TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/13 W161 2243038-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.09.2021
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Entscheidungsdatum

13.09.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §70 Abs3

Spruch


W161 2243038-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Monika LASSMANN als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Serbien, vertreten durch BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.04.2021, Zl. 1183166708/210434264 zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass in Spruchpunkt I. die Dauer des Aufenthaltsverbotes auf
1 Jahr herabgesetzt wird. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Am 24.02.2021 regte der Magistrat Klagenfurt als Niederlassungs- und Aufenthaltsbehörde beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Kärnten (im Folgenden „BFA“), eine Überprüfung zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gemäß § 55 NAG an, da die Voraussetzungen für eine Aufenthaltskarte gemäß § 54 NAG bei der nunmehrigen Beschwerdeführerin (im Folgenden „BF“) nicht (mehr) vorlägen und fügte unter anderem eine beglaubigte Übersetzung des Scheidungsurteiles vom 18.09.2019, rechtskräftig seit 04.12.2019, bei. Begründet wurde dies damit, dass die BF am 02.03.2018, infolge der am XXXX .2018 mit dem ungarischen Staatsangehörigen XXXX geschlossenen Ehe, einen Antrag auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte gestellt habe. Sie sei jedoch bereits wieder am 07.08.2018 aus der ehelichen Wohnung ausgezogen und XXXX habe am XXXX .2018 die Scheidungsklage eingebracht, woraufhin die Ehe seit dem XXXX .2019 geschieden sei und somit keine drei Jahre bestanden habe.

2. Die LPD Kärnten und der Magistrat Klagenfurt teilten am 31.03.2021 sowie am 01.04.2021 auf Anfrage des BFA mit, dass keine Verwaltungsstrafen in den Bereichen Fremden- und Grenzpolizei, Bau- sowie Gewerberecht bezüglich der BF aufscheinen würden.

3. Das BFA fragte beim Magistrat Klagenfurt weiters an, ob eine Mitteilung an die LPD nach § 109 FPG erfolgt sei, da laut Scheidungsurteil XXXX , nach dem die BF aus dem gemeinsamen Haushalt ausgezogen sei, aus Nachrichtenverläufen in Erfahrung gebracht habe, dass diese ihn nur zur Erlangung eines Aufenthaltsrechts geheiratet habe und dies im Urteil unwidersprochen geblieben sei. Der BF wäre bewusst gewesen, dass diese ihr Aufenthaltsrecht in Österreich infolge der Scheidung verlieren würde, wodurch der Tatbestand des § 117 FPG offensichtlich erfüllt sei. Der Magistrat teilte dem BFA daraufhin mit, dass er nicht von einer Tatbestandsverwirklichung ausgehe, da nicht erwiesen sei, dass eine Aufenthaltsehe vorliege. Aus dem Scheidungsurteil sei lediglich eine Behauptung des XXXX zu erkennen, zudem seien Unstimmigkeiten in seinen Aussagen hinsichtlich seiner Berufstätigkeit vorhanden.

Am 08.04.2021 erfolgte seitens des BFA die Mitteilung nach § 109 FPG an die LPD Klagenfurt wegen des Verdachts des einseitigen Eingehens einer Aufenthaltsehe gemäß § 117 FPG.

4. Im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme am 22.04.2021 teilte die BF im Wesentlichen mit, dass sie keine Kenntnis über das Scheidungsverfahren gehabt, daran nicht teilgenommen und das Scheidungsurteil über Bekannte in Serbien erhalten habe. Es sei ihr nicht bewusst, dass sie zu Unrecht in Österreich aufhältig gewesen sei. Ihr Ex-Ehemann habe als Zustelladresse die ehemalige gemeinsame Wohnadresse in Österreich angegeben und sie vermute, dass er die Ladung für die Scheidungsverhandlung vor ihr verheimlicht habe. Es habe seit dem Zuzug bereits Streitereien gegeben und habe er ihr immer wieder mit der Scheidung und dem daraus resultierenden Verlust ihres Aufenthaltsrechtes gedroht. Nachdem er im Dezember 2018 aus Serbien zurückgekommen wäre und von dem Scheidungsverfahren berichtet hätte, habe sie beim Bezirksgericht nachgefragt und einen Rechtsbeistand kontaktiert und diesen bevollmächtigt. Als sie das Honorar in Höhe von 1.000,- Euro nicht habe bezahlen können, habe sie nichts weiter darüber erfahren. Sie gehe derzeit, wie bereits in Serbien, einer Erwerbstätigkeit als Reinigungskraft nach. In Baden bei Wien würden ihre Tochter und Schwiegersohn, beide serbische Staatsangehörige sowie ihre Enkeltochter leben, dies seien die einzigen Familienangehörigen in Österreich. In Serbien sei sie Eigentümerin eines Hauses und würden dort, neben ihren Eltern, ihr verheirateter Sohn leben. XXXX habe sie ein Jahr vor der Hochzeit am XXXX .2018, somit im Februar 2017, über das Portal „Facebook“ kennen gelernt. Er sei ungarischer Staatsangehöriger, der im Ausland arbeite und in seiner Freizeit nach Serbien fahre. Er habe sie angeschrieben, woraufhin sie etwa 14 Tage später zu ihm gefahren sei, um ihn, sein Kind und seine Mutter kennenzulernen. Er habe dann die Eheschließung vorgeschlagen, damit alle vier in Österreich, wo er seiner Arbeit nachgehe, zusammenleben könnten. In Österreich habe sich dann aber herausgestellt, dass das Zusammenleben nicht wirklich passen würde, dies habe sich mit dem Zuzug seiner Mutter und seines Sohnes verschlimmert, bis sie letztendlich eine Arbeit gefunden und ausziehen habe können. Die BF, ihr Ex-Ehemann und sein Sohn hätten zunächst in der XXXX gewohnt, bis sie schließlich in eine größere Wohnung in Klagenfurt, XXXX gezogen seien, in welche die Mutter des Ex-Ehemannes im Oktober 2019 gefolgt sei. Sie habe vor diesem Umzug bereits in einem Unternehmen gearbeitet, dieses sei jedoch insolvent geworden. Mittlerweile sei sie seit 09.07.2019 in XXXX behördlich gemeldet. Sie habe trotz der von Anfang an bestandenen Probleme nicht nach Serbien zurückkehren können, da ihr Ex-Ehemann ihr nach ihrer Ankunft in Österreich den Reisepass sowie weitere Dokumente weggenommen und ihr mit der Wohnsitzabmeldung und einer darauffolgenden drei Monate andauernden Schubhaft gedroht habe, ehe sie nach Serbien abgeschoben werden würde. Sie seien zweimal nach Serbien gefahren, einmal um seine Mutter nach Österreich zu holen. Den Reisepass samt anderen Dokumenten habe sie mittlerweile wieder, nachdem sie ihn eineinhalb Monate vor ihrem Auszug in der ehemaligen Wohnung gefunden habe. Als sie ihn über ihren bevorstehenden Auszug informiert habe, habe er sie geschlagen. Trotz der körperlichen Gewaltanwendung sei sie nicht zur Polizei gegangen, da sie keine Spuren der Gewaltanwendung aufgewiesen und gedacht habe, dass man ihm als EU-Bürger mehr Glauben schenken würde. Dies sei von ihm immer wieder behauptet worden. In Serbien habe sie sich ebenso nicht an die Behörden gewandt, da die großen Streitereien erst nach dem Zuzug der Mutter im Oktober 2019 entstanden seien. Seine Mutter sei deswegen nach Österreich gezogen, um auf den Sohn aufzupassen während der Ex-Ehemann sich mit seiner damaligen Freundin vergnügen habe können. Er habe sich öfters in ihrer Gegenwart mit anderen Frauen online unterhalten. Auf die Frage, was der Grund für den Ex-Ehemann gewesen sein sollte, trotz Zuzug der Mutter, dem Scheidungsverfahren und der neuen Freundin, die BF am Weggehen zu hindern, antwortete die BF, dass er ihren Lohn hätte haben wollen. Ihren Sohn, welcher Berufssoldat sei, habe sie von den gewalttätigen Übergriffen erzählt, sie habe ihm jedoch verboten den Ex-Ehemann damit zu konfrontieren, da er sie von Serbien aus nicht hätte beschützen können. Sie wolle aufgrund der Nähe zu ihrer Tochter aus Baden bei Wien in Klagenfurt bleiben. In Serbien habe sie keine Probleme und auf die Frage, was gegen eine Rückkehr nach Serbien sprechen würde, antwortete sie mit: „Nein, es ist alles o.k. in Serbien“. Sie werde ihren Aufenthalt in Österreich von sich aus nicht beenden, da ihre Arbeit und Wohnung hier seien.

Die BF legte im Zuge der Einvernahme einen auf drei Jahre befristeten Mietvertrag über die Wohnung in XXXX ein ÖSD Sprachzertifikat auf A1-Niveau, ihren serbischen Reisepass sowie eine schriftliche Stellungnahme vor.

In dieser schriftlichen Stellungnahme wurde im Wesentlichen festgehalten, dass ihr Ex-Ehemann sie über Facebook kontaktiert und erzählt hätte, dass er Taxifahrer sei. Im Laufe mehrerer Besuche seinerseits und des täglichen telefonischen Kontaktes, hätten sie zusammen viel Zeit verbracht, sich kennengelernt und angenähert. Nach einiger Zeit, die er in Klagenfurt verbracht hätte, habe er eine Hochzeit vorgeschlagen. In Österreich habe sie zunächst auf seinen Sohn aufgepasst, während er seiner Arbeit nachgegangen sei, schließlich habe sie sich aus eigenem Interesse um einen Beruf bemüht. Dies habe ihr Ex-Ehemann unterbinden wollen, damit sie sich an die neue Situation in Österreich gewöhnen und einleben könne. Mit der Zeit sei er immer launischer geworden und es sei zu verbalen und physischen Ausfällen gekommen. Zudem habe er ihr gesamtes Erspartes in der Höhe von 1.200,- Euro weggenommen mit dem Argument, dass dies für das Visum erforderlich sei. Mit dem Zuzug der Mutter seien die vorerst noch milderen körperlichen Übergriffe intensiver und häufiger geworden, es sei auch zu sexuellen Übergriffen gekommen. Sie habe niemanden in Österreich gekannt, an den sie sich hätte wenden können, zudem habe er ihr das Handy, den Reisepass sowie Dokumente weggenommen. Sie habe auch keine ausreichenden finanziellen Mittel gehabt um anderwärtig Kontakt zu ihrer Familie aufzunehmen. Nach einiger Zeit habe sie dann doch den Mut gefasst und heimlich, während er arbeiten gewesen sei, eine Arbeit gesucht. Einer Arbeitskollegin habe sie dann über ihr Schicksal erzählt, welche ihr geholfen habe, sich aus dieser Situation und Ehe zu befreien. Ab dem Zeitpunkt, als die Schläge sehr intensiv geworden seien, sei sie zu der Arbeitskollegin geflüchtet, woraufhin ihr Ex-Ehemann ihr mit der Scheidung und der darauffolgenden Abschiebung gedroht hätte. Er habe ein gefälschtes Facebook-Profil von ihr erstellt, in welchem stünde, dass sie ihn nur wegen der Aufenthaltspapiere geheiratet hätte. Zwischenzeitlich sei sie in ihre neue Wohnung eingezogen und er habe ihr mitgeteilt, dass er das Scheidungsverfahren in Serbien eingeleitet hätte, zu dem sie sich leider nie habe äußern können.

5. Aufgrund des Verdachtes von gerichtlich strafbaren Handlungen durch XXXX , ersuchte das BFA die LPD Klagenfurt, um Mitteilung des diesbezüglichen Ermittlungsergebnisses.

6. Mit oben genannten, gegenständlich angefochtenem Bescheid des BFA vom 30.04.2021 wurde gegen die BF gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein für die Dauer von 2 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.) und gemäß § 70 Abs. 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit dieser Entscheidung erteilt (Spruchpunkt II.). Der Spruchpunkt III. (Aberkennung der aufschiebenden Wirkung) wurde bereits mit hg Teilerkenntnis vom 10.06.2021 ersatzlos behoben.

Begründend wurde im Wesentlichen zusammengefasst ausgeführt, dass die BF trotz rechtskräftiger Scheidung und fehlender familiärer sowie privater Anbindungen in Kärnten, Österreich nicht verlassen habe, obwohl sie sich des Verlustes ihres Aufenthaltsrechtes bewusst gewesen sei. Es habe zudem die Absicht zur Begründung einer dauerhaften familiären Lebensgemeinschaft oder eines echten Ehelebens mit XXXX nicht festgestellt werden können. Sie habe vielmehr versucht, das BFA über das Vorliegen eines gelebten Familienlebens in die Irre zu führen, was sich aus einer Zusammenschau des Inhaltes des Scheidungsurteiles, ihrer niederschriftlichen Einvernahme sowie ihrer am selben Tag vorgelegten schriftlichen Stellungnahme und den Sichtvermerken aus dem Reisepass ergäbe. Es bestehe der begründete Verdacht, dass die Ehe lediglich zum Zweck des rechtmäßigen Aufenthalts in Österreich geschlossen worden sei. Sie habe sich bei der Dokumentation des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechtes auf die geschlossene Ehe berufen, was sie jedoch bereits vor der rechtskräftigen Scheidung nicht dürfen hätte, zudem sei sie verpflichtet gewesen, die Scheidung der Niederlassungsbehörde zu melden und habe sie dies erst ein halbes Jahr später getan. Ein schützenswertes Familien- und Privatleben oder eine maßgebliche wirtschaftliche bzw. soziale Integration im Bundesgebiet habe nicht festgestellt werden können. Sie verfüge nur über rudimentäre Sprachkenntnisse und sei Eigentümerin eines 77 m² großen Hauses in Serbien. Ein Aufenthaltsverbot in der Dauer von 2 Jahren sei zum Schutz der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung dringend geboten und angemessen.

7. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerechte, durch die bevollmächtigte Vertreterin verfasste Beschwerde, welche die Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften, insbesondere wegen Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens, mangelhafter Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung, moniert. Begründend wurde zusammengefasst, dass die BF die Ehe in der Absicht ein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 EMRK zu führen, geschlossen habe. Ihr Ex-Ehemann habe jedoch nicht gewollt, dass sie arbeite und somit habe sie sich ohne seine Kenntnis für eine Stelle beworben. Zu Beginn habe es sich um eine harmonische Lebensgemeinschaft gehandelt, jedoch sei es bereits nach sechs Monaten zu einem Bruch gekommen, da er mit anderen Frauen Kontakt gepflegt habe. Ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von 2 Jahren stehe jedenfalls nicht im angemessenen Verhältnis zum persönlichen Verhalten der BF und sie verfüge über ein schützenswertes Privatleben iSd Art. 8 EMRK. Es bestehe auch die Bereitschaft einer freiwilligen Ausreise.

8. Am 26.05.2021 erfolgte die Beschuldigtenvernehmung der BF vor der LPD Klagenfurt wegen des Verdachtes nach § 117 Abs. 1 FPG. Dabei gab sie bekannt, dass sie, abgesehen von dem Geburtsjahr, das genaue Geburtsdatum ihres Ex-Ehemannes nicht kennen würde. Beide hätten sich über Facebook im Frühjahr/Sommer 2017 ohne eine Vermittlung Dritter kennengelernt und das erste Treffen habe nach längerem Schreiben im Dezember 2017 in XXXX stattgefunden. Sie seien sich während des zehntägigen Treffens sehr nahegekommen und er habe am Ende dieses Treffens von einem gemeinsamen Eheleben gesprochen. Eine typische Verlobung habe es nicht gegeben und bis auf die beiden Eheringe, welche sie zusammengekauft haben, habe es keine Geschenke gegeben. In Österreich habe die BF bis Mitte Juni 2018 auf seinen Sohn aufgepasst, dann sei sie arbeiten gegangen und ihr Ex-Ehemann habe sie am Abend abgeholt und sie hätten ein ganz normales Leben geführt, bis nach ungefähr sechs Monaten der Kontakt zu anderen Frauen begonnen habe. Die Beziehung sei immer schlechter geworden bis eine Kollegin ihr geholfen habe, eine neue Wohnung zu finden. Sie habe erstmals von der Scheidung im März 2021 durch das BFA erfahren. Ihre Eltern und ihr Sohn hätten sich ursprünglich über die Hochzeit gefreut und zu ihrer Tochter, welche sie auch bei der Trennung unterstützt hätte und sie regelmäßig besuchen würde, bestehe der beste Kontakt.

9. Die Beschwerde wurde dem Bundesveraltungsgericht mit einer Stellungnahme des BFA und dem Sntraag, diese abzuweisen, am 04.06.2021 vorgelegt.

10. Mit Schreiben vom 21.06.2021 übermittelte die Vertreterin der BF die Benachrichtigung über die Einstellung des Verfahrens nach § 117 FPG gemäß § 190 Z 1 StPO.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Die BF führt die im Spruch genannten Personalien und ist serbische Staatsangehörige. Sie ist gesund und arbeitsfähig.

Am XXXX .2018 schloss sie mit dem ungarischen Staatsangehörigen XXXX , geboren XXXX , in Serbien die Ehe.

In weiterer Folge beantragte sie die Ausstellung einer „Aufenthaltskarte für Angehörige eines EWR-Bürgers“, welche ihr am 26.03.2018 mit Gültigkeitsdauer bis 26.03.2023 ausgestellt wurde.

Die BF war bereits von 01.12.2014 - 22.01.2015, von 03.11. - 24.11.2015 sowie von 13.09. - 24.10.2016 mit Nebenwohnsitzen sowie von 09.04. - 01.12.2014 mit einem Hauptwohnsitz im Bundesgebiet melderechtlich erfasst. Ab dem 14.02.2018 begründete sie mit XXXX einen gemeinsamen Hauptwohnsitz in XXXX , bis zum gemeinsamen Hauptwohnsitzwechsel in die XXXX am 07.08.2018. Seit 09.07.2019 verfügt die BF über Klagenfurt einen aufrecht gemeldeten Hauptwohnsitz an der Adresse XXXX .

Am 26.12.2018 reichte XXXX die Scheidungsklage beim Grundgericht XXXX in Serbien ein. Am 18.09.2018 erfolgte nach abgehaltener mündlicher, nicht öffentlicher Hauptverhandlung das am selben Tag verkündete Urteil, mit welchem die kinderlose Ehe geschieden und die Widerklage der BF abgelehnt wurde. Das Urteil erwuchs am 04.12.2019 in Rechtskraft und wurde am 12.05.2019 seitens der BF dem Magistrat Klagenfurt als Niederlassungsbehörde vorgelegt.

Die BF verfügt über ein Deutschzertifikat auf dem Niveau A1, somit über rudimentäre Deutschkenntnisse und war von 19.06. - 15.10.2018, von 06.09. - 15.10.2018 sowie von 03.12.2018 - 10.07.2020 als Arbeiterin beschäftigt. Es folgten von 18.07. - 19.08.2020 sowie von 27.08. - 13.09.2020 Unterbrechungen durch den Bezug von Arbeitslosengeld. Seit 14.09.2020 ist sie erneut als Arbeiterin erwerbstätig.

In Baden bei Wien leben die volljährige Tochter, deren Ehemann sowie die Enkeltochter der BF, zu denen kein Abhängigkeitsverhältnis besteht. Ihr volljähriger Sohn sowie ihre Eltern leben in Serbien, wo die BF Eigentümerin eines 77 m² großen Hauses ist.

Ein gemeinsames Familienleben zwischen der BF und ihrem Ex-Ehemann iSd Art. 8 EMRK konnte nicht festgestellt werden. Es bestand von Seiten der BF nie die Absicht eine dauerhafte Lebensgemeinschaft zu begründen oder ein echtes Eheleben zu führen, weshalb von einer Aufenthaltsehe auszugehen ist. Die BF hat sich jedoch auf dieses bei der Antragstellung sowie nach der Scheidung berufen.

Trotz der mehrjährigen Berufstätigkeit konnte darüber hinaus keine maßgebende Integration der BF sowohl in sprachlicher als auch in wirtschaftlicher oder sozialer Hinsicht festgestellt werden.

Die BF ist in Österreich (verwaltungs-)strafrechtlich unbescholten. Das gegen sie geführte Ermittlungsverfahren wegen des Verdachtes des Eingehens einer Aufenthaltsehe iSd. § 117 FPG ist nach erfolgter Beschuldigtenvernehmung gemäß § 190 Z 1 StPO von der Staatsanwaltschaft Klagenfurt eingestellt worden.

Die Voraussetzungen für einen unionsrechtlichen Aufenthalt oder eine besondere Gefährdung für den Fall der Rückkehr nach Serbien liegen bei der BF nicht vor und wurden auch nicht behauptet.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen zur Identität der BF ergeben sich aus den Angaben im Verfahren sowie der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister, in welchem unter anderem der gültige serbische Reisepass mit der Nummer 011831266 aufscheint.

Die Feststellungen zum Aufenthalt der BF ergeben sich aus der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister, das Zentrale Fremdenregister, den im Akt erliegenden Mietvertrag sowie den Ausführungen während der niederschriftlichen Einvernahme und in der schriftlichen Stellungnahme.

Die Feststellungen zur Eheschließung, zur Scheidung und zur Ausstellung einer Aufenthaltskarte sowie zum Umstand, dass die BF sich auch nach der Scheidung auf das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht stützte, ergeben sich aus der Mitteilung des Magistrates Klagenfurt vom 31.03.2021 (AS 1-4), der niederschriftlichen Einvernahme vom 22.04.2021 (AS 55ff), der schriftlichen, am 22.04.2021 übergebenen Stellungnahme (AS 109-113), dem Urteil des Grundgerichtes XXXX vom 18.09.2019, 27 P2.670/18 (AS 5-11), der Beschuldigtenvernehmung vor der LPD Klagenfurt am 16.05.2021 (AS 218-223) sowie einer Einsichtnahme in das Zentrale Fremdenregister.

Die Feststellungen zu den Lebensumständen, den Sprachkenntnissen und ihren Familienangehörigen ergeben sich aus den Einsichtnahmen in das Zentrale Melderegister, der bei der belangten Behörde niederschriftlichen Einvernahme vom 22.04.2021 (AS 55f), der am 22.04.2021 übergeben schriftlichen Stellungnahme (AS 109-113) sowie dem im Verwaltungsakt einliegenden Auszug aus dem AJ-Web und dem ÖSD Sprachzertifikat, Sprachniveau A1 vom 03.12.2019. Sonstige Integrationsschritte wurden von der BF nicht vorgebracht.

Die Nichtfeststellbarkeit des Führens eines gemeinsamen Ehelebens iSd. Art. 8 EMRK ergibt sich aus den widersprüchlichen Aussagen der BF während der niederschriftlichen Einvernahme vom 22.04.2021 (AS 55f), der am 22.04.2021 übergebenen schriftlichen Stellungnahme (AS 109-113), dem Beschwerdeschriftsatz (AS 207ff) sowie der Beschuldigtenvernehmung vor der LPD Klagenfurt (AS 218-223) und dem Scheidungsurteil (AS 5-11). Die in weiterer Folge dargelegten Widersprüchlichkeiten lassen keinesfalls erkennen, dass die BF ein tatsächliches Eheleben führte:

So gab die BF in der niederschriftlichen Einvernahme am 22.04.2021 an, dass beide sich über Facebook im Frühjahr/Sommer 2017 kennen gelernt hätten und sie, etwa 14 Tage nachdem er sie angeschrieben hätte, zu ihm gefahren sei und er schließlich um die Eheschließung gefragt hätte (AS 58). In ihrer ebenso am 22.04.2021 vorgelegten schriftlichen Stellungnahme behauptete sie konträr, dass sie während mehrerer Besuche seinerseits viel Zeit zusammen verbracht hätten. Sie hätten täglich telefonischen Kontakt gehabt und sich dadurch näher kennengelernt. Nach einiger Zeit, die er in Klagenfurt verbracht hätte, habe er ihr eine gemeinsame Hochzeit vorgeschlagen (AS 109). Im Zuge der Beschuldigtenvernehmung vor der LPD Klagenfurt gab sie wiederum an, dass ein erstes Treffen im Dezember 2017 in Serbien während der Weihnachtszeit stattgefunden habe. Während dieses zehntägigen Treffens hätten sie sich gut verstanden und er hätte ihr gesagt, dass ein gemeinsames Eheleben schön wäre (AS 221). Sie könne sich nicht an sein genaues Geburtsdatum, sondern nur an das Geburtsjahr erinnern (AS 220). Es erscheint unwahrscheinlich, dass ein liebender Ehepartner das genaue Geburtsdatum des anderen Ehepartners nicht kennt. Er hätte ihr gesagt, dass er Taxifahrer sei (AS 109), obwohl er laut AJ-Web zu der Zeit des Kennenlernens bei der XXXX als Arbeiter beschäftigt war.

Aus dem Scheidungsurteil ergeht, dass sich der Ex-Ehemann darauf berufen hat, dass die „Ehebeziehung“ schon länger unharmonisch gewesen sei und dass fünf Monate nach der Eheschließung die BF die Lebensgemeinschaft verlassen habe. Er habe aus Nachrichtenverläufen der BF entnommen, dass diese ihn nur geheiratet hätte, um an Papiere für einen Aufenthalt und an eine Beschäftigung im Ausland zu gelangen. Die BF erhob dagegen Widerklage und widersprach in keiner Weise diesen Vorwürfen. Vielmehr beantragte sie Ehegattenunterhalt in Höhe von 300,- Euro monatlich, da ihr österreichisches Arbeitsvisum mit der Scheidung aufhören und sie die feste Anstellung sowie ihren Aufenthaltstitel in Österreich verlieren würde.

Dazu widersprüchlich behauptete sie in ihrer Einvernahme, ihr Ex-Ehemannhätte die alte gemeinsame Zustelladresse angegeben und sie nie eine Ladung erhalten, sondern erst nachdem er ihr von der Scheidung erzählt hätte, habe sie durch einen Anruf beim Bezirksgericht davon erfahren. Was wiederum die wiederholt unrichtigen Behauptungen aufzeigt, dass sie nichts von dem Verfahren gewusst, bzw. sie erst im März 2021 durch das BFA davon erfahren und nie die Möglichkeit einer Stellungnahme gehabt hätte. Zudem hat sie bei der niederschriftlichen Einvernahme angegeben, dass sie nicht gewusst habe, dass sie sich derzeit zu Unrecht im Bundesgebiet aufhält, was in Verbindung mit der Widerklage nicht der Wahrheit entspricht. Ebenso wenig scheint es glaubhaft, warum der Ex-Ehemann ein gefälschtes Facebook-Profil von ihr erstellt haben soll, um damit anzugeben, dass sie ihn nur wegen der „Papiere“ geheiratet habe.

Die BF beruft sich mehrfach auf den Umstand, dass ihr Ex-Ehemann ihr den Reisepass, ihr Handy sowie Dokumente nach der Ankunft in Österreich weggenommen hätte. Jedoch ergibt sich aus dem Reisepass eindeutig, dass die BF mehrmals in den Jahren zwischen 05.03.2018 bis zum Auszug aus der ehemaligen gemeinsamen Wohnung und der angeblichen Rückerlangung der Dokumente, das Bundesgebiet verlassen hat (AS 91ff).

Auch die Behauptung, dass der Ex-Ehemann sie eingeschüchtert und daran gehindert habe, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen und sie sich somit heimlich bewerben musste, wird mit Einsicht in das AJ-Web widerlegt, da die BF sehr wohl seit 19.06.2018 berufstätig war.

Die Begründung der BF, sie habe sich trotz längerem physischen und psychischen Quälens ihres Ex-Ehemannes nicht an die Polizei oder an ihre in Österreich lebende Tochter gewandt, da es keine Spuren der Gewaltanwendung gegeben und sie niemanden gekannt habe, an den sie sich hätte wenden können bzw. er ihr gedroht hätte, sie müsste für drei Monate in Schubhaft, ehe sie nach Serbien abgeschoben werden würde, scheint für das erkennende Gericht unglaubhaft. Zudem gab sie an, dass ihre Familie sich über die Ehe gefreut hätte und sie zu ihrer Tochter, die ihr auch bei der Trennung geholfen habe und sie immer wieder besuchen würde, den besten Bezug habe. Somit hatte sie sehr wohl in Österreich Bezugspersonen und scheint es nicht verständlich, warum sie sich nicht an die Tochter gewandt hat. Das Argument, ihr volljähriger Sohn, ein Berufssoldat, sei nicht eingeschritten, weil sie ihm das verboten habe, da er sie von Serbien aus nicht hätte beschützen können, überzeugt nicht. Sie relativierte im Zuge der Einvernahme, dass das gewaltvolle Verhalten erst mit dem Zuzug der Mutter im Oktober 2018 eingetreten sei, laut ZMR-Auszug war die Mutter erst seit 04.03.2019 an der Adresse hauptgemeldet. Dass der Ex-Ehemann die BF an einer Ausreise, trotz der von der BF behaupteten Liebesbeziehungen und dem Einbringen der Scheidungsklage nur aufgrund ihres Lohnes iHv. 700,- Euro hindern hätte wollen, ist ebenso nicht nachvollziehbar. In der schriftlichen Stellungnahme behauptete sie, dass sie zu ihrer Arbeitskollegin geflohen sei, als die Schläge immer heftiger geworden wären und dass diese ihr bei der Wohnungssuche geholfen hätte. Daraufhin hätte ihr Ex-Ehemann ihr mit der Scheidung gedroht. Die Scheidungsklage wurde jedoch am 26.12.2018 eingebracht, das neue Mietverhältnis der BF begann am 01.06.2019. Warum die BF nach dem Wegzug aus der gemeinsamen Wohnung und nach Kenntnis des Scheidungsverfahrens immer noch keine polizeiliche Meldung über die Gewalttaten tätigte und im Zuge der Beschuldigtenvernehmung vor der LPD Klagenfurt, bis auf den Umstand, dass er sie immer schlechter behandelt hätte, kein Wort über physische, psychische oder sexuelle Übergriffe verlor, ist ebenso nicht verständlich und verstärkt den unglaubwürdigen Eindruck abermals, insbesondere da die Drohungen des Ex-Ehemannes mittlerweile keine Wirkung mehr haben konnten.

Zudem hatte die BF bereits vor gemeinsamer Wohnsitzbegründung mit ihrem Ex-Ehemann mehrere Neben- und auch einen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet, was wiederum die Aussage, sie seien nach Österreich gekommen, weil er hier arbeite und sie dann gemeinsam mit seinem Sohn leben können, unglaubwürdig scheinen lässt.

Die BF trat im gesamten Verfahren insbesondere in der Beschwerde diesen Widersprüchen nicht substantiiert entgegen.

Aufgrund dieser umfangreichen Würdigung und der zahlreichen Widersprüche in den Angaben, war daher festzustellen, dass es sich bei der Ehe um eine Aufenthaltsehe iSd § 30 NAG handelte.

Die Feststellung, dass die Voraussetzungen für ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht nicht mehr vorliegen würden oder der BF keine Gefahr bei der Rückkehr nach Serbien drohen würde, ergeben sich aus dem Akteninhalt sowie der eigenen Aussagen während der niederschriftlichen Einvernahme und dem Beschwerdeschriftsatz.

Dass die BF gesund und arbeitsfähig ist, ergibt sich aus den bisher in Österreich verrichteten Tätigkeiten.

Dass die BF im Bundesgebiet keine (verwaltungs-)strafrechtlichen Vormerkungen aufweist ergibt sich aus der Einsicht in das Strafregister sowie aus der im verwaltungsrechtlichen Akt erliegenden Korrespondenz zwischen BFA und LPD Klagenfurt bzw. Magistrat Klagenfurt (AS 35f).

3. Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerde ist rechtzeitig und zulässig.

Zu Spruchteil A):

Der mit „Aufenthaltsrecht für Angehörige von EWR-Bürgern“ betitelte § 52 NAG lautet:

„(1) Auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie sind EWR-Bürger, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern (§§ 51 und 53a) sind, zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie

1. Ehegatte oder eingetragener Partner sind;

2. Verwandter des EWR-Bürgers, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres und darüber hinaus sind, sofern ihnen von diesen Unterhalt tatsächlich gewährt wird;

3. Verwandter des EWR-Bürgers, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie sind, sofern ihnen von diesen Unterhalt tatsächlich gewährt wird;

4. Lebenspartner sind, der das Bestehen einer dauerhaften Beziehung nachweist, oder

5. sonstige Angehörige des EWR-Bürgers sind,

a) die vom EWR-Bürger bereits im Herkunftsstaat Unterhalt tatsächlich bezogen haben,

b) die mit dem EWR-Bürger bereits im Herkunftsstaat in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben, oder

c) bei denen schwerwiegende gesundheitliche Gründe die persönliche Pflege zwingend erforderlich machen.

(2) Der Tod des zusammenführenden EWR-Bürgers, sein nicht bloß vorübergehender Wegzug aus dem Bundesgebiet, die Scheidung oder Aufhebung der Ehe sowie die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft mit ihm berühren nicht das Aufenthaltsrecht seiner Angehörigen gemäß Abs. 1.“

Der mit „Aufenthaltskarten für Angehörige eines EWR-Bürgers“ betitelte § 54 NAG lautet:

„(1) Drittstaatsangehörige, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern (§ 51) sind und die in § 52 Abs. 1 Z 1 bis 3 genannten Voraussetzungen erfüllen, sind zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt. Ihnen ist auf Antrag eine Aufenthaltskarte für die Dauer von fünf Jahren oder für die geplante kürzere Aufenthaltsdauer auszustellen. Dieser Antrag ist innerhalb von vier Monaten ab Einreise zu stellen. § 1 Abs. 2 Z 1 gilt nicht.

(2) Zum Nachweis des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts sind ein gültiger Personalausweis oder Reisepass, die Anmeldebescheinigung oder die Bescheinigung des Daueraufenthalts des zusammenführenden EWR-Bürgers sowie folgende Nachweise vorzulegen:

1. nach § 52 Abs. 1 Z 1: ein urkundlicher Nachweis des Bestehens der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft;

2. nach § 52 Abs. 1 Z 2 und 3: ein urkundlicher Nachweis über das Bestehen einer familiären Beziehung sowie bei Kindern über 21 Jahren und Verwandten des EWR-Bürgers, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie ein Nachweis über die tatsächliche Unterhaltsgewährung.

(3) Das Aufenthaltsrecht der Angehörigen gemäß Abs. 1 bleibt trotz Tod des EWR-Bürgers erhalten, wenn sie sich vor dem Tod des EWR-Bürgers mindestens ein Jahr als seine Angehörigen im Bundesgebiet aufgehalten haben und nachweisen, dass sie die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Z 1 bis 2 erfüllen.

(4) Das Aufenthaltsrecht von minderjährigen Kindern eines unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgers, die Drittstaatsangehörige sind, bleibt auch nach dem Tod oder nicht bloß vorübergehenden Wegzug des EWR-Bürgers bis zum Abschluss der Schulausbildung an einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschule erhalten. Dies gilt auch für den Elternteil, der Drittstaatsangehöriger ist, sofern dieser die Obsorge für die minderjährigen Kinder tatsächlich wahrnimmt.

(5) Das Aufenthaltsrecht der Ehegatten oder eingetragenen Partner, die Drittstaatsangehörige sind, bleibt bei Scheidung oder Aufhebung der Ehe oder Auflösung der eingetragenen Partnerschaft erhalten, wenn sie nachweisen, dass sie die für EWR-Bürger geltenden Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Z 1 oder 2 erfüllen und

1. die Ehe bis zur Einleitung des gerichtlichen Scheidungs- oder Aufhebungsverfahrens mindestens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Bundesgebiet;

2. die eingetragene Partnerschaft bis zur Einleitung des gerichtlichen Auflösungsverfahrens mindestens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Bundesgebiet;

3. ihnen die alleinige Obsorge für die Kinder des EWR-Bürgers übertragen wird;

4. es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, insbesondere weil dem Ehegatten oder eingetragenem Partner wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Interessen ein Festhalten an der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft nicht zugemutet werden kann, oder

5. ihnen das Recht auf persönlichen Umgang mit dem minderjährigen Kind zugesprochen wird, sofern das Pflegschaftsgericht zur Auffassung gelangt ist, dass der Umgang – solange er für nötig erachtet wird – ausschließlich im Bundesgebiet erfolgen darf.

(6) Der Angehörige hat diese Umstände, wie insbesondere den Tod oder Wegzug des zusammenführenden EWR-Bürgers, die Scheidung der Ehe oder die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft, der Behörde unverzüglich, bekannt zu geben.

(7) Liegt eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30), eine Zwangsehe oder Zwangspartnerschaft (§ 30a) oder eine Vortäuschung eines Abstammungsverhältnisses oder einer familiären Beziehung zu einem unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger vor, ist ein Antrag gemäß Abs. 1 zurückzuweisen und die Zurückweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass der Antragsteller nicht in den Anwendungsbereich des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts fällt.“

Der mit „Nichtbestehen, Fortbestand und Überprüfung des Aufenthaltsrechts für mehr als drei Monate“ betitelte § 55 NAG lautet:

„(1) EWR-Bürgern und ihren Angehörigen kommt das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52, 53 und 54 zu, solange die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

(2) Der Fortbestand der Voraussetzungen kann bei einer Meldung gemäß §§ 51 Abs. 3 und 54 Abs. 6 oder aus besonderem Anlass wie insbesondere Kenntnis der Behörde vom Tod des unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgers oder einer Scheidung überprüft werden.

(3) Besteht das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52 und 54 nicht, weil eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt, die Nachweise nach § 53 Abs. 2 oder § 54 Abs. 2 nicht erbracht werden oder die Voraussetzungen für dieses Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr vorliegen, hat die Behörde den Betroffenen hievon schriftlich in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst wurde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist unverzüglich, spätestens jedoch gleichzeitig mit der Mitteilung an den Antragsteller, zu befassen. Dies gilt nicht in einem Fall gemäß § 54 Abs. 7. Während eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung ist der Ablauf der Frist gemäß § 8 VwGVG gehemmt.

(4) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung (§ 9 BFA-VG), hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dies der Behörde mitzuteilen. Sofern der Betroffene nicht bereits über eine gültige Dokumentation verfügt, hat die Behörde in diesem Fall die Dokumentation des Aufenthaltsrechts unverzüglich vorzunehmen oder dem Betroffenen einen Aufenthaltstitel zu erteilen, wenn dies nach diesem Bundesgesetz vorgesehen ist.

(5) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung von Drittstaatsangehörigen, die Angehörige sind, aber die Voraussetzungen nicht mehr erfüllen, ist diesen Angehörigen ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ quotenfrei zu erteilen.

(6) Erwächst eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft, ist ein nach diesem Bundesgesetz anhängiges Verfahren einzustellen. Das Verfahren ist im Fall der Aufhebung einer Aufenthaltsbeendigung fortzusetzen, wenn nicht neuerlich eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gesetzt wird.“

Der mit „Aufenthaltsverbot“ betitelte § 67 FPG lautet:

„(1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere

1. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

2. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);

3. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

4. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist des Aufenthaltsverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise.“

Der mit „Ausreiseverpflichtung und Durchsetzungsaufschub“ betitelte § 70 FPG lautet:

„(1) Die Ausweisung und das Aufenthaltsverbot werden spätestens mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar; der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige hat dann unverzüglich auszureisen. Der Eintritt der Durchsetzbarkeit ist für die Dauer eines Freiheitsentzuges aufgeschoben, auf den wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung erkannt wurde.

(Anm.: Abs. 2 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)

(3) EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen ist bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

(4) Der Durchsetzungsaufschub ist zu widerrufen, wenn

1. nachträglich Tatsachen bekannt werden, die dessen Versagung gerechtfertigt hätten;

2. die Gründe für die Erteilung weggefallen sind oder

3. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige während seines weiteren Aufenthaltes im Bundesgebiet ein Verhalten setzt, das die sofortige Ausreise aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gebietet.“

Der mit „Schutz des Privat- und Familienlebens“ betitelte § 9 BFA-VG lautet:

„(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.“

Anwendung der Rechtslage auf den Beschwerdefall:

Gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG gilt als Fremder, wer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt und gemäß Z 10 leg. cit. als Drittstaatsangehöriger jeder Fremder der nicht EWR-Bürger oder Schweizer Bürger ist. Ehegatten von EWR-Bürgern, die ihr unionsrechtliches Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen haben, kommt die Stellung als "begünstigter Drittstaatsangehöriger" iSd § 2 Abs. 4 Z 11 FPG zu; das gilt auch dann, wenn die Ehe als Aufenthaltsehe zu qualifizieren ist (vgl. E 7. April 2011, 2011/22/0005; B 14. April 2016, Ro 2016/21/0005), und zwar jedenfalls solange keine rechtskräftige Feststellung iSd § 54 Abs. 7 NAG vorliegt (VwGH 25.09.2017, Ra 2017/20/0293). Die BF ist serbische Staatsangehörige und war mit einem EWR-Bürger, der sein Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen hat, verheiratet und ist ungeachtet des Vorliegens einer Aufenthaltsehe – begünstigte Drittstaatsangehörige iSd. § 2 Abs. 4 Z 11 FPG. Eine Feststellung iSd. § 54 Abs. 7 NAG liegt gegenständlich nicht vor.

Eine für den Erwerb bzw. die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechtes erforderliche tatsächliche und eheliche Lebensgemeinschaft ist dann anzunehmen, wenn die Ehepartner erkennbar in einer dauerhaften, durch enge Verbundenheit und gegenseitigen Beistand geprägten Beziehung zusammenleben oder zusammenleben wollen. Vorausgesetzt ist somit eine Verbindung zwischen den Eheleuten, deren Intensität über die einer Beziehung zwischen Freunden in einer reinen Begegnungs- oder Gesinnungsgemeinschaft hinausgeht (vgl. Abermann/Czech/Kind/Peyrl, NAG-Kommentar, § 30, Rz 7).

Nach der Judikatur des VwGH liegt eine Aufenthaltsehe im Sinne des § 30 NAG dann vor, wenn sich ein Fremder für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels auf eine von ihm geschlossene Ehe beruft, er in diesem Zeitpunkt jedoch kein gemeinsames Familienleben mit seinem Ehegatten im Sinne des Art. 8 EMRK führt (vgl. VwGH 19.09.2012, 2008/22/0243). Ein formelles Band der Ehe reicht nicht aus, um aufenthaltsrechtliche Wirkungen zugunsten des Drittstaatsangehörigen abzuleiten (vgl. VwGH 27.04.2017, Ro 2016/22/0014). In zeitlicher Hinsicht muss das Berufen auf ein Familienleben im Sinne des Art 8 EMRK zu einem Zeitpunkt erfolgen, zu dem ein Familienleben nicht (mehr) geführt wird (vgl. VwGH 27.01.2011, 2008/21/0633).

Die fremdenpolizeiliche Feststellung, eine Ehe sei nur zum Schein geschlossen worden, setzt nicht voraus, dass die Ehe für nichtig erklärt wurde (vgl. VwGH vom 23.03.2010, 2010/18/0034). Damit ist die Frage bejaht, ob durch die Verwaltungsbehörde - wie hier im Zuge der Prüfung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme - eine eigene Beurteilung des Vorliegens einer Scheinehe erfolgen darf (VwGH 25.09.2017, Ra 2017/20/0293).

Mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme wird daher noch keine Aussage darüber getroffen, ob auch der Straftatbestand des § 117 FPG verwirklicht wurde. Der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes wegen Eingehens einer Scheinehe steht nicht entgegen, dass ein gegenüber dem Fremden wegen § 117 (Abs. 4) FPG geführtes Strafverfahren als Beteiligter eingestellt worden ist (vgl. VwGH vom 22.02.2011, 2010/18/0446). Umso weniger setzt die fremdenpolizeiliche Feststellung, eine Ehe ist nur zum Schein geschlossen worden, voraus, dass der Scheinehepartner (vom Gericht) gemäß § 117 (Abs. 1 oder 2) FPG bestraft (vgl. VwGH vom 23.3.2010, 2010/18/0034) oder eine Anzeige gemäß § 117 FPG erstattet worden ist (VwGH vom 21.06.2012, 2012/23/0022 und vom 23.03.2017, Ra 2016/21/0349).

Die Nichtigerklärung einer Ehe gemäß § 23 Ehegesetz stellt keine Voraussetzung für die Feststellung des Bestehens einer Scheinehe dar und spricht das Unterbleiben einer solchen Nichtigerklärung nicht gegen die Beurteilung einer solchen Ehe (VwGH vom 21.02.2013, 2012/23/0049).

Die Beschwerde gegen den Bescheid des BFA war ausfolgenden Gründen teilweise abzuweisen:

Aufgrund obenstehender Erwägungen steht für das Bundesverwaltungsgericht in Übereinstimmung mit der Beurteilung des BFA fest, dass die BF einen ungarischen Staatsangehörigen ehelichte, ohne mit diesem ein gemeinsames Familienleben zu begründen und sich zum Erwerb/des Fortbestandes des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechtes auf diese Ehe berief. Die BF hat damit gültige fremdenrechts- und unionsrechtliche Normen zu umgehen und sich ein Aufenthaltsrecht sowie ein Recht auf Erwerbstätigkeit in Österreich erschlichen bzw. zu erschleichen versucht. Die BF negierte dies bis zum Schluss und zeigte sich nicht einsichtig.

Damit liegen die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes vor. Aufgrund der Stellung als begünstigte Drittstaatsangehörige, fällt die BF in den persönlichen Anwendungsbereich von § 67 FPG, da die Voraussetzung eines durchgehenden Aufenthaltes im Bundesgebiet weder mit mehr als 5 noch 10 Jahren erfüllt ist, kommt für diese der Prüfungsmaßstab des § 67 Abs. 1 1. und 2. Satz FPG zur Anwendung.

Gegen die BF als grundsätzlich unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte begünstigte Drittstaatsangehörige ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gemäß § 67 Abs. 1 FPG sohin nur zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Republik Österreich durch ihren Verbleib im Bundesgebiet tatsächlich, gegenwärtig und erheblich gefährdet wäre. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahme begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild Bezug zu nehmen. Bei der nach § 67 Abs. 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" des Fremden abzustellen ist und strafrechtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (vgl. - noch zu § 86 FPG in der Fassung vor dem FrÄG 2011, der Vorgängerbestimmung des § 67 FPG - etwa die hg. Erkenntnisse vom 26.09.2007, Zl. 2007/21/0197, und vom 21.02.2013, Zl. 2012/23/0042, mwN und VwGH 25.04.2014, Ro 2014/21/0039).

Zudem gilt es festzuhalten, dass die fremdenpolizeilichen Beurteilungen eigenständig und unabhängig von den die des Strafgerichts für die Strafbemessung, die bedingte Strafnachsicht und den Aufschub des Strafvollzugs betreffenden Erwägungen zu treffen sind (vgl. VwGH vom 6.07.2010, 2010/22/0096) und es bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes/Einreiseverbotes in keiner Weise um eine Beurteilung der Schuld des Fremden an seinen Straftaten und auch nicht um eine Bestrafung geht (VwGH vom 8.07.2004, 2001/21/0119).

Bei einer Gesamtbetrachtung der aufgezeigten Umstände, des sich daraus ergebenden Persönlichkeitsbildes und in Ansehung der auf Grund des persönlichen Fehlverhaltens getroffenen Gefährdungsprognose kann eine maßgebliche Gefährdung öffentlicher Interessen, insbesondere der öffentlichen Ordnung als gegeben angenommen und der BF zudem keine positive Zukunftsprognose erstellt werden. So hat auch der VwGH wiederholt das große öffentliche Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Normen (vgl. VwGH vom 9.3.2003, 2002/18/0293) sowie die mit Scheinehen einhergehende Gefährdung öffentlicher Interessen festgehalten (vgl. VwGH 16.05.2012, 2009/21/0160).

Ferner konnte im Hinblick auf § 9 BFA-VG, nicht von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes Abstand genommen werden. Die BF geht zwar seit 29.06.2018 mit Unterbrechungen einer Erwerbstätigkeit in Österreich nach, jedoch hat dieser Umstand insofern eine Relativierung hinzunehmen, als die BF dieser Erwerbstätigkeit nur aufgrund des Eingehens einer Aufenthaltsehe und damit einhergehenden Erschleichens eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts nachgehen konnte. Zudem führte sie kein Familienleben mit dem Ex-Ehemann, zu ihrer Tochter und Enkelin besteht kein Abhängigkeitsverhältnis. Darüber hinaus konnten keine maßgeblichen Integrationssachverhalte auf Seiten der BF festgestellt werden und sie kann auch nicht auf einen langjährig durchgehenden rechtmäßigen Aufenthaltszeitraum in Österreich zurückblicken.

Angesichts des besagten Fehlverhaltens der BF ist davon auszugehen, dass die Erlassung eines gegen die BF gerichteten Aufenthaltsverbotes gemäß § 9 BFA-VG zulässig ist, ist es doch zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele, insbesondere der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, geboten.

Die öffentlichen Interessen an der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sind demnach höher zu gewichten als die gegenläufigen privaten Interessen der BF. Das von der BF gesetzte Verhalten ist als die öffentlichen Interessen maßgeblich gefährdend anzusehen, sodass die Voraussetzungen für die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 67 FPG gegenständlich vorliegen, und unter den gegebenen Umständen die Erlassung eines solchen auch im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 9 BFA-VG als zulässig zu werten ist.

Im gegenständlichen Fall wird jedoch zur Aufrechterhaltung ihres mit ihrer Tochter und Enkelin bestehenden Kontakts und der im Bundesgebiet nachgehenden Beschäftigung die Erlassung eines Aufenthaltsverbots in der Dauer von einem Jahr und damit die Herabsetzung des von der belangten Behörde ausgesprochenen Aufenthaltsverbots auf die Hälfte für gerechtfertigt gehalten. Diese Verbotsdauer wird als ausreichend hoch angesehen, um die BF zu einer Einstellungsänderung zu bewegen und zukünftig von illegaler Migrationsabsicht abhalten zu können, zumal sie auch die Absicht einer freiwilligen Ausreise geäußert hat. Eine weitere Reduzierung oder ein gänzlicher Entfall konnte nicht vorgenommen werden, da sich die BF bis zuletzt darauf berufen hat, keine Aufenthaltsehe eingegangen zu sein und somit nicht von einem gänzlichen Wegfall der von der BF ausgehenden Gefährdung auszugehen war.

Demzufolge war der Beschwerde in diesem Umfang stattzugeben.

Die belangte Behörde hat der BF einen Durchsetzungsaufschub im Ausmaß von einem Monat iSd. § 70 Abs. 3 FPG erteilt, weshalb – mangels Beschwer der BF – die Beschwerde in diesem Umfang abzuweisen war.

Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG. Gemäß § 24 Abs. 1 des VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Nach § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.

Da der entscheidungsrelevante Sachverhalt aus dem Akt in Verbindung mit der Beschwerde nicht klärungsbedürftig ist, keine strittigen Rechtsfragen zwischen den Parteien und Gericht vorliegen und keine ergänzende Beweiswürdigung vorzunehmen ist, konnte von der Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG Abstand genommen werden.

Das BFA hat sich sohin ausreichend und abschließend mit dem vorliegenden Sachverhalt auseinandergesetzt. Die Ermittlung des Sachverhaltes durch das BFA war demnach nicht zu beanstanden. Der maßgebliche Sachverhalt war demnach aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt anzusehen.

Zu Spruchteil B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Schlagworte

Aufenthaltsehe Aufenthaltsverbot Dauer Durchsetzungsaufschub Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung Gefährlichkeitsprognose Herabsetzung Scheinehe Teilstattgebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W161.2243038.1.01

Im RIS seit

13.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

13.12.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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