RS Vfgh 2021/6/23 E720/2021

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Veröffentlicht am 23.06.2021
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Index

L2200 Landesbedienstete
10/07 Verfassungs- und Verwaltungsgerichtsbarkeit

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gerichtsakt
EMRK Art6 Abs1
StGG Art2
Wr DienstO 1994 §94 Abs2
VfGG §7 Abs2

Leitsatz

Verletzung im Gleichheitsrecht durch 22-monatige Zeitspanne zwischen Verkündung und Ausfertigung einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung; Verletzung im Recht auf eine Entscheidung innerhalb angemessener Frist bei insgesamt 28-monatiger Dauer des Verfahrens und 22-monatigem Verfahrensstillstand

Rechtssatz

Verletzung im Gleichheitsrecht mangels zeitnaher Ausfertigung der mündlich verkündeten Entscheidung:

Im Hinblick auf die lange Zeitspanne zwischen mündlicher Verkündung und schriftlicher Ausfertigung der Entscheidung ist der vorliegende Fall mit der E v 10.03.2021, E2059/2020 ua (Zeitspanne von 17 Monaten in einem asylrechtlichen Fall) vergleichbar. Die schriftliche Ausfertigung der am 08.02.2019 mündlich verkündeten Entscheidung erfolgte am 21.12.2020 und somit mehr als 22 Monate nach der mündlichen Verkündung. Eine derart lange Zeitspanne zwischen mündlicher Verkündung und schriftlicher Ausfertigung der Entscheidung widerspricht jedenfalls der Pflicht des Verwaltungsgerichtes zu einer möglichst zeitnahen schriftlichen Ausfertigung der Entscheidung. Der Beschwerdeführerin wurde dadurch ein effektiver Rechtsschutz verwehrt, weshalb die Entscheidung schon deshalb den rechtstaatlichen Anforderungen an die Erlassung verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen widerspricht. Die Entscheidung ist daher bereits aus diesem Grund aufzuheben.

Verletzung im Recht auf Entscheidung innerhalb angemessener Frist gem Art6 Abs1 EMRK:

Zum Vorbringen (Komplexität und umfangreicher Inhalt des verwaltungsbehördlichen sowie verwaltungsgerichtlichen Verfahrens sowie Beischaffung und Sichtung des Inhalts des Strafaktes der Staatsanwaltschaft Wien) ist zu bemerken, dass es sich dabei um typische Elemente der Sachverhaltsermittlung handelt, die im Zeitpunkt der mündlichen Verkündung der Entscheidung bereits vollständig abgeschlossen sein müssen. Die lange Zeitspanne zwischen der mündlichen Verkündung des Erkenntnisses und der schriftlichen Ausfertigung desselben kann dadurch nicht gerechtfertigt werden.

In der Gesamtdauer des vorliegenden Verfahrens von mehr als 28 Monaten wurden daher in der Zeit zwischen mündlicher Verkündung des Erkenntnisses und der schriftlichen Ausfertigung keine Verfahrensschritte durch das Verwaltungsgericht gesetzt. Da für diesen Zeitraum von mehr als 22 Monaten keine weiteren besonderen Umstände hervorgekommen sind, die die Dauer des Verfahrens rechtfertigten könnten, und die völlig unangemessene Dauer des Verfahrens auch nicht in der Sphäre der Beschwerdeführerin begründet lag, sondern allein dem Verhalten staatlicher Organe zuzuschreiben war, ist dessen Dauer nicht mehr angemessen iSd Art6 Abs1 EMRK.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Dienstrecht, Disziplinarrecht, Verfahrensdauer überlange, Verhandlung mündliche, Entscheidungsverkündung, Rechtsschutz, Verwaltungsgerichtsverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2021:E720.2021

Zuletzt aktualisiert am

10.01.2022
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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