Entscheidungsdatum
17.09.2021Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W174 2182458-2/14E
Erkenntnis
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Viktoria MUGLI-MASCHEK, als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch RA Dr. Helmut BLUM, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.10.2020, Zl. 1072432205/200802371, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 144 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Verfahren betreffend Antrag auf internationalen Schutz vom 08.06.2015:
1.1. Die Beschwerdeführerin – nach ihren Angaben führt sie den Namen XXXX , ist afghanische Staatsangehörige und wurde am XXXX geboren – ist spätestens am 08.06.2015 gemeinsam mit ihrem Ehemann XXXX , geb. XXXX , (siehe BVwG, Zahl 2182423-1 und -2), unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet eingereist.
Noch am selben Tag wurden die ersten Anträge auf internationalen Schutz gestellt und die Beschwerdeführerin führte, befragt zu ihrem Fluchtgrund an, der Schwiegervater, ein Spieler habe sie an einen anderen Spieler verloren und sie müsse sich von seinem Sohn scheiden lassen, damit sie an diesen Spieler übergeben werden könne. Da sie sich nicht von ihrem Ehemann trennen wolle, hätten sie das Land verlassen, damit sie zusammenbleiben könnten.
1.2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden Bundesamt oder belangte Behörde) vom 15.11.2017, Zl. 1072432205 - 150633189 wurde der Antrag auf die Gewährung von internationalem Schutz vom 08.06.2015 sowohl gemäß § 3 betreffend die Gewährung von Asyl als auch gemäß § 8 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG betreffend die Gewährung von subsidiärem Schutz abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig ist. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.
1.3. Die mit Schriftsatz vom 11.12.2017 gegen diese erstinstanzliche Entscheidung eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts, vom 31.12.2019, GZ: W179 2182458-1/16E als unbegründet abgewiesen.
Dabei stellte das Bundesverwaltungsgericht zum Fluchtvorbringen (als Erstbeschwerdeführer wird in dieser Entscheidung der Ehemann der Beschwerdeführerin bezeichnet und die Beschwerdeführerin in diesem Verfahren wird Zweitbeschwerdeführerin genannt) fest und führte in weiterer Folge beweiswürdigend aus:
„c) Zur Verfolgung der Beschwerdeführer:
3. Der Vater des Erstbeschwerdeführers hat die Zweitbeschwerdeführerin nicht in einer Wette als `Wetteinsatz` verspielt.
4.1. Die Rechtsmittelwerber wohnten in Herat im Haus des Vaters des Zweitbeschwerdeführers und zwang besagter Vater die Zweitbeschwerdeführerin, mit Burka auf die Straße zu gehen. Auch hat der Vater des Erstbeschwerdeführers der Zweitbeschwerdeführerin nicht erlaubt, alleine das Haus zu verlassen. Die Zweitbeschwerdeführerin kann sich nicht mehr vorstellen, eine Burka zu tragen. Der Erstbeschwerdeführer verlangt von der Zweitbeschwerdeführerin nicht, auch nicht in Afghanistan, eine Burka zu tragen. Die Brüder des Zweitbeschwerdeführers sind allesamt aus dem Haus des Vaters ausgezogen und haben zu diesem keinen Kontakt mehr.
4.2. In der hiergerichtlichen Beschwerdeverhandlung trug die Zweitbeschwerdeführerin lange Jeans, eine kurzärmelige schwarze Bluse, Schmuck, die Haare offen, die Augen waren dezent geschminkt samt Make-up, jedoch keinen Lippenstift noch Nagellack. Die Zweitbeschwerdeführerin versucht, schwimmen zu lernen und trägt dabei einen Bikini, sie spielt manchmal auch Basketball und geht derzeit ab und zu in einen Fitness-Club. Wenn der Erstbeschwerdeführer zu Hause ist, geht die Zweitbeschwerdeführerin mit diesem gemeinsam einkaufen, wenn er nicht zu Hause ist, dann geht sie mit einer Nachbarin, die auch Afghanin ist, einkaufen, wenn sie am Samstag einkaufen gehen, dann machen die Beschwerdeführer das gemeinsam mit österreichischen Freunden, alleine einkaufen geht sie nur direkt nach ihrem Sprachkurs. Die Zweitbeschwerdeführerin geht auch mit Freunden spazieren, manchmal hilft sie im Garten mit. Einmal im Monat gibt es ein Treffen in einem Raum der Gemeinde, jeder der Teilnehmer kocht etwas und bringt es mit, sie selbst bringt afghanisches Essen mit. Die Beschwerdeführerin macht derzeit keine Ausbildung, noch gibt es konkrete Pläne dazu.
4.3. Die vorgebrachte `westliche Orientierung` als Lebensstil ist – nicht – wesentlichen Bestandteil der Identität der Zweitbeschwerdeführerin.
5. Das Vorliegen anderer asylrelevante GFK-Gründe werden von den Beschwerdeführern nicht behauptet.
[…]
2.2. Zum Fluchtvorbringen des Erstbeschwerdeführers:
6. Da der Erstbeschwerdeführer keine eigenen Fluchtgründe geltend macht […] ist beweiswürdigend lediglich auf die Tatsachen der Fluchtgründe der Zweitbeschwerdeführerin einzugehen.
2.3. Zum Fluchtvorbringen der Zweitbeschwerdeführerin:
7. Die Beschwerdeführer können im Ergebnis nicht als glaubwürdig eingestuft werden.
a) Wetteinsatz
8. Das Vorbringen der Rechtsmittelwerber, die Zweitbeschwerdeführerin sei als Wetteinsatz vom Vater des Erstbeschwerdeführers bei einer Wette an einen anderen Mann verloren worden, ist für das erkennende Gericht völlig unglaubwürdig und war eindeutig als konstruiert erkennbar. Insbesondere konnten beide Beschwerdeführer nicht angeben, an welchen Mann (Name; Stellung) die Zweitbeschwerdeführerin verspielt worden sein soll, obgleich dieser angeblich nach einer Frist von einem Tag (um die Scheidung zwischen den Beschwerdeführern zu vollziehen) die Zweitbeschwerdeführerin zu holen bereits gedroht und der Erstbeschwerdeführer mit seinem Vater, der die Zweitbeschwerdeführerin verspielt haben soll, darüber gestritten habe.
9. Zudem konnten die getrennt befragten Beschwerdeführer beide nicht angeben, was der `Gegenwetteinsatz`, den der Vater des Erstbeschwerdeführers im Falle seines Wettgewinnes erhalten hätte, gewesen wäre. Auf die Nachfrage des Gerichts musste der Erstbeschwerdeführer zugeben, dass er nicht einmal wisse, ob es sich dabei um einen Geldbetrag gehandelt habe (wenngleich er dies mutmaße).
10. Bei einer so traumatischen Neuinformation – die Ehegattin sei verspielt worden, die Scheidung sei binnen eines Tages zu vollziehen und müsse die Frau am nächsten Tag einem anderen Mann mitgegeben werden – ist es gänzlich nicht nachvollziehbar und auch nicht der Lebenserfahrung entsprechend, also nicht schlüssig, dass die Betroffenen (zumindest der Erstbeschwerdeführer als afghanischer Mann) weder wissen wollen oder dies in Erfahrung zu bringen suchen, an wen die Zweitbeschwerdeführerin verspielt wurde bzw. wer sie nach einem Tag zu holen gedenkt, noch zu wissen, für was (welchen Geldbetrag oder welche Sache) die zweite Beschwerdeführerin verspielt worden sein soll. Zumal die Zweitbeschwerdeführerin auch Gespräche der Schwiegereltern mitbekommen haben will.
11. Erschwerend kommt zu dieser Unschlüssigkeit hinzu, dass beide Beschwerdeführer bei hiergerichtlicher Nachfrage zu diesen beiden Themata erkennbar die Antworten konstruierten, zeitverzögert antworteten, nach einer logischen Antwortmöglichkeit suchten und sowohl mimische als auch gestisch keineswegs glaubwürdig waren. Schließlich kam der Erstbeschwerdeführer bereits bei der Frage, inwieweit der andere Mann seine Ehefrau mitnehmen könnte, weil sie mit dem Erstbeschwerdeführer ja in einer aufrechten Ehe war, dermaßen ins `Schwimmen`, dass er, obwohl er die Frage erkennbar verstanden hatte, sich mehrfach darauf zurückzog, die Frage nicht zu verstehen, um nach einer Antwort zu suchen. Im Ergebnis ist das Gericht völlig davon überzeugt, dass die behauptete Wette und damit das vorgebrachte `Verspielen` der Zweitbeschwerdeführerin durch den Vater des Erstbeschwerdeführers niemals stattgefunden hat.
12. Vor diesem Hintergrund war der von den Beschwerdeführern (mehrfach gestellte) Antrag `auf Einholung eines länderkundigen Sachverständigengutachtens und/oder Beiziehung eines Vertrauensanwaltes aus Afghanistan zum Beweisthema `Wetteinsatz von (mithin auch verheirateten) Frauen` und der damit verbundenen widrigen Folgen für die betroffenen Frauen` als auch auf Überprüfung der Angaben der Beschwerdeführer vor Ort abzuweisen, weil es solch eine Wette nicht gab, waren die diesbezüglichen Antworten in der hg Verhandlung doch ohne Zweifel als konstruiert erkennbar.
13. Zudem konnte der Erstbeschwerdeführer — (auch mimisch) nicht glaubwürdig — darlegen, wie es ihm so schnell gelungen sei – am Tag des fluchtauslösenden Ereignisses – seine Werkstatt binnen eines Tages zu verkaufen, um damit seine schlepperunterstützte Flucht zu finanzieren.
b) `Westliche Orientierung` als Lebensstil:
14. Die Feststellungen zur Lebenssituation der Zweitbeschwerdeführerin im Heimatland als auch in Österreich beruhen auf ihren diesbezüglichen Angaben in der Beschwerdeverhandlung.
[…]
16. Das Vorbingen, die Zweitbeschwerdeführerin sehe sich im Internet Make-up-Artists an und möchte eine dreijährige Ausbildung zur Visagistin/Make-up-Artistin machen und in diesem Bereich auch arbeiten, ist hiergerichtlich zweifelsfrei als Versuch zu werten, eine `westliche Orientierung` zu belegen, der allerdings keinesfalls glaubhaft ist; so behauptete die Zweitbeschwerdeführerin zunächst, sie würde bereits im nächsten Monat mit einer solchen Ausbildung — für die nächsten drei Jahre — tatsächlich beginnen (hg Verhandlungsprotokoll Seite 11), um auf nähere Nachfrage des Gerichtes, wo sie diese Ausbildung mache und ob sie dazu schon etwas unterschrieben habe, ihre Antwort dahingehend zu ändern, sie habe die Frage falsch verstanden, sie werde das erst abstrakt in der Zukunft machen. In Zusammenschau mit dem bereits nicht glaubwürdigen Vorbringen zur angeblichen Wette des Schwiegervaters über ihre Person erscheinen die Beschwerdeführer ebenso in diesem Punkte (auch gestisch und mimisch) keineswegs überzeugend.
17. Auch konnte die Zweitbeschwerdeführerin das Gericht nicht davon überzeugen, dass sie in Österreich bereits in einem solchen Maße eine (`westliche`) Lebensweise führt, die einen deutlichen und nachhaltigen Bruch mit den allgemein verbreiteten gesellschaftlichen Werten in Afghanistan darstellt:
17.1. So handelt es sich bei der Zweitbeschwerdeführerin um eine erwachsene, sehr einfache Frau, die sich in Österreich primär um den Haushalt kümmert, keine Ausbildung macht, noch eine solche konkret anstrebt, wenngleich sie gerne spazieren und (vereinzelt) Sport betreibt. Insbesondere vermag der Hinweis auf das Tragen eines Bikinis per se noch keine angenommene Identität eines westlichen Lebensstils zu begründen, sondern kommt es besonders auf den diesbezüglichen inneren Willensentschluss an, die ihr zukommenden Freiheiten auch dauerhaft ausüben zu wollen, wovon die Zweitbeschwerdeführerin das Gericht in der gerichtlichen Beschwerdeverhandlung gänzlich nicht zu überzeugen vermochte.
17.2. Vielmehr wurde in der mündlichen Verhandlung der Eindruck gewonnen, dass sich die Zweitbeschwerdeführerin in Österreich grundsätzlich nur innerhalb eines äußerst kleinen Radius bewegt, obwohl es ihr möglich wäre, jederzeit alleine das Haus zu verlassen und sich frei zu bewegen. So hat die Zweitbeschwerdeführerin angegeben, in ihrer Freizeit den Haushalt sowie Lebensmitteleinkäufe zu erledigen und gerne spazieren zu gehe. Auch gelegentliches Basketballspielen und vereinzelte Fitnessstudiobesuche stellen nach Auffassung des Gerichts für sich genommen noch kein ausreichend tragfähiges Substrat für die Annahme eines selbstbestimmten Lebens dar, zumal die Zweitbeschwerdeführerin auch gerne mit ihrer afghanischen Freundin einkaufen geht. Vielmehr ist hervorgekommen, dass die Beschwerdeführerin grundsätzlich immer mit ihrem Mann einkaufen geht, wenn dieser zu Hause ist; wenn dieser nicht zu Hause ist, dann mit ihrer afghanischen Freundin; alleine ginge sie nur einkaufen, wenn sie schon (alleine) beim Sprachkurs sei. In diesem Zusammenhang vermochte die Zweitbeschwerdeführerin nicht zu überzeugen, ein selbstbestimmtes eigenständiges Leben zu führen. Bei den einmal im Monat stattfindenden Treffen mit Freunden kocht und bringt sie afghanisches Essen mit.
17.3. Zur angesprochenen Ausbildung als Visagistin/Make-Up-Artistin ist nochmals zu erwähnen, dass diese weder konkret noch glaubwürdig war, sondern das Gericht hier unzweifelhaft den Eindruck hatte, es werde hier der Beleg einer `westlichen Orientierung` zu konstruieren versucht. Das diesbezügliche Vorbringen weicht erkennbar von der Lebenswirklichkeit der Zweitbeschwerdeführerin ab, und ist hier weder eine konkrete Planung oder eigenes Engagement erkennbar. Für das Gericht ist somit nicht ersichtlich, dass ein Wunsch nach Arbeit wesentlicher Bestandteil der Zweitbeschwerdeführerin geworden ist.
17.4. `Lediglich` der Schwiegervater hat die Zweitbeschwerdeführerin angehalten, eine Burka zu tragen; ihr eigener Mann (der Erstbeschwerdeführer) verlangt dies nicht von ihr. Wenngleich die vorgebrachte Wette nicht glaubwürdig war, konnte der Erstbeschwerdeführer das Gericht davon überzeugen, zu seinem Vater ein sehr schlechtes persönliches Verhältnis zu haben, die Zweitbeschwerdeführerin sowieso. Vor diesem Hintergrund sind die Beschwerdeführer jedoch nicht gezwungen, und erscheint dies auch nicht realitätsbezogen, wieder beim Vater einziehen, sondern können sie genauso wie die Brüder des Erstbeschwerdeführers, die in Afghanistan ein eigenes Leben führen und keinen Kontakt mit dem Vater mehr haben, gleichermaßen ein eigenes (nicht vom Vater) bestimmtes Leben in Afghanistan führen. In diesem Zusammenhang sind auch auf die Länderfeststellungen hinzuweisen, aus denen hervorgeht, dass insbesondere in urbanen Zentren die Kleidungsvorschriften nicht streng gehandhabt werden.
17.5 Zusammenfassend ist nach überzeugendem Eindruck des erkennenden Gerichtes im Falle der Zweitbeschwerdeführerin davon auszugehen, dass diese eine `westliche Orientierung` des Lebensstils, der eine selbstbestimmte und selbstverantwortliche Lebensweise immanent ist, weder verinnerlicht noch in ihrer alltäglichen Lebensführung verankert hat.
17.6. Dem Gericht ist durchaus bewusst, dass das Leben als Frau in Afghanistan nicht mit jenem in Österreich gegebenen Freiheiten vergleichbar ist, allerdings konnte in der Verhandlung nicht der Eindruck vermittelt werden, dass es sich bei der Zweitbeschwerdeführerin um in ihrer Grundeinstellung derart `westlich` orientierte Frauen handeln würde, die allein aufgrund ihrer Gesinnung und bzw. oder der Fortsetzung ihres hier gelebten Lebensstils in ihrer Herkunftsprovinz einer integritätsbedrohenden Gefahr ausgesetzt wären. Aus den Angaben der Zweitbeschwerdeführerin zu ihrer Lebensführung in Österreich ist eine behauptete `westliche` Lebensweise, die bei Fortführung in der Herkunftsprovinz für Probleme sorgen würde, nicht nachvollziehbar, zumal die Beschwerdeführer hier keinen glaubwürdigen Eindruck vermittelten.“
Die mit Schriftsatz vom 12.02.2020 gegen diese Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts eingebrachte außerordentliche Revision wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.03.2020, Ra 2020/20/0076 bis 0077-4 zurückgewiesen, sodass das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 31.12.2019 in Rechtskraft erwuchs.
2. Verfahren betreffend Erlassung einer Rückkehrentscheidung iVm einem Einreisverbot:
2.1. Die Frist für die freiwillige Ausreise der Beschwerdeführerin aus dem Bundesgebiet endete gemäß § 55 FPG am 17.01.2020.
2.2. Da die Beschwerdeführerin ab dem 21.01.2020 nicht mehr amtlich gemeldet war, eröffnete das Bundesamt am 23.01.2020 ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot.
Ab 02.03.2020 lag eine amtliche Wohnsitzmeldung der Beschwerdeführerin wieder vor, welche mit 22.05.2020 wieder endete.
Mit Bescheid des Bundesamtes vom 28.5.2020, Zl. 1072432205/200089039 wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gegen sie wurde gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z1 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist. Einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt und gemäß § 55 Abs. 4 FPG keine Frist für eine freiwillige Ausreise gewährt. Gleichzeitig wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG ein befristetes Einreiseverbot auf die Dauer von 18 Monaten erlassen.
Mangels zu diesem Zeitpunkt bekannter Zustelladresse – die Beschwerdeführung war vom 22.01.2020 bis 01.03.2020 und dann vom 23.05.2020 bis 31.08.2020 im Bundesgebiet nicht amtlich gemeldet – wurde diese Entscheidung gemäß § 25 ZustellG durch öffentlichen Aushang an der Amtstafel der RD Oberösterreich mit 13.06.2020 zugestellt, blieb unbekämpft und erwuchs am 14.07.2020 in Rechtskraft.
3. Verfahren betreffend den beschwerdegegenständlichen Folgeantrag:
3.1. Am 01.09.2020 – ab diesem Zeitpunkt war die Beschwerdeführerin wieder im Bundesgebiet amtlich angemeldet – stellte die Beschwerdeführerin einen Folgeantrag auf die Gewährung von internationalem Schutz.
Noch am selben Tag fand die Erstbefragung statt, wobei die Beschwerdeführerin zunächst kurz ihre bisherigen Fluchtgründe wiederholte und dann ergänzend angab, es gäbe noch etwas, was sie ihrem Ehemann bis jetzt verschwiegen bzw. dies auch noch nicht bei ihrem (ersten) Asylantrag erwähnt habe. Sie habe Angst, dass ihr Ehemann, wenn er dies erfahre, sie verlasse und bitte daher, dass ihr Ehemann diese Sache nicht erfahren werde. Sie sei damals mit der Schwiegermutter alleine zu Hause gewesen als zwei Männer an der Türe geklopft und nach dem Schwiegervater verlangt hätten. Diese seien dann in das Haus eingedrungen, hätten ihr den Mund zugehalten und einer hätte sie in ein Zimmer gezerrt. Die Schwiegermutter wäre gestoßen worden, die Beschwerdeführerin hätte diese nicht mehr gehört und angenommen, dass diese bewusstlos gewesen sei. Dann sei sie vergewaltigt worden. Nachdem die Männer das Haus wieder verlassen hätten, habe sie die Schwiegermutter am Boden liegend vorgefunden und als diese wieder zu sich gekommen sei, habe die Beschwerdeführerin bemerkt, dass diese nichts mitbekommen habe und ihr nur erzählt, dass sie geschlagen worden sei. Aus Angst habe sie dies im letzten Asylverfahren nicht angegeben. Von HEMAYAT, Verband von Psychotherapeutinnen, sei eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert worden, sie benötige dringend psychotherapeutische Behandlung, sei mittlerweile schwanger und habe nicht nur Angst um ihr eigenes Leben, sondern auch das ihres ungeborenen Kindes. Außerdem habe sie sich nachdem sie nach Österreich gekommen sei mit der Zeit entschieden, aus dem Islam auszutreten. Sie habe im Islam nichts Positives gesehen, wäre im Islam geboren, würde aber ihre Religion sich selber aussuchen wollen. Dass es konkrete Hinweise, dass die Beschwerdeführerin bei ihrer Rückkehr einer unmenschlichen Behandlung, einer unmenschlichen Strafe oder der Todesstrafe ausgesetzt wäre oder sie mit irgendwelchen Sanktionen zu rechnen habe, wurde verneint.
Anlässlich der Einvernahme am 17.09.2020 wurde die Beschwerdeführerin auf ihr Vorbringen des Eingriffs in ihre sexuelle Selbstbestimmung angesprochen und die Einvernahme wurde auf ihr Ersuchen abgebrochen. In zwei weiteren Einvernahmen am 24.09.2020 und 12.10.2020, jeweils in Anwesenheit einer weiblichen Referentin sowie des gewillkürten Parteienvertreters und der Rechtsberatung, welche ebenfalls niederschriftlich festgehalten wurden, wiederholte die Beschwerdeführerin während den ausführlichen Befragungen ihr Vorbringen, dass sie an einer Depression leide. Wahrscheinlich sei sie Ende 2019 zuletzt bei einer Psychologin gewesen und sie habe drei verschiedene Medikamente genommen, deren Namen sie nicht mehr wisse. Weil sie derzeit schwanger sei, nehme sie keine Medikamente und wo sie untergebracht sei, gebe es keine Behandlung, dafür müsse sie in die Stadt. Zweimal im Abstand von drei Wochen sei sie in Linz bei einer Ärztin gewesen – dies sei vor ca. drei/vier Monaten gewesen – sie habe aber darüber keine Bestätigung bekommen, dafür hätte sie ein paar Mal zu dieser Ärztin kommen müssen.
Zu ihrem Privatleben seit der Rechtskraft im Verfahren über den ersten Antrag auf internationalen Schutz befragt, gab die Beschwerdeführerin insbesondere an, sie habe in Österreich viele Freunde gefunden, Afghanen und auch Österreicher, habe immer noch die gleichen Freunde und sonst habe sich nichts verändert. Sie könne hier die Schule besuchen, sich ausbilden lassen und arbeiten gehen. Sie habe sich angemeldet arbeiten zu gehen, beim AMS habe man ihr gesagt, sie dürfe Gartenarbeiten machen. In Linz habe sie etwas gefunden, wo sie eine Ausbildung zum „Schminken“, wofür sie sich schon immer interessiert habe, machen könnte, vorausgesetzt sie habe eine Aufenthaltsbewilligung in Österreich. Um sich diese teure Ausbildung finanzieren zu können, müsse sie aber auch eine Arbeit suchen. Sie habe hier einen B1-Deutschkurs besucht, aber keine Prüfung machen können, weil sie einen negativen Bescheid erhalten habe. Die Prüfung wolle sie auf jeden Fall nachholen. Jetzt lebe sie in einem Camp, führe dort den Haushalt, lerne ein wenig Deutsch, habe aber Angst Deutsch zu sprechen, um nicht etwas Falsches zu sagen. Außerdem habe sie jetzt weniger Möglichkeiten mit jemanden Deutsch zu sprechen wie früher. Sie treffe sich nicht mehr mit ihren Freunden, weil sie zu weit weg seien und arbeiten müssten. Auch schwimmen könne sich hier nicht wie früher gehen, es gebe nur den Attersee und dieser sei zu weit weg. Hier seien Frauen und Männer rechtlich gleichgestellt, sie könne ein freies Leben führen und sich aussuchen wie sie sich kleide, sie lebe nach der österreichischen Kultur. Wenn Sie eine Aufenthaltsbewilligung erhalte, wolle sie ihr Deutsch in einem Kurs verbessern, den Führerschein machen und eine eigene Wohnung haben. Später nachdem das Kind auf die Welt gekommen sei, wolle sie es in den Kindergarten bringen und arbeiten, auch reisen und sich andere Länder ansehen.
Bezüglich der Ausreisegründe führte die Beschwerdeführerin an, dass zu den schon damals erwähnten Schwierigkeiten welche hinzugekommen seien, die nicht einmal ihr Mann kenne und deswegen sie einen neuerlichen Antrag gestellt habe und um Hilfe ersuche. Sie sei vergewaltigt worden, habe es aber für sich behalten und erst als sie zweimal einen negativen Bescheid bekommen habe, sei ihr klar geworden, dass sie es unbedingt sagen müsse, weil sie nicht zurückkönne. Dann schilderte die Beschwerdeführerin ihre Vergewaltigung, wobei sie im Wesentlichen dieselben Worte fand, wie bei der Erstbefragung und erwähnte nochmals, dass es sich um eine Wette des Schwiegervaters gehandelt habe, bei der sie als Wetteinsatz verloren worden sei.
Wegen ihrer Vergewaltigung habe sie sich erstmals vor einem Jahr einer Dame beim Verein Kinderhilfswerk anvertraut. Später habe sie der Ärztin, wo sie zwei Termine gehabt habe, ihrer Rechtsanwältin und einer Dame in Wien bei HEMAYART davon erzählt. Letztere habe ihr gesagt, wenn sie sie sich ihr nicht anvertraue, könne sie ihr nicht helfen.
Weiters gab die Beschwerdeführerin an, mittlerweile „konvertiert“ zu sein. Sie habe schon davor daran gedacht, sei dann hierhergekommen, habe gesehen, dass sie hier selbst entscheiden könne, habe es satt Muslimin zu sein und sei vor kurzem aus dem Islam ausgetreten. Ungefähr ein Jahr nachdem sie nach Österreich gekommen seien, hätten sie Leute in die Kirche mitgenommen, ihnen andere Religionen vorgestellt und ihnen aufgezeigt, dass sie ihre Religion wechseln könnten. Als sie einen und dann den nächsten negativen Bescheid bekommen habe, sei es ihr sehr schlecht gegangen, sie habe gar keine Religion mehr gebraucht und sich fest dazu entschlossen, vom Islam auszutreten. In Afghanistan müsste sie die religiösen Vorschriften einhalten, sie würde dazu gezwungen, was sie aber nicht wolle und auch nicht machen würde. Früher sei sie deswegen nicht aus der islamischen Glaubensgemeinschaft ausgetreten, weil dort wo sie anfangs gelebt hätten seien viele Afghanen gewesen, die andere belästigt hätten. Ihr Kind solle sich aussuchen, welche Religion es wolle. Anlässlich ihrer Einvernahme im Juli 2019 habe sie deshalb ihre kritische Haltung zum Islam nicht erwähnt, weil ihr weder über die Religion Fragen gestellt worden seien noch danach gefragt worden sei, ob es Neuerungen gebe.
3.2. Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid des Bundesamtes vom 21.10.2020, Zl. 1072432205 / 200802371 wurde der zweite Antrag der Beschwerdeführerin auf die Gewährung von internationalem Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich des Status der subsidiär Schutzberechtigen (Spruchpunkt II.) gemäß § 68 Abs. 1 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.
Begründend wurde im Wesentlichen festgestellt, die Identität der Beschwerdeführerin stehe nicht fest. Sie sei afghanische Staatsangehörige, verheiratet, schwanger, leide an einer posttraumatischen Belastungsstörung und unter einer rezidivierenden schweren depressiven Störung, jedoch an keiner lebensbedrohenden Krankheit oder Beschwerden, welche einer Abschiebung nach Afghanistan entgegenstünden und zähle nicht zu einer Corona-Risikogruppe für schwere Krankheitsverläufe. Sie verfüge über keine sonstige Aufenthaltsberechtigung. Die Beschwerdeführerin habe im neuerlichen Asylverfahren nicht glaubwürdig weitere asylrelevante Gründe vorgebracht, es habe sich kein neuer objektiver Sachverhalt ergeben.
Die Beschwerdeführerin sei gemeinsam mit ihrem Ehemann illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist, wobei gegen ihren Ehemann und sie selbst aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidungen nach Afghanistan in Verbindung mit einem befristeten Einreiseverbot bestünden.
Da weder in der maßgeblichen Sachlage – und zwar im Hinblick auf jenen Sachverhalt, der in der Sphäre der Beschwerdeführerin gelegen sei, noch auf jenen, welcher von Amts wegen aufzugreifen sei – noch im Begehren und auch nicht in den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung eingetreten sei, welche eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages nicht von vornherein als ausgeschlossen erscheinen ließe, steht die Rechtskraft der ergangenen Entscheidung vom 02.01.2020, dem neuerlichen Antrag sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten entgegen, weswegen die Behörde zu seiner Zurückverweisung verpflichtet sei.
3.3. Gegen diese Entscheidung richtet sich die gegenständliche Beschwerde vom 23.11.2020, wobei einleitend festgehalten wird, dass der erstinstanzliche, bekämpfte Bescheid frühestens am 09.11.2020 (siehe Vwakt S 365) zugestellt worden sei. Begründend wird erneut auf den geänderten Sachverhalt, die Vergewaltigung der Beschwerdeführerin in Afghanistan, den infolge dessen schlechten psychischen Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin, ihre bestehende Schwangerschaft und damit im Zusammenhang die massiv verschlechterte Versorgungslage in Afghanistan aufgrund der Corona Pandemie und den Abfall der Beschwerdeführerin vom Islam hingewiesen. Bezogen auf den sofortigen Vollzug der angefochtenen und bereits rechtskräftig gewordenen Entscheidungen wurde ausdrücklich die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt.
4. Mit Beschluss vom 01.12.2020, Gz. W174 2182458-2/4Z, erkannte das Bundesverwaltungsgericht dieser Beschwerde gemäß § 17 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zu.
5. Mit Mitteilung der belangten Behörde vom 21.04.2021 wurde die Geburt einer Tochter der Beschwerdeführerin am XXXX , welche den Namen XXXX führe zur Kenntnis gebracht und mit Mitteilung vom 26.04.2021 deren Geburtsurkunde anher vorgelegt.
6. Mit Stellungnahme vom 31.5.2021 wurde überwiegend das bisherige Vorbringen repliziert und ergänzend unter Hinweis auf die, erst vor Kurzem geborene Tochter der Eheleute und dem vom länderkundlichen Sachverständigen, XXXX im Verfahren zu BVwG W109 2204745-1 erstellten Gutachten, die Überlebenschance der Beschwerdeführerin und ihrer Familie angesichts der Veränderungen in der afghanischen Gesellschaft aufgrund der Corona-Pandemie für das gesamte Staatsgebiet Afghanistans verneint.
Die Verfolgungssicherheit in den größeren Städten Afghanistans, wie Kabul, Mazar-e-Sharif oder Herat wäre nicht gegeben. Die Beschwerdeführer hätten dort keine Wohnmöglichkeit und könnten sich auch keine leisten. Da der afghanische Staat nicht in der Lage sei, Rückkehrern zu helfen, wären die Beschwerdeführer höchstwahrscheinlich von Obdachlosigkeit betroffen und erhielten keine Versorgung.
Schließlich sei auch die Situation vor allem für Kinder bzw. Minderjährige prekär, welche wenn sie von einer Rückkehrentscheidung betroffen seien nach der Rechtsprechung im Rahmen der Abwägung gemäß § 9 BFA-VG zu berücksichtigen seien (VwGH 25.4.2019, Ra 2018/22/0251).
7. Mit Schriftsatz vom 19.8.2021 wurde auf die aktuellen Entwicklung in Afghanistan eingegangen und darauf hingewiesen, dass es daher keinen Ort mehr im Heimatland der Beschwerdeführerin gebe, wo sie mit ihrem Ehemann und der Tochter eine interne Schutzalternative im Sinne von § 11 AsylG vorfinden könnte.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ergibt sich aus den Asylanträgen der Beschwerdeführerin und ihres Ehemannes, deren Einvernahmen vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, des Bundesamtes sowie vor dem Bundesverwaltungsgericht, den bislang ergangenen Entscheidungen der belangten Behörde und des Bundesverwaltungsgerichts, der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid, der im Verfahren vorgelegten Schriftsätze sowie der Einsichtnahme in die Verwaltung- und Gerichtsakten.
1.1. Zum Verfahrensgang:
Der Ablauf des Verfahrensgangs wird festgestellt, wie er unter Punkt I. wiedergegeben ist.
1.2. Zur Person der Beschwerdeführerin und ihren privaten und familiären Verhältnissen:
Die Identität der Beschwerdeführerin steht nicht fest. Im Verfahren führt die Beschwerdeführerin den Namen XXXX , sie wurde am XXXX (alias XXXX ) geboren, ist afghanische Staatsangehörige, gehört der Volksgruppe der Tadschiken an und stammt aus der Provinz Herat in Afghanistan, Distrikt Baghe Azadi im ersten Bezirk Herats. Ihre Muttersprache ist Dari, sie spricht auch Farsi und ein wenig Deutsch. Sie ist traditionell verheiratet.
Die Beschwerdeführerin hat maximal ein Jahr lang die Grundschule besucht bzw. wurde für diese Zeit (oder kürzer) nur zuhause unterrichtet, sie weist somit keine heimatliche Schulbildung auf und hat in Afghanistan weder einen Beruf erlernt noch ausgeübt.
Die Beschwerdeführerin ist der afghanischen Kultur sozialisiert und mit den afghanischen Gepflogenheiten vertraut.
Der Vater, die Schwester und der Bruder der Beschwerdeführerin leben im Iran, die Mutter ist verstorben. Eine Tante mütterlicherseits lebt in Afghanistan, in Herat.
Im Bundesgebiet hat sie einen A2-Deutschkurs absolviert und bestanden, eine Prüfung A1-ÖSD Zertifikat mit sehr gutem Erfolg bestanden, einen B1-Deutschkurs konnte sie bislang nicht erfolgreich beenden und hatte zuletzt wenig Gelegenheit bzw. gibt an Angst zu haben, die deutsche Sprache zu verwenden. Die Integrationsprüfung konnte die Beschwerdeführerin abschließen.
Die Beschwerdeführerin leidet laut einem Gutachten von HEYMAYAT vom 6.8.2020 an einer posttraumatischen Belastungsstörung und einer rezidivierenden schweren depressiven Störung und benötigt psychologische bzw. psychiatrische Behandlung. Etwa seit Juli 2020 nahm die Beschwerdeführerin wegen ihrer Schwangerschaft keine Medikamente mehr ein, zuvor wurde sie mit Antidepressiva – Sertralin 50mg und Paracetamol 500mg – behandelt (vgl. Patientenkartei der Betreuungsstelle, gynäkologische Untersuchung/Ultraschallunter-suchung vom September 2020). Vom Oktober 2019 bis Juni 2020 erhielt die Beschwerdeführerin insgesamt sechzehn Mal Beratungen beim Kinderhilfswerk Linz; nach deren Stellungnahme leidet die Beschwerdeführerin an Schlafstörungen, Flashbacks, Panikattacken, Libidoverlust, Kopfschmerzen, Alpträumen und Schweißausbrüchen. Im Oktober 2020 hatte die Beschwerdeführerin ein Gespräch bei einer Psychologin, eine schriftliche Bestätigung hierüber wurde nicht vorlegt, jedoch eine Kopie der Medikamentenpackung „Lasea“ vor der Behörde beigebracht.
Die Beschwerdeführerin leidet an keinen lebensbedrohenden Krankheiten oder Beschwerden, welche einer Abschiebung nach Afghanistan entgegenstünden. Seit Juli 2020 nimmt sie keine Antidepressiva mehr ein, sie hat XXXX dieses Jahres im Bundesgebiet ihr erstes Kind, eine Tochter geboren und der achtwöchige Mutterschutz ist mittlerweile abgelaufen. Selbst wenn die Beschwerdeführerin „Lasea“ nach wie vor einnehmen sollte, ist von ihrer Arbeitsfähigkeit auszugehen, da es sich dabei um ein pflanzliches Arzneimittel handelt, das laut Verpackungstext zur Behandlung temporärer ängstlicher Verstimmung bestimmt ist. Weitere Unterlagen betreffend eine mögliche Arbeitsunfähigkeit der Beschwerdeführerin infolge ihrer psychischen Situation wurden weder beigebracht, noch deren grundsätzliche Arbeitsfähigkeit zuletzt in der Stellungnahme vom Mai 2021 in Zweifel gezogen. Schließlich zählt die Beschwerdeführerin nicht zu einer Corona-Risikogruppe für schwere Krankheitsverläufe.
Die Beschwerdeführerin konnte in Österreich freundschaftliche Kontakte knüpfen, hatte aber zuletzt zu diesen wenig Kontakt. Sie ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
Die Beschwerdeführerin ist am 31.08.2020 nachweislich aus der islamischen Glaubensgemeinschaft ausgetreten.
Die Beschwerdeführerin hat im Bundesgebiet, ihr erstes Kind, eine Tochter am XXXX geboren, welche den Namen XXXX trägt.
1.3. Zu den Fluchtgründen:
Die Beschwerdeführerin stützt ihren Folgeantrag im Ergebnis auf dieselben Fluchtgründe, die bereits im ersten Verfahren geltend gemacht wurden. Neue Fluchtgründe, denen ein „glaubwürdiger Kern“ innewohnen würde, wurden nicht vorgebracht.
Eine maßgebliche Änderung der asylrelevanten Lage im Herkunftsstaat seit dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens über den ersten Antrag auf internationalen Schutz der Beschwerdeführerin kann zum Zeitpunkt der angefochtenen erstinstanzlichen Entscheidung über den Folgeantrag ebenso wenig festgestellt werden, wie eine maßgebliche Änderung der von ihr bereits im Vorverfahren vorgebrachten asylrelevanten Fluchtgründe.
Die Rechtslage blieb, soweit dies hier entscheidungsrelevant ist, unverändert.
1.4. Zur Lage im Herkunftsstaat:
Bei Erlassung des angefochtenen Bescheides war das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Gesamtaktualisierung 13.11.2019, letzte Informationen vom 18.5.2020 betreffend die allgemeine Lage, als auch insbesondere die Sicherheits- und Versorgungslage im Wesentlichen übereinstimmend mit jener Fassung, die für die Vergleichsentscheidung, dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 31.12.2019 herangezogen wurde.
Das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Gesamtaktualisierung 13.11.2019, letzte Informationen vom 18.5.2020, die EASO Country Guidance: Afghanistan vom Juni 2019 (EASO) und die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs Afghanischer Schutzsuchender vom 30.8.2018 (siehe Anlagen) stellen einen integrierten Bestandteil dieses Erkenntnisses dar und werden als Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat herangezogen.
1.5. Zur Pandemie aufgrund des Corona-Virus:
Zur allgemeinen Situation betreffend COVID-19 ist auszuführen, COVID-19 ist eine durch das
Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet.
Die Wahrscheinlichkeit von schweren Erkrankungen und Todesfällen steigt bei Personen über 65 Jahren und bei Personen mit definierten Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Diabetes, Herz-Kreislauf- Erkrankungen, chronischen Atemwegserkrankungen, geschwächtem Immunstatus, Krebs und Fettleibigkeit deutlich an. Diese Risikogruppen sind bis heute für die Mehrheit der schweren Erkrankungen und Todesfälle verantwortlich. Nach der Infektion gibt es aktuell (noch) keine spezifische Behandlung für COVID-19, jedoch kann eine frühzeitige unterstützende Therapie, sofern die Gesundheitsfürsorge dazu in der Lage ist, die Ergebnisse verbessern. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Krankheitsverlauf des COVID-19, sofern es durch das Coronavirus ausgelöst wurde, für die Allgemeinbevölkerung als mild bis moderat, für ältere Menschen mit definierten Risikofaktoren jedoch als gravierend bis tödlich eingeschätzt wird (s. www.who.int/health topics/coronavirus).
Da die Beschwerdeführerin nicht unter die Risikogruppe der Personen über 65 Jahren fällt und auch nicht zu den Personen mit maßgeblichen Vorerkrankungen (siehe oben) zählt, ist bei einer Überstellung der Beschwerdeführerin nach Afghanistan das Vorliegen eines „real risk“, einer Verletzung des Art. 2 oder 3 EMRK nicht erkennbar.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zum Verfahrensgang:
Der Verfahrensgang ergibt sich aus den unzweifelhaften und unbestrittenen Inhalten der vorliegenden Verwaltungsakte des Bundesamtes und den Gerichtsakten sowohl zum Verfahren über den ersten Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz als auch des gegenständlichen Folgeantrages und des vom Bundesamt geführten Verfahrens über die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbotes betreffend die Beschwerdeführerin.
2.2. Zur Person der Beschwerdeführerin und ihren privaten und familiären Verhältnissen:
Die Feststellungen zur Herkunft, Staats- und Volksgruppenzugehörigkeit, der Religion, der Muttersprache und den weiteren Sprachkenntnissen, zur Bildung im Herkunftsstaat und im Bundesgebiet sowie zu den familiären Verhältnissen ergeben sich aus den diesbezüglich stringenten Angaben der Beschwerdeführerin. Sie sind in Übereinstimmung mit dem Inhalt der vorgelegten Verfahrensakten des Bundesamtes sowie der vorliegenden Gerichtsakten, sodass sie als schlüssig anzusehen sind. Das Bundesverwaltungsgericht hat daher keine Veranlassung, an diesen Aussagen zu zweifeln.
Die Feststellungen zur Sozialisierung der Beschwerdeführerin nach den afghanischen Gepflogenheiten ergibt sich daraus, dass sie in ihrem Heimatland im Kreis ihrer afghanischen Familie aufgewachsen ist, unterrichtet wurde und den Großteil ihres Lebens dort verbracht hat.
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin ergeben sich aus den in den Verwaltungs- und Gerichtsakten vorliegenden insbesondere medizinischen aber auch sonstigen diesbezüglichen Unterlagen. Zu den aktuellen Möglichkeiten der Betreuung und ärztlichen Versorgung der Beschwerdeführerin ist dem Bundesamt zuzustimmen, wonach die Antidepressiva Sertralin und Paracetamol in Afghanistan erhältlich sind (vgl. Anfragebeantwortung der Staatendokumentation 23.01.2019 und 25.02.2019). Zudem konnte die Beschwerdeführerin zuletzt auf deren Einnahme verzichten und fand mit einem pflanzlichen Arzneimittel das Auslangen. Die Situation in Bezug auf die Betreuung und Behandlungsmöglichkeiten von psychischen Erkrankungen war, wie dem für die Entscheidung des Bundesamtes maßgeblichen Länderinformationen zu Afghanistan, Gesamtaktualisierung 13.11.2019, letzte Information 18.5.2020 zu entnehmen ist, zum damaligen Zeitpunkt vor allem in den größeren Städten nach wie vor grundsätzlich gegeben.
Ergänzend sei festgehalten, dass nunmehr nach Abzug der internationalen Truppen und der Übernahme des Landes durch die Taliban die Behandlung der psychischen Erkrankung der Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr im Herkunftsstaat nach Ansicht der erkennenden Richterin jedoch nicht mehr zu erwarten ist.
Die Feststellungen zur grundsätzlich gegebenen Arbeitsfähigkeit der Beschwerdeführerin ergeben sich aus den in den Verwaltungs- und Gerichtsakten vorliegenden insbesondere medizinischen aber auch sonstigen diesbezüglichen Unterlagen. Diesen sind keinerlei Hinweise auf eine Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit der Beschwerdeführerin zu entnehmen. Einzubeziehen sind in diesem Zusammenhang auch die Angaben der Beschwerdeführerin anlässlich ihrer Befragungen vor der belangten Behörde und einschlägigen Stellungnahmen im Behörden- und Gerichtsverfahren. Demnach hat die Beschwerdeführerin zwar seit Oktober 2019 bis Juni 2020 laufend Beratungen beim Kinderhilfswerk in Linz in Anspruch genommen, wo auch ihre psychischen Probleme in einer Stellungnahme festgehalten wurden, jedoch gab sie noch am 12.10.2020 gegenüber der belangten Behörde an, sich gegenwärtig weder in einer psychologischen, psychiatrischen noch psychotherapeutischen Behandlung zu befinden. Obwohl HEMAYAT schon im August 2020 ausgeprägte schwere Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung nach Trauma mit klinisch relevanten Symptomen und Flashbacks nach ICD-10: F43 und eine schwere rezidivierende depressive Störung nach ICD-10: F33.2 diagnostizierte und in ihrem Gutachten zum Ergebnis kam, dass die Beschwerdeführerin psychologische/psychiatrische Betreuung benötige, wurde dem Bundesamt erstmals am 16.10.2020 mitgeteilt, dass die Beschwerdeführerin ein Gespräch mit einer Psychologin geführt habe. Der Versuch der Beschwerdeführerin dies und ihre nach ihren Angaben nur fallweise bislang erfolgten psychologischen bzw. psychiatrischen Behandlungen damit zu erklären, dass sie aufgrund ihres Aufenthaltsortes bzw. ihrer fehlenden Krankenversicherung keine weiteren Möglichkeiten dazu gehabt hätte, vermag dabei nicht zu überzeugen, denn trotzdem sie im August 2020, zu einem Zeitpunkt, wo sie infolge der Entfernung von der ihr zugewiesenen Betreuungsstelle und unbekannten Aufenthalts im Bundesgebiet nicht krankenversichert war, fand sie die Möglichkeit sich von HEYMAYAT medizinisch begutachten zu lassen. Auch konnte die Beschwerdeführerin zwar den Namen einer Ärztin, die sie einmal in Wien aufgesucht hat nennen, jedoch den Namen jener Medizinerin, die sie zumindest zweimal in Linz besucht hat nicht angeben oder dazu schriftliche Nachweise vorlegen. Sowohl diese Verantwortung der Beschwerdeführerin, als auch ihr Zuwarten bzw. ihre zögerliche Herangehensweise betreffend die Inanspruchnahme einer psychologischen bzw. psychiatrischen Betreuung sprechen vielmehr dafür, dass sie nicht in einem solchen Ausmaß durch ihre psychische Situation in ihrer Gesundheit beeinträchtigt war bzw. aktuell ist, dass sie dadurch auch ihrer Arbeitsfähigkeit gänzlich verlustig geworden ist.
Eine Berücksichtigung der mittlerweile – bedingt durch die in der nächsten Zeit gegebene Notwendigkeit einer intensiveren Betreuung der wenige Monate alten Tochter – eingetretenen negativen Folgen auf die Arbeitsfähigkeit bzw. -möglichkeit der Beschwerdeführerin und ihres Ehemannes kommt im gegenständlichen Beschwerdeverfahren nicht in Betracht.
Die Feststellungen zum Leben der Beschwerdeführerin in Österreich, ihren absolvierten Kursen, den Deutschkenntnissen, den verwandtschaftlichen Beziehungen zu ihrem Ehemann und ihrer Tochter sowie den nur ansatzweise gegebenen weiteren sozialen Anknüpfungspunkten und Integration im Bundesgebiet, stützen sich auf die Aktenlage und insbesondere die Angaben der Beschwerdeführerin im Folgeverfahren, wonach sie wegen ihrer Schwangerschaft insbesondere Angst habe, Deutsch zu sprechen und ihre freundschaftlichen Kontakte zuletzt sehr eingeschränkt waren bzw. sie dieser verlustig wurde.
2.3. Zum Fluchtvorbringen der Beschwerdeführerin:
Dass eine maßgebliche Änderung der bereits im vorangegangenen Verfahren vorgebrachten Fluchtgründe betreffend die Gewährung von Asyl nicht festgestellt werden kann bzw. im Folgeantrag auf internationalen Schutz keine neuen Fluchtgründe, denen ein „glaubwürdiger Kern“ innewohnt vorgebracht wurden, ergibt sich bei einem Vergleich der Angaben der Beschwerdeführerin im gegenständlichen Verfahren über den Folgeantrag vor dem Bundesamt und deren Angaben im bereits in zweiter Instanz rechtskräftig gewordenen ersten Verfahren.
2.3.1. So wiederholte die Beschwerdeführerin anlässlich der vor der belangten Behörde im gegenständlichen Folgeverfahren erfolgten insgesamt drei Befragungen wie bereits im rechtskräftig abgeschlossenen ersten Verfahren auf die Gewährung von internationalem Schutz vor dem Bundesamt denselben Fluchtgrund, nämlich dass sie von ihrem Schwiegervater bei einer Wette verspielt worden sei. Dieses Vorbringen ergänzte die Beschwerdeführerin dahingehend, dass sie deshalb damals von zwei Männern zu Hause aufgesucht worden wäre, die nach dem Schwiegervater gefragt hätten und als dieser nicht zuhause gewesen sei, seien diese in das Haus eingedrungen und hätten sie vergewaltigt. Sie habe das im ersten Asylverfahren aus Angst, dass sie ihr Ehemann verlassen würde für sich behalten. Es wäre nichts Leichtes für sie, sie habe es weder ihrer Schwiegermutter noch ihrem Ehemann erzählt. Erst als sie zwei negative Entscheidungen erhalten habe, sei der Beschwerdeführerin klar geworden, dass sie darüber sprechen müsse, um Hilfe zu erhalten, weil sie nicht nach Afghanistan zurückkönne. Diese Darstellung, wenn auch erweitert um die Vergewaltigung, steht mit dem im rechtskräftig negativ entschiedenen Vorverfahren als unglaubwürdig beurteilten Vorbringen in unmittelbaren Zusammenhang, wo ebenfalls davon die Rede gewesen ist, dass die Beschwerdeführerin von ihrem Schwiegervater als „Wetteinsatz“ verspielt worden sei. Hierzu hielt das Bundesverwaltungsgericht – worauf die belangte Behörde in ihrem Bescheid zutreffend hinweist – im Erkenntnis vom 31.12.2019, Gz W 179 2182458-1/16E bereits fest, dass der Schwiegervater die Beschwerdeführerin nicht in einer Wette als „Wetteinsatz“ verspielt hat. Nachdem bereits das Verspielen der Beschwerdeführerin als „Wetteinsatz“ nicht stattgefunden hat, kann dies auch für die infolge des Verspielens der Beschwerdeführerin durch ihren Schwiegervater nunmehr vorgebrachte Vergewaltigung nach den Denkgesetzen ebenfalls nicht zutreffen. Diesen auf den bereits rechtskräftig als unglaubhaft erkannten Angaben aufbauenden Behauptungen wohnt daher kein glaubhafter Kern inne. Sie sind somit von der Rechtskraft des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom Dezember 2019 mitumfasst.
2.3.2. Auch das von der Beschwerdeführerin bei der zweiten Befragung vor dem Bundesamt am 24.09.2020 erstattete weitere Vorbringen, sie hätte im Herkunftsland noch mehr Schwierigkeiten, weil sie mittlerweile konvertiert sei, führt zu keinem anderen Ergebnis.
Von der belangten Behörde dazu befragt, seit wann sie sich mit dem Gedanken aus der islamischen Glaubensgemeinschaft auszutreten befasst habe, gab die Beschwerdeführerin an, dass sie ca. ein Jahr nachdem sie nach Österreich gekommen sei, in eine Kirche mitgenommen worden sei und ihr andere Religionen vorgestellt worden wären. Sie habe damals auch erfahren, dass man in Österreich frei entscheiden könne und die Religion wechseln könne. Dann habe sie daran gedacht, welche Religion. Demnach hat sich die Beschwerdeführerin zumindest seitdem sie Kenntnis darüber erlangt hatte, dass es ihr im Bundesgebiet jederzeit möglich ist, sich für eine Religion frei zu entscheiden, mit dem Gedanken getragen, den Islam zu verlassen. Da die Beschwerdeführerin ihren ersten Asylantrag im Juni 2015 gestellt hatte, hat sie nach diesen ihren Aussagen erstmals schon im Sommer 2016 darüber nachgedacht, welcher Religion sie weiterhin angehören wolle. Wie den weiteren Ausführungen der Beschwerdeführerin bei dieser Befragung ausdrücklich zu entnehmen ist, hasse sie es eine Muslimin zu sein und zwar nicht nur, weil im Namen des Islams Menschen getötet und vergewaltigt werde, sondern auch weil es im Islam viele Verbote gebe und sie frei entscheiden wolle, welche Religion sie wähle bzw. sie „frei“ sein wolle Somit wird klar, dass die Beschwerdeführerin schon im Jahr 2016 daran dachte, dem Islam den Rücken zu kehren und sich ihre innere Einstellung seither nicht geändert hat. Seine Bestätigung findet diese Tatsache darin, dass die Beschwerdeführerin, befragt warum sie nicht schon früher aus der islamischen Glaubensgemeinschaft ausgetreten sei, dies damit erklärt, dass zu Beginn ihres Aufenthalts in Österreich dort auch viele Afghanen gelebt hätten, die andere belästigt hätten und sie nicht gewusst habe, wohin sie gehen müsse bzw. wie sie Austreten könne. Auch gab sie an, sie habe ihre kritische Haltung zum Islam bei der Befragung im Juli 2019 nur deshalb nicht erwähnt, weil ihr zur Religion keine Frage gestellt bzw. sie nicht nach Neuerungen gefragt worden sei. Damit wird deutlich, dass – wie die belangte Behörde in ihrer Entscheidung zurecht ausführt – es seit der Rechtskraft der Entscheidung im ersten Asylverfahren im Dezember 2019 zu keiner Änderung bei der Einstellung der Beschwerdeführerin zum Islam gekommen ist.
Unterstrichen wird dieses Faktum zum einen dadurch, dass die Beschwerdeführerin bei derselben Befragung vor dem Bundesamt selbst darauf hingewiesen hat, schon früher an einen Austritt gedacht zu haben, aber erst jetzt (gemeint ist der 31.8.2020, die im Folge-verfahren zur Gewährung von internationalem Schutz vorgelegte Austrittbestätigung aus der islamischen Glaubensgemeinschaft trägt dieses Datum) ausgetreten zu sein. Zum anderen gab die Beschwerdeführerin zwar bei der Erstbefragung am 12.6.2015 sowie auch bei der Befragung am 14.9.2017 im rechtskräftig entschiedenen ersten Asylverfahren an, schiitische Muslima zu sein, sprach aber gleichzeitig davon im Bundesgebiet nur einmal im April/Mai 2017 in Linz eine Moschee besucht zu haben und bekräftigte schließlich schon damals, nicht mehr nach den in Afghanistan herrschenden gesellschaftlichen, politischen und insbesondere religiösen Zwängen leben zu können. Wenn die Beschwerdeführerin weiters explizit angibt, erst nachdem sie den ersten und den zweiten negativen Bescheid erhalten hatte, sei es ihr sehr schlecht gegangen, sie habe gar keine Religion mehr gebraucht und habe sich erst in der letzten Zeit fest dazu entschlossen, aus dem Islam auszutreten, führt das zu keiner Änderung, denn mit ihrem „neuen“ Vorbringen im Asylfolgeverfahren – dem nachweislichen Abfall vom Islam am 31.8.2020 – stützt sie sich auf einen Sachverhalt, nämlich ihren bereits seit Sommer 2016 vorhandenen Gedanken, nicht mehr länger der islamischen Glaubensgemeinschaft angehören zu wollen, welcher somit schon vor rechtskräftiger Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag bestanden hat.
2.3.3. Hinsichtlich des behaupteten Asylgrundes der „westlichen Orientierung“ der Beschwerdeführerin ist es ebenfalls zu keiner Änderung der Beurteilung seit der Vorentscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht gekommen. Die Beschwerdeführerin kümmerte sich nach eigenen Angaben zum Zeitpunkt der angefochtenen Bundesamtsentscheidung nach wie vor primär um den Haushalt, sprach davon zwar nach wie vor Deutsch zu lernen, aber gleichzeitig war es ihr wichtig zu ergänzen, dass sie Angst habe Deutsch zu sprechen. Auch konnte sie bislang den absolvierten B1-Deutschkurs nicht durch eine positive Prüfung abschließen. Sie verfügt noch immer über dieselben Freunde wie im Verfahren über ihren ersten Antrag auf die Gewährung von internationalem Schutz, wobei sich ihre freundschaftlichen Kontakte zuletzt auch noch eher reduziert haben, sodass sie offenbar seither ihre sozialen Kontakte im Bundesgebiet nicht intensivieren konnte. Die Beschwerdeführerin spricht weiterhin davon, eine Ausbildung zum „Schminken“ machen zu wollen, aber ihr Vorhaben ihr Kind nach der Geburt in den Kindergarten zu geben, zu arbeiten, den Führerschein zu machen und zu reisen, ist genauso wenig substantiiert und ohne konkrete Planung, wie es ihr Wunsch nach einer Ausbildung zur Visagistin zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts Ende 2019 schon gewesen ist. Es sind keinerlei Hinweise erkennbar, dass es bei der Einstellung der Beschwerdeführerin in der Zeit zwischen dem Zeitpunkt der Vergleichsentscheidung bis Oktober 2020 zu einem deutlichen Bruch mit den in Afghanistan verbreiteten und allgemein geltenden gesellschaftlichen Werten gekommen ist. Im Ergebnis ist daher davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin eine „westliche Orientierung“ ihre Lebensstils nicht verinnerlicht hat.
Anzumerken bleibt, dass die von der Beschwerdeführerin gegenüber der belangten Behörde erwähnte Tatsache ihrer Schwangerschaft, womit die Beschwerdeführerin ihren Folgeantrag auf die Gewährung von internationalem Schutz vor dem Bundesamt auch begründete für sich genommen in Bezug auf die Beurteilung der Gewährung von Asyl im Verfahren noch keine maßgebliche Neuerung darstellte.
2.4. Zur Situation im Herkunftsstaat:
Dass sich die Lage im Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Entscheidung durch die belangte Behörde im gegenständlichen Folgeverfahren im Vergleich zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nicht wesentlich verändert hat, ergibt sich aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Afghanistan, Gesamt-aktualisierung 13.11.2019, letzte Information 18.5.2020 im Vergleich zu den Länderberichten im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts über den ersten Antrag auf die Gewährung von internationalen Schutz.
Das Bundesverwaltungsgericht hat sich durch Einsichtnahme in die genannten Quellen davon versichert, dass zwischen den jeweils herangezogenen Berichten keine wesentliche Veränderung der Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan eingetreten ist.
Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche bieten, besteht für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der herangezogenen Länderinformationen zu zweifeln.
Ergänzend bleibt anzumerken, dass seither in Bezug auf die Sicherheits- und Versorgungslage eine wesentliche Änderung eingetreten ist, welche aktuell insbesondere für den besonders vulnerablen Teil der Bevölkerung, wie die Beschwerdeführerin und ihre nur wenige Monate alte Tochter dazu führt, dass nicht mehr auszuschließen ist, dass deren Grundversorgung mit Unterkunft und Nahrung im Falle einer Rückkehr ausreichend gesichert sein wird.
2.5. Zur Pandemie aufgrund des Corona-Virus:
Soweit von der Beschwerdeführerin insbesondere die in Afghanistan gegebenen COVID-19-Pandemie und die damit einhergehende hohe Infektionsrate, die Probleme im Gesundheitswesen und auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt als Hindernisse für ihre Rückkehr genannt werden, ist darauf hinzuweisen, dass das allgemeine Risiko sich mit einem Corona-Virus zu infizieren weltweit, also sowohl im Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin als auch in Österreich weiterhin in einem hohen Ausmaß besteht und eine Ansteckung ebenso wenig in Österreich ausgeschlossen werden kann. Zudem handelt es sich bei der Beschwerdeführerin um keine Person mit einem geschwächten Immunsystem oder Vorerkrankungen, welche einem erhöhten Risiko einer schweren oder gar tödlichen Krankheitsverlaufes ausgesetzt ist. Insgesamt stellt sich die derzeitige Situation in Afghanistan auch unter Berücksichtigung der COVID-19-Pandemie nicht dergestalt dar, dass sich die grundlegende Situation im gesamten Staatsgebiet für die Beschwerdeführerin entscheidungswesentlich geändert hat bzw. eine Rückkehr allein aufgrund der Corona-Pandemie nicht zumutbar wäre.
Nach entsprechender Würdigung aller zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung vorliegenden Informationen ist in einer Gesamtschau sohin anzunehmen, dass die Beschwerdeführerin im Falle der Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner Verletzung von Art. 3 EMRK ausgesetzt gewesen wäre.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit und verfahrensrechtliche Grundlagen:
Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 in der geltenden Fassung entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, liegt gegenständlich die Zuständigkeit der nach der geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichts zuständigen Einzelrichterin vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte ist mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts durch das Verwaltungsgerichtsverfahrens (VwGVG) geregelt. Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG idgF bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zweck des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG idgF sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 7 Abs 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) das Bundesverwaltungsgericht.
3.2. Zu Spruchpunkt A)
3.2.1. Zurückweisung des Folgeantrages auf die Gewährung von internationalen Schutz (Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides):
3.2.1.1. § 68 Abs.1 AVG lautet:
„Abänderung und Behebung von Amts wegen
§ 68.
(1) Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, sind, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.“
3.2.1.2. Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind demnach Anbringen von Beteiligten, die außer in den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist (VwGH 30.09.1994, 94/08/0183; 30.05.1995, 93/08/0207; 09.09.1999, 97/21/0913; 07.06.2000, 99/01/0321).