Entscheidungsdatum
07.09.2021Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
W254 1218361-3/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr.in Tatjana CARDONA über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Iran gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.05.2019, Zahl: XXXX zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass der Spruch des Bescheides zu lauten hat: „Dem Antrag auf Verlängerung der Karte für Geduldete wird gemäß § 46a Abs. 1 und Abs. 5 FPG stattgegeben. Die Karte für Geduldete wird für ein weiteres Jahr verlängert.“.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
XXXX (in Folge: Beschwerdeführer), ein iranischer Staatsangehöriger, stellte am 09.06.2000 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Im Berufungsverfahren vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat wurde dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 28.05.2004 Asyl gewährt und kraft Gesetzes festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft zukomme.
Mit Bescheid vom 09.02.2017 wurde dem Beschwerdeführer der zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 aberkannt und festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt (Spruchpunkt I.). Sogleich wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs 3a iVm § 9 Abs 2 AsylG 2005 nicht zuerkannt und festgestellt, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Iran gemäß § 8 Abs 3a iVm § 9 Abs 2 AsylG 2005 unzulässig ist (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III).
Begründend wurde ausgeführt, dass aufgrund der Verurteilungen wegen Übertretungen nach dem Suchtmittelgesetz der Asylstatus aberkannt werde. Es könne aber nicht ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr in den Iran aufgund der Zugehörigkeit zu einer kommunistischen Grupppierung staatlicher Repressionen sowie drakonischer Strafen ausgesetzt sein werde. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers sei im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs 1 Z 2 FPG 2005 geduldet.
Gegen den Aberkennungsbescheid erhob der Beschwerdeführer das Rechtsmittel der Beschwerde gegen alle Spruchpunkte – mit Ausnahme des zweiten Satzes des Spruchpunktes II. –, das mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.04.2017, L508 1218361-2 als unbegründet abgewiesen wurde. In der Begründung wurde dem BFA beigepflichtet, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers gem. § 46a Abs. 1 Z 2 FPG geduldet sei.
Dem Beschwerdeführer wurde die „Karte für Geduldete“ mit Gültigkeit bis 28.11.2018 am 04.12.2017 übermittelt.
Mit Schreiben vom 19.03.2018 wurde der Beschwerdeführer von der Behörde vom Ergebnis einer Beweisaufnahme zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung und einem Einreiseverbot informiert und zur Stellungnahme aufgefordert.
Am 11.04.2018 gab der Beschwerdefüher eine schriftliche Stellungnahme ab.
Am 19.12.2018 stellte der Beschwerdeführer den gegenständlichen Antrag auf Verlängerung einer Duldungskarte nach § 46a Abs 5 FPG 2005. Begründend führte er an, bereits eine Karte für Gedultete zu haben und dass mit Bescheid festgestellt worden sei, dass die Voraussetzungen für die Duldung vorlägen.
Mit Schreiben vom 27.03.2019 wurde der Beschwerdeführer von der belangten Behörde vom Ergebnis der Beweisaufnahme verständigt und zur Stellungnahme aufgefordert. Am 17.04.2019 gab der Beschwerdeführer eine schriftliche Stellungnahme zur Beweisaufnahem der belangten Behörde ab.
Mit im Spruch bezeichneten Bescheid wurde der gegenständliche Antrag auf Verlängerung der Karte für Geduldete gem. § 46a Abs 5 iVm Abs 1 Z 2 FPG 2005 abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Voraussetzungen für eine Duldung nicht mehr vorlägen, weil der Beschwerdeführer geschieden sei, ein erwachsenes Kind habe und kein Abhänigkeitsverhältnis festgestellt wurde. Sein Familienleben sei nicht mehr zu schützen. Zudem wurde er in Österreich insgesamt fünf Mal rechtskräftig wegen der Begehung diverser Strafrechtsdelikte verurteilt. Der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 08.05.2019 zugestellt.
Mit am 04.06.2019 bei der Behörde eingebrachtem Schriftsatz wurde gegen den Bescheid innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.
Die Beschwerde wurde samt dem bezugnehmenden Verwaltungsakt am 12.06.2019 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt und – nach einer entsprechenden Abnahme – am 03.08.2020 der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung zugeteilt.
Zuletzt wurde am 19.11.2020 Einsichten in den Datenbanken (Zentrales Meldesregister, Grundversorgungsionformationssystem, Zentrales Fremdenregister und Strafregisterauskunft) genommen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die rechtzeitige und zulässige Beschwerde erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der Beschwerdeführer ist ein volljähriger iranischer Staatsangehöriger, dem nach einem Antrag auf internationalen Schutz am 09.06.2000, im Berufungsverfahren vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat mit Bescheid vom 28.05.2004 Asyl gewährt wurde. Er ist seit über 20 Jahren in Österreich aufhältig. In Österreich wurde er rechtskräftig wegen der Begehung diverser Strafrechtsdelikte veruteilt und hat zurzeit eine Haftstrafe in der JA Simmering zu verbüßen. Er spricht Kurdisch und Farsi.
1.2. Dem Beschwerdeführer wurde mittels Bescheid vom 09.02.2017 der zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 aberkannt und festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt. Sogleich wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs 3a iVm § 9 Abs 2 AsylG 2005 nicht zuerkannt und festgestellt, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Iran gemäß § 8 Abs 3a iVm § 9 Abs 2 AsylG 2005 unzulässig ist.
Der Aufenthalt des Beschwerdeführers ist im Bundesgebiet laut rechtskräftigen Bescheid gemäß § 46a Abs 1 Z 2 FPG 2005 geduldet.
Der Beschwerdeführer war in Besitz einer „Karte für Gedultete“, ausgestellt am 29.11.2017 und gültig bis 28.11.2018
1.3. Der Beschwerdeführer hat am 19.12.2018 einen Antrag auf Verlängerung einer Duldungskarte nach § 46a Abs 5 FPG 2005 gestellt, der mit im Spruch bezeichneten Bescheid hinsichtlich der Verlängerung seiner Karte für Gedultete abgewiesen wurde. Der Bescheid wurde am 08.05.2019 zugestellt.
Dagegen richtet sich die am 04.06.2019 bei der Behörde eingebrachte Beschwerde.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus dem zweifelsfreien Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zu A) Stattgabe der Beschwerde:
3.1.1. Zu den rechtlichen Grundlagen
§ 46a FPG lautet:
"(1) Der Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet ist zu dulden, solange
1. deren Abschiebung gemäß §§ 50, 51 oder 52 Abs. 9 Satz 1 unzulässig ist, vorausgesetzt die Abschiebung ist nicht in einen anderen Staat zulässig;
2. deren Abschiebung gemäß §§ 8 Abs. 3a und 9 Abs. 2 AsylG 2005 unzulässig ist;
3. deren Abschiebung aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenen Gründen unmöglich erscheint oder
4. die Rückkehrentscheidung im Sinne des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG vorübergehend unzulässig ist;
es sei denn, es besteht nach einer Entscheidung gemäß § 61 weiterhin die Zuständigkeit eines anderen Staates oder dieser erkennt sie weiterhin oder neuerlich an. Die Ausreiseverpflichtung eines Fremden, dessen Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß Satz 1 geduldet ist, bleibt unberührt.
(2) Die Duldung gemäß Abs. 1 Z 3 kann vom Bundesamt mit Auflagen verbunden werden; sie endet jedenfalls mit Wegfall der Hinderungsgründe. Die festgesetzten Auflagen sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) während des anhängigen Verfahrens mitzuteilen; über sie ist insbesondere hinsichtlich ihrer Fortdauer im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen. § 56 gilt sinngemäß.
(3) Vom Fremden zu vertretende Gründe (Abschiebungshindernisse) liegen jedenfalls vor, wenn er
1. seine Identität verschleiert,
2. einen Ladungstermin zur Klärung seiner Identität oder zur Einholung eines Ersatzreisedokumentes nicht befolgt oder
3. an den zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes notwendigen Schritten nicht mitwirkt oder diese vereitelt.
(4) Bei Vorliegen der Voraussetzungen nach Abs. 1 hat das Bundesamt von Amts wegen oder auf Antrag eine Karte für Geduldete auszustellen. Im Antrag ist der Grund der Duldung gemäß Abs. 1 Z 1, 2, 3 oder 4 zu bezeichnen. Die Karte dient dem Nachweis der Identität des Fremden im Verfahren vor dem Bundesamt und hat insbesondere die Bezeichnungen "Republik Österreich" und "Karte für Geduldete", weiters Namen, Geschlecht, Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit, Lichtbild und Unterschrift des Geduldeten sowie die Bezeichnung der Behörde, Datum der Ausstellung und Namen des Genehmigenden zu enthalten. Die nähere Gestaltung der Karte legt der Bundesminister für Inneres durch Verordnung fest.
(5) Die Karte für Geduldete gilt ein Jahr beginnend mit dem Ausstellungsdatum und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 über Antrag des Fremden für jeweils ein weiteres Jahr verlängert. Die Karte ist zu entziehen, wenn
1. deren Gültigkeitsdauer abgelaufen ist;
2. die Voraussetzungen der Duldung im Sinne des Abs. 1 nicht oder nicht mehr vorliegen;
3. das Lichtbild auf der Karte den Inhaber nicht mehr zweifelsfrei erkennen lässt oder
4. andere amtliche Eintragungen auf der Karte unlesbar geworden sind.
Der Fremde hat die Karte unverzüglich dem Bundesamt vorzulegen, wenn die Karte entzogen wurde oder Umstände vorliegen, die eine Entziehung rechtfertigen würden. Wurde die Karte entzogen oder ist diese vorzulegen, sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und das Bundesamt ermächtigt, die Karte abzunehmen. Von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes abgenommene Karten sind unverzüglich dem Bundesamt vorzulegen.
(6) Der Aufenthalt des Fremden gilt mit Ausfolgung der Karte als geduldet, es sei denn das Vorliegen der Voraussetzungen nach Abs. 1 wurde bereits zu einem früheren Zeitpunkt rechtskräftig festgestellt. Diesfalls gilt der Aufenthalt ab dem Zeitpunkt der Rechtskraft der Feststellung als geduldet."
3.1.2. Für den vorliegenden Fall bedeutet das:
Mit dem den Beschwerdeführer betreffenden Aberkennungsbescheid wurde ausgesprochen, dass gemäß § 8 Abs 3a iVm § 9 Abs 2 AsylG 2005 die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Iran gemäß § 8 Abs 3a iVm § 9 Abs 2 AsylG 2005 unzulässig ist. Wenn die Schutzbedürftigkeit trotz Aberkennung des Status weiter vorliegt, verbietet Art. 3 EMRK die Abschiebung eines Fremden in sein Herkunftsland. § 46a Abs. 1 Z 2 FPG sieht für diesen Fall explizit vor, dass der Aufenthalt in einem solchen Fall zu dulden ist. Die Feststellungen und Begründungen der belangten Behörde entsprechen daher nicht der Rechtslage.
Liegen die materiellen Voraussetzungen für eine Duldung vor, so verfügt der Beschwerdeführer über einen Rechtsanspruch auf Ausstellung einer Karte für Geduldete.
Da eine Abschiebung des Beschwerdeführers aufgrund drohender Verletzungen des Refoulmentverbotes unzulässig ist und er ex lege gemäß § 46a Ab. 1 Z 2 FPG gedulded ist, hat das Bundesamt für Fremdenwesn und Asyl dem Beschwerdeführer eine Karte für Geduldete für die Gültigkeitsdauer von einem Jahr auszustellen.
3.2. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann - soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist - das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.
Auch nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt unbestritten und die Rechtsfrage nicht von besonderer Komplexität ist (VfSlg. 17.597/2005; VfSlg. 17.855/2006; zuletzt etwa VfGH 18.6.2012, B 155/12). Es stand bereits auf Grund der Aktenlage fest, dass der Beschwerde stattzugeben war. Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte daher im gegenständlichen Fall unterbleiben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 24/2020 (in Folge: VwGG), hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 24/2020 (in Folge: B-VG) zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Der Rechtsanspruch auf Ausstellung einer Karte für Geduldete ergibt sich aus der eindeutigen Rechtslage. Im Hinblick auf diese eindeutige Rechtslage liegt daher trotz Fehlens einer Rechtsprechung des VwGH keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vor (vgl. den B vom 25. November 2015, Ra 2015/06/0113, mwN).
Schlagworte
Asylaberkennung Duldung Karte für Geduldete Rechtsanspruch unzulässige Abschiebung Verlängerungsantrag VoraussetzungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W254.1218361.3.00Im RIS seit
13.12.2021Zuletzt aktualisiert am
13.12.2021