TE Vfgh Beschluss 2021/6/8 G39/2021

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Veröffentlicht am 08.06.2021
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Index

70/06 Schulunterricht

Norm

B-VG Art140 Abs1 Z1 litc
SchulunterrichtsG §17 Abs1b, §19 Abs1a, §31a, §31b
VfGG §7 Abs2

Leitsatz

Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung von Bestimmungen des SchulunterrichtsG betreffend die Differenzierung der Leistungsniveaus von Schülern an Mittelschulen mangels rechtlicher Betroffenheit von Lehrern und Schulleitern

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. Antrag

Gestützt auf Art140 Abs1 Z1 litc B-VG, begehren die Antragsteller mit ihrem am 22. Februar 2021 beim Verfassungsgerichtshof eingebrachten Antrag,

"der Verfassungsgerichtshof möge

[…]

a) §17 Abs1b Schulunterrichtsgesetz (SchUG), BGBl Nr 472/1986, idF BGBl I Nr 101/2018, als verfassungswidrig aufheben;

b) die Wortfolge 'In der 6. bis 8. Schulstufe ist in der Mittelschule insbesondere der Leistungsstand im Hinblick auf das Bildungsziel des Leistungsniveaus 'Standard AHS' zu erörtern.' in §19 Abs1a SchUG, BGBl Nr 472/1986, idF BGBl I Nr 101/2018, als verfassungswidrig aufheben;

c) die Wortfolge 'bei grundsätzlicher Orientierung am Bildungsziel des Leistungsniveaus 'Standard AHS'' in §31a Abs1 SchUG, BGBl Nr 472/1986, idF BGBl I Nr 101/2018, als verfassungswidrig aufheben;

d) §31b SchUG, BGBl Nr 472/1986, idF BGBl I Nr 101/2018, als verfassungswidrig

aufheben.

in eventu

§31b Abs1, Abs2 und Abs3 SchUG, BGBl Nr 472/1986, idF BGBl I Nr 101/2018, als verfassungswidrig aufheben."

II. Rechtslage

1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Ordnung von Unterricht und Erziehung in den im Schulorganisationsgesetz geregelten Schulen (Schulunterrichtsgesetz – SchUG), BGBl 472/1986 (WV), idF BGBl I 19/2021 lauten samt Überschriften – auszugsweise – wie folgt (die mit dem Hauptantrag angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):

"5. ABSCHNITT

UNTERRICHTSARBEIT UND SCHÜLERBEURTEILUNG

Unterrichtsarbeit

§17. (1) – (1a) […]

(1b) In der Mittelschule sind Schülerinnen und Schüler ab der 6. Schulstufe durch Maßnahmen der Differenzierung sowie der Begabungs- und Begabtenförderung nach Möglichkeit zum Bildungsziel des Leistungsniveaus 'Standard AHS', jedenfalls aber zu jenem des Leistungsniveaus 'Standard' zu führen.

(2) – (5) […]

Information der Schülerinnen und Schüler, deren Erziehungsberechtigten und der Lehrberechtigten

§19. (1) […]

(1a) An Volks- und Sonderschulen sowie an Mittelschulen sind darüber hinaus regelmäßig Gespräche zwischen Lehrerin oder Lehrer, Erziehungsberechtigten und Schülerin oder Schüler vorzusehen. Dabei sind Leistungsstärken und Leistungsstand der Schülerin oder des Schülers sowie gegebenenfalls schulische oder außerschulische Fördermaßnahmen gemeinsam zu erörtern. In der 6. bis 8. Schulstufe ist in der Mittelschule insbesondere der Leistungsstand im Hinblick auf das Bildungsziel des Leistungsniveaus 'Standard AHS' zu erörtern. Für diese Gespräche können auch die für die Sprechtage gemäß Abs1 vorgesehenen Tage herangezogen werden. In Klassen der Volks- und Sonderschulen, hinsichtlich derer anstelle der Beurteilung gemäß §§18 und 20 die Information über die Lern- und Entwicklungssituation gemäß §18a tritt, treten anstelle dieser Gespräche Bewertungsgespräche gemäß §18a Abs3.

(1b) – (9) […]

Übertritt in eine andere Schulart oder eine andere Form oder Fachrichtung einer Schulart

§29. (1) […]

(2) Für den Übertritt von einer Schulstufe in eine höhere Schulstufe einer anderen Schulart (Fachrichtung) ist Voraussetzung, dass das Jahreszeugnis der zuletzt besuchten Schulstufe – allenfalls neben einer Beurteilung mit 'Nicht genügend' im Sinne des §25 Abs1 letzter Satz – in keinem Pflichtgegenstand, der in den vorhergehenden Schulstufen der angestrebten Schulart lehrplanmäßig vorgesehen ist, ein 'Nicht genügend' enthält oder der Schüler eine Prüfung im Sinne des §23 Abs2 oder 3 erfolgreich abgelegt hat; dies gilt nicht für den Übertritt in eine Allgemeine Sonderschule. Ein 'Nicht genügend' gemäß dem höheren Leistungsniveau steht dem Übertritt nicht entgegen. Ein Schüler einer allgemeinbildenden höheren Schule, der ab der 6. Schulstufe in eine Mittelschule übertritt, ist hinsichtlich der Zuordnung zu einem Leistungsniveau so zu behandeln, als wenn er bisher nach den Anforderungen des Leistungsniveaus 'Standard AHS' beurteilt worden wäre.

(2a) – (8) […]

Differenzierungsmaßnahmen

§31a. (1) In der 6. bis 8. Schulstufe in der Mittelschule haben die den betreffenden leistungsdifferenzierten Pflichtgegenstand unterrichtenden Lehrerinnen und Lehrer in Hinblick auf die Anforderungen des Lehrplans jede Schülerin und jeden Schüler bei grundsätzlicher Orientierung am Bildungsziel des Leistungsniveaus 'Standard AHS' nach Maßgabe ihrer und seiner individuellen Lern- und Leistungsfähigkeit zu fördern.

(2) In den Pflichtgegenständen Deutsch, Mathematik und Lebende Fremdsprache sowie in Pflichtgegenständen eines (schulautonomen) Schwerpunktbereiches ist an der Mittelschule aus den folgenden pädagogischen Fördermaßnahmen von den Lehrerinnen und Lehrern in koordiniertem Zusammenwirken mit der Schulleiterin oder dem Schulleiter auszuwählen:

       1. Individualisierung des Unterrichts,

       2. differenzierter Unterricht in der Klasse,

       3. Begabungs- einschließlich Begabtenförderung,

       4. Maßnahmen der inklusiven Pädagogik und Diversität,

       5. Förderung in temporär gebildeten Schülergruppen,

       6. Förderung in Förder- bzw Leistungskursen,

       7. Unterrichten im Lehrerteam (Teamteaching) und

       8. Förderung in dauerhaften Schülergruppen ab der 6. Schulstufe.

(3) In den Pflichtgegenständen Deutsch und Kommunikation, Angewandte Mathematik und Lebende Fremdsprache ist an der Polytechnischen Schule Abs2 sinngemäß anzuwenden.

Zuordnung zu Leistungsniveaus in Pflichtgegenständen mit Leistungsdifferenzierung

§31b. (1) In leistungsdifferenzierten Pflichtgegenständen ist nach einem Beobachtungszeitraum für die Schülerin oder den Schüler festzulegen, nach welchem Leistungsniveau sie bzw er zu unterrichten ist. Der Beobachtungszeitraum umfasst höchstens zwei Wochen und wird von der Schulleiterin oder dem Schulleiter unter Beachtung pädagogischer Aspekte für die einzelnen Klassen und Pflichtgegenstände festgelegt. Der Beobachtungszeitraum dient der Feststellung der individuellen Leistungs- und Lernfähigkeit der Schülerin oder des Schülers im Hinblick auf die Anforderungen der einzelnen Leistungsniveaus auf der Grundlage der Feststellung der Mitarbeit im Unterricht sowie allenfalls unter Verwendung von mündlichen und schriftlichen Leistungsfeststellungen. Schülerinnen und Schüler an Berufsschulen, die den entsprechenden Fachbereich in einer anderen berufsbildenden Schule oder in der Polytechnischen Schule erfolgreich abgeschlossen haben, sind dem höheren Leistungsniveau zuzuordnen, in welchem der Unterricht auf dem bisher erlernten Lehrstoff aufzubauen hat.

(2) Die Zuordnung zu den Leistungsniveaus hat eine Konferenz der Lehrerinnen und Lehrer vorzunehmen, die den betreffenden Pflichtgegenstand unterrichten werden. Sofern nur eine Lehrerin oder ein Lehrer den betreffenden Pflichtgegenstand unterrichten wird, hat diese bzw dieser die Zuordnung vorzunehmen. Die Zuordnung zu einem Leistungsniveau ist der Schülerin oder dem Schüler innerhalb von drei Tagen, an ganzjährigen Berufsschulen innerhalb von acht Tagen schriftlich bekanntzugeben.

(3) Ab Bekanntgabe der Zuordnung ist die Schülerin oder der Schüler berechtigt, sich bei der Schulleiterin oder beim Schulleiter innerhalb von fünf Tagen, an ganzjährigen Berufsschulen innerhalb von acht Tagen, für die Ablegung der Aufnahmsprüfung in das höhere Leistungsniveau anzumelden. Diese Aufnahmsprüfung ist vor einer Prüfungskommission abzulegen, der

       1. als Prüferin oder Prüfer eine von der Schulleiterin oder vom Schulleiter zu bestimmende den Pflichtgegenstand unterrichtende Lehrerin oder ein von der Schulleiterin oder vom Schulleiter zu bestimmender den Pflichtgegenstand unterrichtender Lehrer und

       2. als Beisitzerin oder Beisitzer die Lehrerin oder der Lehrer, die bzw der die Schülerin oder den Schüler im Beobachtungszeitraum unterrichtet hat, angehören.

Wird der betreffende Unterrichtsgegenstand nur von einer Lehrerin oder einem Lehrer unterrichtet, ist von der Schulleiterin oder vom Schulleiter eine andere geeignete Lehrerin oder ein anderer geeigneter Lehrer als Prüferin oder als Prüfer zu bestellen. Die Beurteilung ist von beiden Lehrerinnen oder Lehrern gemeinsam vorzunehmen; kommt ein Einvernehmen nicht zustande, so hat die Schulleiterin oder der Schulleiter zu entscheiden. Bis zum Vorliegen des Prüfungsergebnisses ist die Schülerin oder der Schüler gemäß dem höheren Leistungsniveau zu unterrichten. Besteht die Schülerin oder der Schüler die Aufnahmsprüfung, ist sie oder er nach dem höheren Leistungsniveau zu unterrichten, ansonsten nach dem Leistungsniveau, zu dem sie oder er ursprünglich zugeordnet wurde.

(4) Eine Schülerin oder ein Schüler ist unverzüglich gemäß dem höheren Leistungsniveau zu unterrichten, wenn auf Grund der bisherigen Leistungen zu erwarten ist, dass sie oder er den erhöhten Anforderungen gemäß dem höheren Leistungsniveau voraussichtlich entsprechen wird.

(5) Wäre eine Schülerin oder ein Schüler während des Unterrichtsjahres nach Ausschöpfung aller möglichen Fördermaßnahmen mit „Nicht genügend“ zu beurteilen, ist sie oder er unverzüglich gemäß dem niedrigeren Leistungsniveau des betreffenden Pflichtgegenstandes zu unterrichten. Ferner ist die Schülerin oder der Schüler gemäß dem niedrigeren Leistungsniveau zu unterrichten, wenn die Leistungsbeurteilung für die Schulstufe in dem leistungsdifferenzierten Pflichtgegenstand mit 'Nicht genügend' erfolgt. An Berufsschulen kann eine Zuordnung zum niedrigeren Leistungsniveau auch bei einer Leistungsbeurteilung mit 'Genügend' erfolgen, wenn die Schülerin oder der Schüler zustimmt.

(6) Über die Änderung der Zuordnung während des Unterrichtsjahres gemäß den Abs4 und 5 entscheidet die unterrichtende Lehrerin oder der unterrichtende Lehrer; sofern mit der Zuordnung ein Wechsel zu einer anderen Schülergruppe verbunden ist, entscheidet die Schulleiterin oder der Schulleiter auf Antrag der unterrichtenden Lehrerin oder des unterrichtenden Lehrers.

(7) Über die Änderung der Zuordnung für die nächste Schulstufe gemäß den Abs4 und 5 entscheidet die Klassenkonferenz gemäß §20 Abs6 und zwar auf Antrag der unterrichtenden Lehrerin oder des unterrichtenden Lehrers oder im Falle des Abs4 auch auf einen spätestens vier Wochen vor Ende des Unterrichtsjahres gestellten Antrag der Schülerin oder des Schülers. Die Entscheidungen der Klassenkonferenz sind spätestens am folgenden Schultag unter Angabe der Gründe und Beifügung einer Belehrung über die Widerspruchsmöglichkeit der Schülerin oder dem Schüler bekanntzugeben."

2. Die §§2, 21a und 21b des Bundesgesetzes vom 25. Juli 1962 über die Schulorganisation (Schulorganisationsgesetz, im Folgenden: SchOG), BGBl 242/1962, idF BGBl I 19/2021 lauten auszugsweise:

"§2. Aufgabe der österreichischen Schule

(1) Die österreichische Schule hat die Aufgabe, an der Entwicklung der Anlagen der Jugend nach den sittlichen, religiösen und sozialen Werten sowie nach den Werten des Wahren, Guten und Schönen durch einen ihrer Entwicklungsstufe und ihrem Bildungsweg entsprechenden Unterricht mitzuwirken. Sie hat die Jugend mit dem für das Leben und den künftigen Beruf erforderlichen Wissen und Können auszustatten und zum selbsttätigen Bildungserwerb zu erziehen.

Die jungen Menschen sollen zu gesunden und gesundheitsbewussten, arbeitstüchtigen, pflichttreuen und verantwortungsbewussten Gliedern der Gesellschaft und Bürgern der demokratischen und bundesstaatlichen Republik Österreich herangebildet werden. Sie sollen zu selbständigem Urteil, sozialem Verständnis und sportlich aktiver Lebensweise geführt, dem politischen und weltanschaulichen Denken anderer aufgeschlossen sein sowie befähigt werden, am Wirtschafts- und Kulturleben Österreichs, Europas und der Welt Anteil zu nehmen und in Freiheits- und Friedensliebe an den gemeinsamen Aufgaben der Menschheit mitzuwirken.

(2) Die besonderen Aufgaben der einzelnen Schularten ergeben sich aus den Bestimmungen des II. Hauptstückes.

(3) Durch die Erziehung an Schülerheimen und im Betreuungsteil ganztägiger Schulformen ist zur Erfüllung der Aufgabe der österreichischen Schule gemäß Abs1 beizutragen.

[…]

2a. Mittelschulen

Aufgabe der Mittelschule

§21a. (1) Die Mittelschule schließt als vierjähriger Bildungsgang an die 4. Schulstufe der Volksschule an. Sie hat die Aufgabe, der Schülerin oder dem Schüler je nach Interesse, Neigung, Begabung und Fähigkeit eine grundlegende Allgemeinbildung und eine vertiefte Allgemeinbildung zu vermitteln und sie oder ihn für den Übertritt in mittlere oder in höhere Schulen zu befähigen sowie auf die Polytechnische Schule oder das Berufsleben vorzubereiten.

(2) Zur Förderung der Schülerinnen und Schüler sind in den Pflichtgegenständen Deutsch, Mathematik und Lebende Fremdsprache in der 6. bis 8. Schulstufe zwei Leistungsniveaus vorzusehen.

(3) Unter Beachtung des Prinzips der inklusiven Pädagogik ist Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf, die in eine Mittelschule aufgenommen wurden, eine der Aufgabe der Sonderschule (§22) entsprechende Bildung zu vermitteln, wobei entsprechend den Lernvoraussetzungen der Schülerin und des Schülers die Unterrichtsziele der Mittelschule anzustreben sind.

Lehrplan der Mittelschule

§21b. (1) […]

(2) Im Lehrplan sind für die 6. bis 8. Schulstufe in den Pflichtgegenständen Deutsch, Mathematik und Lebende Fremdsprache die Leistungsniveaus 'Standard' und 'Standard AHS' vorzusehen. Die Anforderungen des Leistungsniveaus 'Standard AHS' haben jenen der Unterstufe der allgemeinbildenden höheren Schule zu entsprechen. Der Lehrplan hat weiters förderdidaktische Maßnahmen vorzusehen, um die Schülerinnen und Schüler nach Möglichkeit zum Bildungsziel des Leistungsniveaus 'Standard AHS' zu führen.

(3) – (4) […]"

III. Antragsvorbringen

1. Die Antragsteller bringen zu ihrer Antragslegitimation Folgendes vor:

1.1. Die Erstantragstellerin sei Lehrerin und unterrichte unter anderem den Pflichtgegenstand "Lebende Fremdsprache" an einer Mittelschule. Bei der Ausübung ihrer Tätigkeit sei sie an die Vorgaben des SchUG gebunden.

Sie treffe nach §17 Abs1b SchUG die Pflicht, Schülerinnen und Schüler ab der 6. Schulstufe durch Maßnahmen der Differenzierung sowie der Begabungs- und Begabtenförderung nach Möglichkeit zum Bildungsziel des Leistungsniveaus "Standard AHS", jedenfalls aber zu jenem des Leistungsniveaus "Standard" zu führen. Gemäß §19 Abs1a SchUG habe sie in der 6. bis 8. Schulstufe den Leistungsstand im Hinblick auf das Bildungsziel des Leistungsniveaus "Standard AHS" zu erörtern. Gemäß §31a Abs1 SchUG sei sie verpflichtet, in der 6. bis 8. Schulstufe im Hinblick auf die Anforderungen des Lehrplans jeden Schüler bei grundsätzlicher Orientierung am Bildungsziel des Leistungsniveaus "Standard AHS" nach Maßgabe der individuellen Lern- und Leistungsfähigkeit zu fördern. Ferner treffe sie auf Grund des §31b Abs2 iVm Abs1 SchUG die Pflicht, nach einem Beobachtungszeitraum von höchstens zwei Wochen für die Schüler festzulegen, nach welchem Leistungsniveau ("Standard" oder "Standard AHS") sie zu unterrichten seien.

Die Erstantragstellerin sei im Licht des Gesagten zweifellos unmittelbar betroffene Normadressatin des SchUG sowie des SchOG. Insbesondere habe sie bereits zahlreiche solche Festlegungen bzw Zuordnungen zu einem bestimmten Leistungsniveau vornehmen müssen.

1.2. Der Zweitantragsteller sei Schulleiter einer Mittelschule und ebenfalls Normadressat des SchUG. Dies zeige sich insbesondere mit Blick auf das Verfahren zur Ablegung der Aufnahmsprüfung in das höhere Leistungsniveau gemäß §31b Abs3 SchUG. Wenn diese Aufnahmsprüfung durch zwei Lehrer durchgeführt werde und ein Einvernehmen zwischen den beiden nicht zustande komme, sehe das Gesetz nämlich vor, dass der Zweitantragsteller als Schulleiter über das Ergebnis der Aufnahmsprüfung und damit die Zuordnung zu einem Leistungsniveau zu entscheiden habe.

1.3. Die Rechtssphären der Antragsteller, denen im Sinne des §2 Abs1 SchOG insbesondere die Aufgabe übertragen worden sei, die Schüler mit dem für das Leben und den künftigen Beruf erforderlichen Wissen und Können auszustatten und zum selbsttätigen Bildungserwerb zu erziehen, seien durch die §17 Abs1b, §19 Abs1a sowie §31b Abs1, 2 und 3 SchUG aktuell beeinträchtigt.

1.4. Den Antragstellern stehe kein anderer zumutbarer Weg offen, ihre Bedenken an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, weil der bewusste Verstoß gegen eine strafbewehrte Bestimmung oder die Provokation eines verwaltungsbehördlichen oder disziplinären Strafverfahrens keinen zumutbaren Weg darstelle, um Bedenken an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.

2. In der Sache bringen die Antragsteller im Wesentlichen vor, dass die Leistungsniveaus "Standard" oder "Standard AHS", auf die in den angefochtenen Bestimmungen abgestellt werde, im SchOG, im SchUG oder in sonstigen Gesetzen oder Verordnungen nicht näher determiniert würden. Die Leistungsniveaus seien jedoch für die Einteilung der Schüler, den weiteren Unterricht und damit für das Leben und den künftigen Beruf der Schüler wesentlich.

Lediglich in §21b Abs2 zweiter Satz SchOG finde sich ein Versuch, das Leistungsniveau "Standard AHS" näher zu determinieren, indem bestimmt werde, dass die Anforderungen des Leistungsniveaus "Standard AHS" jenen der Unterstufe der allgemeinbildenden höheren Schulen zu entsprechen haben. Dieser allgemeine Verweis auf die "Anforderungen der Unterstufe der allgemeinbildenden höheren Schulen" vermöge keinesfalls eine Unterdeterminierung des Leistungsniveaus "Standard AHS" zu verhindern. Das Gesetz lasse darüber hinaus auch jegliche sonstige Determinierung der Leistungsniveaus – insbesondere des Leistungsniveaus "Standard" – vermissen.

Die angefochtenen Bestimmungen des SchUG würden daher gegen das Determinierungsgebot nach Art18 Abs1 B-VG verstoßen.

IV. Zulässigkeit

1. Der Antrag ist unzulässig.

2. Voraussetzung der Antragslegitimation gemäß Art140 Abs1 Z1 litc B-VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz – im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit – in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist also, dass das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese – im Falle seiner Verfassungswidrigkeit – verletzt.

Es ist darüber hinaus erforderlich, dass das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 11.868/1988, 15.632/1999, 16.616/2002, 16.891/2003).

3. Die von den Antragstellern angefochtenen Bestimmungen enthalten Regelungen über die Zuteilung von Schülern an Mittelschulen zu unterschiedlichen Leistungsniveaus in Pflichtgegenständen mit Leistungsdifferenzierung. Diese Bestimmungen gestalten ausschließlich die Rechtssphäre von Schülern an Mittelschulen. Im Antrag wird auch lediglich auf die Bedeutung der Leistungsniveaus "Standard" und "Standard AHS" für die Schüler und ihren weiteren Lebensweg abgestellt. Weder die Erstantragstellerin als Lehrerin an einer Mittelschule noch der Zweitantragsteller als Schulleiter werden durch die angefochtenen Bestimmungen nachteilig in ihrer Rechtssphäre berührt.

Den Antragstellern mangelt es folglich an der Legitimation zur Antragstellung (vgl VfGH 22.11.2013, G84/2013; 30.9.2020, G152/2020 mwH).

4. Der Antrag erweist sich daher schon aus diesem Grund als unzulässig.

V. Ergebnis

1. Der Antrag wird als unzulässig zurückgewiesen.

2. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Schulen, Schulunterricht, VfGH / Individualantrag, VfGH / Legitimation

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2021:G39.2021

Zuletzt aktualisiert am

15.12.2021
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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