Index
60/01 ArbeitsvertragsrechtNorm
B-VG Art137 / sonstige KlagenLeitsatz
Abweisung einer Klage auf Zinsen wegen des – durch ein Verwaltungsgericht aufgehobenen – Erlags einer Sicherheitsleistung mangels VerzugSpruch
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Kosten werden nicht zugesprochen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Klage und Vorverfahren
1. Der Kläger begehrt in seiner auf Art137 B-VG gestützten Klage, den Bund (Bundesminister für Finanzen) schuldig zu erkennen, ihm binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution € 1.127,67 samt 4 % Zinsen seit 15. Februar 2020 sowie die Kosten des Verfahrens zu Handen des Klagevertreters zu bezahlen.
Begründend wird dazu Folgendes ausgeführt (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):
"Dem Kläger wurde mit Bescheid vom 3.2.2016 vom Magistrat der Stadt Wien MA 20 zu GZ MBA 20 – S 5577/16 aufgetragen, Gemäß §7m Abs3 in Verbindung mit §7b Abs3, 5 und 8 sowie §7d Abs1 IVm §7i Abs4 Z1 AVRAG als Auftraggeber der Firma ********************** für das Bauvorhaben in **** ****, *********************, der Erlag einer Sicherheitsleistung in Höhe von Euro 15.000,- aufgetragen. Der Kläger kam der Aufforderung nach und überwies den Betrag an die beklagte Partei. Aufgrund der Beschwerde des Klägers hob das Verwaltungsgericht Wien den angefochtenen Bescheid vom 3.2.2016 auf und es wurde dem Kläger am 4.2.2020 der Betrag von Euro 15.000,- erstattet. Da die Einhebung der Sicherheitsleistung rechtsgrundlos erfolgt ist, stehen dem Kläger die gesetzlichen Zinsen seit 19.3.2018 bis zur Zahlung am 4.2.2020 zu. Es ergibt sich für diesen Zeitraum daher ein Betrag von Euro 1.127,67 an Zinsen.
Beweis: PV, Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 25.11.2019
Gemäß Art137 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über vermögensrechtliche Ansprüche gegen den Bund, ein Land, eine Gemeinde oder einen Gemeindeverband, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind.
Ein solcher Anspruch wird gegenständlich geltend gemacht."
2. Die beklagte Partei hat eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Klage beantragt und dem geltend gemachten Anspruch wie folgt entgegengetreten wird (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):
"Das Klagebegehren sowie das Klagsvorbringen werden zur Gänze bestritten, soweit einzelne Teile hievon im Folgenden nicht ausdrücklich außer Streit gestellt werden.
I. Sachverhalt
A. 1. Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 3.2.2016, MBA 20 – S 5577/16, wurde dem Kläger gemäß §7m Abs3 in Verbindung mit §7b Abs3, 5 und 8 sowie §7d Abs1 in Verbindung mit §7i Abs4 Z1 Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG), BGBl Nr 459/1993, der Erlag einer Sicherheitsleistung in Höhe von € 15.000,-- aufgetragen (Beilage ./1).
Die Sicherheitsleistung wurde vom Kläger erlegt.
Einer gegen den Sicherheitsleistungsbescheid vom Kläger erhobenen Beschwerde gab das Landesverwaltungsgericht mit Entscheidung vom 25.11.2019, VGW-041/068/2510/2016-49, Folge und behob den Bescheid ersatzlos (Beilage ./2). Begründet wurde die Entscheidung damit, dass eine Sicherheitsleistung nur in der Höhe vorgeschrieben werden könne, als Entgeltansprüche seitens des tatbildlich handelnden Unternehmens gegenüber dem Adressaten des Sicherheitsleistungsauftrages bestehen. Dass solch ein Entgeltanspruch gegenüber dem Beschwerdeführer bestanden hätte bzw bestünde, sei im Verfahren nicht hervorgekommen. Darüber hinaus verwies das Landesverwaltungsgericht Wien in der genannten Entscheidung auf das Erkenntnis des Europäischen Gerichtshofes vom 13.11.2018, C-33/17, wonach die dem Sicherheitsleistungsbescheid zugrundeliegende Bestimmung des §7m Abs1, 3 und 5 AVRAG unanwendbar sei.
2. Mit Schreiben der beklagten Partei vom 22.1.2020 wurde der Bevollmächtigte des Klägers um Bekanntgabe einer Bankverbindung zur Rückzahlung der Sicherheitsleistung ersucht (Beilage ./3).
Der Klagevertreter ersuchte mit Schreiben vom 27.1.2020 um Überweisung des Sicherheitserlages auf dessen Anderkonto (Beilage ./4). Für das Einlangen der Zahlung wurde keine Frist gesetzt. Zinsen wurden nicht begehrt.
Am 29.1.2020 wurde die Verrechnungsstelle angewiesen, den Sicherheitsleistungsbetrag auf das genannte Konto zur Überweisung zu bringen (Beilage ./5).
Die Rücküberweisung der Sicherheitsleistung wurde am 3.2.2020 veranlasst (Beilage ./6).
B. Mit Schreiben vom 1.3.2021 forderte der Klagevertreter zur Zahlung von '€ 1.160,-- (Zinsen aus 15.000,-- von 1.3.2018 bis 4.2.2020) samt 4% Zinsen seit 5.3.2020' auf (Beilage ./7).
Noch während die Angelegenheit von der beklagten Partei geprüft wurde, wurde gegenständliche Klage eingebracht.
Beweis:
Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 3.2.2016, MBA 20 – S 5577/16, Beilage ./1;
Erkenntnis vom 25.11.2019, VGW-041/068/2510/2016-49, Beilage ./2;
Ersuchen der beklagten Partei vom 22.1.2020, Beilage ./3;
Schreiben des Klagevertreters vom 27.1.2020, Beilage ./4;
Überweisungsanordnung vom 29.1.2020, Beilage ./5;
Zahlung vom 3.2.2020, Beilage ./6;
Aufforderung des Klagevertreters vom 1.3.2021, Beilage ./7.
II. Kein Verzug
A. Klagsgegenständlich sind gesetzliche (Verzugs-)Zinsen der erlegten Sicherheitsleistung für den Zeitraum 19.3.2018 bis 4.2.2020.
1. Der Verfassungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung die sinngemäße Anwendbarkeit der §1333 und §1334 ABGB für den Fall angenommen, dass ein öffentlich-rechtliches Schuldverhältnis vorliegt und das Gesetz nichts Gegenteiliges bestimmt. Unter diesen Voraussetzungen sind dem Gläubiger im Falle des objektiven Verzuges des Schuldner Verzugszinsen zu leisten (vgl VfSlg 5074/1965, 10889/1986, 11.064/1986; 12.887/1991 ua).
2. Gegenständlich bestimmt das Gesetz nichts Gegenteiliges, sodass §§1333f ABGB zur Anwendung kommen:
Gesetzliche Zinsen gebühren dem Gläubiger, wenn der Schuldner mit seiner Zahlung in Verzug ist (§1333 ABGB). Voraussetzung für den Verzugszinsenanspruch ist, dass der Schuldner eine Geldschuld im Fälligkeitszeitpunkt nicht bezahlt hat (Größ in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON1.04 §1333 Rz 5).
Fälligkeit ist Erfüllungszeit und meint jenen Zeitpunkt oder Zeitraum, an dem oder währenddessen der Schuldner seine Leistung erbringen und der Gläubiger diese annehmen soll (Kietaibl in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON1.05 §904 Rz 2). Die Fälligstellung durch Mahnung ist immer dann möglich und für den Fälligkeitseintritt auch nötig, wenn kein exakter Erfüllungszeitpunkt bestimmt ist (Kietaibl in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON1.05 §904 Rz 6). Ist die Zahlungszeit bzw Zahlungsfrist nämlich auf keine Art bestimmt, tritt gemäß §1417 ABGB die Verbindlichkeit die Schuld zu zahlen, grundsätzlich erst mit dem Tag ein, an welchem die Einmahnung geschehen ist.
Die Fälligkeit tritt auch nicht sogleich mit dem Zugang der Mahnung ein. Dem Schuldner ist noch die nach der Art der Verbindlichkeit für deren Erfüllung erforderliche Zeit (zB Zahlung des geschuldeten Geldbetrags, Herstellung des Werks) einzuräumen. So muss dem Schuldner etwa bei Erfüllung einer Geldschuld durch Banküberweisung (§907 a Abs2 ABGB) für die Erteilung des Überweisungsauftrags ein Zeitraum von einigen Tagen ab Erhalt der Mahnung zugestanden werden (Stabentheiner in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON1.04 §1417).
3. Die Rückerstattungspflicht umfasst ausschließlich den zu Unrecht entrichteten Betrag.
Verzugszinsen stehen erst zu, wenn dieser (Rückerstattungs-)Betrag fällig gestellt wurde, also der Rechtsträger aufgefordert wurde, den Betrag zurückzuzahlen (VfGH 12.3.2015, A/5/2013 ua). Der Verzug eines Rechtsträgers bei der ihn treffenden Verpflichtung zur Rückzahlung von Beträgen, tritt also erst ein, wenn die Refundierung trotz eines Rückzahlungsbegehrens nicht umgehend erfolgt (VfGH 14.3.1988, A25/87, VfGH 4.3.1987, A8/86; VfGH 26.11.1987, A6/87).
B. Unstrittig ist, dass die beklagte Partei verpflichtet war, den von der klagenden Partei erlegten Sicherheitsleistungsbetrag zurückzubezahlen. Aus der Verpflichtung per se ergibt sich allerdings noch kein Fälligkeitszeitpunkt (vgl VfGH 14.3.1988, A25/87, VfGH 4.3.1987, A8/86; VfGH 26.11.1987, A6/87).
Gegenständlich ergab sich die Fälligkeit, also der Erfüllungszeitpunkt bzw -zeitraum, weder aus einer Parteienvereinbarung, einem Richterspruch oder aus dem Gesetz, sodass der Kläger den von der beklagten Partei geschuldeten Sicherheitsleistungsbetrag mittels Mahnung fällig stellen hätte müssen. Die Einmahnung durch den Kläger war daher Voraussetzung für den Eintritt von Fälligkeit und Verzugsfolgen.
Der Kläger hat aber gegenständlich nicht gemahnt. Der Klagevertreter teilte vielmehr erst auf Ersuchen der beklagten Partei am 27.1.2020 die Bankverbindung mit (Beilage ./4).
Selbst wenn das Schreiben des Klagevertreters vom 27.1.2020 als Zahlungsaufforderung zu qualifizieren wäre, ist festzuhalten, dass in diesem Schreiben keine Frist für das Einlangen der Refundierung gesetzt wurde (Beilage ./4).
Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes löst eine Zahlungsaufforderung, in der überhaupt keine Leistungsfrist genannt wird, erst nach Ablauf einer angemessenen Frist Verzugsfolgen aus (vgl VfSlg 11.064/1986, 12.197/1989). Der Verfassungsgerichtshof nimmt beispielsweise in der Entscheidung vom 10.6.2008, A12/07, 14 Tage, in der Entscheidung vom 13.10.1986, A6/80, einen Monat als angemessene Frist an.
Die beklagte Partei veranlasste nach Einlangen des Schreibens des Klagevertreters am 27.1.2020 (Beilage ./4) die Rücküberweisung des Sicherheitsleistungsbetrages ohne unnötigen Aufschub am 3.2.2020, also innerhalb von 7 Tagen bzw 5 Werktagen. Selbst unter Hinzurechnung des von der klagenden Partei vorgebrachten Tag des 4.2.2020 wurde der Sicherheitsleistungsbetrag binnen einer angemessenen Frist von 8 Tagen bzw 6 Werktagen zurückbezahlt.
Es kann daher kein Zahlungsverzug der beklagten Partei vorliegen, weshalb auch keine gesetzlichen Zinsen gebühren."
II. Erwägungen
1. Zur Zulässigkeit der Klage
1.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist seine Zuständigkeit gemäß Art137 B-VG zur Entscheidung über den Anspruch auf Rückerstattung einer bezahlten Sicherheitsleistung gegeben, wenn der zugrunde liegende Bescheid – als Rechtstitel der Zahlung – durch Aufhebung weggefallen ist (vgl VfSlg 19.051/2010 mwH).
1.2. Der Verfassungsgerichtshof hält an dieser Auffassung fest, die auch auf das hier gestellte Begehren auf Zahlung von Verzugszinsen zutrifft, weil diese Annex eines mit Klage nach Art137 B-VG geltend zu machenden vermögensrechtlichen Anspruchs sind (vgl VfSlg 16.600/2002 mwH).
1.3. Da im Verfahren auch sonst kein Prozesshindernis hervorgekommen ist, erweist sich die Klage insgesamt als zulässig.
2. In der Sache
2.1. Die Klage ist nicht begründet.
2.2. Auf Grund des Vorbringens der Parteien und der vorgelegten Unterlagen geht der Verfassungsgerichtshof von folgendem maßgeblichen Sachverhalt aus:
Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 3. Februar 2016 wurde dem Kläger als Auftraggeber der Firma "*********" mit Sitz in Polen für ein Bauvorhaben in Wien gemäß §7m Abs3 iVm §7b Abs3, 5 und 8 sowie §7d Abs1 iVm §7i Abs4 Z1 AVRAG der Erlag einer Sicherheitsleistung als Teil des noch zu leistenden Werklohns in Höhe von € 15.000,– aufgetragen. Der Kläger bezahlte die ihm auferlegte Sicherheitsleistung am 1. März 2016.
Mit Erkenntnis vom 25. November 2019 gab das Verwaltungsgericht Wien der gegen den Bescheid des Magistrats Wien vom 3. Februar 2016 erhobenen Beschwerde – wegen durch den Gerichtshof der Europäischen Union festgestellten Widerspruchs der nationalen Bestimmungen zur Dienstleistungsverkehrsfreiheit – Folge und behob den bekämpften Bescheid ersatzlos.
Am 22. Jänner 2020 wurde der Bevollmächtigte des Klägers per E-Mail um Bekanntgabe einer Bankverbindung zur Rückzahlung der Sicherheitsleistung ersucht.
Mit E-Mail vom 27. Jänner 2020 ersuchte der bevollmächtigte Vertreter des Klägers um Überweisung der Sicherheitsleistung auf dessen Anderkonto. In diesem Schreiben wurde weder für das Einlangen der Zahlung eine Frist gesetzt, noch wurden Zinsen begehrt.
Am 3. Februar 2020 wurde die Rücküberweisung der Sicherheitsleistung von € 15.000,– auf das bekanntgegebene Konto veranlasst.
Mit E-Mail vom 1. März 2021 forderte der Klagevertreter das Magistratische Bezirksamt für den 20. Bezirk zur Zahlung von "€ 1.160,-- (Zinsen aus 15.000,-- von 1.3.2018 bis 4.2.2020) samt 4% Zinsen seit 5.3.2020 binnen 14 Tagen" auf dessen Anderkonto auf, widrigenfalls er mit einer Klage nach Art137 B-VG vorzugehen habe.
Am 19. März 2021 wurde Klage gemäß Art137 B-VG auf € 1.127,67 s.A. eingebracht.
2.3. Da der Kläger kein – die gesetzlichen Verzugsfolgen auslösendes – Rückforderungsbegehren gestellt hat, sondern vielmehr erst auf Ersuchen seine Bankverbindung am 27. Jänner 2020 mitgeteilt hat und wenige Tage danach bereits am 3. Februar 2020 die Rücküberweisung veranlasst wurde, liegt im vorliegenden Fall kein Verzug vor. Es gebühren somit keine gesetzlichen Verzugszinsen.
III. Ergebnis
1. Die Klage ist daher abzuweisen.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
3. Der obsiegenden beklagten Partei sind Kosten nicht zuzusprechen, weil es nach Lage des vorliegenden Falles zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig war, die Finanzprokuratur mit der Vertretung des Bundes zu betrauen (zB VfSlg 19.284/2011 mwN); sonstige ersatzfähige Kosten sind nicht angefallen.
Schlagworte
VfGH / Klagen, VfGH / Zinsen, VfGH / KostenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2021:A7.2021Zuletzt aktualisiert am
15.12.2021