Entscheidungsdatum
13.12.2021Norm
AEUV Art267Spruch
W234 2221944-1/17E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Thomas HORVATH über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch die List Rechtsanwalts GmbH, gegen den Bescheid der GIS Gebühren Info Service GmbH vom 15.07.2019, PNR.: XXXX , Teilnehmernummer: XXXX , zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Am 23.10.2018 beantragte XXXX (im Folgenden „beschwerdeführende Partei“), die GIS Gebühren Info Service GmbH (im Folgenden „belangte Behörde“) möge mit Bescheid festlegen, dass die „seit 01.10.2013 bis 31.10.2018 unionsrechtswidrig bezahlte Umsatzsteuer auf das Programmentgelt von insgesamt EUR 100,57“ rückerstattet werde, sowie weiters mit Bescheid feststellen, dass die von der belangten Behörde „vorgeschriebenen Rundfunkgebühren gemäß dem Rundfunkgebührengesetz“ steuerfrei seien. Die beschwerdeführende Partei begründete ihre Anträge im Wesentlichen damit, dass sie „Mehrwertsteuer für eine Dienstleistung bzw. für Leistungen des ORF“ bezahlt habe, die unionsrechtlich nicht der Mehrwertsteuer unterliegen würden, und verwies dazu auf die Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuer-system (MwStSystRL) sowie das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) vom 22.06.2016 in der Rechtssache C-11/15 (?eský rozhlas).
2. Am 14.03.2019 erstattete der Österreichische Rundfunk (ORF), dem die belangte Behörde gemäß § 8 AVG Parteistellung im Verfahren eingeräumt hatte, eine Stellungnahme und führte darin zusammengefasst aus, dass aus seiner Sicht den Anträgen der beschwerdeführenden Partei nicht stattgegeben werden könne.
3. Die beschwerdeführende Partei erstattete dazu mit Schreiben vom 18.03.2019 eine Stellungnahme.
4. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 15.07.2019 wies die belangte Behörde einerseits den Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Rückerstattung bezahlter Umsatzsteuer auf das ORF-Programmentgelt nach § 31 ORF-Gesetz (ORF-G) für den Zeitraum vom 01.10.2013 bis 31.10.2018 ab und andererseits den weiteren Antrag auf bescheidmäßige Feststellung der Steuerfreiheit der nach dem Rundfunkgebührengesetz vorgeschriebenen Rundfunkgebühren zurück.
5. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde vom 26.07.2019, mit welcher der Bescheid zur Gänze angefochten und der Antrag gestellt wird, das Bundesverwaltungsgericht möge:
„1. eine mündliche Verhandlung durchführen,
2. den angefochtenen Bescheid der belangten Behörde […] dahingehend abändern, dass dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Rückerstattung bezahlter Umsatzsteuer auf das ORF-Programmentgelt nach § 31 des Bundesgesetzes über den Österreichischen Rundfunk für den Zeitraum 01.10.2013 bis 31.10.2018 stattgegeben wird,
3. den angefochtenen Bescheid der belangten Behörde […] dahingehend abändern, dass dem Antrag der Beschwerdeführerin auf bescheidmäßige Feststellung der Steuerfreiheit der nach dem Bundesgesetz betreffend die Einhebung von Rundfunkgebühren vorgeschriebenen Rundfunkgebühren stattgegeben wird,
in eventu
4. den angefochtenen Bescheid der belangten Behörde […] aufheben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die erste Instanz zurückverweisen.“
Begründet wird die Beschwerde im Wesentlichen damit, dass sich die beschwerdeführende Partei als Unionsbürgerin in ihrem dem Unionsrecht, insbesondere der MwStSystRL, entstammenden Recht verletzt erachte, nicht zur Bezahlung der Mehrwertsteuer verpflichtet zu werden, wenn gemäß Unionsrecht, insbesondere der MwStSystRL, keine der Mehrwertsteuer unterliegende Zahlungsverpflichtung vorliege. Die beschwerdeführende Partei fühlt sich ferner in ihrem Recht auf Feststellung der Steuerfreiheit nach Unionsrecht verletzt, beantragt die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und regt an, das Bundesverwaltungsgericht möge im vorliegenden Verfahren einen Antrag auf Vorabentscheidung gemäß Art. 267 AEUV an den EuGH stellen.
6. Am 26.07.2019 informierte die belangte Behörde den ORF über die eingelangte Beschwerde.
7. Am 29.07.2019 übermittelte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht den verfahrensgegenständlichen Verwaltungsakt.
8. Mit Schriftsatz vom 26.09.2019 legte die beschwerdeführende Partei dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde direkt vor.
9. Am 09.10.2019 erstattete der ORF eine Stellungnahme zur Beschwerde, welche am 11.10.2019 beim Bundesverwaltungsgericht einlangte und am 21.11.2019 der beschwerdeführenden Partei zur Kenntnis gebracht wurde, welche wiederum am 04.12.2019 dazu eine Stellungnahme übermittelte.
10. Mit Schriftsatz vom 02.01.2020 übermittelte der ORF eine ergänzende Stellungnahme und übermittelte Dokumente aus den Beitrittsverhandlungen zwischen Österreich und der Europäischen Union.
11. Am 24.06.2021 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht der belangten Behörde und dem ORF die Stellungnahme der beschwerdeführenden Partei vom 04.12.2019 zur Kenntnis und allfälligen Stellungnahme. Der ORF nahm dazu am 08.07.2021 Stellung.
12. Am 25.06.2021 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht der beschwerdeführenden Partei und der belangten Behörde die Stellungnahme des ORF vom 02.01.2020 zur Kenntnis und allfälligen Stellungnahme.
13. Am 07.07.2021 langte beim Bundesverwaltungsgericht eine Stellungnahme der belangten Behörde ein, in der diese im Wesentlichen auf Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichtes verwies.
14. Am 26.08.2021 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht die Stellungnahme des ORF an die beschwerdeführende Partei zur Kenntnis und allfälligen Stellungnahme. Diese verschwieg sich hierauf.
15. Mit Verfügung vom 18.11.2021 wurde die gegenständliche Rechtssache der Gerichtsabteilung W249 abgenommen und der Gerichtsabteilung W234 neu zugewiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die beschwerdeführende Partei war seit 01.02.2005 als Rundfunkteilnehmerin unter der im Spruch dieser Entscheidung genannten Teilnehmernummer bei der belangten Behörde als Rundfunkteilnehmerin registriert. Seit ihrer Registrierung als Rundfunkteilnehmerin wird sie mit den Programmen des ORF gemäß § 3 Abs. 1 ORF-G versorgt.
Die beschwerdeführende Partei hat Umsatzsteuer auf das ORF-Programmentgelt entrichtet. Dieser Betrag wurde von der belangten Behörde eingehoben und an den ORF weitergeleitet.
2. Beweiswürdigung:
Die getroffenen Feststellungen sind im Verfahren unbestritten. Sie wurden von der belangten Behörde dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegt und in der Beschwerde nicht bestritten.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Die maßgebenden Bestimmungen nach dem Rundfunkgebührengesetz (RGG), ORF-Gesetz (ORF-G) und Umsatzsteuergesetz 1994 (UStG 1994) lauten:
§§ 2, 3, 4 und 6 RGG:
„Gebührenpflicht, Meldepflicht
§ 2. (1) Wer eine Rundfunkempfangseinrichtung im Sinne des § 1 Abs. 1 in Gebäuden betreibt (Rundfunkteilnehmer), hat Gebühren nach § 3 zu entrichten. Dem Betrieb einer Rundfunkempfangseinrichtung ist deren Betriebsbereitschaft gleichzuhalten.
[…]
(3) Das Entstehen oder die Beendigung der Gebührenpflicht sowie die Änderung des Standorts (Abs. 2) oder Namens ist vom Rundfunkteilnehmer dem mit der Einbringung der Gebühren betrauten Rechtsträger (§ 4 Abs. 1) unverzüglich in der von diesem festgelegten Form zu melden. Die Meldung hat zu umfassen: Namen (insbesondere Vor- und Familiennamen, Firma, Namen juristischer Personen), Geschlecht und Geburtsdatum des Rundfunkteilnehmers, genaue Adresse des Standorts, Datum des Beginns/Endes des Betriebes und die Art der Rundfunkempfangseinrichtungen (Radio und/oder Fernsehen) sowie deren Anzahl, wenn sie für die Gebührenbemessung nach § 3 von Bedeutung ist.
(4) Die Entrichtung von Gebühren ist von dem mit deren Einbringung betrauten Rechtsträger (§ 4 Abs. 1) zu registrieren; dem Rundfunkteilnehmer ist die Teilnehmernummer mitzuteilen.
[…]
Rundfunkgebühren
§ 3. (1) Die Gebühren sind für jeden Standort (§ 2 Abs. 2) zu entrichten und betragen für
Radio-Empfangseinrichtungen ..................................0,36 Euro
Fernseh-Empfangseinrichtungen ..............................1,16 Euro
monatlich.
[…]
(6) Für die Verjährung von Forderungen und Verbindlichkeiten für Gebühren und sonstige damit verbundene Abgaben und Entgelte gegenüber Rundfunkteilnehmern gelten die Bestimmungen des § 1486 ABGB sinngemäß.“
Einbringung der Gebühren
§ 4. (1) Die Einbringung der Gebühren und sonstiger damit verbundener Abgaben und Entgelte einschließlich der Entscheidung über Befreiungsanträge (§ 3 Abs. 5) obliegt der „GIS Gebühren Info Service GmbH“ (Gesellschaft).
[…]
Verfahren
§ 6. (1) Die Wahrnehmung der behördlichen Aufgaben nach § 4 Abs. 1 obliegt der Gesellschaft; gegen von der Gesellschaft erlassene Bescheide ist Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zulässig. Das AVG ist anzuwenden.
[…]
(3) Rückständige Gebühren und sonstige damit verbundene Abgaben und Entgelte sind im Verwaltungsweg hereinzubringen; zur Deckung des dadurch entstehenden Aufwandes kann die Gesellschaft einen Säumniszuschlag von 10% des rückständigen Betrages vorschreiben. Die Gesellschaft ist zur Ausstellung von Rückstandsausweisen berechtigt.
[…]“
„Programmentgelt
§ 31. (1) Jedermann ist zum Empfang der Hörfunk- bzw. Fernsehsendungen des Österreichischen Rundfunks gegen ein fortlaufendes Programmentgelt (Radioentgelt, Fernsehentgelt) berechtigt. Die Höhe des Programmentgelts wird auf Antrag des Generaldirektors vom Stiftungsrat festgelegt. Der Generaldirektor hat einen Antrag auf Neufestlegung des Programmentgelts nach Maßgabe der wirtschaftlichen Erfordernisse zu stellen, spätestens jedoch nach Ablauf von fünf Jahren ab dem letzten Antrag.
[…]
(10) Das Programmentgelt ist unabhängig von der Häufigkeit und der Güte der Sendungen oder ihres Empfanges zu zahlen, jedenfalls aber dann, wenn der Rundfunkteilnehmer (§ 2 Abs. 1 RGG) an seinem Standort mit den Programmen des Österreichischen Rundfunks gemäß § 3 Abs. 1 terrestrisch (analog oder DVB-T) versorgt wird. Der Beginn und das Ende der Pflicht zur Entrichtung des Programmentgeltes sowie die Befreiung von dieser Pflicht richten sich nach den für die Rundfunkgebühren geltenden bundesgesetzlichen Vorschriften.
[…]
(17) Das Programmentgelt ist gleichzeitig mit den Rundfunkgebühren und in gleicher Weise wie diese einzuheben; eine andere Art der Zahlung tilgt die Schuld nicht.
(18) Rückständige Programmentgelte können zu Gunsten des Österreichischen Rundfunks von dem mit der Einbringung der Rundfunkgebühren beauftragten Rechtsträger in gleicher Weise wie rückständige Rundfunkgebühren im Verwaltungsweg hereingebracht werden.
[…]“
§§ 1 und 10 UStG 1994:
„Steuerbare Umsätze
§ 1. (1) Der Umsatzsteuer unterliegen die folgenden Umsätze:
1. Die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Die Steuerbarkeit wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Umsatz auf Grund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung bewirkt wird oder kraft gesetzlicher Vorschrift als bewirkt gilt;
[…]
Steuersätze
§ 10. (1) Die Steuer beträgt für jeden steuerpflichtigen Umsatz 20% der Bemessungsgrundlage (§§ 4 und 5).
(2) Die Steuer ermäßigt sich auf 10% für
[…]
5. die Leistungen der Rundfunkunternehmen, soweit hiefür Rundfunk- und Fernsehrundfunkentgelte entrichtet werden, sowie die sonstigen Leistungen von Kabelfernsehunternehmen, soweit sie in der zeitgleichen, vollständigen und unveränderten Verbreitung von in- und ausländischen Rundfunk- und Fernsehrundfunksendungen, die der Allgemeinheit mit Hilfe von Leitungen gegen ein fortlaufend zu entrichtendes Entgelt wahrnehmbar gemacht werden, bestehen;
[…].“
3.2. Die beschwerdeführende Partei hat mit den verfahrenseinleitenden Anträgen einerseits die „Festlegung“ beantragt, dass die von ihr bezahlte Umsatzsteuer auf das Programmentgelt rückerstattet werde, sowie andererseits die Feststellung begehrt, dass die von der belangten Behörde „vorgeschriebenen Rundfunkgebühren gemäß dem Rundfunkgebührengesetz“ steuerfrei seien.
3.3. Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Rückerstattung der Umsatzsteuer auf das Programmentgelt abgewiesen und den Feststellungsantrag hinsichtlich der Steuerfreiheit der Rundfunkgebühren zurückgewiesen.
3.4. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht ist rechtzeitig und zulässig.
3.5. Dass die belangte Behörde zur Erlassung des angefochtenen Bescheides zuständig war, ist im Verfahren nicht strittig:
Die beschwerdeführende Partei verweist in ihrem verfahrenseinleitenden Schriftsatz auf ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes, in welchem dieser ausgesprochen habe, dass die belangte Behörde für die Einbringung der Gebühren und sonstiger damit verbundener Abgaben und Entgelte zuständig sei und dies auch allfällige Rückzahlungsanträge einschließe (VwGH 27.02.2013, 2010/17/0022). Auch der ORF hält in seiner Stellungnahme fest, dass die belangte Behörde zur Entscheidung über die vorliegenden Anträge berufen sei (vgl. Punkt 3. der Stellungnahme des ORF vom 01.03.2019).
Der Verwaltungsgerichtshof hatte im zitierten Erkenntnis den Antrag eines Rundfunkteilnehmers auf Rückerstattung seiner an die belangte Behörde bezahlten „Beträge“ infolge einer „Doppelmeldung“ an einem Standort zu beurteilen und sprach in diesem Verfahren insbesondere aus:
„Die Lösung der Frage nach einer möglichen Rückzahlung und ihrer Grenzen kann nicht für alle betroffenen Abgaben und Entgelte mit allgemeinen Rechtsgrundsätzen […] gefunden werden.
Dazu ist zu beachten, dass der Rückzahlungsantrag vier verschiedene Abgaben bzw. Entgelte beinhaltet, für die unterschiedliche gesetzliche Bestimmungen zur Anwendung kommen könnten. Die Abgaben und Entgelte sind daher hinsichtlich ihrer Rückzahlbarkeit einzeln zu prüfen. […]
Da die GIS für die ‚Einbringung‘ bzw. ‚Einhebung‘ der betroffenen Abgaben und Entgelte zuständig ist (vgl. §§ 4 Abs. 1 iVm 6 Abs. 1 RGG, 31 Abs. 4 ORF-G, 1 Abs. 2 Kunstförderungsbeitragsgesetz 1981 sowie 6 Abs. 1 Wiener Kulturförderungsbeitragsgesetz 2000) und dies auch allfällige Rückzahlungsanträge einschließt (vgl. etwa den Umfang des 6. Abschnitts der BAO, betreffend die ‚Einhebung der Abgaben‘), war die GIS auch für die Entscheidung über den Rückzahlungsantrag des Beschwerdeführers zuständig.“
Der Verwaltungsgerichtshof behandelte in weiterer Folge unter einem zusammengefasst das Rückzahlungsbegehren hinsichtlich der Rundfunkgebühren, des Programmentgelts und des Kunstförderungsbeitrages und bejahte hierbei implizit die Zuständigkeit der damaligen Berufungsbehörde (verneint wurde hingegen die Zuständigkeit der Berufungsbehörde hinsichtlich des Wiener Kulturförderungsbeitrages).
Dem Erkenntnis sind keine Anhaltspunkte dahingehend zu entnehmen, dass der Verwaltungsgerichtshof davon ausgegangen wäre, dass die Zuständigkeit der belangten Behörde zur Entscheidung über eine mögliche Rückzahlung nicht auch die (mit dem Programmentgelt eingehobene) Umsatzsteuer umfassen würde, zumal der dem Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zugrundeliegende Antrag die Rückzahlung der gesamten an die belangte Behörde überwiesenen Beträge umfasst hatte (vgl. „Mit anwaltlichem Schreiben forderte der Beschwerdeführer schließlich die GIS auf, die seit dem 1. September 1992 vom Konto eingezogenen Beträge […] zur Anweisung zu bringen.“). Zwar spricht der Verwaltungsgerichtshof im gesamten Erkenntnis die (Rückforderung der) Umsatzsteuer nicht ausdrücklich an, er weist jedoch auch nicht (wie etwa hinsichtlich des Wiener Kulturförderungsbeitrages) darauf hin, dass in dieser Hinsicht andere bzw. abweichende Zuständigkeiten bestehen würden.
Da die Umsatzsteuer auf das Programmentgelt berechnet wird und dementsprechend von dessen Höhe abhängig und mit diesem insoweit verknüpft ist (vgl. OGH 05.10.2010, 4 Ob 139/10 k, wonach die in einer Rechnung über eine Lieferung oder sonstige Leistung gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer Teil des Kaufpreises ist), muss aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes angenommen werden, dass die Zuständigkeit zur Beurteilung eines Rückzahlungsanspruches hinsichtlich der Umsatzsteuer denselben Regeln wie die Zuständigkeit für Rückzahlungsansprüche hinsichtlich des Programmentgelts folgt (zur Geltendmachung von Rückzahlungsansprüchen hinsichtlich des Programmentgeltes im Verwaltungsweg siehe auch Kogler/Traimer/Truppe, Österreichische Rundfunkgesetze4 [2018] 301 f mwN).
Für den vorliegend zu beurteilenden Beschwerdefall geht das Bundesverwaltungsgericht vor dem Hintergrund dieser Erwägungen davon aus, dass die belangte Behörde zur Entscheidung über die verfahrensgegenständlichen Anträge zuständig war. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes ergibt sich daraus folgend aus § 6 Abs. 1 RGG iVm § 31 Abs. 17 ORF-G (vgl. dazu auch die Erwägungen zur Zulässigkeit der Revision unter B).
3.6. Zum Antrag auf Rückerstattung der „unionsrechtswidrig bezahlte[n] Umsatzsteuer auf das Programmentgelt“:
3.6.1. Die beschwerdeführende Partei stützt ihren Antrag auf das Urteil des EuGH in der Rechtssache C-11/15 und bringt dazu im Wesentlichen vor, dass nach den vom EuGH in diesem Urteil aufgestellten Kriterien das ORF-Programmentgelt keinen steuerbaren Umsatz darstelle und nicht in den Anwendungsbereich der MwStSystRL falle. Zudem führt sie an, dass die für Österreich getroffene Ausnahmeregelung für Tätigkeiten der öffentlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten in Art. 378 Abs. 1 der Richtlinie nur Anwendung finde, wenn die Tätigkeit überhaupt in den Anwendungsbereich der Richtlinie falle, was gegenständlich eben nicht der Fall sei.
3.6.2. Die belangte Behörde hat diesen Antrag mit dem angefochtenen Bescheid abgewiesen und begründend dazu ausgeführt, dass bei einer Beurteilung nach dem nationalen Recht das ORF-Programmentgelt steuerbar und nach § 10 Abs. 2 Z 2 UStG 1994 mit dem ermäßigten Steuersatz von 10% zu besteuern sei. Dem Vorbringen, dass diese nationale Rechtslage gegen Unionsrecht verstoße, könne nur dann Bedeutung zukommen, wenn die entsprechenden unionsrechtlichen Vorschriften, dh. konkret die MwStSystRL (bzw. deren Vorgängerrichtlinie), unmittelbar anwendbar seien. Die belange Behörde kam dazu nach näherer Prüfung zum Ergebnis, dass die MwStSystRL (hinsichtlich der Regelungen des Art. 2 Abs. 1 lit. c, des Art. 132 Abs. 1 lit. q, des Art. 378 Abs. 1 und des Anhangs X Teil A Nummer 2) von Österreich ordnungsgemäß umgesetzt worden sei.
Die belangte Behörde verwies im angefochtenen Bescheid des Weiteren darauf, dass Österreich in der EU-Beitrittsakte gestattet worden sei, die Tätigkeiten der öffentlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten, ausgenommen Tätigkeiten mit gewerblichem Charakter, ohne irgendwelche Einschränkungen zu besteuern (Hinweis auf Art. 151 Abs. 1 EU-Beitrittsakte und Anhang XV Teil IX Z 2 lit. h). Diese Besteuerung habe es in Österreich bereits lange vor dem EU-Beitritt am 01.01.1995 gegeben. Da es zum Zeitpunkt des EU-Beitritts keine privaten Radio- und/oder Fernsehsender gegeben habe, würde jedes andere Auslegungsergebnis dazu führen, dass die Sonderbestimmung damals keinen Anwendungsbereich gehabt hätte. Das zu Tschechien ergangene Urteil des EuGH in der Rechtssache C-11/15 könne schon insoweit nicht ohne weiteres auf Österreich übertragen werden, weil vergleichbare Ausnahmeregelungen hinsichtlich der Tätigkeiten der öffentlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten für Tschechien nicht erblickt werden könnten. Soweit die beschwerdeführende Partei davon ausgehe, dass die in Art. 378 Abs. 1 der MwStSystRL festgelegte Ausnahmeregelung zugunsten Österreichs keine Anwendung finde, sei darauf zu verweisen, dass dem Unionsgesetzgeber nicht unterstellt werden könne, redundante Vorschriften geschaffen zu haben. Nach dem Verständnis der beschwerdeführenden Partei wäre Art. 378 Abs. 1 der Richtlinie nämlich jeder Anwendungsbereich genommen. Zudem ergebe sich aus der Judikatur des EuGH, dass es im Bereich der Mehrwert- bzw. Umsatzsteuer noch keine Vollharmonisierung gebe, sodass es in den Mitgliedstaaten unterschiedliche Regelungen geben könne, die von den allgemeinen Grundsätzen der Richtlinie abweichen würden.
Die belangte Behörde ging im angefochtenen Bescheid schließlich davon aus, dass sich die Rechtslage in Österreich von jener in Tschechien unterscheide, welche dem Urteil des EuGH in der Rechtssache C-11/15 zugrunde liege. So sei das ORF-Programmentgelt nur zu bezahlen, wenn der jeweilige Standort des Teilnehmers vom ORF terrestrisch versorgt werde und der Teilnehmer ein Rundfunkempfangsgerät bereithalte. Beide Voraussetzungen habe es in der zitierten Rechtssache nicht gegeben. Zudem werde die Höhe des ORF-Programmentgelts nicht durch Gesetz, sondern den ORF selbst festgelegt. Die Freiwilligkeit der Vertragsbeziehung zwischen dem ORF und dem Teilnehmer werde bei einem Empfang über Satellit auch dadurch unterstrichen, dass hierfür der entgeltliche Erwerb einer zur Entsperrung der Programme nötigen Karte erforderlich sei.
3.6.3. In der gegen diesen Bescheid erhobenen und nunmehr vom Bundesverwaltungsgericht zu beurteilenden Beschwerde wiederholt die beschwerdeführende Partei im Wesentlichen ihr Vorbringen zur Begründung des verfahrenseinleitenden Antrages und bringt darin einerseits vor, dass die „Rundfunkgebühr“ nicht der MwStSystRL unterliege. Die vom EuGH in der Rechtssache C-11/15 formulierten Kriterien für das Vorliegen eines steuerbaren Umsatzes (Freiwilligkeit sowie unmittelbarer Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung) seien hinsichtlich des „ORF-Programmentgeltes, des Fernsehentgelts als auch des Radioentgelts“ nicht gegeben.
Andererseits bestehe keine Anwendung der Ausnahmeregelung des Art. 28 Abs. 3 der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie bzw. des Art. 378 Abs. 1 der MwStSystRL, da diese Bestimmungen nur zur Anwendung kämen, wenn die Tätigkeit überhaupt in den Anwendungsbereich der Richtlinie falle. Dazu sei auf die Rz 32 und 33 der EuGH-Urteils in der Rechtssache C-11/15 hinzuweisen.
Zudem sei entgegen der von der belangten Behörde vertretenen Ansicht davon auszugehen, dass die MwStSystRL in Österreich nicht umgesetzt worden sei, weil die Definition von steuerpflichtigen Dienstleistungen nicht richtig umgesetzt und das ORF-Programmentgelt ungeachtet der Judikatur des EuGH als steuerpflichtige Dienstleistung im österreichischen Rechtssystem beibehalten worden sei.
3.6.4. Mit diesem Vorbringen ist die beschwerdeführende Partei aus den folgenden Gründen nicht im Recht:
3.6.5. Die im Beschwerdefall relevanten Bestimmungen der Richtlinie 2006/112/EG vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) lauten:
Art. 2 Abs. 1 lit. c) MwStSystRL:
„Artikel 2
(1) Der Mehrwertsteuer unterliegen folgende Umsätze:
[…]
c) Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt erbringt;
[…].“
Art. 132 Abs. 1 lit. q) MwStSystRL:
„Steuerbefreiungen für bestimmte, dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten
Artikel 132 (1)
Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:
[…]
q) Tätigkeiten öffentlicher Rundfunk- und Fernsehanstalten, ausgenommen Tätigkeiten mit gewerblichem Charakter.“
Art. 378 Abs. 1 MwStSystRL:
„Ausnahmen für Staaten, die der Gemeinschaft nach dem 1. Januar 1978 beigetreten sind
[…]
Artikel 378
(1) Österreich darf die in Anhang X Teil A Nummer 2 genannten Umsätze weiterhin besteuern.“
Anhang X Teil A Nummer 2 der MwStSystRL:
„ANHANG X
VERZEICHNIS DER UMSÄTZE, FÜR DIE DIE AUSNAHMEN GEMÄSS DEN ARTIKELN 370 UND 371 SOWIE 380 BIS 390 GELTEN
TEIL A
Umsätze, die die Mitgliedstaaten weiterhin besteuern dürfen
1. […]
2. Tätigkeiten der öffentlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten, die keinen gewerblichen Charakter aufweisen;
[…].“
Im seinem Urteil in der Rechtssache C-11/15 bezog sich der EuGH auf die Regelungen der Vorgängerrichtlinie, dh der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (77/388/EWG). Die vorliegend relevanten Regelungen lauten:
Art. 2 Nr. 1 der Sechsten Richtlinie:
„Artikel 2
Der Mehrwertsteuer unterliegen:
1. Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt;
[…]“
Art. 13 Teil A Abs. 1 lit. q der Sechsten Richtlinie:
„Artikel 13
Steuerbefreiungen im Inland
A. Befreiungen bestimmter dem Gemeinwohl dienender Tätigkeiten
(1) Unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Mißbräuchen festsetzen, von der Steuer:
[…]
q) die Tätigkeiten der öffentlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten, ausgenommen Tätigkeiten mit gewerblichem Charakter.“
Art. 28 Abs. 3 lit. a der Sechsten Richtlinie:
„Artikel 28
[…]
(3) Während der in Absatz 4 genannten Übergangszeit können die Mitgliedstaaten
a) die in Anhang E aufgeführten nach Artikel 13 oder 15 befreiten Umsätze weiterhin besteuern;
[…].“
ANHANG E LISTE DER IN ARTIKEL 28 ABSATZ 3 BUCHSTABE a) VORGESEHENEN UMSÄTZE:
„[…]
7. in Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe q) genannte Umsätze“
3.6.6. Konkret setzte sich der EuGH in seinem Urteil vom 22.06.2016 in der Rechtssache
C-11/15 (?eský rozhlas) mit der Rundfunkgebühr in Tschechien auseinander, mit der die Rundfunkgesellschaft ?eský rozhlas und deren öffentliche Rundfunktätigkeit finanziert wurde.
Im Ausgangsverfahren war zwischen der tschechischen Rundfunkgesellschaft und der Finanzverwaltung strittig, ob die in diesem Verfahren gegenständliche Tätigkeit des öffentlichen Rundfunks, die durch eine gesetzlich vorgesehene obligatorische Gebühr finanziert werde, grundsätzlich eine Dienstleistung „gegen Entgelt“ im Sinne der Sechsten Richtlinie darstelle, aber gemäß Art. 13 Teil A Abs. 1 lit. q dieser Richtlinie von der Mehrwertsteuer befreit sei, oder ob eine solche Tätigkeit gar keinen steuerbaren Umsatz darstelle, der in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie falle (vgl. Rz 19 sowie zur konkreten Vorlagefrage Rz 18 des Urteils).
Der EuGH kam in diesem Fall zum Ergebnis, dass „die Erbringung einer öffentlichen Rundfunkdienstleistung, die die Merkmale der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden aufweist, keine Dienstleistung ‚gegen Entgelt‘ im Sinne von Art. 2 Nr. 1 der Sechsten Richtlinie darstellt“ (Rz 28 des Urteils). Der EuGH verneinte die Steuerbarkeit der Rundfunktätigkeit dabei im Wesentlichen aus zwei Gründen: Erstens bestehe kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der von ?eský rozhlas erbrachten öffentlichen Rundfunkdienstleistung und der obligatorisch zu leistenden Rundfunkgebühr. Zweitens stelle die Rundfunkgebühr auch keinen Preis oder Gegenwert für diese Dienstleistung dar (Rz 30 des Urteils mit Verweis auf die Rz 23 und 25).
3.6.7. Die beschwerdeführende Partei überträgt dieses Urteil nunmehr auf Österreich und behauptet, dass die vom EuGH formulierten Kriterien für das Vorliegen eines steuerbaren Umsatzes hinsichtlich des „ORF-Programmentgeltes, des Fernsehentgelts als auch des Radioentgelts“ nicht gegeben seien, und stützt ihre Argumentation auf eine Literaturmeinung, welche davon ausgeht, dass das ORF-Programmentgelt nach der EuGH-Rechtsprechung nicht umsatzsteuerbar sei (vgl. Kühbacher, Liegt dem ORF-Programmentgelt tatsächlich ein steuerbarer Leistungsaustausch zugrunde? SWK 7/2017, 415).
3.6.8. Die Überlegungen der beschwerdeführenden Partei nehmen aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes auf die Besonderheiten der österreichischen Rechtslage nicht ausreichend Bedacht. Vergleicht man die tschechische Rundfunkgebühr mit dem ORF-Programmentgelt, ergibt sich – auch wenn einige Gemeinsamkeiten bestehen – keineswegs ein deckungsgleiches Bild (vgl. dazu auch Lang/Dziurd?, Die umsatzsteuerliche Behandlung des ORF-Programmentgelts im Lichte der jüngsten EuGH-Judikatur, SWK 29/2016, 1251f). Dies vor dem Hintergrund folgender Erwägungen:
Der EuGH hat in seinem Urteil insbesondere festgehalten (Rz 23 bis 28 des Urteils):
„23 Was die im Ausgangsrechtsstreit in Rede stehende öffentliche Rundfunkdienstleistung angeht, ist festzustellen, dass zwischen ?eský rozhlas und den Schuldnern der Rundfunkgebühr kein Rechtsverhältnis besteht, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, noch besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dieser öffentlichen Rundfunkdienstleistung und der Gebühr.
24 Im Rahmen der Erbringung dieser Dienstleistung sind ?eský rozhlas und diese Personen nämlich weder durch eine vertragliche Beziehung oder Vereinbarung über einen Preis oder einen Gegenwert, noch durch eine rechtliche Verpflichtung verbunden, die die eine mit der anderen Seite freiwillig eingegangen ist.
25 Im Übrigen ergibt sich die Verpflichtung zur Entrichtung der Rundfunkgebühr nicht aus der Erbringung einer Dienstleistung, deren unmittelbaren Gegenwert sie darstellte, da diese Verpflichtung nicht an die Nutzung der von ?eský rozhlas erbrachten öffentlichen Rundfunkdienstleistung durch die Personen, die dieser Verpflichtung unterliegen, gebunden ist, sondern allein an den Besitz eines Rundfunkempfangsgeräts, und das ungeachtet der Art und Weise, in der dieses genutzt wird.
26 Somit sind Personen, die ein Rundfunkempfangsgerät besitzen, verpflichtet, diese Gebühr zu entrichten, auch wenn sie dieses Empfangsgerät allein dazu nutzen, um von anderen Rundfunkveranstaltern als ?eský rozhlas ausgestrahlte Rundfunksendungen wie kommerzielle Rundfunksendungen, die aus anderen Quellen als dieser Gebühr finanziert werden, zu hören, um CDs oder andere digitale Datenträger zu lesen, oder auch für andere Funktionen nutzen, über die die Geräte, die Rundfunksendungen empfangen und wiedergeben können, im Allgemeinen verfügen.
27 Zudem ist festzustellen, dass der Zugang zu der von ?eský rozhlas erbrachten öffentlichen Rundfunkdienstleistung frei ist und sie in keiner Weise von der Entrichtung der Rundfunkgebühr abhängt.
28 Daraus folgt, dass die Erbringung einer öffentlichen Rundfunkdienstleistung, die die Merkmale der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden aufweist, keine Dienstleistung ‚gegen Entgelt‘ im Sinne von Art. 2 Nr. 1 der Sechsten Richtlinie darstellt.“
Zur tschechischen Rechtslage ist dem EuGH-Urteil Folgendes zu entnehmen:
„5 Gemäß Art. 1 des Gesetzes Nr. 484/1991 über den ?eský rozhlas in seiner auf das Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung wird eine Rundfunkgesellschaft, ?eský rozhlas, errichtet, die ihren Sitz in Prag (Tschechische Republik) hat. Nach dieser Bestimmung ist ?eský rozhlas eine juristische Person, die ihr eigenes Vermögen verwaltet und durch ihre eigenen Handlungen selbst Rechte erwirbt und Verpflichtungen eingeht.
6 Art. 10 dieses Gesetzes sieht vor, dass die Finanzierung von ?eský rozhlas insbesondere durch die Erhebung von Rundfunkgebühren gemäß einer besonderen Rechtsvorschrift und die Einkünfte aus seinen eigenen wirtschaftlichen Tätigkeiten erfolgt.
7 Nach Art. 1 des Gesetzes Nr. 348/2005 über Rundfunk? und Fernsehgebühren in seiner auf das Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung dient die Rundfunkgebühr dazu, den von ?eský rozhlas erbrachten öffentlichen Dienst zu finanzieren.
8 Nach Art. 2 dieses Gesetzes wird die Rundfunkgebühr für ein technisches Gerät gezahlt, das in der Lage ist, eine Rundfunksendung individuell nach Bedarf wiederzugeben, unabhängig von der Art des Empfangs, (im Folgenden: Rundfunkempfangsgerät) auch dann, wenn dieses Gerät einem anderen Zweck dient.
9 Gemäß Art. 3 dieses Gesetzes ist jede natürliche oder juristische Person, die Eigentümer eines Rundfunkempfangsgeräts ist oder die, ohne Eigentümer eines solchen Empfangsgeräts zu sein, dieses besitzt oder dieses aus einem anderen Rechtsgrund mindestens einen Monat lang nutzt, zur Entrichtung der Rundfunkgebühr verpflichtet.
10 Art. 7 dieses Gesetzes sieht vor, dass der Gebührenpflichtige die Rundfunk- oder Fernsehgebühr entweder unmittelbar oder über eine bevollmächtigte Person an den gesetzlichen Rundfunkveranstalter zahlt.“
3.6.9. Für Österreich ergibt sich zur Einrichtung und den Aufgaben sowie zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Auftrages des ORF zusammengefasst Folgendes:
Gemäß § 1 Abs. 1 ORF-G wird eine Stiftung des öffentlichen Rechts mit der Bezeichnung „Österreichischer Rundfunk“ eingerichtet. Die Stiftung hat ihren Sitz in Wien und besitzt Rechtspersönlichkeit. Gemäß § 1 Abs. 2 ORF-G ist Zweck der Stiftung die Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrages des Österreichischen Rundfunks im Rahmen des Unternehmensgegenstandes (§ 2). Der öffentlich-rechtliche Auftrag umfasst die Aufträge der §§ 3 bis 5.
„Kommerzielle Tätigkeiten“ im Sinne des ORF-G bezeichnen gemäß § 8a Abs. 1 ORF-G im Rahmen des Unternehmensgegenstandes liegende, über den öffentlich-rechtlichen Auftrag (§ 1 Abs. 2) hinausgehende Tätigkeiten. § 8a Abs. 2 Satz 2 ORF-G hält dazu fest, dass für kommerzielle Tätigkeiten keine Mittel aus dem Programmentgelt (§ 31) herangezogen werden dürfen.
Zum Programmentgelt legt § 31 Abs. 1 Satz 1 und 2 ORF-G fest, dass jedermann zum Empfang der Hörfunk- bzw. Fernsehsendungen des Österreichischen Rundfunks gegen ein fortlaufendes Programmentgelt (Radioentgelt, Fernsehentgelt) berechtigt ist. Die Höhe des Programmentgelts wird auf Antrag des Generaldirektors vom Stiftungsrat festgelegt. Gemäß § 31 Abs. 10 ORF-G ist das Programmentgelt unabhängig von der Häufigkeit und der Güte der Sendungen oder ihres Empfanges zu zahlen, jedenfalls aber dann, wenn der Rundfunkteilnehmer an seinem Standort mit den Programmen des Österreichischen Rundfunks terrestrisch (analog oder DVB-T) versorgt wird. Das Programmentgelt ist gemäß § 31 Abs. 17 ORF-G gleichzeitig mit den Rundfunkgebühren und in gleicher Weise wie diese einzuheben.
Zu den Rundfunkgebühren normiert § 2 Abs. 1 RGG, dass derjenige, der eine Rundfunkempfangseinrichtung in Gebäuden betreibt (Rundfunkteilnehmer), Gebühren nach § 3 RGG zu entrichten hat. Dem Betrieb einer Rundfunkempfangseinrichtung ist deren Betriebsbereitschaft gleichzuhalten. Gemäß § 4 Abs. 1 RGG obliegt die Einbringung der Gebühren und sonstiger damit verbundener Abgaben und Entgelte einschließlich der Entscheidung über Befreiungsanträge der belangten Behörde. Die Rundfunkgebühren gemäß § 3 RGG fließen zur Gänze dem Bund zu; zum Teil bestehen Zweckbindungen zugunsten rundfunknaher Tätigkeiten (vgl. zB zur Aufwendung der Mittel des Digitalisierungsfonds, des Fernsehfonds Austria sowie der Fonds zur Förderung des nichtkommerziellen und des privaten Rundfunks die §§ 21, 26, 29 und 30 KOG; vgl. weiters Kogler/Traimer/Truppe, aaO 949).
3.6.10. Das österreichische Recht unterscheidet folglich zwischen Rundfunkgebühren einerseits und dem Programmentgelt andererseits. Die Rundfunkgebühren und das Programmentgelt werden von der belangten Behörde (neben verschiedenen Landesabgaben und dem Kunstförderungsbeitrag) gleichzeitig eingehoben. Ebenfalls hebt die belangte Behörde unter einem (zum ermäßigten Steuersatz von 10 %) Umsatzsteuer auf das Programmentgelt ein (vgl. § 10 Abs. 5 Z 5 UStG 1994; vgl. zur Historie der Besteuerung des Programmentgeltes Lang/Dziurd?, aaO 1254 ff). Auf diese unterschiedlichen Begriffsinhalte ist die beschwerdeführende Partei hinzuweisen, wenn sie die Begriffe Rundfunkgebühren und Programmentgelt in der Beschwerde zum Teil synonym verwendet.
Wie festgestellt, hat die beschwerdeführende Partei Umsatzsteuer auf das Programmentgelt gemäß § 31 ORF-G an die belangte Behörde entrichtet. Anhaltspunkte darauf, dass die beschwerdeführende Partei außerdem Umsatzsteuer für die Rundfunkgebühren nach dem RGG geleistet oder die belangte Behörde diese eingehoben hätte, haben sich im Verfahren nicht ergeben (vgl. dazu auch II.3.7.).
3.6.11. Die Berechtigung zum Empfang der Programme des ORF ist nach § 31 Abs. 1 Satz 1 ORF-G gesetzlich mit der Verpflichtung zur Zahlung eines fortlaufenden Programmentgelts verknüpft. Nach der herrschenden Rechtsprechung und Lehre folgt aus dieser Anordnung die Fiktion eines zivilrechtlichen Vertragsverhältnisses zwischen Rundfunkteilnehmer und ORF (siehe Kogler/Traimer/Truppe, aaO 296 f). Es wird in dieser Hinsicht ein zivilrechtliches Austauschverhältnis angenommen, bei dem das Programmentgelt als eine Gegenleistung für die Verfügbarkeit von ORF-Programmen fungiert. Nicht nur der ORF hat einen gesetzlichen Versorgungsauftrag zu erfüllen, sondern auch der versorgte Rundfunkteilnehmer kann sich einem Entgelt für diese Versorgung nicht entziehen (vgl. Lang/Dziurd?, aaO 1253). Schon die Überschrift vor § 31 ORF-G („Programmentgelt“) legt nahe, dass eine Austauschbeziehung zwischen dem Empfang der Programme des ORF und dem dafür zu leistenden Entgelt besteht. Der Versorgungsauftrag des ORF nach § 3 ORF-G und das Programmentgelt im Sinne des § 31 ORF-G stehen miteinander verknüpft in der (gesetzlichen) Fiktion eines Synallagmas (vgl. VwGH 22.06.2016, Ro 2014/03/0067, Rz 8).
Anders als bei der vom EuGH zu beurteilenden tschechischen Rundfunkgebühr liegt dem Programmentgelt damit ein Leistungsaustausch zwischen dem ORF und einem Rundfunkteilnehmer zugrunde, der gesetzlich festgelegt wird und ein zivilrechtliches Vertragsverhältnis begründet. Aus diesem Verhältnis folgt einerseits die Verpflichtung des ORF zur Versorgung des Rundfunkteilnehmers mit Programmen, und andererseits die Verpflichtung des Rundfunkteilnehmers – bei entsprechender Versorgung durch den ORF – zur Leistung des Programmentgelts an den ORF. Auch wenn dieser Leistungsaustausch seinen Ursprung in einer gesetzlichen (wechselseitigen) Verpflichtung hat (vgl. die Erwägungen des EuGH in Rz 35 des Urteils), weist die Konstruktion des § 31 Abs. 1 iVm Abs. 10 ORF-G schon ganz grundsätzlich deutliche Unterschiede zur Rechtslage in Tschechien auf, zumal sich dem EuGH-Urteil nicht entnehmen lässt, dass hinsichtlich der tschechischen Rundfunkgebühr eine dem § 31 Abs. 1 ORF-G vergleichbare Regelung bestehen würde (vgl. die Rz 8 ff des Urteils).
Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass – sobald keine terrestrische Versorgung des Standortes eines Rundfunkteilnehmers gegeben ist (§ 31 Abs. 10 ORF-G) – auch keine Verpflichtung zur Entrichtung des Programmentgelts besteht. Es gibt daher Konstellationen, in denen (infolge des Betriebes oder der Betriebsbereitschaft einer Rundfunkempfangseinrichtung) zwar der Tatbestand des Rundfunkteilnehmers nach dem RGG erfüllt ist (vgl. § 2 Abs. 1 RGG), jedoch keine „Programmteilnehmereigenschaft“ gemäß § 31 ORF-G vorliegt. Diese wäre zB der Fall, wenn der Standort durch den ORF überhaupt nicht mit terrestrischen Signalen versorgt wird oder der Empfang der ORF-Programme die Anschaffung zusätzlicher, äußerst kostenintensiver Gerätschaften (Module, Karten, oÄ) erforderlich macht (siehe Kogler/Traimer/Truppe, aaO 297 f; Lang/Dziurd?, aaO, 1254).
Im Unterschied dazu knüpft die tschechische Rechtslage für das Entstehen der Verpflichtung zur Entrichtung von Rundfunkgebühren (ähnlich wie § 2 Abs. 1 RGG für die Rundfunkgebühren in Österreich) allein (dh ohne Hinzutreten des Erfordernisses der Versorgung des Standortes, an dem das Rundfunkempfangsgerät betrieben oder betriebsbereit gehalten wird, mit Rundfunksignalen) an den Besitz eines Rundfunkempfangsgerätes an (vgl. die Rz 25 f des EuGH-Urteils).
Auch wenn Parallelen zwischen dem ORF-Programmentgelt und der tschechischen Rundfunkgebühr bestehen (vgl. Lang/Dziurd?, aaO, 1253, mit Hinweisen auf Kühbacher, SWK 2016, 969), muss vor dem Hintergrund der getroffenen Erwägungen davon ausgegangen werden, dass das Programmentgelt in wesentlichen Aspekten anders ausgestaltet ist, sodass aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes anzunehmen ist, dass die vom ORF erbrachten Rundfunkdienstleistungen auch unter Bedachtnahme auf die Judikatur des EuGH in der Rechtssache C-11/15 (weiterhin) einen steuerbaren Umsatz bewirken bzw. als „gegen Entgelt“ erbrachte Dienstleistungen vom Anwendungsbereich der MwStSystRL erfasst werden; vgl. in dieser Hinsicht auch Ruppe/Achatz, Umsatzsteuergesetz Kommentar5 (2017) § 10 Rz 95:
„Die Ausführungen [des EuGH-] Urteils lassen wohl die Schlussfolgerung zu, dass (auch) die in Österreich erhobene Rundfunkgebühr (§ 2 Abs. 1 RGG) keine ustl relevante Gegenleistung darstellt. Die Entscheidung ist aber uE nicht auf das Programmentgelt übertragbar. Diesem liegt, wie der VwGH […] aufgezeigt hat, ein ex lege fixiertes synallagmatisches Rechtsverhältnis zugrunde (das Programmentgelt wird für die Bereitstellung der Programme entrichtet), weshalb davon auszugehen ist, dass das Programmentgelt als Entgelt für eine steuerbare Dienstleistung anzusehen ist.“
An dieser Stelle ist auch auf die Umsatzsteuerlichtlinien des BMF vom 13.07.2005, 09 4501/58-IV/9/00, idF vom 30.11.2021, GZ 2021-0.835.983, hinzuweisen, deren Rz 1279 lautet: „Zu den Rundfunk- und Fernsehrundfunkentgelten gehört zB das Programmentgelt des ORF, nicht aber die Rundfunkgebühr auf Grund des Rundfunkgebührengesetzes, BGBl. I Nr. 159/1999. […]“
Dass im gegenständlichen Fall kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der öffentlichen Rundfunkdienstleistung – konkret der Versorgung der beschwerdeführenden Partei mit Programmen des ORF, welche im Beschwerdefall, wie festgestellt, gegeben ist – und der Entrichtung des Programmentgelts der beschwerdeführenden Partei besteht, kann aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes vor diesem Hintergrund nicht angenommen werden. Hinzu kommt weiters, dass – anders als in dem vom EuGH zu beurteilenden Fall – das Programmentgelt in Österreich unmittelbar dem ORF zusteht und der ORF selbst dessen Höhe (durch den Stiftungsrat auf Antrag des Generaldirektors) festlegt (§ 31 ORF-G). Im konkreten Fall ist noch zu ergänzen, dass die beschwerdeführende Partei als Rundfunkteilnehmerin iSd § 2 Abs. 1 RGG registriert ist. Sie wird mit den Programmen des ORF gemäß § 3 Abs. 1 ORF-G versorgt. Dass eine Versorgung mit ORF-Programmen nicht gegeben wäre bzw. sie diese nicht empfangen könne, behauptet die beschwerdeführende Partei nicht.
3.6.12. Im Beschwerdefall ist zudem zu berücksichtigen, dass im EU-Beitrittsvertrag eine Regelung aufgenommen wurde, welche die Umsatzsteuer beim Programmentgelt sicherstellen sollte (vgl. Lang/Dziurd?, aaO, 1257):
In der Beitrittsakte (BGBl. 45/1995) wird festgehalten, dass bei der Anwendung von Art. 28 Abs. 3 lit. a der Sechsten Richtlinie die Republik Österreich die in Anhang E Nummer 7 aufgeführten Umsätze besteuern kann (vgl. im angefochtenen Bescheid, Seite 5). Anhang E Nummer 7 der Sechsten Richtlinie verweist wiederum auf die in Art. 13 Teil A Abs. 1 lit q der Sechsten Richtlinie genannten Umsätze, dh konkret auf „die Tätigkeiten der öffentlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten, ausgenommen Tätigkeiten mit gewerblichem Charakter“ (vgl. zum Wortlaut dieser Regelungen II.3.6.5.). Eine vergleichbare Ausnahmeregelung wurde in die nunmehr aktuelle MwStSystRL (Art. 378 Abs. 1) aufgenommen.
Der EuGH hat im hier in Rede stehenden Urteil zur Ausnahmeregelung des Art. 13 ausgeführt:
„31 Gleiches gilt für das Vorbringen der tschechischen Regierung, wonach die in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. q der Sechsten Richtlinie vorgesehene Steuerbefreiung nur Sinn habe, wenn Tätigkeiten des öffentlichen Rundfunks wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden als in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallend angesehen würden.
32 Insoweit genügt zum einen der Hinweis, dass diese Bestimmung zwar die Steuerbefreiung von ‚Tätigkeiten der öffentlichen Rundfunk? und Fernsehanstalten, ausgenommen Tätigkeiten mit gewerblichem Charakter‘, vorsieht, jedoch nur unter der Bedingung anwendbar ist, dass diese Tätigkeiten im Sinne von Art. 2 der Sechsten Richtlinie ‚der Mehrwertsteuer unterliegen‘, und zum anderen, dass sie nicht so ausgelegt werden kann, dass der Anwendungsbereich dieser Richtlinie, wie er in diesem Art. 2 definiert ist, erweitert würde.“
Hierauf stützt sich die beschwerdeführende Partei, wenn sie argumentiert, dass Art. 378 Abs. 1 der MwStSystRL im konkreten Fall nur Anwendung finde, wenn die Tätigkeit überhaupt in den Anwendungsbereich der Richtlinie falle, was gegenständlich eben nicht der Fall sei. Darauf, dass diese Ausnahmeregelung aus der Beitrittsakte herrührt, nimmt die Beschwerde ebenso wenig Bezug wie auf die Anordnungen in der Beitrittsakte selbst.
Die beschwerdeführende Partei ist dazu einerseits darauf zu verweisen, dass nach den zuvor getroffenen Erwägungen (nämlich dem Bestehen eines gesetzlich festgelegten Austauschverhältnisses in der Form Programmentgelt als Gegenleistung für die Verfügbarkeit von ORF-Programmen, keiner Verpflichtung zur Leistung des Programmentgelts bei fehlender Versorgung, dem Umstand, dass der ORF selbst die Höhe des Programmentgelts festlegt und dieses dem ORF zusteht) anzunehmen ist, dass die vom ORF erbrachten Rundfunkdienstleistungen auch unter Bedachtnahme auf die Judikatur des EuGH einen steuerbaren Umsatz bewirken bzw. als „gegen Entgelt“ erbrachte Dienstleistungen vom Anwendungsbereich der MwStSystRL erfasst werden.
Andererseits kann aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes nicht davon ausgegangen werden, dass – worauf die Argumentation der beschwerdeführenden Partei letztlich hinausläuft – die in die Beitrittsakte aufgenommene Ausnahmeregelung hinsichtlich der Sechsten Richtlinie, welche in der MwStSystRL übernommen wurde, überhaupt keinen Anwendungsbereich (mehr) hat (vgl. Lang/Dziurd?, aaO, 1259 ff). An dieser Stelle muss ebenfalls berücksichtigt werden, dass dem EuGH-Urteil in der Rechtssache C-11/15 nicht entnommen werden kann, dass im Zuge des EU-Beitritts Tschechiens vergleichbare Ausnahmeregelungen zwischen der EU und Tschechien getroffen wurden.
Dazu kommt, dass – worauf die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zutreffend verweist – aus der Judikatur des EuGH zur Ausnahmeregelung des Art. 370 der MwStSystRL, welcher sich auf die Mitgliedstaaten zum 01.01.1978 bezieht und im Wesentlichen gleichlautend zu Art. 378 der MwStSystRL ist, abgeleitet werden kann, dass es im Bereich der Mehrwert- bzw. Umsatzsteuer keine Vollharmonisierung am Binnenmarkt gibt, woraus folgt, dass es in den Mitgliedstaaten unterschiedliche Regelungen geben kann, die von den allgemeinen Grundsätzen der MwStSystRL abweichen (vgl. die Seiten 7 f des angefochtenen Bescheides mit Hinweisen auf die Judikatur des EuGH).
Das Bundesverwaltungsgericht sieht vor diesem Hintergrund keine Veranlassung, der Anregung der beschwerdeführenden Partei auf ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH nachzukommen.
3.6.13. Der belangten Behörde kann aus alledem nicht entgegengetreten werden, wenn sie dem gegenständlichen Antrag auf Rückerstattung der Umsatzsteuer auf das Programmentgelt keine Folge gegeben hat.
3.7. Zum Antrag auf Feststellung der Steuerfreiheit der von der belangten Behörde „vorgeschriebenen Rundfunkgebühren gemäß dem Rundfunkgebührengesetz“:
3.7.1. Die beschwerdeführende Partei hat mit dem verfahrenseinleitenden Antrag weiters die Feststellung begehrt, dass die von der belangten Behörde „vorgeschriebenen Rundfunkgebühren gemäß dem Rundfunkgebührengesetz“ steuerfrei seien.
3.7.2. Die belangte Behörde hat diesen Antrag mit dem angefochtenen Bescheid mangels Feststellungsinteresses der beschwerdeführenden Partei zurückgewiesen und begründend dazu ausgeführt, dass es sich bei dem gegenständlich beantragten Feststellungsbescheid um einen subsidiären Rechtsbehelf handle, der nach der höchstgerichtlichen Judikatur nur zur Anwendung kommen könne, wenn andere Möglichkeiten, die Rechtsfrage zu klären, nicht vorhanden oder zumutbar seien.
Eine solche Möglichkeit bestehe im vorliegenden Fall. Der beschwerdeführenden Partei wäre es möglich, die bescheidmäßige Festsetzung der Höhe der Rundfunkgebühren für die Zukunft mittels Leistungsbescheid bei der belangten Behörde gemäß den §§ 4 und 6 RGG zu beantragen. Der belangten Behörde sei es daher verwehrt, gegenständlich einen Feststellungsbescheid zu erlassen.
3.7.3. In der vorliegenden Beschwerde führt die beschwerdeführende Partei dazu aus, dass die Möglichkeit der Feststellung gemäß dem RGG für zukünftige Gebühren durch Bescheid „nicht bekannt“ sei. Diese finde sich auch nicht im RGG. Die §§ 4 und 6 RGG würden die Möglichkeit eines zukünftigen Leistungsbescheides nicht vorsehen. Ein Feststellungsbescheid sei daher zulässig.
3.7.4. Die Beschwerde ist auch in diesem Punkt nicht begründet:
Wenn die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde einen Antrag zurückgewiesen hat, ist Sache des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht lediglich die Frage der Rechtmäßigkeit dieser Zurückweisung (vgl. VwGH 19.6.2017, Ro 2016/03/0028, Rz 16 mwN).
Das Bundesverwaltungsgericht hat im Beschwerdefall daher allein zu prüfen, ob die belangte Behörde die sachliche Behandlung des Antrages der beschwerdeführenden Partei auf Feststellung der Steuerfreiheit der von der belangten Behörde „vorgeschriebenen Rundfunkgebühren gemäß dem Rundfunkgebührengesetz“ zu Recht verweigert hat (vgl. VwGH 03.04.2019, Ro 2017/15/0046, Rz 13). Der Verwaltungsgerichtshof hat in dieser Entscheidung weiters ausgesprochen:
„Besteht über die Verpflichtung zur Entrichtung von Rundfunkgebühren samt verbundener Abgaben und Entgelte Meinungsverschiedenheit, hat der Rundfunkteilnehmer als Mittel zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung – auch bei laufender Entrichtung der Abgaben und Entgelte – Anspruch auf bescheidmäßigen Abspruch über diese Verpflichtung.“ (Rz 15)
Im vorliegenden Fall fehlt es jedoch bereits an der erforderlichen „Meinungsverschiedenheit“. Für das Bundesverwaltungsgericht sind im Verfahren keine widerstreitenden Positionen zwischen der beschwerdeführenden Partei und der belangten Behörde hinsichtlich der „Nicht-Steuerbarkeit“ der Rundfunkgebühren nach dem RGG erkennbar. Weder hat die beschwerdeführende Partei behauptet, dass sie für die Rundfunkgebühren nach dem RGG Umsatzsteuer zu leisten hat, noch ist im Verfahren hervorgekommen, dass die belangte Behörde Umsatzsteuer auf die Rundfunkgebühren einheben würde, zumal darauf hinzuweisen ist, dass sich die Steuerbegünstigung des § 10 Abs. 2 Z 5 UStG 1994 auf das Programmentgelt, nicht aber auf die Rundfunkgebühren nach dem RGG bezieht (vgl. Ruppe/Achatz, aaO Rz 96).
Im Beschwerdefall mangelt es daher am rechtlichen Interesse der beschwerdeführenden Partei für die beantragte Feststellung (vgl. VwGH 19.10.1994, 94/12/0206: „Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes können die Verwaltungsbehörden im Rahmen ihrer örtlichen und sachlichen Zuständigkeit Feststellungsbescheide erlassen, wenn die Feststellung im öffentlichen Interesse oder im rechtlichen Interesse einer Partei liegt und die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen“).
3.8. Ergebnis:
Die vorliegende Beschwerde war daher insgesamt als unbegründet abzuweisen.
3.9. Zum Absehen von einer Verhandlung:
Die beschwerdeführende Partei hat in der Beschwerde die Durchführung einer Verhandlung beantragt.
Gemäß § 24 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.
Aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich zu § 24 Abs. 4 VwGVG Folgendes (vgl. zB 09.07.2019, Ra 2019/08/0101, Rz 8):
„Die Akten lassen dann im Sinne des § 24 Abs. 4 VwGVG erkennen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, wenn von vornherein absehbar ist, dass die mündliche Erörterung nichts zur Ermittlung der materiellen Wahrheit beitragen kann. Dies ist dann der Fall, wenn in der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender, für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet wurde und auch keine Rechtsfragen aufgeworfen werden, deren Erörterung in einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht erforderlich wäre. Ein bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes kann aber außer Betracht bleiben (VwGH 17.2.2015, Ra 2014/09/0007 u.a., mwN). Art. 6 Abs. 1 EMRK oder Art. 47 GRC stehen einem Entfall der Verhandlung nicht entgegen, wenn es ausschließlich um rechtliche oder sehr technische Fragen geht oder wenn das Vorbringen des Revisionswerbers angesichts der Beweislage und angesichts der Beschränktheit der zu entscheidenden Fragen nicht geeignet ist, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich macht. Der Verzicht auf eine mündliche Verhandlung kann auch in Fällen gerechtfertigt sein, in welchen lediglich Rechtsfragen beschränkter Natur oder von keiner besonderen Komplexität aufgeworfen werden (VwGH 12.12.2017, Ra 2015/05/0043).“
Die Voraussetzungen des § 24 Abs. 4 VwGVG liegen gegenständlich vor, weil im Beschwerdefall von vornherein absehbar war, dass die mündliche Erörterung nichts zur Ermittlung der materiellen Wahrheit beitragen kann. Der im Beschwerdefall festgestellte Sachverhalt ist völlig unbestritten. In der Beschwerde wurde kein gegenüber den Feststellungen der belangten Behörde erweiterter relevanter Sachverhalt behauptet; es wurden von der rechtsanwaltlich vertretenen beschwerdeführenden Partei keine Anträge auf Parteien- oder Zeugeneinvernahmen gestellt, Verfahrensfehler der belangten Behörde geltend gemacht oder Tatsachenfragen aufgeworfen. Die Beschwerde lässt auch offen, zur Erörterung welcher Fragen es unbedingt einer Verhandlung bedurft hätte.
Es geht im Beschwerdefall ausschließlich um rechtliche Fragen; schon insoweit stehen Art. 6 Abs. 1 EMRK oder Art. 47 GRC nach der zitierten Judikatur einem Entfall der Verhandlung nicht entgegen. Dennoch ist darauf hinzuweisen, dass Art. 6 Abs. 1 EMRK – neben strafrechtlichen Anklagen – „civil rights“ betrifft, im Allgemeinen aber nicht an den Staat zu entrichtende Abgaben (VwGH 20.01.2016, 2013/17/0902). Das Bundesverwaltungsgericht vermag auch nicht zu erkennen, dass für die Erörterung der im Verfahren zu beurteilenden Rechtsfragen eine Verhandlung erforderlich wäre, zumal die Beschwerde im Wesentlichen das bereits in den verfahrenseinleitenden Anträgen vor der belangten Behörde erstattete Vorbringen wiederholt und keine neuen Fragen aufwirft.
Zu B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Revision ist zulässig.
Die Zulässigkeit begründet sich einerseits darin, dass – auch wenn vieles für die im vorliegenden Fall vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommene Auslegung unter Bedachtnahme auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.02.2013, 2010/17/0022, spricht (vgl. II.3.5.) – keine ausdrückliche Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Zuständigkeit für Anträge auf Rückerstattung der in einem bestimmten Zeitraum geleisteten Umsatzsteuer auf das Programmentgelt vorliegt.
Andererseits fehlt Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur materiell-rechtlichen Beurteilung eines Antrages auf Rückerstattung der Umsatzsteuer auf das Programmentgelt unter Bedachtnahme auf das Urteil des EuGH in der Rechtssache C-11/15 sowie die Ausnahmeregelungen zugunsten Österreichs in der Beitrittsakte hinsichtlich der Sechsten Richtlinie bzw. nunmehr der MwStSystRL (vgl. zu den Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichtes in dieser Hinsicht II.3.6.).
Schlagworte
Ausnahmebestimmung Berechnung Feststellungsantrag Feststellungsinteresse Programmentgelt rechtliches Interesse Revision zulässig Rückerstattung Rückzahlungsantrag Steuerfreiheit subsidiärer Rechtsbehelf Umsatzsteuer Unionsrecht Versorgungsauftrag des ORF Vertragsverhältnis Vorabentscheidungsersuchen Zuständigkeit