TE Vwgh Erkenntnis 1989/3/31 87/12/0165

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Veröffentlicht am 31.03.1989
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Index

Dienstrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz
63/02 Gehaltsgesetz
63/06 Dienstrechtsverfahren

Norm

AVG §42 Abs1
AVG §56
AVG §58 Abs1
AVG §63 Abs1
AVG §66 Abs4
AVG §73 Abs1
BDG 1979
BDG 1979 §21
B-VG Art132
DVG 1984 §12 Abs1
GehG 1956 §26 Abs3
GehG 1956 §27 Abs2
VwGG §27
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Herberth, Dr. Knell, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Janistyn, über die Beschwerde der Mag. CW in W, vertreten durch ihren Sachwalter Dr. Ingrid Ruckenbauer, Rechtsanwalt in Wien I, Schottengasse 3a/1/42, gegen den Bundesminister für Unterricht, Kunst und Sport wegen Verletzung der Entscheidungspflicht hinsichtlich einer Berufung der Beschwerdeführerin in Angelegenheit der Beendigung ihres öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Berufung wird gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit den §§ 1 Abs. 1 DVG, 42 Abs. 5 und 62 Abs. 2 VwGG als unzulässig zurückgewiesen.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 8.866,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin stand jedenfalls bis 31. März 1981 als Professor in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund.

Ihr mit 12. März 1981 datiertes, an den Stadtschulrat für Wien gerichtetes Schreiben lautet:

„Betreff: Abfertigung

Ich ersuche um Ausscheiden aus dem Schuldienst nach § 27 Gehaltsgesetz (wegen meiner beiden minderjährigen Kinder G 9 Jahre und M 5 Jahre) per Ende März 1981.

Mit vorzüglicher Hochachtung“

(e.h. Unterschrift der Beschwerdeführerin)

Daraufhin erging folgende, mit 20. März 1981 datierte Erledigung des Stadtschulrates für Wien:

„Auf Grund Ihrer schriftlichen Erklärung vom 12.3.1981 über den Austritt aus dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund endet gemäß § 21 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes, BGBl. Nr. 333/1979, Ihr Dienstverhältnis mit Ablauf des 31. März 1981.

Mit diesem Zeitpunkt verlieren Sie gemäß § 20 Abs. 3 des zitierten Gesetzes alle aus diesem Dienstverhältnis sich ergebenden Anwartschaften, Rechte und Befugnisse für sich und Ihre Angehörigen.

Sie werden ersucht, Ihren Dienstausweis bei der Schulleitung abzugeben.

Hinsichtlich Ihrer Abfertigung ergeht folgender

Bescheid.

Gemäß § 26 Abs. 3 und § 27 Abs. 2 des Gehaltsgesetzes 1956, BGBl. Nr. 54, gebührt Ihnen eine Abfertigung in der Höhe des 25-fachen Ihres Monatsbezuges.

Begründung:

Gemäß § 26 Abs. 3 und § 27 Abs. 2 des Gehaltsgesetzes 1956 gebührt einem verheirateten Beamten weiblichen Geschlechts, wenn er innerhalb von 2 Jahren nach seiner Eheschließung oder innerhalb von achtzehn Jahren nach der Geburt eines eigenen Kindes, das im Zeitpunkt des Ausscheidens noch lebt, freiwillig aus dem Dienstverhältnis austritt, für jedes für die Bemessung des Ruhegenusses anrechenbare Dienstjahr eine Abfertigung in der Höhe des Einfachen des Monatsbezuges. Dazu tritt nach einer Dauer der für die Bemessung des Ruhegenusses anrechenbaren Dienstzeit von 1 Jahr das Einfache, 3 Jahren das Zweifache, 5 Jahren das Dreifache, 10 Jahren das Vierfache, 15 Jahren das Sechsfache, 20 Jahren das Neunfache und 25 Jahren das Zwölffache des Monatsbezuges.

Bei der Berechnung der Abfertigung ist von den folgenden ruhegenußfähigen Gesamtdienstzeiten auszugehen:

...

Rechtsmittelbelehrung:

...

Für den amtsführenden Präsidenten:“

Am 25. März 1981 bestätigte die Beschwerdeführerin mit ihrer eigenhändigen Unterschrift auf dem Rückschein der die Erledigung enthaltenden Postsendung deren Empfang.

Mit Schreiben an den Stadtschulrat für Wien vom 23. Februar 1984 ersuchte die mit Beschluß des Bezirksgerichtes Hietzing vom 7. Februar 1984 zum vorläufigen Beistand der Beschwerdeführerin bestellte Rechtsanwältin Dr. Ingrid Ruckenbauer (im folgenden Dr. R. genannt) um „Übermittlung der die Erklärungen“ der Beschwerdeführerin „erledigenden Bescheide“ mit der Begründung, daß die Austrittserklärung der Beschwerdeführerin wegen ihrer schon am 12. März 1981 bestandenen geistigen Erkrankung nichtig gewesen sei und der vorläufige Beistand daher die die Austrittserklärung erledigenden Bescheide in geeigneter Weise bekämpfen werde.

Der Stadtschulrat für Wien übermittelte daraufhin der Dr. R. am 5. Dezember 1984 zusammen mit einem Begleitschreiben vom 20. November 1984 eine Kopie der Erledigung vom 20. März 1981 mit dem Bemerken, daß die Kenntnisnahme der Austrittserklärung der Beschwerdeführerin durch den Stadtschulrat für Wien keinen Bescheid darstelle; auch dürfte die Anfechtung des Bescheides deshalb kein geeignetes Mittel zur Beseitigung der Folgen des Austrittes darstellen, weil durch den Bescheid lediglich das Ausmaß der gebührenden Abfertigung festgestellt worden sei.

Am 18. Dezember 1984 erhob die Beschwerdeführerin, vertreten durch Dr. R. (nunmehr gemäß Art. X Z. 4 des Bundesgesetzes über die Sachwalterschaft für behinderte Personen, BGBl. Nr. 136/1983, einstweiliger Sachwalter der Beschwerdeführerin) Berufung gegen den Bescheid des Stadtschulrates für Wien vom 20. März 1981 mit nachstehender Begründung: Unter dem Wortlaut Bescheid sei zwar nur die Abfertigung berechnet worden, die auch zur Auszahlung gelangt sei. Es seien jedoch auch Grundlagen des Bescheides im Vortext festgehalten und diese stellten ebenfalls einen Teil des zitierten Bescheides dar. Insbesondere der erste Absatz des Bescheides, nämlich die Feststellung, daß eine schriftliche Erklärung vorliege und das Dienstverhältnis ende, habe Bescheidcharakter und werde mit dieser Berufung angefochten. Es liege keine wirksame schriftliche Erklärung vom 12. März 1981 vor und es sei daher die weitere Rechtsfolgerung, daß das Dienstverhältnis der Beschwerdeführerin geendet habe, unrichtig. Die Beschwerdeführerin sei zum 12. März 1981 nicht mehr handlungsfähig gewesen, sondern habe an Schizophrenie im „heftigen Ausmaß“ gelitten. Auf Grund dieser Erkrankung sei sie nicht in der Lage gewesen, die Tragweite ihrer Handlungen wirtschaftlich und rechtlich abzusehen. Richtigerweise hätte die Beschwerdeführerin pensioniert werden müssen, und zwar sicherlich schon mit dem Zeitpunkt der von ihr in rechtsunwirksamer Weise abgegebenen Erklärung. Da die Rechts- und Handlungsfähigkeit nach den Vorschriften des ABGB zu beurteilen sei und bei der Symptomatik der vorliegenden Erkrankung an Schizophrenie eine Handlungsfähigkeit für die Abgabe rechtswirksamer Erklärungen nicht vorliege, gehe der angefochtene Bescheid in seinem weiteren Inhalt der Abrechnung der Abfertigung de facto von keiner ausreichenden Rechtsgrundlage zur Errechnung und Auszahlung einer Abfertigung aus. Die Rechtsgrundlage wäre eine wirksame Austrittserklärung. Eine solche liege aber aus den angeführten Gründen nicht vor. Dem einschreitenden gesetzlichen Vertreter sei der Bescheid am 5. Dezember 1984 zugestellt worden. Die seinerzeitige Zustellung an die Beschwerdeführerin sei wirkungslos gewesen und habe einen Zeitablauf nicht herbeiführen können, da die Beschwerdeführerin aus den gleichen krankheitsbedingten Gründen, die sie für die Abgabe rechtswirksamer Erklärungen unfähig gemacht habe, auch den Inhalt und die Tragweite von Bescheiden zum Zeitpunkt der Zustellung nicht mehr habe verstehen können. Eine Zustellung hätte wirksam nur zu Handen eines gesetzlichen Vertreters, in eventu zu Handen eines nach § 11 AVG 1950 zu bestellenden Kurators, erfolgen können. Durch die Zustellung an die Beschwerdeführerin im Jahre 1981 sei somit keine Frist in Lauf gesetzt worden. Es werde daher der Antrag gestellt, den Bescheid „in seinem ganzen Inhalt und seiner ganzen Aussage nach ersatzlos aufzuheben“ und die Beschwerdeführerin „nach den entsprechenden Bestimmungen wegen Krankheit in den Ruhestand zu versetzen“.

Da die belangte Behörde über die Berufung nicht entschied, erhob die Beschwerdeführerin, vertreten durch Dr. R. (nunmehr ihr Sachwalter gemäß § 273 Z. 3 ABGB) die vorliegende Säumnisbeschwerde mit dem Antrag, der Verwaltungsgerichtshof möge im Falle, daß die belangte Behörde die Berufungsentscheidung nicht fristgerecht erlasse, über die Berufung selbst in der Sache erkennen und den Bescheid des Stadtschulrates für Wien vom 20. März 1981 zur Gänze wegen inhaltlicher und formeller Unrichtigkeit aufheben und die Beschwerdeführerin wegen Berufsunfähigkeit rückwirkend mit 1. April 1981 in den Ruhestand versetzen; außerdem wurde ein Kostenbegehren gestellt. Sowohl die Erhebung der Berufung als auch jene der Säumnisbeschwerde wurde pflegschaftsgerichtlich genehmigt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde beantragte in der Gegenschrift die Zurückweisung der Säumnisbeschwerde mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung mit nachstehender Begründung: Bei der Austrittserklärung eines Beamten handle es sich um eine einseitige Willenserklärung, für deren Wirksamwerden eine Annahme durch die Dienstbehörde nicht erforderlich sei. Sei aber die Austrittserklärung nicht annahmebedürftig, dann könne die Dienstbehörde den Eintritt der Rechtsfolgen einer schriftlichen Austrittserklärung nicht verhindern. Sie sei daher auch zu keiner bescheidmäßigen Annahme der Austrittserklärung berufen. Lediglich für Feststellungen hinsichtlich des Wirksamwerdens der Austrittserklärung räume das Gesetz (§ 1 Abs. 1 Z. 7 DVV 1981) der Dienstbehörde eine Zuständigkeit ein. Aus der von der Beschwerdeführerin bekämpften Erledigung ergebe sich - im Gegensatz zu dem bezüglich der Abfertigung ergangenen Feststellungsbescheid - ausdrücklich, daß die Ausführungen betreffend die Austrittserklärung keinen Bescheidcharakter besäßen. Mit der vorliegenden Säumnisbeschwerde solle die Nichterfüllung der Entscheidungspflicht durch die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde geltend gemacht werden. Gemäß § 73 Abs. 1 AVG 1950 seien die Behörden verpflichtet, über Anträge von Parteien und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen, den Bescheid zu erlassen. Gegenstand der Entscheidungspflicht seien daher nur Anträge von Parteien, die Inhalt eines Bescheides sein könnten und von Personen gestellt würden, die am Verfahren vermöge eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses beteiligt seien. Da aber die Austrittserklärung, insbesondere deren Annahme, nicht Gegenstand eines Bescheides sei, sei in einer solchen Angelegenheit gar kein Bescheid zu erlassen und könne daher eine Entscheidungspflicht der Behörde nicht begründet werden. Demnach komme der Beschwerdeführerin auch keine Antragslegitimation zur Erhebung der vorliegenden Säumnisbeschwerde zu.

Dieser Auffassung ist nicht beizupflichten. Gemäß Art. 132 B-VG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht erheben, wer im Verwaltungsverfahren als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt war. Eine solche Beschwerde (Säumnisbeschwerde) kann nach § 27 VwGG erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten in der Sache entschieden hat. Nach dem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 15. Dezember 1977, Zlen. 934, 1223/73, Slg. Nr. 9.458/A, ist der Anspruch einer Partei, die einen Antrag gestellt oder eine Berufung eingebracht hat, auf Erlassung eines Bescheides nicht nur dann gegeben, wenn die Behörde eine Sachentscheidung im engeren Sinn des Wortes zu fällen hat, sondern auch dann, wenn sie den Antrag oder die Berufung zurückzuweisen, also einen verfahrensrechtlichen Bescheid zu erlassen hat, und ist demnach auch dann die Beschwerdeberechtigung nach Art. 132 B-VG zu bejahen, wenn die Entscheidung nach der Rechtslage nur in einer Zurückweisung bestehen kann (vgl. auch das Erkenntnis vom 21. Juni 1978, Zl. 658/77). Bezogen auf den Beschwerdefall bedeutet dies, daß - unabhängig davon, wann die Erledigung der erstinstanzlichen Behörde vom 20. März 1981 der Beschwerdeführerin rechtswirksam zugestellt wurde bzw. rechtswirksam zugekommen ist, und ob in dieser Erledigung bescheidförmig über die Wirksamkeit der Austrittserklärung vom 12. März 1981 abgesprochen wurde - die belangte Behörde über die gegen die Gesamterledigung erhobene Berufung gemäß den §§ 63 Abs. 1, 73 Abs. 1 AVG 1950 in Verbindung mit den §§ 1 Abs. 1 und 12 Abs. 1 DVG (wenn auch allenfalls in der Form einer Zurückweisung wegen Unzulässigkeit oder Verspätung der Berufung) zu entscheiden hatte. Die vorliegende Säumnisbeschwerde ist daher zulässig.

Da die belangte Behörde innerhalb der ihr gemäß § 36 Abs. 2 VwGG gesetzten Frist den versäumten Bescheid nicht nachgeholt hat, ist die Zuständigkeit zur Entscheidung über die Berufung der Beschwerdeführerin auf den Verwaltungsgerichtshof übergegangen.

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 hat die Berufungsbehörde außer dem in Abs. 2 erwähnten Fall, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Wann eine Berufung zurückzuweisen ist, kann dem § 66 Abs. 4 AVG 1950 allein nicht entnommen werden. Auch § 63 AVG 1950 enthält keine vollständige Liste der Zurückweisungsgründe, doch geht aus dem Abs. 1 dieses Paragraphen der Zurückweisungsgrund des Mangels der Berechtigung zur Erhebung der Berufung hervor, und § 63 Abs. 3 dieses Gesetzes legt fest, daß eine Berufung, um behandelt zu werden, eines begründeten Berufungsantrages bedarf. Der Verwaltungsgerichtshof erschließt aus diesen Regelungen den allgemeinen Gedanken, daß eine Berufung zurückzuweisen ist, wenn es an einer Prozeßvoraussetzung für das Berufungsverfahren fehlt (Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Zl. 3112/79, Slg. Nr. 10.317/A). Das DVG (und zwar weder das ab 1. Juli 1984 geltende DVG 1984, BGBl. Nr. 29, noch das vorher geltende DVG 1958, BGBl. Nr. 54) enthält diesbezüglich keine relevanten Abweichungen. Da in den Verfahrensvorschriften ein Primat der Zurückweisung einer Berufung wegen Verspätung gegenüber einer solchen wegen Unzulässigkeit nicht vorgesehen ist, die gegenständliche Berufung aber aus den später darzulegenden Gründen unzulässig ist, kann die (nach der Aktenlage einer abschließenden Beurteilung nicht zugängliche) Frage der Rechtzeitigkeit der Berufung auf sich beruhen.

Unzulässig (im engeren, die Verspätung ausschließenden Sinn) ist eine Berufung jedenfalls dann, wenn die angefochtene Erledigung nicht als Bescheid zu qualifizieren ist, bei Vorliegen eines Bescheides die (objektive) Anfechtbarkeit im Instanzenzug oder die (subjektive) Berufungslegitimation des Einschreiters fehlt (vgl. Ringhofer, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I, Seite 618, Anm. 9; Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts4, Rdz 536).

Nach den oben wiedergegebenen Berufungsausführungen teilt die Beschwerdeführerin die Auffassung der erstinstanzlichen Behörde im Begleitschreiben vom 20. November 1984 über die Unzulässigkeit einer Berufung gegen den Bescheid vom 20. März 1981 nicht. Sie meint, daß einerseits der „Vortext“ (nämlich die ersten drei Absätze oder zumindest der erste Absatz der Erledigung vom 20. März 1981) ebenfalls einen „Teil“ (gemeint: einen Spruchteil) des Bescheides darstelle und sie dadurch aus den ausgeführten Gründen in ihren Rechten verletzt werde; andererseits sei sie aber auch durch den Abspruch über die Bemessung der Abfertigung insofern beschwert, als die Rechtsgrundlage dieses Abspruches eine (ihrer Auffassung nach nicht vorliegende) wirksame Austrittserklärung sei. In der Äußerung zur Gegenschrift der belangten Behörde ergänzt sie diese Ausführungen. Die sowohl im „Vortext“ als auch in der Begründung des Bescheides enthaltene Feststellung, daß eine schriftliche Austrittserklärung vorliege und das Dienstverhältnis gemäß § 21 BDG 1979 ende, sei Bestandteil des Bescheides, da der Bescheid einer Verwaltungsbehörde als Ganzes zu beurteilen und daher zur Lösung der Frage, was als Bescheidinhalt anzusehen sei, auch die Begründung heranzuziehen sei (Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Februar 1971, Slg. Nr. 7967/A). Der der materiellen Rechtskraft fähige Abspruch eines Bescheides bestehe nicht nur aus dem Spruch des Bescheides allein, sondern aus dem Spruch in Verbindung mit der Begründung, insoweit sich aus ihr der von der Behörde angenommene maßgebende Sachverhalt, d.h. der als Anknüpfungspunkt für die rechtliche Beurteilung dienende Sachverhalt, ergebe (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. März 1980, Slg. Nr. 10.074/A). Gerade diese rechtliche Begründung der Erklärung der Beschwerdeführerin als „wirksame Austrittserklärung“ sei Gegenstand der Anfechtung durch den Sachwalter gewesen.

Nach Abs. 1 des mit „Inhalt und Form der Bescheide“ überschriebenen § 58 AVG 1950, der (mit den im § 10 DVG genannten, im Beschwerdefall aber nicht vorliegenden Abweichungen) gemäß § 1 DVG unter anderem auf das Verfahren in Angelegenheiten des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses zum Bund anzuwenden ist, ist jeder Bescheid ausdrücklich als solcher zu bezeichnen und hat den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung zu enthalten. Nach ständiger, auf den Beschluß eines verstärkten Senates vom 15. Dezember 1977, Zlen. 934, 1223/73, Slg. Nr. 9458/A, gestützter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann einer behördlichen Erledigung ungeachtet des Fehlens der ausdrücklichen Bezeichnung als Bescheid Bescheidcharakter zukommen. Die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid ist nach der für sich allein gesehen unabdingbaren Norm des § 58 Abs. 1 AVG 1950 aber nur dann nicht wesentlich für die Wertung einer Erledigung als Bescheid, wenn der Inhalt der Erledigung, also ihr Wortlaut und ihre sprachliche Gestaltung, keinen Zweifel darüber aufkommen lassen, daß die Behörde nicht nur einen individuellen Akt der Hoheitsverwaltung gesetzt hat, sondern daß sie auch normativ eine Angelegenheit des Verwaltungsrechtes entschieden hat. Kann eine Erledigung, der die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid fehlt, auch als bloße Wiedergabe einer Rechtsansicht, von Tatsachen, als Hinweis auf Vorgänge des Verfahrens oder als Rechtsbelehrung gedeutet werden, dann fehlt ihr im Zweifel der Bescheidcharakter.

Unter Bedachtnahme auf diese Grundsätze ist der „Vortext“ sowohl nach dem Wortlaut und der sprachlichen Gestaltung der Gesamterledigung (Abhebung der ersten drei Absätze von dem weiteren, ausdrücklich mit „Bescheid“ überschriebenen Teil der Gesamterledigung und entsprechende Formulierung: „Hinsichtlich ihrer Abfertigung ergeht folgender Bescheid“) als auch unter Berücksichtigung des Umstandes, daß jedenfalls im Zeitpunkt der Abfassung des Bescheides im Jahre 1981 für die erstinstanzliche Behörde kein Anlaß für die bescheidmäßige Feststellung der Wirksamkeit der Austrittserklärung der Beschwerdeführerin bestand, nicht als (feststellender) Spruchteil, sondern als bloße Mitteilung an die Beschwerdeführerin über die Rechtsfolgen ihrer Austrittserklärung zu verstehen (vgl. das Erkenntnis vom 10. Dezember 1984, Zl. 84/12/0082). Daß zumindest im Zeitpunkt der (neuerlichen) Zustellung des Bescheides am 5. Dezember 1984 der erstinstanzlichen Behörde die Bestreitung der Rechtswirksamkeit der Austrittserklärung der Beschwerdeführerin durch Dr. R. bekannt war, kann im Hinblick darauf, daß ihr nur eine Kopie der Erledigung vom 20. März 1981 übermittelt wurde, Wortlaut und sprachliche Gestaltung daher gleichgeblieben sind, keine andere Wertung dieser Erledigung rechtfertigen.

Es ist aber auch nicht der mit Hinweisen auf zwei Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes begründeten Auffassung der Beschwerdeführerin beizupflichten, daß der unbestritten vorliegende Abspruch über die Bemessung der Abfertigung auf Grund des Vortextes und der Begründung (in Auslegung oder Ergänzung des Spruches) auch als feststellender Abspruch über die Wirksamkeit der Austrittserklärung zu deuten sei oder doch dem Vortext und der Begründung normative Kraft zukomme.

Was letzteres betrifft, so hat im allgemeinen nur der Spruch, der nach § 59 Abs. 1 AVG 1950 die in Verhandlung stehende Angelegenheit und alle die Hauptfrage betreffenden Parteienanträge, ferner die allfällige Kostenfrage in möglichst gedrängter, deutlicher Fassung und unter Anführung der angewendeten Gesetzesbestimmungen, und zwar in der Regel zur Gänze, zu erledigen hat, und nicht auch die Begründung rechtliche Geltung (Verbindlichkeit); der Begründung wird nur ausnahmsweise (so im Falle der Zurückverweisung nach § 66 Abs. 2 AVG 1950) diese Wirkung beigemessen (vgl. Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts4, Rdz 419 mit Judikaturhinweisen). Nach dem von der Beschwerdeführerin zitierten Erkenntnis vom 21. März 1980, Zl. 2534/79, Slg. Nr. 10.074/A, wurde dies auch auf eine im Rahmen einer Entscheidung in der „Sache“ im Sinne des S 66 Abs. 4 AVG 1950 erfolgte ersatzlose Behebung einer im Berufungsweg bekämpften Entscheidung (demnach mit einem sich auf die ersatzlose Behebung beschränkenden Spruch) übertragen. Ein solcher Fall ist aber vorliegend nicht gegeben.

Von der Frage der Verbindlichkeit der Bescheidbegründung zu unterscheiden ist - dies zum erstgenannten Einwand - ihre Bedeutung für die Ermittlung des Sinnes des Bescheidspruches. Diesbezüglich ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. außer dem von der Beschwerdeführerin zitierten Beschluß vom 11. Februar 1971. Zl. 154/71, Slg. Nr. 7.967/A, die Erkenntnisse vom 10. September 1987, Zl. 87/08/0041, vom 24. Oktober 1986, Zl. 84/17/0208, vom 18. Dezember 1985, Zl. 84/11/0041, und vom 31. Jänner 1985, Zl. 83/08/0044) der Bescheid insoweit als Ganzes zu beurteilen und bilden Spruch und Begründung insofern eine Einheit, als bei Lösung der (aus der Gesamterledigung aufgeworfenen) Frage, inwieweit in einem Bescheid die Absicht bestand, über individuelle Rechtsverhältnisse in einer der Rechtskraft fähigen Weise abzusprechen (also was Inhalt des Abspruches ist), nicht nur vom Spruch (gemeint: dem Wortlaut des Spruches) des Bescheides auszugehen, sondern zu dessen Deutung (nämlich des Spruches oder einzelner Spruchelemente) auch die Begründung heranzuziehen ist. Hingegen ist unmaßgeblich, wie die Behörde den Spruch „verstanden wissen wollte“ (also das vom objektiven Sinn losgelöste subjektive Verständnis der Behörde) oder wie der Empfänger den Spruch verstanden hat (vgl. das Erkenntnis vom 20. September 1988, Zl. 87/12/0047). Im Zweifel ist der Inhalt des Spruches an den für ihn maßgebenden generellen Vorschriften zu messen (vgl. das eben zitierte Erkenntnis, das Erkenntnis vom 24. Oktober 1986, Zl. 84/17/0208, sowie das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 17. Juni 1982, B 461/77, Slg. Nr. 9432).

Unter Bedachtnahme auf diese Grundsätze kann der im Beschwerdefall maßgebende Abspruch, es gebühre der Beschwerdeführerin gemäß den §§ 26 Abs. 3 und 27 Abs. 2 des Gehaltsgesetzes eine Abfertigung in der Höhe des 25fachen ihres Monatsbezuges, nicht dahin ergänzt werden, daß damit auch über die Voraussetzung für die Zuerkennung der Abfertigung (Austritt aus dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis) spruchmäßig (feststellend) abgesprochen worden sei. Daß und warum der Vortext eine solche Deutung nicht gestattet, wurde bereits dargelegt. Aber auch die oben wiedergegebene Begründung läßt angesichts des völlig eindeutigen Spruches und des Inhaltes der Gesamterledigung eine solche ergänzende Deutung des Spruches nicht zu.

Das aber hat vor dem Hintergrund, daß der Begründung eines Bescheides (von den genannten, im Beschwerdefall aber nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen) keine (für andere Verwaltungsakte) bindende Wirkung zukommt, zur Konsequenz, daß die Beschwerdeführerin, die sich nur durch das Begründungselement der Bejahung eines wirksamen Austrittes in ihren aus dem behaupteten Fortbestand ihres öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses erwachsenden Rechten (unter anderem auf die Beendigung dieses fortbestehenden Dienstverhältnisses durch eine Versetzung in den Ruhestand) verletzt erachtet, durch den Abspruch, es gebühre ihr eine Abfertigung in bestimmter Höhe, nicht in ihren Rechtsansprüchen und rechtlichen Interessen beeinträchtigt werden konnte. Ihre (subjektive) Berufungsberechtigung ist daher zu verneinen (vgl. das Erkenntnis vom 20. Jänner 1981, Zl. 07/2589/80) und demgemäß die Berufung insoweit, als mit ihr die ersatzlose Aufhebung des Bescheides vom 20. März 1981 seinem ganzen Inhalt und seiner ganzen Aussage nach beantragt wurde, als unzulässig zurückzuweisen.

Der darüber hinausgehende Berufungsantrag, die Beschwerdeführerin „nach den entsprechenden Bestimmungen wegen Krankheit in den Ruhestand zu versetzen“ bezweckt aber eine Entscheidung außerhalb der „Sache“ im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG 1950. Darunter ist die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterbehörde gebildet hat, zu verstehen, wobei der Akzent nicht auf dem verbalen „Inhalt des Spruches“, sondern auf der „Angelegenheit“ im Sinne der „in Verhandlung stehenden Angelegenheit“, die der Spruch zu erledigen hat (§ 59 Abs. 1 AVG 1950), liegt (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 28. November 1983, Zl. 82/11/0270, Slg. Nr. 11.237/A). Zu dieser der erstinstanzlichen Behörde vorliegenden „Angelegenheit“ zählte die Versetzung der Beschwerdeführerin in den Ruhestand nicht. Soweit daher mit der vorliegenden Berufung der ebengenannte Antrag gestellt wurde, war die Berufung mangels einer diesbezüglichen Entscheidungbefugnis des zur Berufungsentscheidung berufenen Verwaltungsgerichtshofes zurückzuweisen.

Zur Auffassung der Beschwerdeführerin in der Äußerung zur Gegenschrift, sie sehe in der vorliegenden Berufung die einzige Möglichkeit, die Rechtsunwirksamkeit der Austrittserklärung geltend zu machen und damit die Versetzung in den Ruhestand und die Auszahlung einer Pension zu erwirken, ist zu bemerken, daß dies nach den obigen Darlegungen unzutreffend ist. Denn da der Bejahung eines wirksamen Austrittes der Beschwerdeführerin als Tatbestandsvoraussetzung für die Abfertigung keine über den Abspruch über die Abfertigung hinausgehende Wirkung zukommt, ist die nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes zu prüfende Frage, ob die Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Austrittserklärung handlungsfähig war (vgl. Erkenntnis vom 26. Juni 1975, Zl. 1268/74, Slg. Nr. 8860/A), jeweils in dem Verwaltungsverfahren zu klären, in dem es auf den Fortbestand des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses der Beschwerdeführerin ankommt. Wegen der über Einzelverfahren hinausgehenden Bedeutung der Klärung dieser Frage kommt der Beschwerdeführerin vor dem Hintergrund der obigen Überlegungen aber auch die Berechtigung zu, die Feststellung der Unwirksamkeit der Austrittserklärung zu beantragen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 1 Z. 2, 49 Abs. 1 und 55 Abs. 1 VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985, in den Grenzen des Begehrens der Beschwerdeführerin.

Hinsichtlich der zitierten, in der Amtlichen Sammlung nicht veröffentlichten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, verwiesen.

Wien, am 31. März 1989

Schlagworte

Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung Feststellungsbescheide Anspruch auf Sachentscheidung Allgemein Berufungsrecht Begriff des Rechtsmittels bzw der Berufung Wertung von Eingaben als Berufungen Bescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter wegen mangelnder Behördeneigenschaft Bescheidcharakter Bescheidbegriff Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Verfahrensrechtliche Entscheidung der Vorinstanz (siehe auch Inhalt der Berufungsentscheidung Anspruch auf meritorische Erledigung) Einhaltung der Formvorschriften Inhalt der Berufungsentscheidung Anspruch auf meritorische Erledigung (siehe auch Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Verfahrensrechtliche Entscheidung der Vorinstanz) Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG) Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Besondere Rechtsgebiete Dienstrecht Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Grundsätzliches zur Parteistellung vor dem VwGH Allgemein Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Mangelnde Rechtsverletzung Beschwerdelegitimation verneint keineBESCHWERDELEGITIMATION Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Mangelnder Bescheidcharakter Besondere Rechtsgebiete Dienstrecht Voraussetzungen des Berufungsrechtes Berufungsrecht und Präklusion (AVG §42 Abs1) Voraussetzungen des Berufungsrechtes Bescheidcharakter der bekämpften Erledigung Vorhandensein eines bekämpfbaren Bescheides

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1989:1987120165.X00

Im RIS seit

15.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

15.12.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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