathie), nachdem von 6/2006 bis 2/2007 eine Überbrückungsbehandlung "am Kunstherzen" erfolgt ist. In einer aktuellen Nachkontrolle 12/2020 sind mehrere Gefäßverengungen am transplantierten Herzen festgestellt worden (50 bis 70 %-ige Stenosen) bei erhaltener Pumpfunktion des Herzens. Weiters besteht eine mittlerweile insulinpflichtige Zuckererkrankung Diabetes mellitus Typ 2.
Derzeitige Beschwerden:
Vom Herz her würde es "gut gehen", aber beim längeren und schnelleren Gehen "habe er Aussetzer". Auf Nachfrage werden hier Bewusstlosigkeitsanfälle angegeben, wobei der Loop-Recorder (Aufzeichnungsgerät des Herzschlages) keine
Adam- Stokes-Synkopen (herzrhythmusbedingte Bewußtseinseintrübungen) aufgezeichnet hat (insgesamt dreimalige Kollapszustände/Bewusstseinseintrübungen).
Die Gehleistung in der Ebene ist nicht wesentlich eingeschränkt, 300 bis 400 m können ohne Pause in subjektiv gewähltem Tempo bewältigt werden. 2 Stockwerke sind ebenfalls ohne Pause zu bewältigen. Eine Infektionshäufigkeit wird nicht angegeben, "Infekte habe ich nicht all zu viele". Es sind auch keine stationären Aufenthalte wegen Infektionen erforderlich gewesen.
Von seiten des Diabetes wird der Zucker selbst gemessen, wobei die Nüchternwerte um 150 mg/dl ("heute war er 158 mg/dl") liegen. Der letzte HbA1c wird mit 8,3 % angegeben (befundmäßig aber liegt der Wert bei 8,6%).
Am Nachmittag des 14.12.2020 ist beim Spazierengehen ein Sturz mit kurzzeitigem Bewusstseinsverlust aufgetreten (nachfolgend unfallchir. Vorstellung), wobei die ambulante Loop-Recorder-Kontrolle am 15.12.2020 einen unauffälligen Befund ergeben hat.
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Medikamente laut Befund Herztransplantationsambulanz Klinikum XXXX vom 17.12.2020:
Prograf 1-0-1 abwechselnd 0-1-0
CellCept 500 mg 0-1-0
Bisoprolol 5 mg 1-0-1/2
Lisinopril 20 mg 0-1-0
Amlodipin 5 mg 0-1-0
ThromboAss 100 mg 1-0-0
Rosamib 20/10 0-0-1
Novomix 30 FlexPen laut Schema
Pantoloc 40 mg 1-0-0
Cal-D-Vita 1-1-0
Prolia 60 mg 1 alle 6 Monate s.c.
Trajenta 5 mg 1-0-0
Urosin 100 mg 0-0-1
Magnesium 1-0-1
Für 13.1.2021 ist eine Reha in XXXX geplant mit besonderem Augenmerk auf die Diabeteseinstellung.
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Es wurden alle vorliegenden Befunde eingesehen.
Befundbericht XXXX 17.12.2020:
Diagnosen:
- Z.n. orthotoper Herztransplantation am 1.2.2007 wegen dilatativer CMP
- CA am 18.3.2020: deutliche Graft-Vaskulopathie mit: 50 %-iger Plaqueformation im Stamm der RCA, zwei 50-70 %-ige Plaqueformationen im Bereiche der prox. und mittleren LAD, 70 %-ige Stenose im Bereich der mittleren Circumflexa
- Systolische Linksventrikelfunktion normal
- Arterielle Hypertonie
- Diabetes mellitus Typ 2 (insulinpflichtig)
- Chron. Niereninsuffizienz K / DOQI Stadium 3
- Osteoporose
- Z. n. aktinischen Keratosen
- Z. n. Implantation eines De Bakey-LVAD vom Juni 2007 bis zur HTX am 1.2.2007
- Z. n. Leukopenie (CellCept-assoziiert)
- Z. n. Endothelitis (herpet. Keratopathie) li. Auge
- Implantaiton eines Loop-Recorders 2/2017
14.12.2020: HbA1c 8,6 %.
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
XXXX Jahre, zufriedenstellender Allgemeinzustand, zeitlich und örtlich gut orientiert, gut kontakfähig, nicht klagsam.
Ernährungszustand:
Übergewichtigkeit mit BMI 29,5
Größe: 167,00 cm Gewicht: 82,00 kg Blutdruck: 168/91 mmHg
Klinischer Status – Fachstatus:
Kopf/Hals: Nervenaustrittspunkte frei, keine tastbaren Lymphknoten. Zunge nicht belegt. kein hörbares Strömungsgeräusch über der Halsschlagader.
Brustbereich: 22 cm lange, längsgestellte Narbe nach Herztransplantation.
Herz: Herztöne leise.
Lunge: Beide Lungenbasen gut atemverschieblich, vesiculäres (normales) Atmen, keine Stauungs- oder Rasselgeräusche.
Bauchbereich: Bauch über dem Brustniveau, erhöhter Bauchumfang 108 cm. Deutliche Schwäche der vorderen Bauchmuskulatur (Rektusdiastase). Leber am Rippenbogen und von unauffälliger Konsistenz, Milz nicht tastbar, kein krankheitsverdächtiger Tastbefund, Nierenlager frei, Bruchpforten geschlossen.
Extremitäten: Periphere Pulse gut tastbar, keine Krampfadern, keine Beinschwellungen (Ödeme).
Gesamtmobilität – Gangbild:
Sicheres Gangbild ohne Gehilfe, ohne fremde Hilfe.
Status Psychicus:
Psychisch klar orientiert, nicht klagsam.
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
1. Folgezustand nach Herztransplantation wegen Herzmuskelerweiterung (dilatative Cardiomyopathie) am 31.1.2007. Es besteht eine erhaltene Pumpfunktion des Herzens (lt. Befundbericht) mit Herzkranzgefäßverengungen zwischen 50 bis 70 % an allen Herzkranzgefäßen (Graft-Vasculopathie). Es ist eine dauernde abwehrschwächende Behandlung (ohne auffallende Infekthäufigkeit) notwendig. Wegen wiederholter Bewusstlosigkeitsanfällen ist ein Loop-Recorder (EKG-Aufzeichnungsgerät) bezüglich Rhythmusstörungen implantiert worden.
2. Insulinpflichtige Zuckererkrankung Diabetes mellitus Typ 2 b (Erstdiagnose 2010). Es besteht eine kombinierte Therapie aus mehrfach tägl. Insulinapplikation (Bolus-Schema) bei unzureichender Stoffwechseleinstellung mit einem HbA1c von 8,6 %.
3. Hochdruckleiden (mäßige Hypertonie) bei medikamentöser Dreifachbehandlung. Die Medikation ist tlw. überlappend mit der Behandlung der Herzkranzgefäßverengungen im transplantierten Herzen.
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
Im Vergleich zum Vorgutachten ist zwischenzeitlich ein Loop-Recorder wegen Bewusstlosigkeitsanfällen implantiert worden, weiters ist die Zuckererkrankung insulinpflichtig. Nicht berücksichtigt werden die vorbefundliche Depression (keine aktuelle Therapienotwendigkeit) und der Zustand nach ischämischem Insult im Thalamusgebiet (mit stattgehabten Sehstörungen und Gleichgewichtsstörungen), da hier keine dauernden funktionellen Beeinträchtigungen vorliegen.
Die angegebene Niereninsuffizienz entspricht einer altersentsprechenden Nierenfunktion, die Osteoporose bewirkt keine funktionelle Beeinträchtigung. Die Augenentzündung (Zustand nach Keratopathie) bewirkt ebenfalls keine Dauereinschätzung.
Eine Verminderung der weißen Blutzellen (Leukopenie) war medikamentös ausgelöst, und stellt keine dauernde Beeinträchtigung dar.
[X] Nachuntersuchung 1/2023 - weil Von seiten der Zuckereinstellung ist eine Besserung möglich.
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Es konnten keine Funktionsbeeinträchtigungen festgestellt werden, die zu einer erheblichen Einschränkung der Mobilität führen. Die zurücklegbare Wegstrecke beträgt mehr als 300-400 m, das gefahrlose Ein- und Aussteigen (mit entsprechender Überwindung der Niveauunterschiede bis 30 cm) und der gefahrlose Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln ist von Seiten der körperlichen Leistungsfähigkeit möglich. Es wird keine Gehhilfe benötigt, ebenso besteht keine Sturzgefahr. Es besteht keine Einschränkung in Bezug auf das sichere Stehen, die Sitzplatzsuche oder bei einer notwendig werdenden Fortbewegung im fahrenden öffentlichen Verkehrsmittel. Die Benützung von Haltegriffen oder Haltestangen ist möglich.
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?
Nach Herztransplantation ist eine lebenslange abwehrschwächende Behandlung erforderlich. Trotz immunsuppressiver Therapie besteht keine schwere Immunsuppression und die Teilnahme am normalen sozialen Leben ist ohne wesentliche Einschränkung möglich. Eine auffällige Infektneigung liegt bei Herrn XXXX nicht vor.
Gutachterliche Stellungnahme:
Das Vorgutachten wurde noch nach Richtsatzverordnung eingeschätzt, die diesmalige Einschätzung erfolgt der EVO (Einschätzungsverordnung).“
Am 29.01.2021 wurde Parteiengehör gewährt und der bP die Möglichkeit gegeben zum Sachverständigengutachten vom 16.01.2021 Stellung zu nehmen.
Am 01.03.2021 gab die bP folgende Stellungnahme ab: Bei dem Termin am 8.1.2021. um 11:00 Uhr, sei die bP um 11.15 Uhr an der Reihe gewesen. Man habe ein EKG gemacht. Danach musste die bP in einen anderen Behandlungsraum. Da habe sie ca.10 min. auf den Arzt gewartet. Dieser habe der bP die Lunge abgehorcht. Er habe ein paar Fragen zu ihrem Unfall gehabt. Das sei es gewesen. Er habe nur noch gesagt, das andere stehe alles im Befund vom Krankenhaus XXXX . Um 11.45 Uhr habe die bP die Ordination wieder verlassen. Die bP habe jetzt 14 Jahre ihr Herz. Alle 3 Monate Kontrolle, die würde ca. 4 Stunden dauern, alle 6 Monate Haut (weißer Hautkrebs), alle 6 Monate Knochendichte (Osteoporose). Seit 2 Jahren habe die bP ab und zu Kreislaufkollaps, am 14. Dezember sei es so schlimm gewesen. Sie sei gestürzt und auch auch kurz bewusstlos gewesen. Ein Autofahrer habe die bP 6-7 Meter abseits der Straße gefunden. Im Krankenhaus seien Hautabschürfung und ein Nasenbeinbruch festgestellt worden. Auch das habe er sich nicht angesehen.
Am 17.03.2021 wurde der Bescheid der bB erlassen. Es wurde der Antrag vom 29.10.2020 auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass abgewiesen. Rechtsgrundlage waren §§ 42 und 45 des Bundesbehindertengesetzes (BBG), BGBl. Nr. 283/1990, in der jeweils geltenden Fassung Begründend wurde ausgeführt: Im Ermittlungsverfahren sei ein Gutachten eingeholt worden. Nach diesem Gutachten würden die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorliegen. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien der Beilage, die einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen.
Gemäß § 45 Abs. 3 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) sei der bP mit Schreiben vom 29.01.2021 Gelegenheit gegeben worden, zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen. Die Einwendung der bP vom 1.3.2021 hätte keine Zweifel an der Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigenbeweises bewirkt, sodass spruchgemäß zu entscheiden sei. Neue Beweismittel seien nicht vorgelegt worden. Der Antrag sei somit abzuweisen. Die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt worden.
Im Anschluss erhob die bP am 03.05.2021, vertreten durch den XXXX , Beschwerde:
Bei der bP sei am 08.01.2021 die Begutachtung durch Dr. XXXX durchgeführt worden. Dieser sei in seiner Befundung zum Ergebnis gekommen, dass die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel gegeben sei. Es werde der Antrag gestellt, das Bundesverwaltungsgericht möge gemäß § 28 Abs.2 und Abs.3 VwGVG den angefochtenen Bescheid- gegebenenfalls nach berichtigender Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts- abändern. Der Antrag werde im Einzelnen wie folgt begründet: Im anhängigen Verfahren würden bei der bP eine Beinschwäche und rezidivierende Synkopen unklarer Ursache vorliegen. Neben den derzeit bestehenden körperlichen Leistungseinschränkungen würde auch noch eine koronare Herzkrankheit mit 50-70%igen Stenosen in allen großen Gefäßen vorliegen. Es erschließe sich der bP nicht wie hier eine Benützung öffentlicher Verkehrsmittel gegeben sein solle. Die definierte Wegstrecke von 300-400m könne nicht ausreichend bewältigt werden. Weiters herrsche erhöhte Sturzgefahr und es könne kein sicherer Stand in dem öffentlichen Verkehrsmittel gewährleistet werden.
Am 18.06.2021 wurde ein Sachverständigengutachten durch eine Fachärztin für Innere Medizin erstellt. Es wurde ein Dauerzustand und die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgestellt. Der relevante Inhalt des Gutachtens lautet:
…
„Anamnese:
Vorgutachten 2010. Einschätzung mit 100 %.
Antrag auf Zusatzeintragung 2021 nicht gewährt - Nachuntersuchung 01/23 wegen Besserungsfähigkeit der Zuckereinstellung vorgeschlagen.
Kundenbeschwerde gegen Bescheid: auszugsweise werden angegeben Beinschwäche und rezidivierende Synkopen unklarer Ursache. Wegstrecke von 300 bis 400 m kann nicht ausreichend bewältigt werden, erhöhte Sturzgefahr, Standunsicherheit.
Vorlage neuer Befunde.
1. REHA-Bericht Herz-Kreislaufzentrum XXXX .
Herz-Kontrolle Klinikum XXXX 15.3.2021.
Alle Befunde wurden eingesehen.
Nächste Kontrolle in 1 Woche.
Eigene Anamnese: 1995 Herzinfarkt ohne Krankenhausaufenthalt, dann Auftreten von Atemnot. Verspätete Behandlung im Krankenhaus XXXX . Damals sei eine Herztransplantation als Option angesehen worden. Eine Herztransplantation erfolgte erst 2007 in XXXX . In weiteren Jahren mehrere langdauernde Arbeitsunfähigkeiten beginnend mit 12/1995.
März 2020 Koronarangiographie: keine Stentsetzung. Angeblich freie Durchblutung.
Derzeitige Beschwerden:
Der Blutzucker schwanke zwischen 120 bis 180 . Der HbA1c sei 8,4 bzw. 8,1 % gewesen. Er trainiere zuhause mit Bändern wie in der REHA gelernt. Auch am Hometrainer - das selbe Programm wie in der REHA. Er hätte sich auch ein E-Bike gekauft, teilweise würde er ohne Zusatzelektrizität fahren, nimmt jedoch die E-Variante beim Bergauffahren. Er fahre die Strecke XXXX alleine, weil die Frau nicht mitkäme. Er mache Spaziergänge in der Umgebung, aber nicht alleine, da wird er von seiner Gattin begleitet. Stiegen steigen ginge, er hätte eine Unsicherheit im rechten Bein seit dem Schlaganfall. Er müsse beim Stiegensteigen aufpassen - er sei einmal hängen geblieben. Den Loop-Recorder hätte er seit 4 Jahren - bisher ohne Anzeige einer Rhythmusstörung.
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Prograf 1-0-1 abwechselnd 0-1-0
CellCept 500mg 0-1-0
Bisoprolol 5mg 1/2-0-1
Lisinopril 20mg 0-1-0
Amlodipin 5 mg 0-1-0
Thrombo ASS 100 mg 1-0-0
Rosamib 20/10 mg 0-0-1
Toujeo 300 E/ml Fertigpen 0-0-1
Apidra 100e/ml-Fertigpen 0-0-1
Pantoloc 40 mg 1-0-0
Cal-D-Vita 1-1-0
Prolia 60 mg 1 alle Monate subkutan
Glucophage 500mg 1-0-1
Urosin 100mg 0-0-1
Magnesium 1-0-1
Hilfsmittel: Funkabfragegerät für Loop-Recorder.
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
1. Gutachten Dr. XXXX 30.4.2010 ( Richtsatzverordnung ):
Zustand nach orthotoper Herztransplantation 2007 wegen dilativer Kardiomyopathie, Zustand eines linksventriculären Device 2006, Diabetes mellitus, renale Funktionseinschränkung, Depressio, Zustand nach ischämischen Insult im Thalamusgebiet mit Sehstörungen und Gleichgewichtsstörungen, arterielle Hypertonie. Gesamt 100.
2. Klinikum XXXX Herztransplantationsambulanz 2.10.2020:
Diagnosen
Z.n. orthotoper Herztransplantation am 01.02.2007 wegen dilatativer CMPCA am 18.03.2020: deutliche Graft-Vaskulopathie mit:
50%iger Plaqueformation im Stamm der RCA
zwei 50-70%ige Plaqueformationen im Bereich der proximalen und
mittleren LAD
70%ige Stenose im Bereich der mittleren Circumflexa.
Systolische Linksventrikelfunktion normal
Arterielle Hypertonie
Diabetes mellitus Typ (insulinpflichtig)
Chronische Niereninsuffizienz DOQI Stadium
Osteoporose
Z.n. aktinischen Keratosen am
Z.n. ischämischen Insult 2006
Z.n. Implantation eines De Bakex-LVAD vom Juni 2006 bis zur HTX am 01.02.2007.
Z.n. Leukopenie ( Cellcept-assoziiert? )
Z.n. Endothelitis ( herpet.Keratopathie ) li. Auge
Implantation eines Loop-Recorders 3/2017.
NYHA 1 stabiler Verlauf.
3. Sachverständigengutachten Dr. XXXX 8.1.2021: Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
1 Folgezustand nach Herztransplantation wegen Herzmuskelerweiterung (dilatative Cardiomyopathie) am 31.1.2007. Es besteht eine erhaltene Pumpfunktion des Herzens (lt. Befundbericht) mit Herzkranzgefäßverengungen zwischen 50 bis 70 % an allen Herzkranzgefäßen (Graft-Vasculopathie). Es ist eine dauernde abwehrschwächende Behandlung (ohne auffallende Infekthäufigkeit) notwendig. Wegen wiederholter Bewusstlosigkeitsanfällen ist ein Loop-Recorder (EKG-Aufzeichnungsgerät) bezüglich Rhythmusstörungen implantiert worden.
2 Insulinpflichtige Zuckererkrankung Diabetes mellitus Typ 2 b (Erstdiagnose 2010). Es besteht eine kombinierte Therapie aus mehrfach tägl. Insulinapplikation (Bolus-Schema) bei unzureichender Stoffwechseleinstellung mit einem HbA1c von 8,6 %.
3 Hochdruckleiden (mäßige Hypertonie) bei medikamentöser Dreifachbehandlung. Die Medikation ist tlw. überlappend mit der Behandlung der Herzkranzgefäßverengungen im transplantierten Herzen.
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
Im Vergleich zum Vorgutachten ist zwischenzeitlich ein Loop-Recorder wegen Bewusstlosigkeitsanfällen implantiert worden, weiters ist die Zuckererkrankung insulinpflichtig. Nicht berücksichtigt werden die vorbefundliche Depression (keine aktuelle Therapienotwendigkeit) und der Zustand nach ischämischem Insult im Thalamusgebiet (mit stattgehabten Sehstörungen und Gleichgewichtsstörungen), da hier keine dauernden funktionellen Beeinträchtigungen vorliegen. Die angegebene Niereninsuffizienz entspricht einer altersentsprechenden Nierenfunktion, die Osteoporose bewirkt keine funktionelle Beeinträchtigung. Die Augenentzündung (Zustand nach Keratopathie) bewirkt ebenfalls keine Dauereinschätzung.
Eine Verminderung der weißen Blutzellen (Leukopenie) war medikamentös ausgelöst, und stellt keine dauernde Beeinträchtigung dar.
4. Herz-REHA-Zentrum XXXX 13.1. bis 3.2.2021: Diagnosen:
St.p. orthotoper Herztransplantation 1.2. 2007 bei dilatativer Cardiomyopathie
1.2.2007 AKH XXXX
St.p. Implantation eines De Bakey-LVAD von 6/2006 bis zur HTX am 1.2.2007
koronare Herzkrankheit
Kontrollangiographie am 18.3. 2020 im Klinikum XXXX wegen
deutlicher Graft-Vaskulopathie
LAD: 50 - 70 %ige Plaqueformationen proximal und im Mittel
CX: 70%ige mittlere Stenose
RCA: 50%ige Plaqueformation im Stamm
angiographisch diffuse, doch teils fokalbetonte Vaskulopathie ( im IVUS max.
50%ige Stenosen 10/2015
rezidivierende Synkopen
Looprecorderimplantation am 9.3. 2017 Klinkum XXXX
Beim Spazierengehen Sturz mit kurzzeitigem Bewusstseinsverlust am 14.12. 2020
( Looprecorderkontrolle am 15.12. 2020 unauffällig, Nasenfraktur und Contusio
cum excor.prof.reg. orbitalis dext., keine akuten Zeichen im Schädel-CT )
arterielle Hypertonie
Diabetes mellitus Typ II ( Erstdiagnose ca. 2007, HbA1c 8,4 % am 15.1.2021 )
Insulin seit 2017
chronische Niereninsuffizienz ( eGFR 42 ml/ min. am 15.1.2021 )
St.p. ischämischem Insult 2006
Osteoporose
St.p. Leukopenie ( DD: Cellcept-assoziiert )
St.p. Endotheliitis ( herpetische Keratopathie ) linkes Auge und Katarakt beide Augen.
Auszug aus Befund: Sturz mit kurzzeitiger Bewusstlosigkeit Dezember 2020 ohne nachweisliche rhythmogene Komponente. Aktuell NYHA I. Aufnahme in der Ergometrie 57 % der Zielleistung. Leistungsprogramm in geringen bis mittleren Leistungsgruppen möglich. Diabetesumstellung von Mischinsulin auf intensiviertes Insulinschema mit Verbesserung des Zuckerprofiles.
5. Bericht Klinikum XXXX Herztransplantationszentrum 15.3.2021: die selben Diagnosen.
Auszug aus Befund: EKG : Sinusrhythmus, klinisch NYHA I. Stabiler Verlauf.
REHA erfolgreich absolviert, Diabetes-Medikation wurde angepasst.
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
gut
Ernährungszustand:
gut
Größe: 166,00 cm Gewicht: 79,00 kg Blutdruck: 120/80
Klinischer Status – Fachstatus:
Kopf/Hals: Visus mit Lesebrille korrigiert. Haut und Schleimhäute bland, gut durchblutet, keine Struma, keine Lymphknotenvergrößerung, Carotiden frei.
Thorax: 26 cm lange blande sternale Narbe. Geringer Druckschmerz distal. Thorax stabil. Kleiner tastbarer Recorder subpektoral links.
Cor: Herztöne rein, rhythmisch, normofrequent, kein Geräusch.
Pulmo: reines VA bds.
Abdomen: adipöse Bauchdecken, fingerkuppengroß einlegbare Umbilicalhernie ohne Inkazeration. Normale Organgrenzen, keine pathologische Resistenz.
Extremitäten: seitengleiche Durchblutung, keine Varizen, keine Ödeme.
Skelett: Wirbelsäule im Lot mit normalen Krümmungen. Vorbeuge bis FBA 10 cm möglich. Seitneigung und Rotation frei.
HWS endlagig gering eingeschränkt.
Schürzen- und Nackengriff bds. symmetrisch und vollständig.
Gelenke der oberen Extremitäten reizfrei und frei beweglich.
Faustschluss komplett, mäßig kraftvoll.
Untere Extremitäten: Gelenke reizfrei, frei beweglich, symmetrische Muskulatur der Beine, der Quadrizepsumfang + 1 cm gegenüber links ( rechts sei ein Normalbefund ). Verkrustungen im Kniebereich nach Exkoriation ohne Verband. Freie Kniebeweglichkeit, keine Reizzustände.
Gelenke der unteren Extremitäten insgesamt völlig frei beweglich und unauffällig.
Keine sensiblen Störungen, keine motorischen Ausfälle. PSR und ASR rechts nicht auslösbar, links normales Reflexverhalten.
Zehenspitzen- und Fersenstand bds. symmetrisch und ausreichend lang möglich.
Stabiler Einbeinstand.
Gesamtmobilität – Gangbild:
Flottes Aus- und Anziehen, rhythmisches Gangbild, normale Schrittweite. Abrollbewegung erhalten. Rasche und sichere Umwendbewegung. Einbeinstand möglich. Stand mit geschlossenen Augen möglich. Beobachteter Gang im Freien langsam, rhythmisch, Bordsteinkante kann mühelos überwunden werden.
Status Psychicus:
Voll orientiert, Ductus kohärent, Stimmung und Antrieb indifferent, gute Affizierbarkeit in bd. Skalenbereichen, keine tiefgehenden psycho-pathologischen Phänomene.
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
1. Folgezustand nach Herztransplantation wegen Herzmuskelerweiterung ( dilative Kardiomyopathie 2007 ), stabile Immunsuppression, erhaltene Pumpfunktion, Herzgefäßverengungen mittleren Grades ohne Behandlungsbedürftigkeit ( Graft-Vaskulopathie ). Zustand nach Bewusstlosigkeit. Zustand nach Implantation eines Loop-Recorders 2017 - bisher keine Aktion aufgezeichnet.
2. Insulinpflichtige Zuckerkrankheit ( Diabetes mellitus Typ II b )mit zufriedenstellender Stoffwechseleinstellung bei intensivierter Insulintherapie unverändert zu Vorbefund.
3. Bluthochdruck ( mäßige Hypertonie ) , stabile Medikation, überlappend zu Pos. 1.
4. Zustand nach Schlaganfall mit leichter, visuell kompensierbarer Gangstörung.
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
Im Vergleich zum Vorgutachten Dr. XXXX findet sich keine grundsätzliche Änderung des klinischen Befundes : stabiler Zustand nach Herztransplantation wie beschrieben. Im Besonderen bisher keine nachweisbaren Rhythmusstörungen seit Implantation des Loop-Systems 2017.
Bezüglich des Diabetes gering gebesserte Gesamtzuckereinstellung unter identer Medikation.
Bezüglich Hochdruckleiden stabile Blutdruckwerte unter laufender Medikation.
Neu aufgenommen wurde Zustand nach Schlaganfall mit angegebener subjektiver Koordinationsstörung des rechten Beines ohne neurologischem Fachbefund.
Übrige Leiden unverändert. Keine neuen Befunde.
[X] Dauerzustand
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Bei völlig normaler Pumpfunktion des Herzens (klinisch NYHA I Stadium), erfolgreicher Rehabilitation mit beschriebener leicht bis mäßiggradiger Belastbarkeit ist eine Gehstrecke von 300 bis 400 m in der Ebene in einem langsamen üblichen Schritttempo ohne Pausen zurücklegbar. Dies entspricht auch den Angaben des Kunden über Spaziergänge mit der Gattin bzw. dem Leistungsprofil im Radfahren. Beklagte Gehstörungen lassen sich in der Ebene nicht verifizieren. Es besteht ein sicherer Stand, auch Blindstand ist möglich. Die subjektive Schwäche des rechten Beins läßt sich visuell ( z.B. Handlauf benützen, Stufen anschauen beim Stiegengehen ) gut kontrollieren. Der Stand ist auch in einem fahrenden Fahrzeug als ausreichend sicher anzusehen, zumal die Haltefunktionen in beiden Armen völlig uneingeschränkt sind. Für das Aufsuchen eines Sitzplatzes auch im sich bewegenden Fahrzeug besteht keine Einschränkung, zumal der Kunde nachweislich ausreichende Sicherheit hat um ein E-Bike im freien Verkehr zu lenken. Die laufende Immunsuppression ist stabil und erlaubt unter den üblichen hygienischen Maßnahmen ebenfalls einen sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel.
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt ein Immundefekt vor im Rahmen dessen trotz Therapie erhöhte Infektanfälligkeit und wiederholt außergewöhnliche Infekte wie atypische Pneumonien auftreten?
Bei Zustand nach Herztransplantation vor 14 Jahren und stabiler Immunsuppression findet sich im Verlauf keine Häufung von atypischen Infektionen. Es besteht ein gering erhöhtes Risiko für Infektionen die jedoch zu keiner Einschränkung des sozialen Lebens führt.
Gutachterliche Stellungnahme:
Ein öffentliches Verkehrsmittel kann benützt werden, da eine ausreichende Herzfunktion, keine nachweislichen Rhythmusstörungen in den letzten 4 Jahren sowie eine stabile Immunsuppression nur mit gering erhöhtem Infektionsrisiko besteht.
Bewegungsapparat ist auch bei Zustand nach Schlaganfall ausreichend belastbar und es besteht ein ausreichendes Koordinationsvermögen dafür.
Zustand nach Bewußtlosigkeiten ist ebenfalls kein Ausschlussgrund für die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels.
Insgesamt besteht keine Mobilitätseinschränkung, die die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittel unmöglich macht.“
Am 25.06.2021 wurde Parteiengehör gewährt und der bP das Sachverständigengutachten vom 18.06.2021 mit der Möglichkeit eine Stellungnahme abzugeben übermittelt. Die bP gab keine Stellungnahme ab.
Schließlich erfolgte am 27.07.2021 die Beschwerdevorlage am BVwG.
2.0.Beweiswürdigung:
2.1. Zum Verfahrensgang:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der bB und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
Der oben unter Punkt II.1. festgestellte Sachverhalt beruht auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens.
Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich durch Einsicht in das zentrale Melderegister sowie die sonstigen relevanten Unterlagen.
2.2. Aufgrund des vorliegenden Verwaltungsaktes ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt im Rahmen der freien Beweiswürdigung ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen. Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch-empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76). Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führen beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: „Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Tatrichter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, (…)“. Vergleiche dazu auch VwGH vom 18.06.2014, Ra 2014/01/0032.
Basierend auf der ständigen Rechtsprechung des VwGH bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" in einen Behindertenpass regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, das die Auswirkungen der Gesundheitsschädigung auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilt, sofern diese Frage nicht in einem unmittelbar zuvor durchgeführten Verfahren gemäß § 14 Abs 2 Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) im Rahmen der ärztlichen Begutachtung ausreichend behandelt wurde oder die Unzumutbarkeit aufgrund der Art der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt (vgl auch VwGH vom 01.03.2016, Ro 2014/11/0024; VwGH vom 27.05.2014, Ro 2014/11/0030; VwGH vom 17. Juni 2013, 2010/11/0021 mit Verweis auf die Erkenntnisse vom 23. Februar 2011, 2007/11/0142 und vom 23. Mai 2012, 2008/11/0128; vgl auch VwGH vom 20.03.2001, 2000/11/0321).
Nach der ständigen Judikatur des VwGH muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteiles (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar; die Behörde, die eine so geartete Äußerung ihrer Entscheidung zugrunde legt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (§ 37 AVG) nicht gerecht (VwGH vom 17.02.2004, GZ 2002/06/0151).
Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).
Eine Partei kann ein Sachverständigengutachten nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie unter präziser Darstellung der gegen die Gutachten gerichteten sachlichen Einwände ausdrücklich erklärt, dass sie die Einholung eines weiteren Gutachtens bestimmter Fachrichtung zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich halte und daher einen Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stellt (VwGH vom 23.11.1978, GZ 0705/77).
Der VwGH führte aber in diesem Zusammenhang auch aus, dass keine Verletzung des Parteiengehörs vorliegt, wenn einem Antrag auf Einholung eines zusätzlichen Gutachtens nicht stattgegeben wird (VwGH vom 25.06.1987, 87/06/0017).
Ebenso kann die Partei Sachverständigengutachten erfolgreich bekämpfen, ohne diesem auf gleichem fachlichem Niveau entgegentreten zu müssen, wenn es Widersprüche bzw. Ungereimtheiten im Gutachten aufzeigt (vgl. z. B. VwGH vom 20.10.2008, GZ 2005/07/0108).
Aus dem festgestellten Sachverhalt ist zu entnehmen, dass seitens der bB zwei Gutachten in Zusammenhang mit dem Antragsbegehren eingeholt wurden.
2.2.1 Es steht außer Streit, dass bei der bP im Jahr 2007 eine Herztransplantation vorgenommen wurde. Weiters steht außer Streit, dass sich die bP einer Immusuppression unterziehen muss, um eine Abstoßung des Organes hintanzuhalten.
Mit einer Transplantation, unabhängig welche Organe davon betroffen sind, wird nach dem Stand der Wissenschaft und Technik, außer in wenigen Ausnahmefällen, immer eine Immunsuppression verbunden sein. Die Immunsuppression verhindert, dass transplantierte Organe durch das in einem Menschen agierende Immunsystem abgestoßen werden. Eine "bewusste Schwächung" des Immunsystems ist somit immer mit einer erfolgreichen Transplantation von Organen verbunden. Begründend wird dazu ausgeführt, dass demnach eine Immunsuppression vermehrte Infektionserkrankungen beim betroffenen Patienten zur Folge hat und dies wiederum eine Einschränkung der Leistungsfähigkeit des transplantierten Organes zur Folge hat.
Um eine erworbene Infektion erfolgreich behandeln zu können, muss bei einem transplantierten Patienten eine Stärkung des Immunsystems erfolgen. Dies ist grundsätzlich nur mit der Herabsetzung der Einnahme von "Immunsuppressiva" möglich, was wiederum die Gefahr einer "Abstoßungsreaktion" des Organes zur Folge haben kann. Demnach ist vom Patienten danach zu trachten sich keinem erhöhten Infektionsrisiko auszusetzen, um die Organfunktion zu erhalten.
Für das erkennende Gericht steht auf Grundlage der vorliegenden Unterlagen fest, dass eine gute Organleistung des transplantierten Herzens bei der bP gegeben ist. Ungeachtet dieser Feststellungen liegt es aber auch auf der Hand, dass diese „gute Leistungsfähigkeit“ des transplantierten Organes nur durch die untrennbar damit verbundene Immunsuppression gewährleistet werden kann (vgl. BVwG, L517 2209652-1, insbesondere Ausführungen zum „siamesischen Zwillingseffekt“). Somit ist hinsichtlich der Beurteilung inwieweit das Antragsbegehren der bP vorliegt nicht nur auf die „Leistungsfähigkeit“ des Organes sondern auch in Zusammenschau mit den einzunehmenden Medikamenten und deren Wirkung bzw. Nebenwirkungen abzustellen.
In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass Transplantationen auf Grundlage der einschlägigen Literatur immer in jenen Fällen vorgenommen werden, wo diese aus medizinischer Sicht unausweichlich sind! Schlussfolgernd liegt somit ein Quasi -Totalversagen des Organes vor. Den betroffenen Patienten steht, bis auf kurzfristige Maßnahmen (z.B Dialyse bei Nierenversagen, Herz-Lungen-Maschine), nur eine Transplantation der betroffenen Organe als einzig mögliche "Ersatztherapie" zur Verfügung.
Wie dem Sachverhalt und den vorliegenden Unterlagen entnommen werden kann stand der bP im konkreten Fall und Patienten die eine Transplantation von Organen benötigen im Allgemeinen, so gut wie keine andauernde Ersatztherapie, die das Leben sichern bzw. verlängern würde, zur Verfügung.
2.2.2 Wie betreffend der Immunsuppression ausgeführt, sind somit "transplantierte Patienten" als chronisch krank im Sinne der finalen Programmierung der Einschätzungsverordnung einzustufen.
Bekräftigt wird dies auch dadurch, dass bei diesen Patienten eine regelmäßige ärztliche Kontrolle und Überwachung erforderlich ist. Bei diesen Kontrollen werden standardmäßig Blutwerte erhoben, die einerseits Rückschlüsse auf die Funktionstüchtigkeit des transplantierten Organes zulassen, andererseits werden die diversen Spiegel der verabreichten Immunsuppressiva überwacht. Je nach eingenommener Immunsuppressiva werden der Tacrolimusspiegel, der Cyclosporinspiegel usw. überprüft. Ebenfalls zielt die Blutauswertung auch auf die Überprüfung der Anzahl der Lymphozyten, der Leukozyten sowie anderer Parameter für die Bestimmung der Immunsuppression ab.
Nachdem das Immunsystem nicht statisch ist, sondern auf unzählige Einflüsse reagiert, bedarf es einer ständigen Kontrolle bzw. Anpassung der Immunsuppression, weshalb die Qualifizierung der derart behandelten Patienten als chronisch krank vorzunehmen ist.
2.2.3 Bei Infektionswellen unterschiedlichster Art ist die Situation für immungeschwächte Personen besonders brisant. Gerade bei Epidemien bzw. Pandemien zeigt sich, wie transplantierte Patienten mit einer einhergehenden Immunsuppression einer massiven Gefährdung ihrer Gesundheit bzw. des Lebens ausgesetzt sind.
2.2.4 Grundsätzlich entwickelt die Wissenschaft mit dem Auftreten von neuen Viren entsprechende Impfstoffe zur Bekämpfung der damit einhergehenden Krankheiten. Derartige Impfstoffe wurden auch in Zusammenhang mit der aktuellen Pandemie entwickelt.
Weitergehende wissenschaftliche Untersuchungen bedürfen in diesem Zusammenhang jene Patientengruppen, welche ein geschwächtes Immunsystem aufweisen. Dies ergibt sich unter anderem aus dem Umstand, dass das Immunsystem grundsätzlich die Aufgabe hat, nach einer Impfung Antikörper zu bilden und dadurch den Organismus auf eine Abwehr der entsprechenden Viren vorzubereiten. Wie Forschungsergebnisse zeigen, ist ein geschwächtes Immunsystem aber nicht in der Lage, nach einer Impfung Antikörper im erforderlichen Ausmaß aufzubauen. Schlussfolgernd unterliegen obig genannte Patientengruppen einer erhöhten Gefahr der Ansteckung im Vergleich zu Personen mit intaktem Immunsystem. Wie nachfolgend detailliert dargestellt wird, zeigt sich, dass gerade bei transplantierten Patienten zwar Antikörper gebildet werden können, diese aber bei weitem nicht in ausreichender Menge vorhanden sind. Auch wenn mit einer Impfung bei weitem nicht die gewünschten Erfolge erzielt werden können, wird diese dennoch für transplantierte Patienten empfohlen.
2.2.5 In der Empfehlung des nationalen Impfgremiums vom 14.12.2020 werden transplantierte Personen mit Immunsuppression als Hochrisikogruppe 1A mit vorrangigem Impfbedarf eingestuft. Dies spiegelt sich auch in der Empfehlung des nationalen Impfgremiums vom 17.08.2021 in Zusammenhang mit einer notwendigen Auffrischungsimpfung wider. Auch hier werden transplantierte Patienten mit Immunsuppression aufgrund der Gefährdungslage wieder vorrangig behandelt.
Wie bereits oben bezüglich der Auswirkung einer Immunsuppression auf das Immunsystem dargestellt, ist ein Immunsystem welches – unabhängig ob durch Erkrankung oder durch Medikamenteneinnahme – geschwächt ist, nicht in der Lage, Antikörper im notwendigen Ausmaß zu bilden.
Betreffend des aktuellen Standes der Wissenschaft bezüglich Coronaimpfung bei transplantierten Personen wird auf den Artikel „SARS-CoV-2: Immunsuppression verhindert Impfstoffwirkung bei Organempfängern“ im deutschen Ärzteblatt vom 25.03.2021 verwiesen.
In diesem wird unter anderem ausgeführt, dass die medikamentöse Immunsuppression, die nach allen Organtransplantationen lebenslang erforderlich ist, die Wirksamkeit einer Impfung gegen SARS-CoV-2 deutlich abschwächen kann. In einer US-Kohorten Studie im amerikanischen Ärzteblatt (JAMA 2021; DOI: 10.1001/jama.2021.4385) kam es bei weniger als 1/5 der Patienten zur Bildung von Antikörpern.
Bei gesunden Personen sind 20 Tage nach der Impfung in der Regel Antikörper gegen SARS-CoV-2 nachweisbar. Bei den Organtransplantierten war dies nur bei 17 % der Patienten der Fall.
Laut einem Folgeartikel im deutschen Ärzteblatt vom 07.05.2021 zeigte sich nach der 2. Impfung zwar ein Anstieg der transplantierten Personen, welche Antikörper bildeten auf 54 %, die Titer lagen im Vergleich jedoch deutlich unter der Antikörperanzahl von immunkompetenten Impflingen.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass durch die Immunsuppression eine wesentlich höhere Gefahr der Ansteckung durch Covid trotz Impfung bei transplantierten Patienten besteht. Gleichzeitig ist aber auch davon auszugehen, dass transplantierte Patienten bei einer Ansteckung durch Covid der hohen Gefahr eines schweren Verlaufes trotz Impfung ausgesetzt sind (vgl. vorangeführten Artikel des deutschen Ärzteblattes vom 25.03.2021).
Es steht zwar außer Zweifel, dass die gegenwärtige Pandemie die oben angeführten Auswirkungen eines reduzierten Immunsystems besonders deutlich aufzeigt, was aber nicht heißt, dass diese erhöhte Infektionsgefahr sich nur auf Corona beschränkt. Da ein genauer Zeitpunkt von Infektionskrankheiten sich so gut wie nie vorherbestimmen lässt, besteht in der Folge eine permanent erhöhte Ansteckungsgefahr für diese Patientengruppe, hingewiesen wird hier vor allem auch auf periodisch auftretende Grippewellen.
Unbestritten besteht somit nach allgemeiner Lebenserfahrung bei Menschenansammlungen, insbesondere in öffentlichen Verkehrsmitteln usw., eine nachvollziehbare Gefahr einer Ansteckung, weshalb diese von "immunsuppressierten Patienten" aus angeführten Gründen krankheitsbedingt prophylaktisch zu vermeiden sind (vgl. dazu den Artikel im deutschen Ärzteblatt vom 07.05.2021, in welchem auf ein amerikanischen Ärzteblatt verwiesen wird, wo Mediziner den Patienten dringend raten, sich durch Gesichtsmaske, Abstand und andere Maßnahmen vor einer Ansteckung zu schützen). Gestützt wird diese Ansicht ebenfalls durch die von den führenden Transplantationszentren veröffentlichten "Verhaltensregeln für transplantierte Patienten." Diese führen zusammengefasst aus, dass transplantierte Personen Menschenansammlungen meiden sollten und auch die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel hintanzuhalten ist.
Bei Patienten mit geschwächtem Immunsystem ist folglich die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel gegeben. Die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wird auf Dauer zu gewähren sein, da wie bereits ausgeführt die Patienten als chronisch krank im Sinne der medizinischen Einschätzung beurteilt werden und die Einnahme der Immunsuppressiva mit der Lebensdauer des Organes verbunden ist! Schlussfolgernd besteht der Bedarf an lebenslänglicher Immunsuppression, welche auch betreffend der Gewährung der „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ durchschlägt.
2.2.6 Unter dem Blickwinkel der Judikatur der Höchstgerichte, insbesondere der zitierten Entscheidungen, ist das internistische Sachverständigengutachten vom 16.01.2021 in Zusammenschau mit dem aufgrund der Stellungnahme der bP eingeholten internistischen Sachverständigengutachten vom 18.06.2021 nicht schlüssig und auch nicht nachvollziehbar.
Die gegenwärtige Corona-Pandemie hat eine massive Gefährdung der transplantierten Patienten aufgrund des reduzierten Immunsystems zur Folge. Auf Grundlage obiger Ausführungen werden transplantierte Patienten als Hochrisikogruppe mit bevorzugter Impfnotwendigkeit laut Empfehlung des nationalen Impfgremiums angesehen.
2.2.7 Unabhängig davon wird auf die Ausführungen zur Immunsuppression und der Bildung von Antikörpern nach Impfung bei transplantierten Patienten verwiesen. Wie in den einschlägigen Ärztejournalen dargelegt, ist auch bei Patienten, welche einer Immunsuppression bedürfen, eine Antikörperbildung im Vergleich zu impfkompetenten Impflingen als gering einzustufen. Selbst bei einer langjährigen niedrigen Immunsuppression liegt die Bildung von Antikörpern nach erfolgter Impfung weit unter dem Durchschnitt (vgl. Artikel im deutschen Ärzteblatt vom 25.03.2021).
Die Ausführungen im Gutachten zur Immunsuppression und einer damit eventuell gegebenen Gefährdung stehen in krassem Widerspruch zu der gegenwärtigen Pandemie und der o.a. angeführten Fachliteratur.
2.2.8 Hinzuweisen ist bei der Gutachtenserstellung in diesem Zusammenhang auch auf S 5, Punkt 2. der diesbezüglichen Vorlagen für die Sachverständigen. Darin findet sich die vorgegebene Frage, ob „eine schwere Erkrankung des Immunsystems vorliegt“. Diese Fragestellung inkludiert nur Erkrankungen des Immunsystems. Dementsprechend werden Menschen, welche krankheitsbedingt eine Immunsuppression benötigen, beispielsweise Patienten nach Transplantation bzw. Patienten mit einer Autoimmunerkrankung von dieser Fragestellung gar nicht umfasst. Mit dieser Fragestellung wird rein die Ursache für ein reduziertes Immunsystem, eingeschränkt auf „Erkrankungen“ erhoben, nicht jedoch Patientengruppen, welche durch Einnahme von Immunsuppressiva ein reduziertes Immunsystem aufweisen. Somit werden diese Patienten aufgrund obig angeführter Fragestellung ausgeschlossen, was im Ergebnis zu einer willkürlichen Ermittlung und letztendlich zur Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes nach Art. 7 B-VG führt (siehe dazu die Ausführungen in der rechtlichen Beurteilung).
Vom Gutachter ist zu erheben, ob eine Reduzierung oder eine Schwächung des Immunsystems vorliegt, dies ungeachtet der Ursache wie etwa Krankheit oder Medikamente. Letztendlich muss man daher zu dem Schluss kommen, dass bei der Frage der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel das Vorliegen einer Immunsuppression ausschlaggebend ist. Alles andere ist sinn- bzw. gleichheitswidrig.
Nach Würdigung des erkennenden Gerichtes erfüllen die Gutachten daher nicht die an ein ärztliches Sachverständigengutachten gestellten Anforderungen.
2.2.9 Auch hat sich der Gutachter bei Erstellung des Gutachtens vom 16.01.2021 und vom 18.06.2021 in keiner Weise mit der Empfehlung des nationalen Impfgremiums vom 14.12.2020 auseinandergesetzt, in welchem transplantierte Personen als Hochrisikopatienten mit vorzuziehender Impfnotwendigkeit qualifiziert werden.
Die eingeholten Sachverständigengutachten stehen somit mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft, insbesondere den jüngeren Erkenntnissen und den Denkgesetzen in Widerspruch.
Es lag daher ein Grund vor, von den Ausführungen des Sachverständigen abzugehen.
Die beiden Sachverständigengutachten und die Stellungnahme wurden im oben beschriebenen Umfang in freier Beweiswürdigung der Entscheidung des Gerichtes zu Grunde gelegt.
3.0.Rechtliche Beurteilung:
3.1. Entscheidungsrelevante Rechtsgrundlagen:
- Bundesverfassungsgesetz B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 idgF
- Bundesbehindertengesetz BBG, BGBl. Nr. 283/1990 idgF
- Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 idgF
- Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010 idgF
- Bundesverwaltungsgerichtsgesetz BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 idgF
- Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF
- Verwaltungsgerichtshofgesetz VwGG, BGBl. Nr. 10/1985 idgF
Nachfolgende Bestimmungen beziehen sich auf die im Pkt. 3.1. angeführten Rechtsgrundlagen in der jeweils geltenden Fassung.
3.2. Gemäß Art. 130 Abs 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden
1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit; …
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
Gemäß § 45 Abs. 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung e