Entscheidungsdatum
09.11.2021Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
AVG §6 Abs1Text
BESCHLUSS
Das Verwaltungsgericht faßt durch seinen Richter Dr. Leitner in Angelegenheit der Beschwerden des Herrn A. B., der C. GmbH und der D. AG, alle vertreten durch ... Rechtsanwälte GmbH, jeweils gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 36, vom 01.03.2021, Zl. ..., wegen einer Übertretung des Wiener Wettengesetzes, nachstehenden Beschluss:
Gemäß § 31 VwGVG wird die Unzuständigkeit seitens des Richters mit der Senatszahl 011, auf den die Beschwerdeangelegenheit gegenständlich protokolliert sind, ausgesprochen und die Weiterleitung der Beschwerdeangelegenheit gemäß § 17 VwGVG iVm § 6 AVG und in Verbindung mit § 24 VStG an den Richter mit der Senatszahl 082, der bereits mit Erkenntnis vom 4. Januar 2021 in selbiger Angelegenheit über das Beschlagnahme Verfahren zu VGW-002/082/10983/2020 et al abgesprochen hat, verfügt.
Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Erhebung einer ordentlichen Revision an den VwGH ausgeschlossen.
Begründung
1.] Am 14. April 2021 wurde dem diesen Beschluss fassenden Richter zu drei GZ. die gegenständliche Beschwerde der drei Beschwerdeführer A. B., C. Ges.m.b.H. und D. AG, alle vertreten durch ... Rechtsanwälte, zugewiesen.
1.1.] In dieser Angelegenheit fand bereits am 6. Oktober 2021 eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, die wegen der Aufnahme weiterer Beweise zu vertagen war.
1.2.] Die Behörde 1. Instanz richtete zwischenzeitig an den für die Bearbeitung der Beschlagnahme zuständigen Richter eine E-Mail, worin die Rechtsprechung des VwGH vom 29. März 2021 zu Ra 2021/02/0006 zur Zuständigkeit des Verwaltungsgericht des Wien auf Basis der geltenden Geschäftsverteilung bei Strafverfahren nach dem GlückspielG bzw. Wiener Wettengesetz angesprochen wurde, als der VwGH die Unzuständigkeit eines das Strafverfahren losgelöst vom Beschlagnahmeverfahren erkennenden Richters aussprach.
Laut VwGH im genannten Erkenntnis vom 29. März 2021, zu Ra 2021/02/0006, habe nach der geltenden Geschäftsverteilung des Verwaltungsgerichts Wien das Strafverfahren als Annex Sache zum Beschlagnahmeverfahren vom gleichen Richter entschieden zu werden.
2.] Auf Basis dieses Sachverhaltes und unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des VwGH vom 29. März 2021 zu Ra 2021/02/0006 erhob per 19. Oktober 2021 der für die Beschlagnahme zuständige Erstrichter eine Zuständigkeitseinrede.
2.1.] Mit Verfügung vom 19. Oktober 2021 sprach der Präsident des VGW aus, dass der Zuständigkeitseinrede des für die Beschlagnahme zuständigen Richters keine Berechtigung zukomme, der Präsident argumentierte mit der Konzentrationsregel, wonach ab Einleitung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung die Zuständigkeit nicht mehr änderbar sei.
3.] Da diese Zuständigkeitsverfügung des Präsidenten im Widerspruch zur Rechtsprechung des VwGH vom 29. März 2021, zu Ra 2021/02/0006, steht, kommunizierten die beiden betroffenen Richter, und wurde nach Rücksprache mit dem Präsidium beratschlagt, den gegenständlichen Beschluss zu erlassen.
3.1.] Der zuständige Richter spricht demnach mit dem gegenständlichen Beschluss einerseits seine Unzuständigkeit aus und verfügt unter einem die Weiterleitung an den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Richter.
Begründend ist das Erkenntnis des VwGH vom 29. März 2021 zu Ra 2021/02/0006 anzuführen, dass additiv zu der vom Präsidenten angezogenen Bestimmung der Konzentrationsregel der geltenden Geschäftsverteilung, Pkt B 4.2, wonach anverhandelte Rechtsfälle nicht mehr abgenommen werden dürfen, dass jedoch gemäß der genannten Rechtsprechung des VwGH in Angelegenheiten des GlücksspielG, als auch des Wiener Wetten Gesetzes, der Strafakt als Annex Materie dem Beschlagnahmeakt zu folgen hat; wobei Annex Materie bedeutet, vom selben Richter einer Erledigung zuzuführen ist.
3.1.1.] Die Geschäftsverteilung für das Jahr 2021 des VGW in der Fassung vom 5. November 2021 lautet auszugsweise:
Unter Pkt A.0 ist in der Geschäftsabteilung L der gegenständliche Entscheidungsträger mit der Senatszahl 11 eingetragen; in der Geschäftsabteilung N der zweite betroffene Richter mit der Senatszahl 82
Unter Punkt A 1.1. den allgemeinen Grundsätzen, ist die tägliche Verteilung der Rechtssachen festgelegt. Keine dringliche Angelegenheiten, wie die verfahrensgegenständliche, werden um 10:00 Uhr in alphabetischer Reihenfolge nach unter lit. a bis e näher genannten Kriterien zugeteilt.
Unter Punkt A 3.1, Verwaltungsstrafsachen, sind unter der Protokollgruppe 002, beide genannten Richter (unter anderem) als für das Wiener Wettengesetz zuständig eingetragen.
Unter Punkt A 3.4.4 ist festgelegt, dass Beschwerden gegen Bescheide, mit denen der Verfall, die Beschlagnahme oder die vorläufige Sicherheitsleistung ausgesprochen wurde, ohne dass die zugehörige Rechtssache Verwaltungsgericht angefallen ist, nach dem im Akt befindlichen Bescheid entsprechend der 1. angeführten Verwaltungsvorschrift zu behandeln sind und die Grundsätze A 1.1 anzuwenden sind.
Unter Punkt A.4 sind Annex Sachen geregelt, worunter Rechtssachen zu verstehen sind, die mit einer anhängigen oder anhängig gewesen Rechtssache sachlich im Zusammenhang stehen. Wobei gemäß Punkt A 4.2 ausdrücklich Bescheiden, mit denen Verfall oder Beschlagnahme oder die vorläufige Sicherheitsleistung festgesetzt wurde, die nachträglich einlangende Rechtssache als Annex Materie zuzurechnen ist.
Unter Punkt B 4.2, Zuständigkeitseinrede, ist festgelegt, dass lediglich bis zu drei Wochen vor der mündlichen Verhandlung eine Konzentration des Verfahrens durch einen anderen Richter erwirkt werden kann.
3.1.2.] Gegenständlich ist unstrittig die Situation gegeben, als zum identen Sachverhalt bereits der Richter mit der Senatszahl 82 über die Beschlagnahme rechtskräftig abgesprochen hat; der von der Erstbehörde MA 36 nachfolgende Verwaltungsstrafakt hat somit nach den geltenden Bestimmungen der Geschäftsverteilung des Verwaltungsgerichtes Wien dem Beschlagnahmeakt als Annex Materie zu folgen. Dies hat der VwGH im genannten Erkenntnis ausdrücklich festgestellt.
Wie die Verfügung des Präsidenten vom 19. Oktober 2021 zum Ausdruck bringt, kann auf Basis der geltenden Geschäftsverteilung zufolge der bereits erfolgten mündlichen Verhandlung durch den gegenständlich zuständigen Richter keine Änderung der Zuteilung der Beschwerdeakten ergehen.
Lt VwGH vom 29.3.2021, Ra 2021/02/0006 u.Ra 2021/02/0007, ebenso wie in Ro 2018/03/0049 vom 21. November 2018 gilt der Grundsatz der festen Geschäftsverteilung für die Aufteilung der von den VwG zu besorgenden Geschäfte "auf die Einzelrichter und Senate" (Art. 135 Abs. 2 B-VG).
Die Regelungen der Geschäftsverteilung können vor dem Hintergrund des der Partei zustehenden Rechts auf eine Entscheidung durch den gemäß der Geschäftsverteilung zuständigen Richter am VGW verfassungskonform nicht dahin verstanden werden, dass es der Partei infolge der Unterlassung einer rechtzeitigen Unzuständigkeitsanzeige durch den unzuständigen Richter des VwG verwehrt wäre, den Verstoß gegen die Geschäftsverteilung im Verfahren vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts geltend zu machen (vgl. VwGH 29.6.2017, Ra 2017/21/0032). Dadurch, dass eine Partei etwa die Unzuständigkeit der Behörde nicht geltend macht, wird die Zuständigkeit nicht begründet (vgl. VwGH 14.10.2015, 2013/04/0097). Der Grundsatz der festen Geschäftsverteilung bedeutet, dass die Verteilung der Geschäfte auf die einzelnen Spruchkörper durch Regeln, durch den Beschluss über die Geschäftsverteilung, von vornherein feststehen muss, dass in der Folge niemand Einfluss auf die Verteilung der Geschäfte nehmen kann und dass ferner die Einhaltung dieser Regeln nachprüfbar sein muss. Ausgenommen sind lediglich die in Art. 87 Abs. 3 zweiter Satz B-VG vorgesehenen besonderen Fälle der Verhinderung oder Überlastung eines Richters (vgl. z.B. VfSlg. 18.594); Letzteres gilt sinngemäß auch für Art. 135 Abs. 3 B-VG. Läge den Regelungen der Geschäftsverteilung aber das Verständnis zugrunde, dass durch ein Verschweigen des unzuständigen Richters oder dass die Partei durch Nichtgeltendmachung der Unzuständigkeit dieses Richters zu einem früheren Zeitpunkt des Verfahrens die Zuständigkeit bindend bewirkt werde, dann liefe das den Zwecken der festen Geschäftsverteilung zuwider (vgl. VwGH 26.4.2017, Ra 2016/19/0221; VwGH 29.6.2017, Ra 2017/21/0032).
Nach Beurteilung des gegenständlichen Entscheidungsträgers ist aus diesen Erkenntnissen, vgl respektive RZ 29 zu VwGH 29.3.2021, Ra 2021/02/0006 der gegenständliche Beschluss ableitbar, da im Wege einer Zuständigkeitseinrede keine die Rechtsprechung des VwGH berücksichtigende Lösung zu erwirken war, spricht somit der zuständige Richter unter Bindung an die Rechtsprechung des VwGH vom 29. März 2021, zu Ra 2021/02/0006, seine Unzuständigkeit aus; im Verband mit der Verfügung der Weiterleitung an den, nach obigen Ausführungen auf Basis der geltenden Geschäftsverteilung für das VGW, zuständigen Richter, mit der Senatszahl 082, der bereits das vorgelagerte Beschlagnahmeverfahren geführt hat.
3.] Die ordentliche Revision gegen diese Entscheidung ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Das erkennende Gericht hat sich an der hiezu bestehenden einschlägigen Rechtsprechung des VwGH vom 29. März 2021 zu Ra 2021/02/0006 orientiert.
Schlagworte
Grundsatz der festen Geschäftsverteilung; Richterzuständigkeit; Unzuständigkeitseinrede; WeiterleitungAnmerkung
VfGH v. 1.3.2022, E 4584/2021; AblehnungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2021:VGW.002.011.5374.2021Zuletzt aktualisiert am
25.03.2022