TE Bvwg Erkenntnis 2021/11/25 W217 2248415-1

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Veröffentlicht am 25.11.2021
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Entscheidungsdatum

25.11.2021

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W217 2248415-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia STIEFELMEYER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Ulrike LECHNER, LL.M sowie die fachkundige Laienrichterin Verena KNOGLER BA, MA als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Niederösterreich, vom 18.08.2021, OB: XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I.       Vorverfahren:

1.       Frau XXXX (in der Folge: BF) ist Inhaberin eines Behindertenpasses:

1.1.    Zunächst hielt Frau Dr. XXXX , Fachärztin für Orthopädie, in ihrem Gutachten vom 20.12.2017 im Verfahren zur Ausstellung eines Behindertenpasses fest:

„Anamnese:

Seit dem letzten h.o. Gutachten am 1.2.17 (GdB 40 v.H. wegen Kniegelenksabnützung beidseits, Bruch am Schienbeinkopf rechts) sind folgende Änderungen eingetreten:

LK XXXX wegen Descensus vag. et uteri, rezidivierende Stressinkontinenz, St.p. 2xiger TVTO. Operation v. 3.8.2017: TLH et tub. bilat. + Versuch einer laparoskopischen Bruch + offener Bruch. Totale laparoskopische Hysterektomie – dabei lagerungsbedingt Plexus brachialis Läsion re (insbes. Truncus superior u. medius)

Derzeitige Beschwerden:

Taubheitsgefühl im rechten Arm, Mittel-, Ring- und Kleinfinger rechts können bewegt werden, der Zeigefinger andeutungsweise, der Daumen könne kaum bewegt werden.

Abduktionseinschränkung des rechten Armes im Schultergelenk.
Schmerzen rechtes Kniegelenk mehr als linkes, besonders bei Belastung, weniger in Ruhe.“

Folgende Funktionseinschränkungen wurden festgestellt:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

Obere Plexuslähmung rechter Arm

Oberer Rahmensatz, da obere Plexuslähmung

04.05.01

80

2

Kniegelenksabnützung beidseits, Bruch am Schienbeinkopf rechts

02.05.21

40

3

Entfernung der Gebärmutter

08.03.02

10

Der Gesamtgrad der Behinderung wurde mit 90 v. H. festgestellt.

Die Nachuntersuchung wurde für den 12/2018 vermerkt, da zu erwartende Besserung des Leidens 1 durch weitere Rehabilitation.

Hinsichtlich der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel hielt die Sachverständige fest:

1.       Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Kurze Wegstrecken können aus eigener Kraft zurückgelegt werden, das Ein- und Aussteigen ist bei o.a. Beweglichkeit der oberen und unteren Extremitäten möglich. Der sichere Transport ist gewährleistet, da das Anhalten uneingeschränkt möglich ist. Die UA-Stützkrücken sind behinderungsbedingt nicht dauerhaft erforderlich.

2.       Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?

Nein“

1.2.    Der Antrag der BF vom 04.04.2018 auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ wurde mit Bescheid vom 22.06.2018 rechtskräftig abgewiesen.

1.3.    In einem weiteren Sachverständigengutachten vom 10.05.2019 im Rahmen des Nachuntersuchungsverfahrens stellte Dr. XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin, Folgendes fest:

„Anamnese:

GdB beträgt 90 v. H.: Obere Plexuslähmung re. Arm 80%; Kniegelenksabnützung bds., Bruch am Schienbeinkopf re. 40%; Entfernung der Gebärmutter 10%

Derzeitige Beschwerden:
Totale laparoskopische Hysterektomie 08/2017 – dabei lagerungsbedingt Plexus brachialis Läsion re (insbes. Truncus superior u. medius) - nunmehr könne sie den re Arm wieder etwas bewegen, könne sogar mit speziellem Stift schreiben - sie sei aber immer noch sehr eingeschränkt, Faustschluss kaum möglich, keine Kraft.

Sturz mit 20 Jahren, dabei Schienbeinkopfbruch rechts -sie sei ca. 5-6 x operiert worden Varusstellung, Streck und deutliches Beugedefizit

Schmerzen im Brustwirbelbereich nach einem Auffahrunfall - damals Prellungen, keine Frakturen
Links habe sie einen Fersensporn, re. einen Spreizfuss - sie verwende orthop. Einlagen
Asthma bronchiale habe sie seit dem 2.5 Lj. - keine Befunde
Wegen der Schmerzen im re. Knie bis zum Knöchel brauche sie jeden Tag Schmerzmittel“

Folgende Funktionseinschränkungen wurden festgestellt:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

Obere Plexuslähmung rechter Arm

Unterer Rahmensatz, da Besserungstendenz

04.05.01

70

2

Kniegelenksabnützung beidseits, Bruch am Schienbeinkopf rechts

02.05.21

40

3

Entfernung der Gebärmutter

08.03.02

10

Der Gesamtgrad der Behinderung wurde mit 80 v. H. festgestellt.

Leiden 1 wurde im Vergleich zum Vorgutachten um eine Stufe reduziert, weshalb begründend ausgeführt wurde, dass der GdB nunmehr 80 v. H. betrage.

Eine Nachuntersuchung wurde für 05/2021 vermerkt, da eine weitere Besserung möglich sei.

Hinsichtlich der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wurde Folgendes festgestellt:

1.       „Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Kurze Wegstrecken können zurückgelegt werden, sicheres Ein- und Aussteigen sowie sicherer Transport sind möglich, sicheres Festhalten ist mit dem linken Arm möglich. Die Beugungsfähigkeit der Gelenke ist ausreichend um einige Stufen zu überwinden, ausreichende Standsicherheit ist vorhanden

2.       Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?

Nein“

II.     Gegenständliches Verfahren:

1.       Mit Antrag vom 09.06.2021 beantragte die BF beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung: Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) erneut die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass sowie die Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b Straßenverordnung.

In einem weiteren Antrag vom 20.08.2021 begehrte die BF die Ausstellung eines neuen Behindertenpasses, da dieser bereits abgelaufen sei. Sie verwies auf die bekannte Aktenlage und legte einen Befundbericht vom 08.06.2021 vor, worin Dr. XXXX , Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie, unter „Therapie“ anführt: „Auf Grund der massiven Kniesymptomatik ist bei der Patientin die Implantation einer Knie TEP rechts geplant. Von orthopädischer Seite wird die Bewilligung eines Behindertenparkplatzes unbedingt befürwortet.“

2.       In der Folge stellte Frau Dr. XXXX , Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, in ihrem Gutachten vom 09.06.2021, basierend auf einer persönlichen Untersuchung der BF, fest:

„Anamnese:
Vorliegende Vorgutachten:
Ärztliches Sachverständigengutachten BASB, BEG 09 05 2019:
1 Obere Plexuslähmung rechter Arm
Unterer Rahmensatz, da Besserungstendenz GdB 70%

2 Kniegelenksabnützung beidseits, Bruch am Schienbeinkopf rechts GdB 40%

3 Entfernung der Gebärmutter 08.03.02 10

Gesamtgrad der Behinderung 80 v. H.
aktuell: Nachuntersuchungsverfahren


vorbekannt/vorbeschrieben:

8/2017 totale laparoskopische Hysterektomie und Operation wg. Blasensenkung – dabei sei lagerungsbedingt Plexus brachialis Läsion re (insbes. Truncus superior u. medius) aufgetreten.

Sturz mit 20 Jahren, dabei Schienbeinkopfbruch rechts - sie sei ca. 5-6 x operiert worden.

Rechts solle jetzt eine KTEP im Sommer 21 durchgeführt werden.

Seit 20a Schilddrüsenunterfunktion

Schmerzen in der LWS und HWS und Bandscheibenvorfälle seien bekannt

Asthma bronchiale habe sie seit dem 2.5 Lj.

seit dem Vorgutachten 5/19:
keine stat. Aufenthalte bis auf 3- tägige Rehab (Abbruch wegen Corona)
nervenfachärztliche Behandlung weiterhin

Derzeitige Beschwerden:
Sie habe Schmerzen im rechten Knie, könnes nicht gescheit abbiegen.

Auch habe sie Probleme mit den Sprunggelenk rechts und Schmerzen. Es seien insgesamt höllische Schmerzen.
Auch am linken Knie beginnen die Schmerzen.

Den rechten Arm könne sie es seitlich aufheben, die Kraft sei nicht so stark in der Hand rechts. Sie habe manchmal in der Nacht einschießende Schmerzen, deswegen brauche sie Gabapentin. Sie habe auch taubes Gefühl der Fingerspitzen an allen Fingern rechts.

Starker Harndrang

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Eutyhrox
Spasmolyt 2-0-2

Ibuprufen 600 3x1
Dedolor akut b. Bed.: meist abends 1x1

Novalgin bei Bed: abwechselnd mit Dedolor Foster Spray 3x2Hb

Sultanol bei Bed.

Spirtiva 2-0-0
Pregabalin 75 2x1
Citalopram 20 1-0-0
Dominal f 0-0-1/2
Trittico 150 0-0-1
Sirdalud 4mg b. Bed: abends fallweise
Gabapentin 300 0-0-1
NervenFA alle 6 Monate
möchte Gesprächstherapie beginnen

Sozialanamnese:
VS, HS, HAK 1a,

dann Ausbildung Einzelhandelskauffrau mit LAP, kurz in diesem Beruf gearbeitet, dann zu Hause bei den Kindern
Dann Umschulung Bürokauffrau (BBRZ), arbeitete 20a am XXXX .
Ab 2017 in Krankenstand
Seit 2018 Bezug Rehabgeld befristet, Witwenpension
verwitwet seit 2019, lebt alleine

2 erw. Kinder, 3 Stiefkinder, Belastungen durch die noch nicht geregelte Verlassenschaft nach dem Tod des Gatten mit Unstimmigkeiten

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

zur Untersuchung mitgebrachte Befunde:

Röntgen LWS 03 05 2021:

geringe deg. Discopathie L3- S1

Röntgen Becken und Hüfte 03 05 2021.

Beckenschiefstand 10mm links höher. nur inzipiente Kox- Sakroiliakalarthrose
MRT Knie links 03 05 2021:

an den knöchernen Strukturen zeigt sich kein umschriebenes Ödem. Chondromalazie retropatelar Grad IV, Grad III an den Femurrollen. Deg. Schädigung des HH des Innenemsikus…..keine Befunddynamik
Arztbrief TZ XXXX 12 03- 13 03 2020:

Läsion des Plexus brachialis rechts (V.a. perioperativen Lagerungsschaden)….die Parese hätte sich schon deutlich gebessert, hat sich aber noch nicht vollständig zurückgebildet....eine ENG Untersuchung im September 2019 ergab deutliche Remissionzeichen der Plexusparese….
Gutachten Psychiater Dr. XXXX NU bezgl. Berufsunfähigkeit PV 16 09 2020:

Dg.:
Plexus brachialis Parese in Remission....
MRT Knie rechts 24 04 2021:
ausgeprägte ….Arthrose....
MRT Sprunggelenk rechts 20 04 2021:

…deg. arthrotische Veränderungen am vorderen Rückfuß…..plantarere und dorsaler Fersensporn...
Befund Orthopäde Dr. XXXX 08 06 2021:

Dg.:
schwere Varusgonarthrose…..KTEP rechts geplant …..
NLG/EMG Befund Neurologin Dr. XXXX 30 04 2021:
...geringe chronisch neurogenen Veränderungen im M. biceps und deltoideus rechts.....
Befund mit Z.n. Plexusparese vereinbar, nicht ganz vollständige Remission.

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:
48 jährige in gutem AZ

Ernährungszustand:

adipös

Größe: 178,00 cm  Gewicht: 114,00 kg Blutdruck:

Klinischer Status – Fachstatus:

Stuhl: unauffällig

Miktion: starker Harndrang Neurologisch:

Hirnnerven:

Geruch: anamnestisch unauffällig

Gesichtsfeld: fingerperimetrisch keine Einschränkung

Visus: Lesebrille

Pupillen mittelweit, rund isocor
Optomotorik frei, keine Doppelbilder, Nystagmus: keiner
Facialis: seitengleich innerviert, kein mimisches Defizit
Sensibilität: unauffällig
Hörvermögen anamnestisch unauffällig,
Zunge: wird gerade herausgestreckt, stgl. gut beweglich
Uvula mittelständig, Gaumensegel hebt symmetrisch
Kopfdrehung bds. unauffällig
Schulterhebung: rechts wird reduziert dargeboten, links unauffällig

OE:
Rechtshänder
Kraft: etwas wechselnd: proximal KG 4-, distal zumindest KG 3-4 an allen Handmuskeln

Trophik: unauffällig, insbesondere keine eindeutige umschriebene Hypo/Atrophie sichtbar Tonus: unauffällig

Motilität: Nacken und Schürzengriff: rechts eingeschränkt, nicht in Endstellung, links unauff.
Seitabduktion rechts bis ca. 130 Grad, links bds. bis zur Senkrechten

Faustschluss und Fingerspreizen bds. möglich, rechts kraftreduziert, etwas wechselnd, zumindest KG 3-4, wechselnd eingesetzt, Halte und Greiffunktion aber gut möglich

Pinzettengriff: bds. möglich

MER (BSR, RPR, TSR): seitengleich mittellebhaft, insbesondere keine Reflexabschwächung rechts
Pyramidenbahnzeichen: negativ
Dysdiadochokinese rechts

AVV: beidseits gehalten ohne Absinken, ohne Pronation FNV: zielsicher bds.

Sensibilität: der gesamte rechte Arm reduziert angegeben, vor allem im ulnaren UA und Handbereich

UE:
Kraft: keine eindeutige Kraftminderung bei Schmerzangabe am rechten Bein.
Trophik: unauffällig
Tonus: unauffällig
Motilität: Kniebeugung 90 Grad rechts sonst unauff.
PSR: seitengleich mittellebhaft
ASR: seitengleich mittellebhaft
Pyramidenbahnzeichen: negativ
Laseque: negativ

Beinvorhalteversuch: kein Absinken Knie- Hacke- Versuch: zielsicher bds.
Sensibilität: seitengleich unauffällig
Stand und Gang: unauffällig
Romberg: unauffällig
Unterberger Tretversuch: unauffällig, sicher, kein Abweichen, keine Falltendenz

Zehen- und Fersenstand: bds. möglich

Sprache und Sprechen: unauffällig

Gesamtmobilität – Gangbild:
kommt frei gehend alleine zur Untersuchung, ein Bekannter habe sie hergebracht
Führerschein: ja, fahre auch selbst, habe jetzt einen PKW mit Automatikgetriebe

Status Psychicus:

Kooperativ und freundlich, gut auskunftsfähig, bewußtseinsklar, voll orientiert, kein kognitiv- mnestisches Defizit, Gedankenductus: geordnet, kohärent; Konzentration und Antrieb unauffällig; Stimmungslage ausgeglichen, stabil, gut affizierbar; Affekte: angepasst, keine produktive Symptomatik

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

g.Z. Plexus brachialislähmung rechts 8/2017

Oberer Rahmensatz, da Kraftminderung am rechten Arm aber

Greif/Haltefunktion möglich, bei nicht ganz vollständiger Remission.

04.05.06

40

2

Kniegelenksabnützung beidseits, Bruch am Schienbeinkopf rechts 1993,

Zustand nach mehrfachen Operationen

Fixer Rahmensatz

02.05.21

40

3

Sprunggelenksabnützung rechts

1 Stufe über unterem Rahmensatz, da ausgeprägte Beschwerden

02.05.32

20

4

Entfernung der Gebärmutter 2017 Fixer Rahmensatz

08.03.02

10

         Gesamtgrad der Behinderung  50 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Leiden 2 erhöht das Leiden 1 um eine Stufe, da schwerwiegend.

Leiden 3 und 4 erhöht nicht weiter, da keine relevante wechselseitig negative Leidensbeeinflussung vorliegt.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Asthma bronchiale - da keine fachärztlichen Befunde vorliegend

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Leiden 1: Reduktion um 3 Stufen entsprechend der klinischen und elektrophysiologisch untermauerten Besserung

Leiden 2 und 4: keine Änderung zum Vorgutachten 5/19

Leiden 3: neu aufgenommen

Änderung des Gesamtgrades der Behinderung im Vergleich zu Vorgutachten: Reduktion um 3 Stufen entsprechend Reduktion Leiden 1

X

Nachuntersuchung 06/2024 - da Besserung möglich. Vor allem Leiden 2 Besserung erwartbar, da KTEP geplant

(…)

1.       Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Keine. Es liegen keine erheblichen Einschränkungen der Extremitäten vor. Das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke und das Überwinden üblicher Niveauunterschiede sind zumutbar, der sichere Transport ist möglich. Die unbeeinträchtigte linke obere Extremität wirkt hier kompensierend. Die Beugungsfähigkeit der Gelenke ist ausreichend um einige Stufen zu überwinden, ausreichende Standsicherheit ist vorhanden Es liegen auch keine erheblichen Einschränkungen der psychischen oder intellektuellen Funktionen vor, die die Benützung der ÖVM erheblich erschweren würden.

2.       Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt ein Immundefekt vor im Rahmen dessen trotz Therapie erhöhte Infektanfälligkeit und wiederholt außergewöhnliche Infekte wie atypische Pneumonien auftreten?

Nein“

3.       Im Rahmen des hierzu erteilten Parteiengehörs wurden von der BF keine Einwendungen erhoben.

4.       Mit Bescheid vom 18.08.2021 wies die belangte Behörde den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass ab. Beweiswürdigend wurde auf das eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten, das einen Bestandteil der Bescheidbegründung bilde, hingewiesen. Nach diesem würden die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorliegen.

5.       Gegen diesen Bescheid erhob die BF fristgerecht Beschwerde und brachte vor, nach der Knie TEP rechts, Beinachsenkorrektur und Patellaersatz rechts müsse sie noch längere Zeit mit zwei Krücken gehen. Aufgrund der vielen Voroperationen sei die OP erschwert gewesen. Sie benötige den Parkausweis. Neue Befunde wurden keine vorgelegt.

6.       Die gegenständliche Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 18.11.2021 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II.     Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

Die BF hat ihren Wohnsitz im Inland.

Die BF ist seit 21.09.2017 im Besitz eines befristet ausgestellten Behindertenpasses. Am 21.09.2017 wurde der Behindertenpass mit 90% GdB, am 19.06.2019 mit einem GdB von 80%, zuletzt am 09.06.2021 mit einem GdB von 50%, befristet bis 30.06.2024, ausgestellt.

Mit am 09.06.2021 eingelangtem Schriftsatz stellte die BF einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass.

Die BF leidet unter folgenden objektivierten Funktionseinschränkung:

1.       g.Z. Plexus brachialislähmung rechts 8/2017

2.       Kniegelenksabnützung beidseits, Bruch am Schienbeinkopf rechts 1993, Zustand nach mehrfachen Operationen

3.       Sprunggelenksabnützung rechts

4.       Entfernung der Gebärmutter 2017

Der BF ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.

Hinsichtlich der bei der BF festgestellten Gesundheitsschädigungen, ihrer Art und Schwere sowie ihrer Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel werden die diesbezüglichen Beurteilungen im Gutachten vom 09.06.2021 einer Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie der nunmehrigen Entscheidung zugrunde gelegt.

2.       Beweiswürdigung:

Das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung „Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" basiert auf dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zum Behindertenpass und dessen Befristung ergeben sich aus dem Akteninhalt.

Die Feststellungen der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel, die zur Abweisung der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ führen, gründen sich auf das von der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten vom 09.06.2021 einer Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie. Unter Berücksichtigung der von der BF ins Verfahren eingebrachten medizinischen Unterlagen und nach persönlicher Untersuchung der BF wurde von der medizinischen Sachverständigen auf Grundlage der zu berücksichtigenden und unbestritten vorliegenden Funktionseinschränkungen festgestellt, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel für die BF zumutbar ist.

Die im gegenständlichen Verfahren beigezogene Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie gelangte unter den von ihr geprüften Gesichtspunkten zu dem Schluss, dass der BF – trotz der vorliegenden Funktionseinschränkungen im Bereich des Bewegungsapparates – das sichere Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke und das Überwinden üblicher Niveauunterschiede zumutbar sowie der sichere Transport möglich ist. Die unbeeinträchtigte linke obere Extremität wirkt hier kompensierend. Die Beugungsfähigkeit der Gelenke ist ausreichend, um einige Stufen zu überwinden, ausreichende Standsicherheit ist vorhanden. Es liegen auch keine erheblichen Einschränkungen der psychischen oder intellektuellen Funktionen vor, die die Benützung der ÖVM erheblich erschweren würden.

Diese Ausführungen der medizinischen Sachverständigen sind nicht zu beanstanden. Die Schlussfolgerungen der medizinischen Sachverständigen finden auch Bestätigung in ihren Aufzeichnungen zur persönlichen Untersuchung der BF am 09.06.2021 im Rahmen der (oben wiedergegebenen) Statuserhebung und der Gesamtmobilität („Schulterhebung: rechts wird reduziert dargeboten, links unauffällig. OE: Rechtshänder. Kraft: etwas wechselnd: proximal KG 4-, distal zumindest KG 3-4 an allen Handmuskeln. Trophik: unauffällig, insbesondere keine eindeutige umschriebene Hypo/Atrophie sichtbar. Tonus: unauffällig. Motilität: Nacken und Schürzengriff: rechts eingeschränkt, nicht in Endstellung, links unauff. Seitabduktion rechts bis ca. 130 Grad, links bds. bis zur Senkrechten. Faustschluss und Fingerspreizen bds. möglich, rechts kraftreduziert, etwas wechselnd, zumindest KG 3-4, wechselnd eingesetzt, Halte und Greiffunktion aber gut möglich. Pinzettengriff: bds. möglich. MER (BSR, RPR, TSR): seitengleich mittellebhaft, insbesondere keine Reflexabschwächung rechts. Pyramidenbahnzeichen: negativ. Dysdiadochokinese rechts. AVV: beidseits gehalten ohne Absinken, ohne Pronation. FNV: zielsicher bds. Sensibilität: der gesamte rechte Arm reduziert angegeben, vor allem im ulnaren UA und Handbereich. UE: Kraft: keine eindeutige Kraftminderung bei Schmerzangabe am rechten Bein. Trophik: unauffällig. Tonus: unauffällig. Motilität: Kniebeugung 90 Grad rechts sonst unauff. PSR: seitengleich mittellebhaft. ASR: seitengleich mittellebhaft Pyramidenbahnzeichen: negativ. Laseque: negativ. Beinvorhalteversuch: kein Absinken. Knie- Hacke- Versuch: zielsicher bds. Sensibilität: seitengleich unauffällig. Stand und Gang: unauffällig. Romberg: unauffällig. Unterberger Tretversuch: unauffällig, sicher, kein Abweichen, keine Falltendenz. Zehen- und Fersenstand: bds. möglich. Gesamtmobilität – Gangbild: kommt frei gehend alleine zur Untersuchung, ein Bekannter habe sie hergebracht.“)

Daraus ergibt sich, dass bei der BF zwar durchaus nicht unbeträchtliche Funktionseinschränkungen vorliegen, diese aber die von der BF behaupteten Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht in entsprechendem Ausmaß – im Sinne des Vorliegens erheblicher Einschränkungen der Funktionen der oberen oder unteren Extremitäten nach dem Maßstab des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen – objektiviert werden konnten.

Soweit die BF in ihrer Beschwerde darauf hinweist, dass sie nach einer Knie TEP rechts, Beinachsenkorrektur und Patellaersatz noch längere Zeit mit zwei Krücken gehen müsse, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass sie diesbezüglich keine neuen Befunde vorgelegt hat. Auch wird eine stattgehabte Operation im Allgemeinen grundsätzlich zum Zwecke der Verbesserung des Gesundheitszustandes durchgeführt, mag es auch zunächst zu (kurzfristigen) Einschränkungen im Bewegungsumfang kommen.

Hinzuzufügen ist, dass die BF auch hinsichtlich der im Rahmen der klinischen Untersuchungen objektivierten Bewegungsumfänge keine Einwendungen erhoben hat.

Hinsichtlich der bestehenden Funktionseinschränkungen und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel tätigte die BF im Beschwerdeverfahren kein Vorbringen, das die Beurteilungen der beigezogenen medizinischen Sachverständigen entkräften hätte können; die BF legte der Beschwerde auch keine weiteren Befunde bei, die geeignet wären, die durch die medizinische Sachverständige getroffenen Beurteilungen zu widerlegen oder zusätzliche Dauerleiden im Sinne nachhaltiger, zumindest sechs Monate dauernder Funktionseinschränkungen des Bewegungsapparates zu belegen bzw. eine wesentliche Verschlimmerung bestehender Leiden zu dokumentieren und damit das Vorliegen erheblicher Einschränkungen der Funktionen der oberen oder unteren Extremitäten im Sinne der Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen darzutun.

Die BF, der es der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zufolge freigestanden wäre, durch Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen ihrer Wahl die getroffenen Einschätzungen der Sachverständigen zu entkräften, ist dem von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Eben wenig wurden diesem Gutachten widersprechende Beweismittel vorgelegt.

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des gegenständlichen medizinischen Sachverständigengutachtens.

Dieses wird daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.

3.       Rechtliche Beurteilung:

Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu Spruchpunkt A)

1.       Abweisung der Beschwerde

Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)

Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen. (§ 42 Abs. 1 BBG)

Der Behindertenpaß ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist. (§ 42 Abs. 2 BBG)

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen. (§ 45 Abs. 1 BBG)

Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist u.a. jedenfalls einzutragen:

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-        erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-        erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-        erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

-        eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-        eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 4 Z 1 lit. b oder d

vorliegen.

(§ 1 Abs. 4 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen auszugsweise)

Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktions-beeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

(§ 1 Abs. 5 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen)

In den Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II 495/2013 wird Folgendes ausgeführt:

Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (auszugsweise):

Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.

Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion – das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen – ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.

Durch die Verwendung des Begriffes „dauerhafte Mobilitätseinschränkung“ hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.

Die Begriffe „erheblich“ und „schwer“ werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleich bedeutend.

Nachfolgende Beispiele und medizinische Erläuterungen sollen besonders häufige, typische Fälle veranschaulichen und richtungsgebend für die ärztlichen Sachverständigen bei der einheitlichen Beurteilung seltener, untypischer ähnlich gelagerter Sachverhalte sein. Davon abweichende Einzelfälle sind denkbar und werden von den Sachverständigen bei der Beurteilung entsprechend zu begründen sein.

Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen. Zusätzlich vorliegende Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensations-möglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.

Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:

-        arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option

-        Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen

-        hochgradige Rechtsherzinsuffizienz

-        Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie

-        COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie

-        Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie

-        mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden

Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:

-        Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr

-        hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten

-        schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen

-        nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden – Begleitperson ist erforderlich

Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, liegt vor bei:

-        anlagebedingten, schweren Erkrankungen des Immunsystems (SCID – sever combined immundeficiency),

-        schweren, hämatologischen Erkrankungen mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit (z.B: akute Leukämie bei Kindern im 2. Halbjahr der Behandlungsphase, Nachuntersuchung nach Ende der Therapie),

-        fortgeschrittenen Infektionskrankheiten mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit,

-        selten auftretenden chronischen Abstoßungsreaktion nach Nierentransplantationen, die zu zusätzlichem Immunglobulinverlust führen.

Bei Chemo- und/oder Strahlentherapien im Rahmen der Behandlung onkologischer Erkrankungen, kommt es im Zuge des zyklenhaften Therapieverlaufes zu tageweisem Absinken der Abwehrkraft. Eine anhaltende Funktionseinschränkung resultiert daraus nicht.

Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH vom 23.05.2012, Zl. 2008/11/0128, und die dort angeführte Vorjudikatur sowie vom 22. Oktober 2002, Zl. 2001/11/0242, vom 27.01.2015, Zl. 2012/11/0186).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242).

Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt (VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).

Betreffend das Kalkül „kurze Wegstrecke“ wird angemerkt, dass der Verwaltungsgerichtshof von einer unter Zugrundelegung städtischer Verhältnisse durchschnittlich gegebenen Entfernung zum nächsten öffentlichen Verkehrsmittel von 300 - 400 m ausgeht (vgl. u.a. VwGH 27.05.2014, Ro 2014/11/0013).

Wie bereits oben im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt, wurde seitens des von der belangten Behörde eingeholten, auf einer persönlichen Untersuchung der BF basierenden Sachverständigengutachtens einer Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie nachvollziehbar dargelegt, dass im Fall der BF - trotz der bei ihr vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen - die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass nicht vorliegen.

Auf den Beschwerdefall bezogen:

Die BF kann sich im öffentlichen Raum selbständig fortbewegen, eine kurze Wegstrecke aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe zurücklegen. Das Überwinden üblicher Niveauunterschiede ist zumutbar, der sichere Transport ist möglich. Es liegen auch keine erheblichen Einschränkungen der psychischen oder intellektuellen Funktionen vor, die die Benützung der ÖVM erheblich erschweren würden.

Einschränkungen der Geh-, Steh- und Steigfähigkeit der BF in einem Ausmaß, welche die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel maßgebend erschweren, konnten nicht festgestellt werden.

Die Beugungsfähigkeit der Gelenke ist ausreichend, um einige Stufen zu überwinden, ausreichende Standsicherheit ist vorhanden

Bei ausreichender Funktionsfähigkeit der unbeeinträchtigten linken oberen Extremität, die kompensierend wirkt, ist das Festhalten beim Ein- und Aussteigen sowie die Möglichkeit Haltegriffe zu erreichen und sich festzuhalten ausreichend möglich. Der Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln ist daher gesichert durchführbar.

Bei der BF liegen weder erhebliche Einschränkungen der Funktionen der Extremitäten noch der körperlichen Belastbarkeit vor bzw. konnten keine maßgebenden Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder von Sinnesfunktionen festgestellt werden, es ist auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vorhanden.

Weitere Gesundheitsschädigungen konnten nicht objektiviert werden.

Es ist daher im Beschwerdefall zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt davon auszugehen, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung“ in den Behindertenpass nicht vorliegen.

Im Übrigen ist aber auch darauf hinzuweisen, dass bei einer belegten Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Prüfung der „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ im Rahmen einer neuerlichen Antragstellung beim Sozialministeriumservice – allerdings nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG – in Betracht kommt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1.       der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2.       die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Die Fragen der Art und des Ausmaßes der Funktionseinschränkungen und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wurden unter Mitwirkung einer ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die strittigen Tatsachenfragen gehören dem Bereich zu, der von Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen medizinischen Sachverständigengutachtens geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180) und des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfGH 09.06.2017, E 1162/2017) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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