TE Bvwg Erkenntnis 2021/12/1 W265 2243408-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.12.2021
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Entscheidungsdatum

01.12.2021

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W265 2243408-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Karin RETTENHABER-LAGLER als Vorsitzende und die Richterin Mag.a Karin GASTINGER, MAS sowie die fachkundige Laienrichterin Dr.in Christina MEIERSCHITZ als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 12.05.2021, betreffend Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin stellte erstmals am 10.10.2018 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumservice (in der Folge auch als belangte Behörde bezeichnet).

Die belangte Behörde gab in der Folge ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Neurologie unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung in Auftrag.

In dem auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 22.11.2018 basierenden Gutachten vom selben Tag wurde Folgendes – hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben – ausgeführt:

„Anamnese:

Meningeom rechts frontoparietal, Depression mit paranoiden Symptome bei Tumorerkrankung, Tumor- näheres nicht bekannt- im Nacken (OP 10/2017, XXXX Spital)

Panikstörung, dissoziative Trancezustände und Bewegungszustände, fachärztliche Betreuung 2x Monat bei Frau Dr. XXXX

Arterielle Hypertonie, Z.n. Knie-OP rechts 2x (Jahre nicht mehr erinnerlich)

Derzeitige Beschwerden:

Der AW kommt gehend ohne Hilfsmittel in Begleitung des Sohnes, der Gatte hätte sie mit dem Auto hergebracht.

Sie hätte Angstzustände, sie höre " Stimmen", diese wären aber undeutlich, sei würde sie nicht verstehen. Zusätzlich rieche sie üble Gerüche. Die "Angst sei einfach da", sie könne nicht sagen wovor. Wenn sie einschlafe und die Angst kommen würde, hätte sie sogar Angst, sich umzudrehen. Die Angst sei zumindest 1x jeden Abend , kombiniert mit Panikattacken. Sie gehe fast nicht mehr außer Haus, die "Menschen machen ihr Angst."  

Sie sei "nicht mehr die selbe wie früher", und das störe sie sehr.

Im Alltag sei sie nur teilweise selbstständig- wenn ihr aus heiterem Himmel die Hände oder Füße weh tun würden, benötige sie Hilfe. Sie hätte Tage, wo sie nur durchschlafen möchte. Untertags würde sie viel schlafen, sonst könne sie nicht viel unternehmen. Schlafstörungen würden sie seit der Diagnosestellung plagen, sowohl Ein- als auch Durchschlafstörungen.

Ihr Gatte hätte bemerkt, dass sie Wörter wiederhole- dies merke sie selber gar nicht.

Da sie ansonsten nicht viel unternehme, hätte sie über 20 kg in 2 Jahren zugenommen.

Sie fahre nur 1x/ Woche mit dem Fahrtendienst zur Psychotherapie.

Behandlung(en)/Medikamente/Hilfsmittel:

Behandlungen: Psychotherapie 1x Woche

Medikamente: Metohexal ret. 47.5 mg 1x1, Ferretab 1x1, Duloxetin 60 mg 1-0-0-0, Risperdal 1 mg 1-0-0-1, Dronabinol Lsg. 2.5% 2gtt in der Früh, Saroten 10 ,g 1x1, Atarax 25 mg 1x1, Pantoprazol 20 mg 1x1, Mefenam 500 mg bei Bed., Diclovit bei Bed., Novalgin Tbl.

oder Tropfen bei Bed., Mexalen 500 mg bei Bed.

Hilfsmittel: keine

Sozialanamnese:

Verheiratet, wohne mit dem Gatten, und 3 Kindern, Kind 4er (geb. 2002, 2004 und 2009). 4. Kind geb. 1989 (lebe in Serbien) aus 1. Ehe.

Beruf: beziehe Rehageld. Hauptschulabschluß, danach im Verkauf bis - Jahr nicht erinnerlich.

Nik: 3/Tag  

Alk: 0

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Arztbrief FÄ für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin vom 17.09.2018

Diagnosen:

Depression bei Tumorerkrankung, It.RST mit paranoiden Symptome

FE Mangelanämie, Meningeom, Panikstörung, dissoziative Trancezustande und Bewegungszustände  

Klinisch-psychologischer Befund vom 8.06.2018, Mag. XXXX  

Derzeit sei sie in medizinischer Rehabilitation seitens der PVA.

Ihre psychischen Beschwerden bestünden seit ihrer Diagnose „Hirntumor" vor 1,5 Jahren (01/2017) vor allem in Form von Depressionen, Angst, oft Panikattacken und sozialem Rückzug. Aufgrund ihrer Ängste schlafe sie schlecht. Ihre größte Angst sei derzeit jene vor ihren furchtbaren Kopfschmerzen über dem Tumor am Oberkopf und am Hinterkopf.

Vor der Diagnose des Kopftumors habe sie paranoide Ängste erlebt. Schatten im Zimmer gesehen, gedacht es „sitze da ein Mann“. Nach der Diagnose des Kopftumors sei für sie eine Welt zusammengebrochen, sie sei davor eine glückliche Frau und Mutter gewesen, ihr Mann sei Musikprofessor und sehr nett. Sie habe sich große Sorgen um Mann und Kinder gemacht, schlaflose Nächte verbracht.

10/2017 habe sie dann einen Tumor im Nacken gehabt bzw. operativ entfernen lassen. Danach sei es ihr körperlich ganz schlecht gegangen (Vertigo, oftmaliges Nasenbluten). Sie sei 10/2017 in der Krankenanstalt Rudolfstiftung gewesen aufgrund von starken Depressionen. Damals habe sie Trittico genommen und - laut Patientin unter dieser Medikamentenwirkung- optische Halluzinationen, beispielsweise tanzende Menschen, fliegende Elefanten gesehen. Unter einer anderen Medikation habe sie schließlich keine Halluzinationen mehr gehabt.

Aktuell habe sie noch nicht alles „im Griff“, jeden Tag würden andere Symptome auftreten, insbesondere Panikattacken (ca. 2-3 Mal pro Woche), ein Einschlafen ihres Gesichtes, Taubheitsgefühle in den Händen, ein manchmal sehr schmerzhaftes Kribbeln in Händen und Beinen, ein rasches Einschlafen ihres Fußes. Sie habe oft Kopfschmerzen und müsse oftmals auch Erbrechen (ca. 2x tgl.). Laut ihrem Mann sage sie Wörter öfters (5-6 Mal hintereinander unwillkürlich perseverierend) oder suche manchmal mehrmals im Kreis schauend einen da liegenden Gegenstand welchen sie übersehe. Manchmal sei sie wie „weggetreten“, 1/2 bis 1 Stunde lang, sei zwar bei Bewusstsein, könne aber nicht sprechen und denken (ca. 1x/Woche). Oftmals sei ihre rechte Hand, der rechte Fuß oder die rechte Gesichtshälfte „wie weg“, taub, dann könne sie nicht gehen. Manchmal erlebe sie ihre Depression als stark, sie wolle dann nicht sprechen, sei dann auch streitsüchtig, reizbar, gespannt. Ihre Familie gebe ihr Unterstützung

und Ruhe.

Zusammenfassung:

…..sind aktuell eine depressive Episode, gegenwärtig mittelschwer, eine Panikstörung sowie dissoziative Trancezustände und Bewegungsstörungen nach der Diagnose Hirntumor (01/2017) festzuhalten.

Dabei erweisen sich aktuell die kognitive Leistungsfähigkeit (kognitive Flexibilität und Merkfähigkeit) sowie das bio-psycho-soziale Befinden als deutlich herabgesetzt.

Klinisch-psychologische Diagnose..Depressive Episode, gegenwärtig mittelschwer, Panikstörung, Dissoziative Trancezustände und Bewegungsstörungen  

MRT des Gehirnschädels Diagnosezentrum Meidling vom 24.01.2018:

…Bild- und befundmäßiger Vergleich zu Voruntersuchungen, zuletzt vom 6.9.2017.

Im Vergleich zu den Voruntersuchungen bis zurück zu 7.3.2017 ist klar auszusagen, dass die extraaxiale Raumforderung frontoparietal rechts, vom typischen Aspekt eines deutlich kontrastmittelaufnehmenden Meningeoms seit März 2017 gering an Größe zugenommen hat.

Der Längsdurchmesser nun 17 mm, zuletzt 13 mm, die „Dicke“ nun 14 mm, im März 11 mm. Das angrenzende Gehirn ist morphologisch regulär, hier ergibt es keine Befunddynamik im Sinne unauffälliger Verhältnisse zu den Voruntersuchungen.

Ergebnis: Größenwachstum wie beschrieben des Meningeoms rechts frontoparietal., sonst keine Auffälligkeiten.

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

gut

Ernährungszustand:

Adipositas per magna

Größe: 165,00 cm  Gewicht: 110,00 kg  Blutdruck:

Klinischer Status – Fachstatus:

Neurologischer Status:

wach, kein Meningismus.
Caput: HN II-XII unauffällig bis auf verlangsamtes, leises, fast flüsterndes Sprechen.

OE: Linkshändigkeit, Trophik unauffällig, Tonus unauffällig, grobe Kraft proximal und distal 5/5, Vorhalteversuch der Arme: unauffällig, Finger-Nase-Versuch: keine Ataxie, MER (RPR, BSR, TSR) seitengleich mittellebhaft auslösbar, Eudiadochokinese beidseits, Pyramidenzeichen negativ.

UE: Trophik unauffällig, Tonus seitengleich unauffällig, grobe Kraft proximal und distal 5/5, Positionsversuch der Beine: unauffällig, Knie-Hacke-Versuch: keine Ataxie, MER (PSR, ASR) seitengleich mittellebhaft auslösbar, Pyramidenzeichen negativ.

Sensibilität: intakte Angabe. Sprache: unauffällig

Romberg: kurz schwankend möglich

Gesamtmobilität – Gangbild:

Mobilitätsstatus: Gangbild: sicher ohne Hilfsmittel, Standvermögen: sicher, generelle Verlangsamung beim Lagewechsel. 

Status Psychicus:

wach, zeitlich nicht orientiert, in den übrigen Qualitäten orientiert, Duktus verlangsamt, aber kohärent, Denkziel wird erreicht, Aufmerksamkeit reduziert, keine höhergradigen kognitiven Defizite, Affekt reduziert, im positiven Skalenbereich nicht affizierbar, Stimmungslage depressiv, Antrieb reduziert, Konzentration reduziert, anamnestisch produktive Symptomatik.

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

Depressive Störung mit paranoider Symtomatik bei Meningeom rechts frontoparietal, Panikattacken, dissoziative Trancezustände und

Bewegungszustände

Im oberen Rahmensatz bei frequenter fachärztlicher Betreuung, Psychotherapie und Mehrfach-Psychopharmakatherapie.

03.06.02

70

2

Hypertonie

Fixer Rahmensatz bei Monotherapie

05.01.01

10

Gesamtgrad der Behinderung 70 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Der GdB des führenden Leidens wird durch Leiden 2 wegen zu geringer funktioneller Relevanz nicht weiter erhöht.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Tumor-OP im Nackenbereich- keine Befunddokumentation

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Erstgutachten

Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:

Entfällt, da Erstgutachten

?

Dauerzustand

?

Nachuntersuchung 11/2020 - Re-Evaluierung des führenden Leidens im

Krankheitsverlauf


1.       Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Die Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln ist der Antragstellerin unzumutbar. Die Antragstellerin ist zwar voll mobil, aufgrund der ausgeprägten Soziophobie mit Panik- und Angstzuständen und der paranoiden Komponente kann aber das alleinige sichere Ein- und Aussteigen bei öffentlichen Verkehrsmitteln nicht gewährleistet werden, der sichere Transport nicht zumutbar.

2.       Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?
Nein“

Daraufhin wurde der Beschwerdeführerin ein bis 28.02.2021 befristeter Behindertenpasses mit einem eingetragenen Grad der Behinderung von 70 v. H. ausgestellt.

Mit Eingabe vom 23.10.2020 stellte die Beschwerdeführerin bei der belangten Behörde einen Antrag auf Neuausstellung des Behindertenpasses, und legte dem ausgefüllten Antragsformular eine Kopie ihres Behindertenpasses und medizinische Befunde bei.

Die belangte Behörde gab in der Folge ein Sachverständigengutachten eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung in Auftrag.

In dem auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 31.03.2021 basierenden Gutachten vom 10.04.2021 wurde Folgendes – hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben – ausgeführt:

„Anamnese:

VGA 11/18: 70%: Meningeom rechts frontoparietal, Depression mit paranoiden Symptome bei Tumorerkrankung, Tumor- näheres nicht bekannt- im Nacken (OP 10/2017, XXXX Spital) Panikstörung, dissoziative Trancezustände und Bewegungszustände.

Seit dem VGA liegen mehrere psychologische Tests vor, jedoch keine

Behandlungsunterlagen, die AW gibt an, sie sei in der Klinik XXXX in Behandlung gewesen (kein Befund), sie wisse nicht, wann, jetzt sei sie auch bei XXXX in Behandlung (keine relevanten Befunde vorliegend) 1/ Woche mache sie Gruppentherapie ebenso liegen keine Befunde bezüglich eines Meningeoms oder Epilepsie vor.

Derzeitige Beschwerden:

Angstzustände, geht nicht außer Haus, hat Angst vor Corona

Behandlung(en)/Medikamente/Hilfsmittel:

keine Med Liste vorliegend

Sozialanamnese:

verheiratet, Reha Geld, Pflegestufe, keine Erwachsenvertretung

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

4.3.21 XXXX Ambulanz (Psychologie Mag. XXXX ) Testung, rez. Depressio, Panikstörung, Verdacht auf gemischte dissoziative Bewegungsstörung )

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

Ernährungszustand:

Größe: cm  Gewicht: kg  Blutdruck:

Klinischer Status – Fachstatus:

verminderte Mitarbeit, sagt, sie könne nichts machen, befolgt keine Aufforderungen, weil sie Angst habe, sich zu bewegen, bewegt seitengleich, geht ohne Hilfsmittel

Gesamtmobilität – Gangbild: 

Status Psychicus:

orientiert, Antrieb vermindert, Auffassung reduziert, Affekt labil ängstlich , subjektiv kognitive Einschränkungen , Stimmung depressiv , Somatisierungstendenz ,Schlaf schlecht, nicht produktiv , nicht suizidal eingeengt

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

rez. Depressio , Panikattacken , dissoziative Zustände Oberer Rahmensatz, da trotz Therapie instabil bei fehlenden Behandlungsunterlagen

03.06.01

40

2

Leichte Hypertonie

fix

05.01.01

10

Gesamtgrad der Behinderung 40 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Der GdB des führenden Leidens wird durch Leiden 2 wegen zu geringer funktioneller Relevanz nicht weiter erhöht.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Seit dem VGA liegen keine relevanten nervenfachärztlichen Behandlungsunterlagen vor, keine Med. Liste, daher Absenkung des GdB

Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:

bei fehlenden Behandlungsunterlagen Herabsetzung des GdB

?

Dauerzustand

?

Nachuntersuchung -


1.       Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Keine. Es liegen keine Funktionseinschränkungen aus nervenärztlicher Sicht vor, die das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke (300-400m) das Ein und Aussteigen bei den üblichen Niveauunterschieden ohne fremde Hilfe oder die Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel erheblich erschweren. Es liegen keine rezenten fachärztlichen Befunde vor.

2.       Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?

Nein“

Mit Schreiben vom 12.04.2021 brachte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin dieses Sachverständigengutachten als Ergebnis der Beweisaufnahme in Wahrung des Parteiengehörs gemäß § 45 AVG zur Kenntnis und räumte ihr die Möglichkeit einer Stellungnahme ein. Laut dem ärztlichen Sachverständigengutachten bestehe ein Gesamtgrad der Behinderung von 40 v. H., somit würden die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht vorliegen.

Mit E-Mail vom 23.04.2021 erstattete die Beschwerdeführerin eine Stellungnahme, in der sie um eine Untersuchung bei einem anderen Arzt ersuchte. Die Untersuchung habe nicht einmal drei Minuten gedauert und der Arzt sei sehr aggressiv gewesen, sodass sie Angst bekommen habe. Mit der Stellungnahme legte sie medizinische Befunde vor.

Die belangte Behörde gab in der Folge ein weiteres Sachverständigengutachten des befassten Facharztes für Neurologie und Psychiatrie unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung in Auftrag.

In dem auf der Aktenlage basierenden Gutachten vom 12.05.2021 wurde Folgendes – hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben – ausgeführt:

„Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Klin. psychologischer Befund 4.3.21 (schlecht leserlich): rez. depressive Zustände, die psychotischen und dissoziative Zustände sollten neurologisch abgeklärt werden

Behandlung/en / Medikamente / Hilfsmittel:

22.1.21: Duloxetin 30mg, Saroten 20mg, Quetiapin 25mg b Bed.

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

rez. Depressio , Panikattacken , dissoziative Zustände Oberer Rahmensatz, da trotz Therapie instabil bei fehlenden fachärztlichen Behandlungsunterlagen

03.06.01

40

2

Hypertonie, Leichte Hypertonie fix

05.01.01

10

Gesamtgrad der Behinderung 40 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Der GdB des führenden Leidens wird durch Leiden 2 wegen zu geringer funktioneller Relevanz nicht weiter erhöht.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Im Vergleich zum VGA keine Änderung, es wird eine Med. Liste und ein psychologischer Befund beigebracht, es sind weiterer diagnostische Schritte empfohlen, es liegen jedoch keine rezenten Facharztbefunde mit Behandlungsunterlage vor.Bezüglich des Meningeoms sind derzeit keine neurochirurgischen Maßnahmen erforderlich , Ko in 1a.

Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:

?

Dauerzustand

?

Nachuntersuchung -


1.       Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Keine.

2.       Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?
Nein“

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 12.05.2021 wies die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses ab. Mit einem Grad der Behinderung von 40 % erfülle die Beschwerdeführerin nicht die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien der Beilage, die einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Der Beschwerdeführerin sei Gelegenheit gegeben worden, zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen. Aufgrund ihrer im Zuge des Parteiengehörs erhobenen Einwände sei eine abermalige Überprüfung durch den ärztlichen Sachverständigen durchgeführt und festgestellt worden, dass weiterhin ein Grad der Behinderung von 40 % vorliege. Die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grund gelegt worden. Die die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses (Grad der Behinderung von mindestens 50 %) würden somit nicht vorliegen. Mit dem Bescheid wurde der Beschwerdeführerin das ärztliche Sachverständigengutachten vom 12.05.2021 übermittelt.

Mit am 08.06.2021 eingelangtem Schreiben erhob die Beschwerdeführerin gegen den Bescheid fristgerecht die gegenständliche Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Sie ersuche darum, die Angelegenheit nicht vom selben Arzt prüfen zu lassen. Mit der Beschwerde legte sie medizinische Befunde vor.

Mit Schreiben vom 14.06.2021 legte die belangte Behörde die Beschwerde und den Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor, wo diese am selben Tag einlangten.

Mit Eingabe vom 25.11.2021 und vom 26.11.2021 übermittelte die Beschwerdeführerin neue (nachgereichte) medizinische Befunde.

Mit Schreiben vom 26.11.2021 informierte das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerdeführerin über die gemäß § 46 BBG im Beschwerdeverfahren geltende Neuerungsbeschränkung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin brachte am 23.10.2020 den gegenständlichen Antrag auf Neuausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumservice ein.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 12.05.2021 wies die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses ab und sprach aus, dass mit einem Grad der Behinderung von 40 v. H. die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht vorliegen würden.

Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.

Bei der Beschwerdeführerin bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

-        rez. Depressio, Panikattacken, dissoziative Zustände

-        leichte Hypertonie

Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß und medizinischer Einschätzung sowie der Frage der wechselseitigen Leidensbeeinflussung werden die diesbezüglichen Beurteilungen in den seitens der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie vom 10.04.2021 und 12.05.2021 zu Grunde gelegt.

Der Gesamtgrad der Behinderung der Beschwerdeführerin beträgt aktuell 40 v. H.

2. Beweiswürdigung:

Das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses basiert auf dem Akteninhalt.

Die Feststellung zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Inland ergibt sich aus dem Akt und dem vom Bundesverwaltungsgericht am 15.06.2021 eingeholten Auszug aus dem Zentralen Melderegister.

Die Feststellungen zu den bei ihr vorliegenden Gesundheitsschädigungen sowie zum Gesamtgrad der Behinderung gründen sich auf die durch die belangte Behörde eingeholten Sachverständigengutachten eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie vom 10.04.2021 und 12.05.2021, basierend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 31.03.2021 sowie den von ihr vorgelegten medizinischen Beweismitteln.

In den eingeholten Sachverständigengutachten wird auf die Art der Leiden der Beschwerdeführerin und deren Ausmaß schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen. Der sachverständige Gutachter setze sich auch mit der Frage der wechselseitigen Leidensbeeinflussungen und dem Zusammenwirken der zu berücksichtigenden Gesundheitsschädigungen auseinander. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen der persönlichen Untersuchung erhobenen Befund sowie den von der Beschwerdeführerin in Vorlage gebrachten medizinischen Unterlagen, entsprechen den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen. Die Gesundheitsschädigungen wurden nach der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.

Insbesondere wurde das führende Leiden der Beschwerdeführerin, eine rezidivierende Depression, Panikattacken und dissoziative Zustände, in beiden Sachverständigengutachten korrekt mit Position 03.06.01 („depressive Störung/Dysthymie leichten Grades“) der Anlage zur Einschätzungsverordnung eingestuft. Die Wahl dieser Position und die Einschätzung des Grades der Behinderung mit dem oberen Rahmensatz von 40 v. H. begründete der Gutachter nachvollziehbar damit, dass die Erkrankung trotz Therapie instabil sei, aber fachärztliche Behandlungsunterlagen fehlen würden. Aktuelle fachärztliche Befunde legte die Beschwerdeführerin auch mit ihrer Stellungnahme nicht vor, sodass der Sachverständige diese Einschätzung auch im zweiten Gutachten aufrecht erhielt.

Die Beschwerdeführerin trat dieser Argumentation weder in der Stellungnahme noch in der Beschwerde konkret entgegen, sondern ersuchte jeweils nur um Untersuchung durch einen anderen Arzt. Ob und inwiefern die eingeholten Gutachten fehlerhaft oder unvollständig wären, führte sie nicht aus. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin in der Stellungnahme vom 23.04.2021, dass die Untersuchung „nicht einmal drei Minuten“ gedauert habe und der Sachverständige sehr aggressiv gewesen sei, sodass sie Angst bekommen habe (vgl. AS 47), kann der Beurteilung nicht zugrunde gelegt werden. Zum einen geht aus dem Gutachten hervor, dass die Begutachtung „von 08:00 bis 08:16 Uhr“ gedauert hat (vgl. AS 44), zum anderen lässt sich die von ihr wahrgenommene Aggression und Angst weit naheliegender auch dadurch erklären, dass Angst, dissoziative Zustände und Paranoia mehrfach beschriebene Symptome der Erkrankung der Beschwerdeführerin sind.

Neben bereits im Verfahren vor der belangten Behörde vorgelegten medizinischen Befunden legte die Beschwerdeführerin mit der Beschwerde auch einen Arztbrief von Dr. XXXX vom 23.04.2018 (vgl. AS 67) und einen klinisch-psychologischen Befund der XXXX vom 08.06.2018 (vgl. AS 73-68) vor. Diese Befunde aus dem Jahr 2018 sind jedoch allein schon aufgrund ihres Alters nicht geeignet, aktuelle gesundheitliche Leiden der Beschwerdeführer zu belegen. Keiner der Befunde war damit geeignet, eine andere Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen mit einem höheren Grad der Behinderung herbeizuführen bzw. eine zwischenzeitig eingetretene Verschlechterung der Leidenszustände zu belegen und allenfalls zu einer anderen rechtlichen Beurteilung zu führen.

Die Beschwerdeführerin ist den Ausführungen des medizinischen Sachverständigen damit insgesamt nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit, Widerspruchsfreiheit und Schlüssigkeit der vorliegenden Sachverständigengutachten vom 10.04.2021 und 12.05.2021. Diese werden daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

1.       Zur Entscheidung in der Sache

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes lauten auszugsweise:

„§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

(2) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

§ 43. (1) Treten Änderungen ein, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpass berührt werden, hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen diese zu berichtigen oder erforderlichenfalls einen neuen Behindertenpass auszustellen. Bei Wegfall der Voraussetzungen ist der Behindertenpass einzuziehen.

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.

§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpass und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.“

Wie oben unter Punkt II. 2. ausgeführt, werden der gegenständlichen Entscheidung die seitens der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie vom 10.04.2021 und 12.05.2021, basierend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 31.03.2021 und den von ihr vorgelegten medizinischen Befunden, zu Grunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin aktuell 40 v. H. beträgt. Die Funktionseinschränkungen wurden in den Gutachten entsprechend den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.

Die Beschwerdeführerin ist diesen nachvollziehbaren Sachverständigengutachten, wie bereits in der Beweiswürdigung ausgeführt, nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).

Die Beschwerdeführerin legte im Rahmen der Beschwerde auch keine weiteren Befunde vor, die geeignet wären, die durch den medizinischen Sachverständigen getroffenen Beurteilungen zu widerlegen oder zusätzliche Dauerleiden bzw. eine zwischenzeitlich eingetretene Verschlechterung ihres Zustandes zu belegen.

Hinsichtlich der mit Schreiben vom 25.11.2021 und vom 26.11.2021 nachgereichten Befunde ist darauf hinzuweisen, dass gemäß § 46 BBG im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht, gegenständlich somit ab Einlagen der Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht am 14.06.2021, neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden dürfen und diese daher bei der Entscheidungsfindung nicht berücksichtigt werden können.

Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 40 v. H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v. H. ein Behindertenpass auszustellen ist, aktuell nicht erfüllt.

Im Übrigen ist aber auch darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht kommt.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

2.       Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1.       der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2.       die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

3.       wenn die Rechtssache durch einen Rechtspfleger erledigt wird.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde iSd § 24 Abs. 1 VwGVG weder beantragt, noch hält Bundesverwaltungsgericht eine solche für erforderlich.

Die Frage der Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung wurde von der belangten Behörde unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die strittigen Tatsachenfragen (Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen) gehören dem Bereich zu, der von den Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund der vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachten geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180) und des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfGH 09.06.2017, E 1162/2017) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W265.2243408.1.00

Im RIS seit

15.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

15.12.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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