TE Vwgh Erkenntnis 1996/11/7 96/06/0169

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Veröffentlicht am 07.11.1996
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Index

L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Steiermark;
L82000 Bauordnung;
L82006 Bauordnung Steiermark;
L82306 Abwasser Kanalisation Steiermark;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

ABGB §364 Abs2;
AVG §8;
BauO Stmk 1968 §44 Abs2;
BauO Stmk 1968 §57 Abs1 litf;
BauO Stmk 1968 §61 Abs2 litk;
BauO Stmk 1968 §61 Abs2;
BauRallg;
KanalG Stmk 1988 §4 Abs5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, über die Beschwerde der R in H, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 6. Mai 1996, Zl. 03-12.10 R 27 - 96/1, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. M in R, 2. Gemeinde R, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der zweitmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 4.240,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Über Ansuchen des Erstmitbeteiligten vom 20. Mai 1994 um Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung einer Steinmauer mit Aufschüttung und Teich fand am 15. Juni 1994 eine mündliche Bauverhandlung statt. Zu dieser war der Ehemann der Beschwerdeführerin als Anrainer geladen, nicht jedoch die Beschwerdeführerin, die Hälfteeigentümerin des an das Bauvorhaben angrenzenden Grundstückes ist. Nach Vorlage eines baugeologischen Gutachtens durch den Erstmitbeteiligten erteilte der Bürgermeister der zweitmitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 5. September 1994 die beantragte Baubewilligung. Die Abstände der Stützmauer zum Grundstück der Beschwerdeführerin wurden ostseitig mit 0,35 m und westseitig mit 0,70 m festgesetzt. Hinter der Stützmauer im Bereich der Aufschüttung sollte der Teich errichtet werden. Dieser Bescheid wurde dem Erstmitbeteiligten sowie dem Ehemann der Beschwerdeführerin und zwei weiteren Anrainern am 7. September 1994 zugestellt.

Mit der am 23. August 1995 bei der mitbeteiligten Gemeinde eingelangten Eingabe führte die Beschwerdeführerin aus, sie sei gemeinsam mit ihrem Ehemann zur Hälfte Eigentümerin des an das gegenständliche Bauvorhaben angrenzenden Grundstückes. Die erforderliche Genehmigung sei nachträglich mit Bescheid vom 5. September 1994 erteilt worden, obwohl vom Ehemann der Beschwerdeführerin und anderen Nachbarn in der Verhandlung vom 15. Juni 1994 durchaus berechtigte Einwendungen gegen das Bauprojekt erhoben worden seien. Die Beschwerdeführerin sei als übergangene Partei anzusehen, beantrage die Zustellung des Bescheides vom 5. September 1994 und erhebe unter einem gegen diesen Bescheid die Berufung, in der sie ausführe, daß der Bescheid in seinem ganzen Umfang angefochten werde, da das gegenständliche Bauobjekt nicht projektgemäß errichtet worden sei. Es sei daher nicht auszuschließen, daß die Liegenschaft der Beschwerdeführerin unter bestimmten witterungsbedingten Einflüssen durch das gegenständliche Projekt Schaden erleide. Davon abgesehen sei der Dammfuß des Biotopes über die Grundgrenze und somit auf der Liegenschaft der Beschwerdeführerin aufgeschüttet worden. Die mitbeteiligte Gemeinde möge als Berufungsbehörde der Berufung Folge geben, den Bescheid vom 5. September 1994 "außer Kraft setzen" und eine neuerliche Verhandlung an Ort und Stelle unter Ladung der Beschwerdeführerin durchführen.

In der Folge wurde der Beschwerdeführerin der Bescheid vom 5. September 1994 zugestellt.

Im Berufungsverfahren holte der Gemeinderat die Stellungnahme des D.I. G.M. vom 11. Jänner 1996 ein, der ausführte, aufgrund der in der Natur noch teilweise vorhandenen Grenzzeichen seien die Vermessungspunkte 202, 505 und 508 sowie 509 überprüft worden. Die Überprüfung habe ergeben, daß sich alle überprüften Grenzpunkte weit innerhalb der amtlichen Punktelagengenauigkeit von plus/minus 15 cm befänden. Nach einer von diesem Sachverständigen beigelegten Skizze liegt die Stützmauer hinter diesen Grenzpunkten.

Mit Bescheid vom 23. Februar 1996 wies der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 5. September 1994 ab. Begründend wurde ausgeführt, ein Rechtsanspruch auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung stehe dem übergangenen Nachbarn nicht zu, gemäß § 71a der Steiermärkischen Bauordnung könnten Parteien, die in einem Verfahren über die Erteilung einer Widmungs- oder Baubewilligung nicht in der Lage gewesen seien, ihre Rechte geltend zu machen, das noch fünf Jahre ab dem Eintritt der Rechtskraft der Benützungbewilligung tun. Eine projektgemäße Ausführung könne nicht Gegenstand des Baubewilligungsverfahrens sein, das naturgemäß ein Projektgenehmigungsverfahren sei. Es sei ein baugeologisches Gutachten vom 7. Mai 1994 vorgelegen, aus dem unzweifelhaft ersichtlich sei, daß eine mehrfach ausreichende Sicherheit der Böschung vorliege. Die Mauer wirke wie eine Futtermauer und diene lediglich dem Schutz der Oberfläche gegen Erosion, Auflockerung infolge Frosteinwirkung und ähnlich schädlichen Einwirkungen. Weiters ergebe sich aus der Lagefeststellung durch den Sachverständigen D.I. G.M. vom 11. Jänner 1996, daß die Stützmauer hinter dem eigenen Zaunsockel errichtet sei und somit auch das Vorbringen der Beschwerdeführerin, der Dammfuß des Biothopes sei über diese Grundgrenze geschüttet, rein faktisch nicht möglich sei.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Vorstellung der Beschwerdeführerin hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 6. Mai 1996 abgewiesen. Es ergebe sich aus den Unterlagen, daß das konkrete, zu bewilligende Projekt aufgrund der Pläne bewilligungsfähig sei, sollten tatsächlich Abweichungen zwischen der Ausführung und der erteilten Bewilligung vorliegen, so könnte dies allenfalls Gegenstand eines baupolizeilichen Verfahrens bilden. Mit der bloßen Behauptung, daß Grenzpunkte "gewandert seien", könne ein von einem Sachverständigen erstelltes Gutachten, das mit den Erfahrungen des Lebens und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch stehe, nicht in seiner Beweiskraft erschüttert werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und, ebenso wie die zweitmitbeteiligte Partei, in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zunächst ist festzustellen, daß dem übergangenen Nachbarn im Baubewilligungsverfahren nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kein Recht auf Wiederholung einer mündlichen Verhandlung zukommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Februar 1984, Zl. 05/2780/80, BauSlg. Nr. 186, u.v.a.); auf diese Rechtsprechung wurde sowohl im Berufungsbescheid des Gemeinderates als auch im angefochtenen Bescheid hingewiesen. Die Beschwerdeführerin hatte die Möglichkeit, in ihrer Berufung und im Rahmen des Berufungsverfahrens konkrete Einwendungen gegen das Bauvorhaben des Erstmitbeteiligten zu erheben. Auch in einem derartigen Fall ist die Berufung abzuweisen, wenn die Einwendungen nicht berechtigt sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1983, Zl. 83/06/0114, BauSlg. Nr. 162).

Das Baubewilligungsverfahren ist, auch wenn es sich um die Erteilung einer nachträglichen Baubewilligung handelt, stets ein Projektgenehmigungsverfahren. Die Behörde hat zu überprüfen, ob das eingereichte Projekt bewilligungsfähig ist. Zutreffend wies schon die belangte Behörde in der Begründung ihres Bescheides darauf hin, daß allfällige Abweichungen vom bewilligten Projekt vom Nachbarn nicht im Baubewilligungsverfahren geltend gemacht werden können, sondern dies allenfalls Gegenstand eines baupolizeilichen Beseitigungsauftrages sein kann.

Mit dem Baubewilligungsbescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 5. September 1994 ist keine Aufschüttung auf dem Grundstück der Beschwerdeführerin bewilligt worden. Eine derartige Aufschüttung ist auch den Plänen, die einen Bestandteil dieser Baubewilligung bilden und mit dem Genehmigungsvermerk des Bürgermeisters vom 5. September 1994 versehen sind, nicht zu entnehmen. Damit gehen aber die diesbezüglichen Ausführungen der Beschwerdeführerin ins Leere.

Im gegenständlichen Verfahren war lediglich zu prüfen, ob durch die genehmigte Aufschüttung (als solche) subjektive Rechte der Beschwerdeführerin verletzt wurden, wobei gemäß § 119 Abs. 2 des Steiermärkischen Baugesetzes, LGBl. Nr. 59/1995, die bisher geltenden Bestimmungen anzuwenden waren.

Diese Frage hat die belangte Behörde im Ergebnis zutreffend verneint, da sich insbesondere hinsichtlich des Wasserabflusses zwar aus § 57 Abs. 1 lit. f der Steiermärkischen Bauordnung 1968 eine Verpflichtung der Behörde ergeben mag, eine Beeinträchtigung der Nachbarn durch abfließendes Wasser zu verhindern (vgl. Hauer, Steiermärkisches Baurecht2, Anmerkung 19 zu § 57, Seite 157), der Steiermärkische Landesgesetzgeber es jedoch unterlassen hat, das entsprechende, nicht zu leugnende Interesse der Nachbarn durch Aufnahme in den Katalog des § 61 Abs. 2 der Steiermärkischen Bauordnung zu einem subjektiv-öffentlichen Recht zu machen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. April 1995, Zl. 93/06/0007). Wie sich aus § 61 Abs. 2 lit. k Steiermärkische Bauordnung ergibt, besteht kein subjektiv-öffentliches Recht des Nachbarn auf Vermeidung von Immissionen schlechthin. Gemäß dieser Regelung gewähren vielmehr nur die dort genannten Bestimmungen ein subjektiv-öffentliches Recht im Zusammenhang mit der Abwehr von Immissionen. Die bewilligte Aufschüttung stellt jedoch keine der in § 44 Abs. 2 leg. cit. genannten Anlagen dar, sodaß insofern aus dieser Bestimmung keine subjektiv-öffentlichen Rechte bezüglich einer Geländeveränderung abgeleitet werden können. Auch § 44 Abs. 2 in Verbindung mit § 61 Abs. 2 lit. k leg. cit. vermittelt somit kein subjektives Recht auf Schutz vor Immissionen, die infolge einer Geländeaufschüttung entstehen können (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis vom 20. April 1995 und die dort zitierte Vorjudikatur des Verwaltungsgerichtshofes). Schon aus diesem Grund ist die Beschwerdeführerin insofern nicht in einem subjektiven Recht verletzt. Es bleibt ihr jedoch gegebenenfalls die gerichtliche Geltendmachung der sich aus § 364 Abs. 2 ABGB ergebenden Rechte unbenommen.

Da die behaupteten Rechtsverletzungen sohin nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, hinsichtlich der mitbeteiligten Gemeinde im Rahmen des Kostenbegehrens.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996060169.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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