TE Dok 2021/10/4 2021-0.463.797

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Veröffentlicht am 04.10.2021
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Norm

BDG 1979 §43 Abs2 i.V.m. §91

Schlagworte

KV aD

Text

Die Bundesdisziplinarbehörde hat am 04.10.2021 nach der am 04.10.2021 in Anwesenheit des Beamten, des Verteidigers, des Disziplinaranwaltes und der Schriftführerin durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

Der Beamte ist schuldig,

1)   er hat am 21.11.2020, gegen 21.00 Uhr, in Wien, in zivil und außer Dienst, jedoch während seines Krankenstandes, und alkoholisiert, den 11jährigen Sohn seiner Lebensgefährtin, A.A., einen Schlag mit der flachen Hand versetzt, wodurch dieser eine Prellung des linken Jochbeins, einen Bluterguss und Abschürfungen erlitten hat,

2)   in weiterer Folge hat er im Zuge eines Handgemenges im Stiegenhaus vor der gegenständlichen Wohnung seine Lebensgefährtin B.B. vermutlich durch seinen Unterarm an der Nase verletzt, wodurch diese blutete,

er hat dadurch Dienstpflichtverletzungen gemäß § 43 Abs. 2 BDG i.V.m. § 91 BDG 1979 begangen.

Über den Beamten wird gem. § 92 Abs. 1 Zi 2 BDG die Disziplinarstrafe der Geldbuße im Ausmaß von € 2.000,- (in Worten zweitausend) verhängt.

Dem Beamten erwachsen keine Kosten aus dem Verfahren gemäß § 117 BDG.

B E G R Ü N D U N G

Der Verdacht, Dienstpflichtverletzungen begangen zu haben, gründet sich auf die Disziplinaranzeige der Dienstbehörde vom 28.04.2021 sowie den Erhebungen der LPD N.N.

Sachverhalt:

Am 05.01.2021 langte in der Personalabteilung der LPD N.N. ein Bericht ein, wonach der Beamte im Verdacht steht, Dienstpflichtverletzungen begangen zu haben:

Der Beamte war am 21.11.2020 mit seiner Lebensgefährtin Fr. B.B. und ihrem Sohn A.A. zu Besuch bei Fr. C.C. in Wien. In der Wohnung befanden sich außerdem Hr. D.D. und Hr. E.E. Im Laufe des Abends sei Karten gespielt und alkoholische Getränke konsumiert worden. Nachdem der 10-jährige A.A. dem Beamten gegenüber respektlos gewesen sei und ihn mit „Halt die Fresse“ beschimpft habe, habe der Beamte dem Buben mit der flachen Hand eine Ohrfeige verpasst.

Die anwesenden Erwachsenen seien daraufhin eingeschritten und hätten den Beamten aus der Wohnung gedrängt. Im Stiegenhaus sei es dann zu einer Rangelei zwischen dem Beamten und Fr. B.B. gekommen, wobei Fr. B.B. hierbei durch den Beamten - vermutlich durch seinen Unterarm - eine blutende Nase erlitten habe.

Der Beamte erlitt beim Vorfall ein „Cut“ am Hinterkopf. Weder er noch die Beteiligten konnten zur Entstehung dieser Verletzung konkrete Angaben machen.

Ein Alkovortest ergab ein Ergebnis von 0,88 mg/l.

Der Beamte befand sich zum Vorfallszeitpunkt aufgrund eines Bandscheibenvorfalles im Krankenstand.

Beweismittel:

a.       Aussagen:

B.B. gibt an, der Beamte habe sich von Anfang an gut mit ihren beiden Kindern vertragen und sei nie handgreiflich geworden. Am 21.11.2020 seien sie zu Fr. C.C. gefahren, um ihren Sohn abzuholen. Sie hätten in der Wohnung alkoholische Getränke konsumiert. Sie habe nur mitbekommen, dass ihr Sohn zu dem Beamten „Halt die Fresse“ gesagt habe, woraufhin der Beamte ihm mit der flachen Hand eine „Watsche“ gegeben habe. Dann habe ein komplettes Chaos, Geschreie und Geheule seitens der Kinder vorgeherrscht, woraufhin sie den Beamten aus der Wohnung gedrängt habe. Er habe weiter um sich geschlagen, geschrien und nicht gehen wollen. Im Stiegenhaus sei es dann zu einem Gerangel zwischen den beiden gekommen. Er habe mit seinen Händen um sich geschlagen und zurück in die Wohnung wollen. Nachdem Hr. D.D. dazugekommen sei, habe der Beamte auch auf diesen losgehen wollen. Im Zuge des Gerangels sei Fr. B.B. an der Nase verletzt worden und habe geblutet. Der Beamte habe sie jedoch sicher nicht mit Absicht verletzen wollen. Ihre Nase habe dann noch 1-2 Tage weh getan. Wie der Beamte sich seine Kopfverletzung zugezogen habe, könne sie nicht angeben.

A.A. gibt an, der Beamte sei zu ihm immer nett gewesen. Am 21.11.2020 habe der Beamte A.A. in einem komischen Ton nachgeäfft, woraufhin er „Halt die Fresse“ zu ihm gesagt habe. Der Beamte habe ihm dann mit der flachen Hand eine „Watsche“ verpasst. Bei der „Watsche“ habe auch ein Gegenstand (vermutlich ein Armband) seine Wange getroffen. Er habe dann in den oberen Stock müssen und habe deswegen vom weiteren Verlauf nichts mitbekommen.

C.C. gibt an, sie habe gesehen, dass der Beamte seine Hand gehoben habe und einen „Pumperer“ gehört. Sie habe dann den Beamten aufgefordert, die Wohnung zu verlassen, was er jedoch nicht befolgt habe. Hr. D.D. habe es dann geschafft, den Beamten ins Stiegenhaus zu befördern. Was dort passiert sei, habe sie nicht mitbekommen. Sie könne auch nicht angeben, wie sich der Beamte die Kopfverletzung zugezogen habe.

D.D. gibt an, das Verhalten des Beamten habe sich im Laufe des Abends ins Negative verändert, er sei Fr. B.B. gegenüber herablassend geworden. Er habe dann gesehen, dass der Beamte mit seiner Hand eine Bewegung gemacht habe und A.A. daraufhin in Richtung Treppenaufgang „geflogen“ sei, welcher ca. eineinhalb, zwei Meter entfernt sei. Da er sich Sorgen um Fr. B.B. gemacht habe, sei er den beiden ins Stiegenhaus gefolgt. Im Stiegenhaus habe der Beamte auch Hrn. D.D. schlagen wollen. Er habe ihn jedoch nur mit der Hand an der linken Schläfe gestreift, wodurch er nicht verletzt worden sei. Zur Kopfverletzung des Beamten könne er ebenfalls keine Angaben machen.

E.E. gibt an, er habe vom Vorfall (Watsche) nichts mitbekommen, da er sich am Balkon befunden habe. Der Beamte habe im Stiegenhaus lautstark geschimpft, da er zurück in die Wohnung wollte. Zur Verletzung des Beamten könne er keine Aussagen machen.

b.       Verletzungen

Hr. A.A. wurde noch am selben Abend im Spital ambulant behandelt. Laut Ambulanzkarte/amtsärztlichen Aktengutachten erlitt er eine Prellung des linken Jochbeines mit Bluterguss und Abschürfungen. Es handle sich um eine leichte Körperverletzung. Fr. B.B. erlitt Nasenbluten und leichte Schmerzen für ca. eine Woche. Sie begab sich laut eigenen Aussagen nicht in ärztliche Behandlung.

Die Verletzung des Beamten wurde im UKH gesäubert und abgebunden.

Maßnahmen:

Gegen den Beamten wurde durch die Ersteinschreiter ein Annäherungs- und Betretungsverbot gem. § 38a SPG ausgesprochen, welches am 22.11.2020 durch das PK N.N. bestätigt wurde.

Verantwortung:

Der Beamte gibt an, er sei am 21.11.2020 tagsüber bei Fr. B.B. und ihrem Sohn in der Wohnung gewesen. Mit A.A. sei das Verhältnis nicht so gut, da dieser sich respektlos verhalte. Gegen 19.00 Uhr seien sie nach N.N. gefahren, wo sie dann länger als geplant geblieben seien. Sie hätten Karten gespielt und alkoholische Getränke konsumiert. Er sei in der Küche gewesen, als A.A. etwas zu ihm geschimpft habe. Unmittelbar danach habe er A.A. mit der rechten Hand eine Ohrfeige verpasst. Es sei dann zu einer Rangelei mit den Erwachsenen gekommen, woraufhin er die Wohnung verlassen habe. Wie es zur blutigen Nase der Fr. B.B. gekommen sei, wisse er nicht. Er sei dann allein zum Aufzug und vor das Haus gegangen, wo ihn die Polizisten angesprochen hätten. Wie er zu seiner Verletzung gekommen sei, wisse er nicht mehr. Fr. B.B. sei ihm zum Aufzug nachgelaufen, es sei jedoch zu keiner Rangelei gekommen. Er könne sich auch nicht erinnern, dass er, wie von Hrn. D.D. behauptet, auf diesen hingeschlagen habe. Er habe ca. fünf Bier und ein paar Gläser Whisky getrunken. Beim Konsum von Alkohol erleide er Filmrisse. Inwiefern sich dadurch sein Wesen ändere, könne und wolle er nicht sagen. (Angemerkt wird, dass es bereits ähnliche polizeilich bekannte Vorfälle in Verbindung mit Alkohol gab). Ihm tue der Vorfall leid.

Ein Kind zu schlagen sei ein No-Go. Es werde sich nicht wiederholen.

Gerichtsverfahren

Zum angeführten Vorfall wurden vom Referat N.N. Erhebungen gepflogen und am 29.12.2020 ein Abschlussbericht der StA übermittelt. Seitens der StA wurde das Verfahren gem. § 203 StPO unter Setzung einer Probezeit von 2 Jahren beendet.

Mündliche Disziplinarverhandlung:

Mit Bescheid vom 19.05.2021 wurde das ordentliche Disziplinarverfahren eingeleitet und die mündliche Verhandlung nach Beendigung des Gerichtsverfahrens für 04.10.2021 anberaumt und durchgeführt.

Der Senat hat dazu erwogen:

Zum Schuldspruch:

Der Senat ist nach Durchführung des Beweisverfahrens zu dem Erkenntnis gelangt, dass der Beamte die ihm vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen schuldhaft begangen hat.

Der Vorwurf lautet dahingehend, dass der Beamte den minderjährigen Sohn seiner damaligen Lebensgefährtin als auch die Frau selbst geschlagen hat.

Die Feststellungen ergeben sich aus der eindeutigen Aktenlage, sowie aus den Ausführungen des Beamten.

Gem. § 95 Abs. 2 BDG ist der Senat nur an ein rechtskräftiges Urteil eines Straf- oder Verwaltungsgerichtes gebunden und an dessen Tatsachenfeststellungen.

Seitens der StA wurde das Verfahren gem. § 203 StPO unter Setzung einer Probezeit von 2 Jahren beendet. Diese Einstellung ändert jedoch nichts an der disziplinarrechtlichen Verantwortung des Beamten.

Verdacht einer Dienstpflichtverletzung nach § 43 Abs. 2 BDG

Gemäß § 43 Abs. 2 BDG ist der Beamte verpflichtet, in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit, aber auch des Dienstgebers in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt. Diese Pflicht verletzt der Beamte immer dann, wenn er durch ein inner- oder außerdienstliches Verhalten bei Dritten Bedenken dagegen auslöst, dass er bei der Vollziehung immer rechtmäßig vorgehen werde und damit seine Glaubwürdigkeit einbüßt. Das von dieser Bestimmung geschützte Rechtsgut liegt nach Auffassung des VwGH in der allgemeinen Wertschätzung, die das Beamtentum in der Öffentlichkeit genießt, damit in der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und des dafür erforderlichen Ansehens der Beamtenschaft (VwGH 24.11.1997, 95/09/0348; 15.12.1999, 98/09/0212; 18.4.2002, 2000/09/0176); insofern stellt § 43 Abs. 2 BDG auch eine für alle Beamten gemeinsame Verhaltensrichtlinie dar (VwGH 28.7.2000, 97/09/0324; 16.10.2001, 2000/09/0012) und wird von keinem anderen Tatbestand des Dienstrechts abgedeckt. Wie der Verwaltungsgerichtshof zu § 43 Abs. 2 BDG 1979 bereits wiederholt ausgesprochen hat, lassen die Worte 'in seinem gesamten Verhalten' den Schluss zu, dass hierdurch nicht nur das Verhalten im Dienst gemeint ist, sondern auch außerdienstliches Verhalten, wenn Rückwirkungen auf den Dienst entstehen (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 29.6.1989, Zl.86/09/0164, sowie vom 31.5.1990, Zl. 86/09/0200 = Slg. N.F. Nr. 13.213/A). Dieser sogenannte Dienstbezug ist dann gegeben, wenn das Verhalten des Beamten bei objektiver Betrachtung geeignet ist Bedenken auszulösen, er werde seine dienstlichen Aufgaben - das sind jene konkreten ihm zur Besorgung übertragenen Aufgaben (besonderer Funktionsbezug), aber auch jene Aufgaben, die jedem Beamten zukommen - nicht in sachlicher (rechtmäßig und korrekt sowie unparteiisch und in uneigennütziger) Weise erfüllen (vgl. dazu z.B. Schwabel/Chilf, Disziplinarrecht der Bundesbeamten, Landeslehrer und Soldaten, zweite Auflage, Fußnote 17 zu § 43 BDG, Seite 7 f). Dabei ist von einer typischen Durchschnittsbetrachtung auszugehen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof schon mehrfach entschieden hat, ist eine Verletzung der Pflicht zur Vertrauenswahrung immer dann anzunehmen, wenn der Beamte ein Rechtsgut verletzt, mit dessen Schutz er im Rahmen seiner dienstlichen Aufgaben betraut ist (z.B.: VwGH 24.2.1995, 93/09/0418; 15.12.1999, 98/09/0212).

Bei Rechtsverletzungen, die außer Dienst oder ohne Zusammenhang mit der dienstlichen Tätigkeit erfolgen, ist grundsätzlich darauf abzustellen, ob der Schutz des betreffenden Rechtsgutes zu den Berufspflichten des Beamten gehört.

Dies liegt im gegenständlichen Fall vor, da gerade ein Exekutivbeamter die Normen des StGB zu schützen und für deren Einhaltung zu sorgen hat. Diese Bereiche gehören zweifelsohne zu den Kernaufgaben eines Polizisten.

Der Beamte hat sohin in zivil und außer Dienst eine Körperverletzung begangen und liegt somit eine Dienstpflichtverletzung gemäß § 43 Abs. 2 BDG vor.

Aggressionen im häuslichen Bereich und körperliche Übergriffe betreffen die Kernaufgaben eines Exekutivbediensteten. Jeder Polizist sollte darüber erhaben sein und sollte es vor allem besser wissen, welche Auswirkungen ein derartiges Verhalten für einen Polizisten hat bzw. haben kann. Zudem hat dieses Verhalten nicht nur negative Folgen für die Akzeptanz des Beamten als Kollege, sondern wirft vor allem in der öffentlichen Wahrnehmung ein bedenkliches Bild auf den Beamten und letztlich auch den Zustand der Polizei selbst.

Strafbemessungsgründe gemäß § 93 BDG:

Gemäß § 93 Abs. 1 BDG 1979 ist das Maß für die Höhe der Strafe die Schwere der Dienstpflichtverletzung; dabei ist jedoch darauf Bedacht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich ist, um den Disziplinarbeamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Zu berücksichtigen sind aber auch die bisherigen dienstlichen Leistungen, sowie sein Verhalten im Dienststand und die Qualität der bisherigen Dienstleistung. Der erkennende Senat hat sich nach der jüngsten Judikatur des VwGH jedenfalls ein umfassendes Bild des Disziplinarbeamten zu machen und dann eine Prognose zu stellen, inwieweit und in welchem Ausmaß eine Bestrafung notwendig ist. Für die Schwere der Dienstpflichtverletzung ist nicht nur maßgebend, in welchem objektiven Ausmaß gegen Dienstpflichten verstoßen, oder der Dienstbetrieb beeinträchtigt wurde, sondern es muss die Bestrafung grundsätzlich in einem angemessenen Verhältnis zum Unrechtsgehalt der Verfehlung stehen und sie muss spezial- und generalpräventiv erforderlich sein. Innerhalb des Schuldrahmens darf keine strengere Strafe verhängt werden, als sie aus Gründen der Spezialprävention notwendig erscheint (vgl. Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten3, 78 ff und ihr folgend das Erkenntnis des verstärkten Senates des VwGH vom 14.11.2007, 2005/09/0115).

Maßstab für die Strafbemessung ist vor allem das Verschulden des Disziplinarbeamten in der konkreten Situation und dieses verlangt aus spezialpräventiven Gründen eine Sanktion. Als Strafrahmen sah der Senat deshalb eine Geldbuße im oberen Bereich als ausreichend an. Aus generalpräventiven Gründen muss den Kollegen vor Augen geführt werden, dass derartiges Fehlverhalten bedingungslos sanktioniert wird.

Im konkreten Fall war jedoch das Geständnis, die Schadensgutmachung sowie die freiwilligen Therapien als mildernd zu werten.

Erschwerend wirkten 2 Dienstpflichtverletzungen, die schwerste Dienstpflichtverletzung ist wohl das Strafrechtsdelikt der Körperverletzung am Kind.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zuletzt aktualisiert am

13.12.2021
Quelle: Disziplinarkommissionen, Disziplinaroberkommission, Berufungskommission Dok, https://www.ris.bka.gv.at/Dok
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