TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/21 W195 2245638-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.09.2021
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Entscheidungsdatum

21.09.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs3
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch


W195 2245638-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch seinen Vizepräsidenten Dr. Michael SACHS als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Bangladesch, vertreten durch die XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.06.2021, XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 17.09.2021 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger aus Bangladesch, stellte nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz.

I.2. Im Rahmen der Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am XXXX gab der BF an, dass er nach dem Tod des Vaters gemeinsam mit dem Bruder das Erbe weitergeführt habe. Der Onkel, Bruder der Stiefmutter, sei Mitglied und „Chairman“ der Awami-League und habe veranlasst, dass die Brüder nach einem Anschlag für eine Woche eingesperrt wurden. Der Onkel habe beauftragt, dass man die Brüder ermorden solle.

I.3. Im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am XXXX führte der BF aus, dass sein Vater zweimal geheiratet habe. Er und sein Bruder würden von der ersten Frau abstammen, er habe noch zwei Halbschwestern. Als der Vater erkrankte, hätte sich aber der Bruder der Stiefmutter eingemischt und habe dieser geplant die Brüder zu foltern, damit die Stiefschwestern alles erhalten. Der Onkel habe seine Position bei der Awami League und seine hochrangigen Kontakte genutzt. Eine dem Stiefonkel nahestehende Gruppe namens „freedom“ sei einmal mit dem BF an einem ihm fremden Ort gegangen und hätten ihn darauf angesprochen, er möge friedlich weggehen, sonst würde ihm etwas Schlimmes passieren. Es sei dies eine vom Stiefonkel geführte Gruppe. Der Stiefonkel habe „zu allen wichtigen Parteien“ Kontakte, er sei der „Obmann von XXXX , einem Unterbezirk von XXXX “, und „ein Krimineller“.

Von all dem Stress habe der BF seine Gedächtnisprobleme bekommen. Der Vater sei sodann gestorben. Der kleine Bruder sei Anhänger der „ XXXX “. Der Bruder sei geschlagen worden und hätte der BF Angst bekommen.

Es gab eine Streitschlichtungssitzung zwischen den Parteien, aber alle seien auf der Seite des Onkels gewesen. Auf dem Nachhauseweg sei der BF entführt worden, es sei ihm Geld geboten worden, wenn er wegginge, ansonsten müsse er sterben. Da nur die männlichen Nachkommen etwas erben würden, habe er sich geweigert.

Drei Tage später habe ihn sein Bruder gefunden und es kam zur Schlägerei zwischen den Leuten des Bruders und denen des Stiefonkels. Der Bruder des Stiefonkels namens XXXX sei bei diesen Handgreiflichkeiten schwer geschlagen worden, danach seien die beiden Brüder geflohen und hielten sich versteckt. Der Bruder des Stiefonkels, XXXX , sei an den Verletzungen gestorben.

Der Vorfall sei Ende 2018 passiert, im Dezember 2018 habe er Bangladesch verlassen. Am Beginn der Streitigkeiten sei der BF bei der Polizei gewesen, aber er hatte nicht den Eindruck, dass sie ihm helfen würden; sie hätten gemeint, er solle in der nächsten Woche wiederkommen.

Der BF ist ledig und hat keine Kinder. Er habe mit seiner Mutter über ein Handy Kontakt. Der BF hat keine Verwandten im Bundesgebiet. Der BF verbüßte keine Haftstrafe.

Im Falle der Rückkehr des BF befürchte dieser, dass er vom Stiefonkel umgebracht werde.

I.3. Am XXXX erfolgte eine weitere Einvernahme des BF vor dem BFA.

Eingangs legte der BF ein in der Sprache Bangla abgefasstes Dokument vor, ein Urteil vom XXXX . Er habe dieses über seinen Onkel mütterlicherseits erhalten, es könne auch sein, dass dieses Urteil gefälscht sei. Der Stiefonkel habe dieses Urteil erwirkt.

Zu seiner Identität führte der BF aus, er könne seine Identität nicht beweisen und „ich möchte das auch nicht, da ich nicht in meine Heimat abgeschoben werden möchte“ (AAS 120). Er sei „mit meinem eigenen Reisepass bis in die Türkei gereist (AAS 122, ebenso AAS 123; andere Aussage am XXXX : „Von Bangladesch gingen wir nach Indien. Von dort sind wir mit einem gefälschten indischen Reisepass in die Türkei geflogen“ AAS 81). Er sei dann schlepperunterstützt bis nach Österreich gekommen, es sei „Zufall“, dass er in Österreich ausgestiegen sei.

Der BF spricht nicht Deutsch, hat aber um eine Gewerbeberechtigung angesucht.

Der BF habe im Geschäft des Vaters, einen Supermarkt, gearbeitet. Der Vater sei am XXXX verstorben und habe die Stiefmutter das Geschäft übernommen. Sie sei „die Alleinerbin“ des Vermögens des Vaters, welches zwei Supermärkte, Landwirtschaft und Transportgewerbe (Bus und LKW) umfasste. Sie habe den BF und seinen Bruder aus dem Geschäft gedrängt. Wenige Monate nach dem Tod des Vaters habe der BF noch von dem Geld des Vaters gelebt, dann wusste der BF nicht mehr, „was ich tun sollte und wovon ich leben sollte. So plante ich meine Ausreise aus Bangladesch“ (AAS 122). Das erste Mal an Ausreise dachte der BF „nach dem Tod meines Vaters“ (AAS 123).

Sein Bruder würde derzeit „mit meiner Mutter gemeinsam im Haus der Mutter in XXXX “ leben, „er macht nichts“ (AAS 123; andere Aussage: der Bruder sei mit ihm geflohen – AAS 73; „meinen Bruder habe ich auf dem Weg hierher verloren“ AAS 40).

Er stünde mit der Mutter und dem Bruder in telefonischer Verbindung. Er habe zwei Onkel und zwei Tanten mütterlicherseits. Die Tanten leben seit dreißig Jahren, ein Onkel seit zehn Jahren in England, der andere Onkel in Bangladesch.

Der BF sei in Bangladesch weder vorbestraft noch stand er jemals vor Gericht. Er war nie inhaftiert und hatte keine Probleme mit Behörden. Es gäbe gegen ihn keine Strafanzeigen, keine Haftbefehle oder sonstige Fahndungen (AAS 124).

Der BF war nie politisch tätig oder Mitglied einer politischen Partei (AAS 124). Er hatte auch nie Probleme mit nahestehenden Vereinen.

Als Fluchtgrund gab der BF an, dass sein Stiefonkel und seine Stiefmutter alles versucht hätten, dass dem BF und seinem Bruder nicht mehr vom Erbe des Vaters verblieb, sodass die beiden Brüder „keine Lebensgrundlage“ mehr gehabt hätten. „Deswegen bin ich letztendlich gezwungen gewesen, die Heimat zu verlassen“.

Im Streit um das Erbe sei er für drei Tage Ende November 2018 entführt worden. Der Stiefonkel habe ihn dann angezeigt, weil der dessen Bruder aus Rache wegen der Entführung „Anfang Dezember“ geschlagen habe und sei dieser an den Verletzungen am 29.12.2018 im Krankhaus verstarb. Er sei im Jänner 2019 wegen Mordes angezeigt worden; zu diesem Zeitpunkt sei er nicht mehr in Bangladesch gewesen (AAS 125).

Bei der genannten Schlägerei seien der BF, sein Bruder und Freunde von ihnen dabei gewesen.

Der Bruder sei auch wie der BF verurteilt worden, angeblich mit lebenslanger Strafe. Er wohne derzeit jedoch bei der Mutter.

Der BF „zweifle an der Echtheit des Urteils. Meine Verwandten möchten damit nur erreichen, dass ich nicht nach Bangladesch zurückkehre. (AAS 125). Bei dem „Urteil vom XXXX könne es sich nur um eine Fälschung handeln“ (AAS 125).

Andere Gründe für das Verlassen des Heimatlandes habe der BF nicht.

Der BF würde in Österreich von seinem Onkel aus England finanziell unterstützt sowie von Freunden aus Deutschland und Frankreich. Er müsse diesen das Geld nicht zurückzahlen.

Der BF besuche keinen Deutschkurs, sei bei keinem Verein Mitglied und lebe von der Grundversorgung, er würde nicht arbeiten. Er würde gerne hier arbeiten und ein Lebensmittelgeschäft eröffnen.

I.4. Das BFA ließ die vom BF übergebenen bengalischsprachigen Dokumente übersetzen.

I.5. Mit dem angefochtenen und im Spruch bezeichneten Bescheid vom 26.06.2021, wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch ab (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde dem BF nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Darüber hinaus wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich des Status eines Asylberechtigten begründete das BFA im Wesentlichen damit, der BF habe eine Verfolgung in Bangladesch nicht glaubhaft machen können, weswegen dem BF nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr, aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen verfolgt zu werden, drohe. Unter Berücksichtigung der individuellen (persönlichen) Umstände des BF sei nicht davon auszugehen, dass der BF im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland in eine ausweglose Situation gerate, weswegen auch keine Anhaltspunkte für die Gewährung subsidiären Schutzes vorliegen würden. Ebenso wenig lägen Anhaltspunkte für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ vor und zudem würden die öffentlichen Interessen an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens gegenüber den privaten Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiegen, weswegen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen sei. Die Abschiebung des BF sei als zulässig zu bewerten.

I.6. Mit Schriftsatz vom 03.08.2021 wurde dieser Bescheid des BFA seitens des – im Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung durch XXXX vertretenen – BF wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie mangelnder Beweiswürdigung angefochten.

Neben kurzer Wiedergabe des Sachverhaltes führt diese im Wesentlichen aus, das BFA habe sich nicht ausreichend mit den Tatsachenerhebungen auseinandergesetzt. Die Polizei hätte dem BF keinen ausreichenden Schutz angedeihen lassen, was durch die Funktion des Stiefonkels und die notorische Korruption in Bangladesch bedingt gewesen wäre.

Darüber habe die geschilderte Tat „im Zuge der Befreiungsaktion“ stattgefunden. Es könne der BF, der vor der vorgelegten Anzeige das Land verlassen habe, korrekter Weise nicht sagen, ob das vorgelegte Dokument tatsächlich echt sei.

Hinsichtlich der Integration sei dem BF zu Gute zu halten, dass er als Reinigungskraft selbsttätig erhaltungsfähig sei und der wegen seiner Arbeitstätigkeit aber nicht Deutsch lernen konnte. Er möchte aber zumindest die Deutschprüfung A1 ablegen.

I.7. Mit Schreiben vom 17.08.2021 legte das BFA die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

I.8. Mit der Ladung zur Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Bangladesch (Stand Juni 2021) zur allfälligen Stellungnahme bis längstens im Rahmen der für den 17.09.2021 angesetzten mündlichen Beschwerdeverhandlung, übermittelt.

I.9. Am 17.09.2021 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die Sprache Bengali und des BF (die Rechtsanwältin entschuldigte sich für die Beschwerdeverhandlung) eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, im Zuge derer der BF ausführlich u.a. zu seinen Fluchtgründen, seinen Rückkehrbefürchtungen, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensverhältnissen in Österreich befragt wurde.

Der BF gab – zusammengefasst – an, dass er gesundheitliche Probleme habe, welche jedoch schon in Bangladesch seit seinem vierten Lebensjahr existierten.

Er habe seit einen Monat keinen Kontakt mehr zu seiner Mutter. Seine Familie bestünde aus seiner Mutter und einem Bruder, welcher auf der Flucht „verloren gegangen sei“.

Zu den Familienverhältnissen führte der BF aus, dass seine Mutter mit einem anderen Mann „durchgebrannt“ sei, wie dem BF erst „vor Kurzem“ sein Onkel ms erzählt habe.

Er habe auch eine Stiefmutter und zwei jüngere Stiefschwestern. Ein Stiefonkel würde die Stiefmutter und die Stiefschwestern unterstützen, damit diese das Erbe des vermögenden Vaters antreten könnten.

Die Mutter hätte zuletzt in der Ortschaft XXXX gewohnt, die dazu gehörende Stadt würde XXXX heißen.

Der Bruder sei mit ihm ausgereist. Konfrontiert damit, dass der BF in der Einvernahme vor dem BFA angegeben habe, dass der Bruder bei der Mutter wohne (AAS 123), meinte der BF, dies würde nicht stimmen, der Bruder sei mit ihm aus Bangladesch ausgereist. Mit dem Bruder habe er – entgegen früheren Aussagen – keinen telefonischen Kontakt.

Der BF habe auch keinen Kontakt zur Stiefmutter oder den Stiefschwestern.

Der BF hat keine Verwandten, Kinder oder Beziehung in Österreich.

Der BF hat eine Schulausbildung (12 Jahre Grundschule). Er habe sich für einen Deutschkurs angemeldet, aber bisher keinen absolviert. Im Rahmen der Beschwerdeverhandlung wurde festgestellt, dass der BF faktisch keine Kenntnisse der deutschen Sprache hat.

Der BF arbeitet (laut Gewerbeanmeldung Reinigungsarbeiten) und verdient monatlich bis zu € 1.440,- .

Der BF habe österreichische Freunde, er ist aber in keinen Vereinen.

Der BF sei Ende 2018 aus Bangladesch ausgereist. Er sei über Indien in die Türkei gereist und wäre dort ca. sechs Monate geblieben. Dann sei er weiter nach Europa gereist.

Zu den Fluchtgründen befragt gab der BF an, dass er zwei Stiefonkel ms habe. Der ältere von ihnen unterstützte die Stiefmutter und die Stiefschwestern das Erbe des Vaters zu erhalten. Die Stiefmutter habe die leibliche Mutter des BF noch zu Lebzeiten des Vaters regelmäßig angegriffen; das Haus, in dem sie lebten, sei in zwei Hälften geteilt worden.

Der BF habe in der Landwirtschaft und im Geschäft geholfen, ebenso der Bruder.

Nach dem Tod des Vaters sei der BF Ende November entführt worden. Es sei dies eine Warnung gewesen, damit der BF auf das Erbe verzichte, jedoch weigerte sich der BF. Der BF sei entführt worden vom älteren Stiefbruder bzw. von „beauftragten Personen“; der Stiefonkel habe gute Beziehungen zu hohen Parteiführern verschiedenster Parteien (Awami League, Chatro League, Freedom Group, Somik League). Er sei während der Entführung sexuell missbraucht worden, der jüngere Stiefonkel habe ihn am Ort der Entführung besucht und bedroht. Nach drei Tagen habe sein Bruder den BF ausfindig gemacht und mit Freunden der Partei „Jannat Shibir“ befreit. Es sei zu Tätlichkeiten gekommen und hätten die Befreier auch den jüngeren Stiefonkel, der mit einer Pistole ins Zimmer gekommen sei, heftig eingeschlagen. Der Stiefonkel sei zu Boden gegangen und wurde auch vom befreiten BF mit einer Metallstange geschlagen. Der BF, sein Bruder und die anderen Befreier seien davongerannt.

Der BF wisse nicht, so führte er zunächst in der Beschwerdeverhandlung aus, ob der jüngere Stiefonkel verblutete oder was passierte. Man habe dann über seine Mutter erfahren, dass der jüngere Stiefonkel ins Spital gebracht wurde und nach einer Woche verstarb. Der Todestag sei der 29.12.2018 gewesen. Darauf angesprochen, dass der BF eine Bestätigung des XXXX zum Tode des jüngeren Stiefonkels vorgelegt habe, meinte der BF lediglich, dass man ihm diese mit den anderen Unterlagen zugeschickt habe. Eine nähere Erklärung dazu gab er nicht ab.

Im Übrigen wurden die vom BF vorgelegten Unterlagen besprochen. Diese Unterlagen seien „Originale“. Der Bruder der Mutter habe diese Dokumente bei Gericht behoben. Darauf hingewiesen, dass der BF in der Einvernahme vor dem BFA – mehrfach - angegeben habe, dass diese Unterlagen Fälschungen seien, um ihn von einer Rückkehr nach Bangladesch abzuhalten, meinte der BF, dass man ihn falsch verstanden habe. Der BF wurde damit konfrontiert, dass er die rückübersetzten Niederschriften auch fertigte und keinen Einwand erhob.

Der BF konnte auch nicht erklären, wie seine Aussage vor dem BFA zu verstehen sei, dass er vermute, der Bruder habe „lebenslang“ erhalten und er zuletzt gehört habe, dass dieser bei seiner Mutter lebe.

Zu den angeblichen politischen Aspekten der Ereignisse befragt gab der BF auf die Frage, ob er jemals Mitglied einer politischen Partei war, „Ja, ich ging manchmal mit Freunden zu politischen Treffen, mein Name war offiziell nicht drauf, aber ich ging mit“. Nochmals nachgefragt, gestand der BF, das er „kein Mitglied“ war, aber er sei mit der Partei „Chatro Shibir“ verbunden.

Sein Bruder sei gleich bei zwei Gruppierungen gewesen, für die „Chatro shibir“ und die „Jammad“.

Der BF war in Bangladesch weder inhaftiert oder vor Gericht. Er hatte auch keine Probleme wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit oder der Religion. Er sei nicht homosexuell und war nie an gewalttätigen Auseinandersetzungen beteiligt.

Da der BF gegen Ende der Einvernahme angab, dass auch gegen einen Onkel ms ein Anschlag durchgeführt worden sei, wurde der BF gefragt, ob seine Mutter Geschwister habe. Der BF antwortete dazu, dass 2 Onkel im Oman leben, ein Onkel und zwei Tanten und die Großeltern in England. Ein Onkel, gegen den der Anschlag verübt worden sei, lebe in Bangladesch.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

II.1.1. Zur Person des BF, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensumständen in Österreich:

Der volljährige BF ist Staatsangehöriger von Bangladesch und der Volksgruppe der Bengalen sowie der moslemischen Glaubensgemeinschaft zugehörig. Seine Muttersprache ist Bengali.

Der BF ist in Bangladesch geboren und hat dort bis Ende 2018 gelebt.

Der BF sei über Indien in die Türkei geflüchtet und dort sechs Monate gelebt (andere Aussage vor BFA, AAS 39 bzw AAS 81: ein Jahr). Er hat in seinem Heimatland die Schule besucht und im väterlichen Betrieb (Landwirtschaft, Handel) gearbeitet.

Der BF ist ledig und hat keine Kinder. Der BF ist nicht homosexuell.

In Bangladesch halten sich die Mutter, seine Stiefmutter, zwei Stiefschwestern sowie der ältere Stiefonkel auf.

Hinsichtlich des Aufenthaltes des Bruders widerspricht sich der BF: er sei mit ihm geflohen (BVwG VS 7) bzw. halte sich bei der Mutter auf (BFA, AAS 123, 125).

Der BF widerspricht sich hinsichtlich der Verwandten mütterlicherseits; seine Mutter habe „zwei Brüder und zwei Schwestern“; einer lebe in Bangladesch, der andere Onkel und die Tanten in England (jeweils mit konkreter Namensnennung, s. AAS 123; andere Aussage vor BVwG: 2 Onkel im Oman, ein Onkel und zwei Tanten in England, ein Onkel in Bangladesch; ebenfalls mit Namensnennung BVwG S 18).

Zur Mutter besteht aufrechter Kontakt, aber nicht im letzten Monat; dafür aber offensichtlich zu einem Onkel, welcher dem BF erzählte, dass die Mutter mit einem Freund „durchgebrannt“ sei.

Der BF beantragte im Juni 2020 in Österreich internationalen Schutz.

Der BF arbeitet als Reinigungskraft.

Der BF hat wenige (österreichische) Freunde. Eine ausgeprägte Integration ist nicht gegeben.

Der BF spricht faktisch nicht Deutsch und hat auch keinen Deutschkurs besucht. Er ist strafrechtlich unbescholten.

Der BF leidet seit seinem dritten oder vierten Lebensjahr an einer nicht lebensbedrohlichen Erkrankung im Intimbereich. Der BF nimmt Medikamente gegen diese Erkrankung.

I.1.2. Zum Fluchtvorbringen des BF:

Nicht festgestellt werden kann eine konkrete Verfolgung des BF in Bangladesch.

Festgestellt werden Erbschaftsstreitigkeiten nach dem Tod des Vaters zwischen der Mutter und Stiefmutter des BF sowie zwischen den (Stief-)Geschwistern sowie den weiteren Verwandten.

Nicht festgestellt wird, dass der BF „Ende November 2018“ (AAS 125) für drei Tage (AAS 125, BVwG VS 12f) entführt und schwer misshandelt (Details lediglich vor BVwG, VS 13) wurde. Nicht festgestellt wird, dass im Rahmen der „Befreiungsaktion“ (Schilderung vor BVwG VS 13f)) der jüngere Stiefonkel vom BF mit einer Metallstange geschlagen wurde (andere Schilderung vor BFA: Schlägerei „Anfang Dezember 2018“; AAS 125); und ins Spital gebracht wurde, wo er „nach einer Woche“ (BVwG VS 14; )– am „29.12.2018“ (mehrfach vorgetragen, angebliche Bestätigung des Spitals) verstarb.

Festgestellt wird, dass die Schilderungen des BF zu den „Fluchtgründen“, insbesondere die zeitliche Abfolge der angeblichen Ereignisse, zutiefst widersprüchlich sind.

Der BF war nicht Mitglied einer politischen Partei.

Der BF wurde in Bangladesch nicht inhaftiert oder vom Gericht gesucht.

Der BF behauptet selbst, dass die von ihm vorgelegten bengalischen Dokumente Fälschungen sind (AAS 120; ebenso AAS 125; andere Aussage vor BVwG VS 16). Der BF machte vor dem BFA und dem BVwG unterschiedliche Angaben zu den Dokumenten, welche er vorlegte (und welche ins Deutsche übersetzt wurden). Er könne nicht sagen, wann er verurteilt wurde.

Nicht festgestellt werden kann weiters, dass gegen den BF Anzeigen eingebracht wurden und er behördlich oder gerichtlich verfolgt wurde.

Der BF hat in Bangladesch keine Verfolgung zu erwarten und kann allenfalls Belästigungen durch Niederlassung in anderen Teiles Bangladesch ausweichen.

II.1.3. Zur maßgeblichen Lage in Bangladesch:

COVID-19:

Letzte Änderung: 08.06.2021

Der Regierung wird vorgeworfen, dass die Vorbereitung auf die Viruserkrankung im Inland inadäquat gewesen sind. COVID-19-Testungen waren zunächst nur in der Hauptstadt Dhaka möglich gewesen. Anfang April 2020 nahmen Diagnostikeinrichtungen am Rajshahi Medical College und am Cox's Bazar Medical College ihre Tätigkeiten auf und testen seitdem Bewohner ihrer jeweiligen Regionen auf eine Infektion mit COVID-19. Mit Ende März 2020 erließ die Regierung weitreichende Einschränkungen der Bewegungsfreiheit. Das Transportwesen, Einkaufsmöglichkeiten, behördliche Dienste und anderes wurden auf das nötigste reduziert. Von den erlassenen Kontakt- und Arbeitsbeschränkungen ist ein Großteil der bangladeschischen Bevölkerung betroffen. Viele stehen dadurch vor unmittelbar existenzbedrohenden finanziellen Risiken. Viele Großaufträge beispielsweise im Bereich der Textilindustrie wurden zurückgezogen. Diese Maßnahmen bedeuteten einen Wegfall der Einkommensgrundlage von 4,1 Millionen Textilarbeitern, die zu den Geringverdienern in Bangladesch zählen. Einige Textilfabriken stellten jedoch ihre Produktion teilweise auf die Herstellung von Atemschutzmasken und Schutzanzügen um. Lokale Initiativen von einkommensstärkeren Personen versuchen, die Grundversorgung von einkommensschwächeren Familien durch die Verteilung von Lebensmitteln in den jeweiligen Anwohnergebieten aufrecht zu erhalten. Auch die Regierung hat erste staatliche Entlastungsprogramme in die Wege geleitet. Darunter Programme zur finanziellen Unterstützung der in der Landwirtschaft Tätigen oder für Personen, die in extremer Armut leben (GIZ 11.2020; vgl. ÖB 9.2020). Im Zuge der COVID-Krise 2020 verloren nach Schätzungen der Bangladesh Economic Association etwa 36 Millionen Menschen während des Lockdowns ihre Arbeit, 25 Millionen rutschen zurück in die absolute Armut (ÖB 9.2020).

Die bangladeschische Regierung hat im April 2020 Hilfspakete mit einem Volumen in Höhe von 12 Milliarden USD beschlossen. Die Konjunkturmaßnahmen zielen unter anderem auf eine Stützung von für die Wirtschaft bedeutende Industriezweige wie die Textil- und Bekleidungsherstellung sowie den Agrar- und Nahrungsmittelsektor ab (GTAI 21.9.2020a). Der durch die Regierung verhängte umfassende Lockdown war de facto jedoch immer brüchig und wurde einmal mehr und einmal weniger eingehalten. Am 30.5.2020 wurde der Lockdown wieder aufgehoben, da eine weiter Fortsetzung wirtschaftlich nicht mehr vertretbar war (ÖB 9.2020).

Das ohnehin schwache Gesundheitssystem Bangladeschs ist mit der Pandemie völlig überlastet (ÖB 9.2020). Angesichts der historisch niedrigen Ausgaben für die öffentliche Gesundheitsversorgung im Land erwiesen sich die Einrichtungen als unzureichend, schlecht vorbereitet und schlecht ausgerüstet, um die Krise zu bewältigen (AI 7.4.2021). Die Versorgung von Covid-19-Patienten stößt an ihre Grenzen. Landesweit sind etwas mehr als knapp 1.000 Intensivbetten verfügbar. Davon sind 400 für die Behandlung von Patienten mit schweren Atemwegserkrankungen ausgerüstet. Während es in der Hauptstadt Dhaka 400 Intensivbetten gibt, stehen in 47 der insgesamt 64 Verwaltungsbezirke überhaupt keine zur Verfügung (GTAI 21.9.2020b).

Eine weitere Problemstellung für das Land stellen die zahlreichen Rückkehrer aus den Ländern des Nahen Ostens aufgrund des mit COVID verbundenen weltweiten Wirtschaftsabschwungs dar. Viele bringen so das Virus auf ihrem Heimweg mit ins Land. Da viele Migranten aus Bangladesch im Nahen Osten im Zuge der COVID-Krise ihre Arbeit verloren haben und ausgewiesen wurden, ist in den kommenden Jahren mit einem vermehrten Aufkommen von AsylwerberInnen aus Bangladesch in (West-)Europa zu rechnen (ÖB 9.2020).

COVID-19 erhöht Risiken im Zusammenhang mit geschlechtsspezifischer Gewalt und setzen Frauen und Kinder zusätzlichen Bedrohungen aus (iMMAP 3.2021).

Die Behörden gehen gegen Journalisten und Medien vor, die kritisch über die Reaktion der Regierung auf die COVID-19-Pandemie berichten (HRW 20.5.2021; vgl. AI 19.5.2021). Kritische Journalisten sehen sich systematischen Verleumdungsklagen ausgesetzt (ÖB 9.2020). Eine Überwachung von Personen, die „Gerüchte“ über die Covid-19-Pandemie verbreiten könnten, wird verstärkt, die Medienzensur verschärft (HRW 20.5.2021).

Nachdem die Zahl der Neuinfektionen im April 2021 Tagen stark angestiegen, wurden die Anfang April 2021 eingeführten Abriegelungsmaßnahmen, die auch die Schließung von Geschäften beinhaltet, aufgrund der sich verschlechternden Situation weiter verschärft (BAMF 12.4.2021).

Das Außenministerium des Landes bestätigt Schwierigkeiten bei der Umsetzung des Massenimpfprogrammes wegen einem Fehlen an den dafür notwendigen Impfstoff-Dosen. Bisher hat Bangladesch erst 7 Millionen Dosen (darüber hinaus schenkte Indien 3,2 Millionen Dosen separat) einer vertraglich mit Indien vereinbarten Menge von 30 Millionen Dosen des vom Serum Institute of India hergestellten Oxford AstraZeneca-Impfstoffs erhalten (AnAg 22.5.2021).

Um eine Übertragung von den als ansteckender eingestuften Varianten des COVID-19-Virus aus Indien zu verhindern, wurden Flüge abgesagt und Grenzen geschlossen (TG 5.5.2021).

Quellen:

?        AnAg – Anadolu Agency (22.5.2021): Bangladesh extends border lockdown with India, https://www.aa.com.tr/en/asia-pacific/bangladesh-extends-border-lockdown-with-india/2251062, Zugriff 25.5.2021

?        AI – Amnesty International (19.5.2021): Bangladesh: Rozina Islam must not be punished for her journalistic work, Zugriff 19.5.2021
https://www.ecoi.net/de/dokument/2051859.html, Zugriff 1.6.2021

?        AI – Amnesty International (7.4.2021): Bangladesh 2020, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048635.html, Zugriff 18.5.2021

?        BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (12.4.2021): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/EN/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw15-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=4, Zugriff 17.5.2021

?        GIZ – Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit GmbH (11.2020a): Bangladesch, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/bangladesch/geschichte-staat/, Zugriff 17.5.2021

?        GTAI - Germany Trade and Invest (21.9.2020a): Covid-19: Maßnahmen der Regierung, https://www.gtai.de/gtai-de/trade/specials/special/bangladesch/covid-19-massnahmen-der-regierung-260866, Zugriff 5.11.2020

?        GTAI - Germany Trade and Invest [Deutschland] (21.9.2020b): Covid-19: Gesundheitswesen in Bangladesch: https://www.gtai.de/gtai-de/trade/specials/special/bangladesch/bangladeschs-wirtschaft-behauptet-sich-trotz-coronakrise-260868, Zugriff 5.11.2020

?        HRW – Human Rights Watch: Bangladesh (20.5.2021): Arrest of Journalist Investigating Corruption, https://www.ecoi.net/de/dokument/2052025.html, Zugriff 1.6.2021

?        iMMAP – Information Management and Mine Action Programs (Autor), veröffentlicht von ReliefWeb (3.2021): COVID-19 Situation Analysis , https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/iMMAP_COVID-19_Bangladesh_Analysis%20Report_032021.pdf, Zugriff 17.5.2021ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht zu Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/2052061/BANG_%C3%96B_BERICHT_2020_09.pdf, Zugriff 28.5.2021

?        ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht zu Bangladesch,
https://www.ecoi.net/en/file/local/2052061/BANG_%C3%96B_BERICHT_2020_09.pdf, Zugriff 28.5.2021

?        TG – The Guardian (5.5.2021): India’s neighbours close borders as Covid wave spreads across region, https://www.theguardian.com/world/2021/may/05/indias-neighbours-close-borders-as-covid-wave-spreads-across-region, Zugriff 25.5.2021

Politische Lage:

Letzte Änderung: 08.06.2021

Bangladesch ist seit 1991 eine parlamentarische Demokratie (GIZ 11.2019a). Die Unabhängigkeit und der Übergang zur Demokratie brachten ein Einparteiensystem, mehrere Militärputsche (1975 und 1982), zwei Übergangsregierungen, Ausnahmezustände und Machtkämpfe zwischen den beiden großen Parteien, der Bangladesh Nationalist Party (BNP) und der Awami-Liga (AL). Die beiden Parteien regieren Bangladesch seit 1991 abwechselnd (OMCT 7.2019).

Der Verwaltungsaufbau von Bangladesch ist zentralistisch. Im Gebiet der Chittagong Hill Tracts gilt eine besondere Verwaltung, die der lokalen (indigenen), nicht-bengalischen Bevölkerung verstärkte Mitwirkungsmöglichkeiten einräumen soll (ÖB 9.2020). Das Staatsoberhaupt ist der Präsident, der vom Parlament alle fünf Jahre gewählt wird. Eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Er übt größtenteils zeremonielle Funktionen aus, während die Macht in den Händen des Premierministers als Regierungschef liegt. Dieser wird von der stärksten im Parlament vertretenen Partei nominiert und vom Präsidenten formell ernannt. Zusätzlich obliegt dem Premierminister die Kontrolle der Geheimdienste, der Streitkräfte und der paramilitärischen Einheiten (GIZ 11.2019a).

Das Parlament (National Parliament oder Jatiya Sangsad) besteht aus einer Kammer mit 300 direkt gewählten Abgeordneten (ÖB 9.2020) sowie zusätzlichen 50 Sitzen, die nur für Frauen reserviert sind (USDOS 30.3.2021; vgl. GIZ 11.2019a). Das Mehrheitswahlrecht führt zu stabilen Mehrheiten im Parlament und hat die Herausbildung der BNP und der AL als dominierende und konkurrierende Parteien begünstigt. Die erste Verfassung trat 1972 in Kraft und setzte neben der demokratischen Staatsform auch Säkularismus, Sozialismus und Nationalismus als Ziele fest. Nach zahlreichen Verfassungsänderungen wurde 1988 der Islam als Staatsreligion eingeführt bei gleichzeitiger verfassungsrechtlicher Verankerung des Rechts auf friedliche Ausübung anderer Religionen (ÖB 9.2020).

Das politische Leben wird durch die beiden dominierenden und konkurrierenden größten Parteien AL und BNP bestimmt (ÖB 9.2020; vgl. AA 21.6.2020, BS 29.4.2020). Klientelismus und Korruption sowie mafiöse Strukturen sind weit verbreitet. Gewerkschaften, Studentenorganisationen, Polizei und Verwaltung sind parteipolitisch durchdrungen (AA 21.6.2020). Beide Parteien haben keine demokratische interne Struktur und werden von Familien geführt, die Bangladesch seit der Unabhängigkeit um die Führung des Landes konkurriert haben. Unterstützt werden die beiden Parteien von einem kleinen Kreis von Beratern (FH 3.3.2021). Wie in der Region üblich, geht es bei politischen Parteien weniger um Ideologie, als um einzelne Persönlichkeiten und deren Netzwerke, die im Falle eines Wahlsieges auch finanziell profitieren, in dem sie mit wichtigen Staatsposten versorgt werden (ÖB 9.2020).

Bei den Parlamentswahlen vom 30.12.2018 erzielte die „Große Allianz“ um die regierende AL einen überragenden Sieg (ÖB 9.2020) mit 96 Prozent der Stimmen und 289 der 300 zur Wahl stehenden Parlamentssitzen (Guardian 30.12.2018; vgl. DT 27.1.2019, DW 14.2.2019). Diese waren durch Übergriffe auf Oppositionelle, willkürliche Verhaftungen und Einschüchterungen der Stimmberechtigten gekennzeichnet (HRW 14.1.2020). Infolge der Dominanz der AL und der fehlenden innerparteilichen Demokratie hat de facto die exekutive Spitze das ausschließliche Sagen bei Gesetzesentwürfen. Wie schon die Vorgängerregierungen baut auch die gegenwärtige AL-Regierung ihre Netzwerke in Verwaltung, Rechtswesen und Militär aus. Verschärfend kommt hinzu, dass die BNP als vormals größte Oppositionspartei das Wahlergebnis angefochten hatte und nun nicht mehr im Parlament vertreten ist. Die oppositionelle BNP hat aufgrund ihrer starken gesellschaftlichen Verankerung das Potenzial, durch Generalstreiks großen außerparlamentarischen Druck zu erzeugen (GIZ 11.2019a). Die rivalisierenden Parteien AL und BNP dominieren die Politik und schränken die politischen Handlungsmöglichkeiten für diejenigen ein, die parteiinterne Strukturen oder Hierarchien in Frage stellen oder alternative Parteien oder politische Gruppierungen gründen wollen, Animositäten zwischen den Parteispitzen von AL und BNP die sich bis in die Kader der unteren Ebenen ziehen, haben zu andauernder politischer Gewalt beigetragen (FH 3.3.2021).

Da die Politik in Bangladesch generell extrem korrupt ist, sind die Grenzen zwischen begründeter Strafverfolgung und politisch motivierter Verfolgung fließend. Sicherheitskräfte sind in jüngster Vergangenheit sowohl bei Demonstrationen von Anhängern der beiden Großparteien, als auch bei islamistischen oder gewerkschaftlichen Protesten mit Brutalität vorgegangen. Im Zuge des Wahlkampfes Ende 2018 wurden gegen Anhänger und KandidatInnen der oppositionellen BNP durch die Sicherheitsbehörden falsche Anzeigen verfasst (ÖB 9.2020).

Mehrere Menschenrechtsgruppen haben seit Anfang 2018 einen dramatischen Anstieg von fingierten Klagen gegen Gegner der Regierungspartei festgestellt. Unter den Verhafteten befinden sich prominente Führer des Oppositionsbündnisses (FIDH 29.12.2018). Die BNP-Vorsitzende, Khaleda Zia, war von März 2018 bis März 2020 aufgrund von Korruptionsvorwürfen im Gefängnis (AA 21.6.2020; vgl. NAU 25.3.2020). Seit diese auf freiem Fuß ist, sind praktisch keine Aktivitäten der BNP mehr wahrnehmbar (ÖB 9.2020).

Nachdem die oppositionelle BNP nunmehr nicht existent ist und im politischen Prozess kaum bis gar keine Rolle mehr spielt, ist eine Verfolgung, bzw. Unterdrückung ihrer AnhängerInnen aus Sicht der Regierung offenbar nicht mehr nötig. Anzumerken ist, dass seit März 2020 das politische Geschehen vollständig von der COVID-Krise überlagert wird (ÖB 9.2020; vgl. HRW 13.1.2021). Von einer staatlichen Überwachung der politischen Opposition ist auszugehen (ÖB 9.2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (21.6.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf, Zugriff 9.11.2020

?        BS - Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): BTI 2020 Country Report Bangladesh, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029402/country_report_2020_BGD.pdf, Zugriff 10.11.2020

?        DT – Dhaka Tribune (27.1.2019): Ruling party's Dr Younus Ali Sarker wins Gaibandha 3 by-polls, https://www.dhakatribune.com/bangladesh/election/2019/01/27/voting-in-gaibandha-3-by-polls-underway, Zugriff 10.11.2020

?        DW – Deutsche Welle (14.2.2019): Bangladesh PM Sheikh Hasina hints at last term as prime minister, https://www.dw.com/en/bangladesh-pm-sheikh-hasina-hints-at-last-term-as-prime-minister/a-47513555, Zugriff 10.11.2020

?        FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048581.html, Zugriff 28.5.2021)

?        FIDH - International Federation for Human Rights (29.12.2018): Joint statement on the undemocratic electoral environment in Bangladesh, https://www.fidh.org/en/region/asia/bangladesh/joint-statement-on-the-undemocratic-electoral-environment-in, Zugriff 10.11.2020

?        GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (11.2019a): Bangladesch – Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/bangladesch/geschichte-staat/, Zugriff 10.11.2020

?        OMCT – World Organisation Against Torture (7.2019): Cycle of Fear - Combating Impunity for Torture and Strengthening the Rule of Law in Bangladesh, https://www.omct.org/files/2019/07/25475/cycleoffear_bangladesh_report_omct.pdf, Zugriff 1.6.2021

?        HRW – Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043519.html, Zugriff 28.5.2021

?        HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022700.html, Zugriff 11.11.2020

?        NAU – Schweizer Nachrichtenportal (25.3.2020): Bangladeschs Oppositionsführerin Zia aus Haft entlassen, https://www.nau.ch/politik/international/bangladeschs-oppositionsfuhrerin-zia-aus-haft-entlassen-65684195, Zugriff 10.11.2020

?        ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht zu Bangladesch,
https://www.ecoi.net/en/file/local/2052061/BANG_%C3%96B_BERICHT_2020_09.pdf, Zugriff 28.5.2021

?        USDOS – US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048142.html, Zugriff 28.5.2021

Sicherheitslage:

Letzte Änderung: 08.06.2021

Die Sicherheitslage in Bangladesch ist volatil und kann sich kurzfristig deutlich verschlechtern (EDA 27.5.201; vgl. DFAT 22.8.2019). Zwischen religiösen beziehungsweise ethnischen Gemeinschaften bestehen latente Spannungen, die sich teilweise ohne grosse Vorwarnung in lokalen, gewaltsamen Zusammenstössen entladen können (EDA 27.5.2021). Terroristische Anschläge islamistischer Extremistengruppen verfügen über ein Gefährdungspotential gegenüber dem Staat (DFAT 22.8.2019). 2017 kam es im Land zu mehreren Selbstmordattentaten (SATP 26.5.2021a). Der „Islamische Staat“ ruft zu weiteren Attentaten auf (BMEIA 27.5.2021).

Die Regierungen Bangladeschs stehen vor der Herausforderung, mit extremistischen islamistischen Gruppen umzugehen, die Gewalt gegen eine Vielzahl von staatlichen und zivilen Zielen planen oder ausführen können. Von den Behörden wurde auf solche Angriffe stets robust reagiert. Wichtige militante Gruppen wurden verboten und Hunderte von Kämpfern verhaftet. Menschenrechtsgruppen berichten, dass Sicherheitsoperationen gegen militante Gruppen zu einer hohen Zahl von außergerichtlichen Tötungen führen (DFAT 22.8.2019).

Es wird davon ausgegangen, dass Operationen gegen terroristische Gruppen, zusammen mit der sich allmählich verbessernden Koordination der Regierung bei der Terrorismusbekämpfung, die Fähigkeiten militanter Gruppen verringert haben. Trotzdem kann das Risiko weiterer Anschläge nicht ausgeschlossen werden (DFAT 22.8.2019). Es gibt radikale islamistische Gruppen wie die Mujahideen Bangladesh (JMB) und Ansarullah Bangla Team (ABT). Sowohl der Islamische Staat (IS) und Al Qaeda in the Indian Subcontinent (AQIS) geben an, in Bangladesch aktiv zu sein, was von der Regierung jedoch dementiert wird (ACLED 9.11.2018). Das South Asia Terrorism Portal (SATP) verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2019 insgesamt 99 Vorfälle terrorismusrelevanter Gewalt im Land. Im Jahr 2020 wurden 88 solcher Vorfälle, bis zum 26.5.2021 wurden insgesamt 35 Vorfälle terroristischer Gewaltanwendungen registriert (SATP 28.5.2021b).

Bangladesch hat seine Ansprüche an den Seegrenzen zu Myanmar und Indien an den Internationalen Seegerichtshof herangetragen; der Besuch des indischen Premierministers Singh im September 2011 in Bangladesch führte zur Unterzeichnung eines Protokolls zum Landgrenzenabkommen zwischen Indien und Bangladesch von 1974, das die Beilegung langjähriger Grenzstreitigkeiten über nicht abgegrenzte Gebiete und den Austausch von territorialen Enklaven vorsah, aber nie umgesetzt wurde (CIA 4.5.2021). An der Grenze zu Indien kommt es immer wieder zu Schusswechseln zwischen indischen und bangladeschischen Grenzsicherungsorganen. Regelmäßig werden dabei Menschen getötet, die versuchen, illegal die Grenze zu überqueren oder sich im Nahbereich der Grenze befinden (DT 22.12.2020).

Der inter-ethnische Konflikt in Myanmar wirkt sich auf Bangladesch aus. Er hat politische und soziale Spannungen, insbesondere aufgrund der Ankunft von rund einer Million Rohingya-Flüchtlingen seit August 2017 verstärkt (EDA 27.5.2021; vgl. CIA 4.5.2021). Die Rohingya werden von den Behörden Bangladeschs als zusätzlichen Sicherheitsbedrohung in Cox's Bazar mit möglichen Auswirkungen auf kommunale Gewalt, Menschenschmuggel, Drogen- und Menschenhandel und einhergehenden möglichen Radikalisierungen wahrgenommen (DFAT 22.8.2019). Durch die myanmarischen Grenzbehörden wurde eine 200 km langer Drahtsperranlage, der illegale Grenzübertritte und Spannungen durch die militärische Aufrüstung entlang der Grenze verhindern soll, errichtet (CIA 24.5.2021).

Potential für Bedrohungen mit Bezug auf die Sicherheitslage haben ebeno politisch motivierte Gewalt (insbesondere im Vorfeld von Wahlen) (DFAT 22.8.2019). Der Hass zwischen den politischen Parteien, insbesondere der Awami League (AL) und der Bangladesh Nationalist Party (BNP), ist für den größten Teil der Gewalt im Land verantwortlich. Die Animositäten zwischen den beiden Parteien sowie zwischen den Kadern der unteren Ebenen haben zu andauernder politischer Gewalt beigetragen (HRW 13.1.2021; vgl. ACLED 9.11.2018). Die regierende AL hat ihre politische Macht durch anhaltende Schikanen gegenüber der Opposition und den als mit ihr verbündet wahrgenommenen Personen sowie gegenüber kritischen Medien und Stimmen in der Zivilgesellschaft gefestigt (FH 3.3.2021). Beide Parteien sind – gemeinsam mit unidentifizierten bewaffneten Gruppen – in Vandalismus und gewalttätige Auseinandersetzungen verwickelt und greifen auch friedliche Zivilisten an (ACLED 9.11.2018). Im Jahr 2020 wurden 73 Tote und 2.883 Verletzte aufgrund politischer Gewalt sowie 2.339 Verletzte bei innerparteilichen Zusammenstößen registriert. Gewaltsame politische Proteste und wahlbezogene Gewalt hielten auch 2020 an (HRW 13.1.2021; vgl. ODHIKAR 25.1.2021).

Von nichtstaatlichen Akteuren (insbesondere der Opposition, Islamisten, Studenten) geht in vielen Fällen nach wie vor Gewalt aus. Die öffentliche Sicherheit ist fragil. Das staatliche Gewaltmonopol wird durchbrochen. Es kommt häufig zu Morden und gewalttätigen Auseinandersetzungen aufgrund politischer (auch innerparteilicher) oder krimineller Rivalitäten. Eine Aufklärung erfolgt selten. Die großen Parteien verfügen über eigene „Studentenorganisationen“. Mit dem stillschweigenden Einverständnis der Mutterparteien fungieren diese bewaffneten Organisationen als deren Schild und Schwert. Ihr Mitwirken im politischen Prozess ist eine der wichtigsten Ursachen für die politische Gewalt in Bangladesch (AA 21.6.2020).

Es kommt zu Fällen krimineller Gewalt, sowie zu sporadische Zusammenstößen in den Chittagong Hill Tracts (CHT) zwischen indigenen Gruppen und bengalischen Siedlern wegen Landbesitz und -nutzung (DFAT 22.8.2019). Spontane Streiks und Kundgebungen können jederzeit stattfinden und sich in gewalttätige Auseinandersetzungen entladen (UKFCO 27.5.2021; vgl. AA 28.7.2020, AI 1.4.2021). In vielen Fällen ist nicht eindeutig differenzierbar, ob religiöse Motive oder säkulare Interessen, wie etwa Racheakte oder Landraub, Grund für solche Vorfälle sind (AA 21.6.2020).

Die Schutzfähigkeit staatlicher Behörden ist grundsätzlich gering. Die Behörden sind in der Regel keine neutralen Akteure, sondern unterstützen die politischen Ziele der jeweiligen Machthaber (ÖB 9.2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland [Deutschland] (28.7.2020): Bangladesch: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/bangladesch-node/bangladeschsicherheit/206292, Zugriff 9.11.2020

?        AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (21.6.2020): Auswärtiges Amt_Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf, Zugriff 9.11.2020

?        ACLED – Armed Conflict Location & Event Data Project (9.11.2018): The Anatomy of Violence in Bangladesh, https://www.acleddata.com/2018/11/09/the-anatomy-of-violence-in-bangladesh/, Zugriff 5.11.2020

?        AI – Amnesty International (1.4.2021): Bangladesh authorities must conduct prompt, thorough, impartial, and independent investigations into the death of protesters and respect people’s right to peaceful assembly, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048271.html, Zugriff 27.4.2021

?        BMEIA – Bundesministerium Europa, Integration und Äußeres [Österreich] (27.5.2021) (Unverändert gültig seit: 26.05.2021): Bangladesch (Volksrepublik Bangladesch) – Sicherheit & Kriminalität, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/bangladesch/, Zugriff 27.5.2021

?        CIA – Central Intelligence Agency [USA] (24.5.2021): The World Factbook – Bangladesh, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/bangladesh/, Zugriff 28.5.2021

?        DT – DhakaTribune (22.12.2020): Bangladesh sees highest border deaths in 10 years, https://www.dhakatribune.com/bangladesh/2020/12/22/bangladesh-sees-highest-border-deaths-in-10-years, Zugriff 25.5.2021

?        EDA - Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten [Schweiz] (27.05.2021) (publiziert am 14.08.2020): Bangladesch, Spezifische regionale Risiken, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/bangladesch/reisehinweise-fuerbangladesch.html#par_textimage, Zugriff 27.5.2021

?        FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048581.html, Zugriff 19.5.2021

?        HRW – Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043519.html, Zugriff 28.5.2021

?        ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht zu Bangladesch,
https://www.ecoi.net/en/file/local/2052061/BANG_%C3%96B_BERICHT_2020_09.pdf, Zugriff 28.5.2021

?        ODHIKAR (25.1.2021): Annual Human Rights Report 2020, Bangladesh, https://www.fidh.org/IMG/pdf/annual-hr-report-2020_eng.pdf, Zugriff 28.5.2021

?        SATP – South Asia Terrorism Portal (26.5.2021a): Yearly Suicide Attacks, https://www.satp.org/datasheet-terrorist-attack/suicide-attacks/bangladesh, Zugriff 28.5.2021

?        SATP – South Asia Terrorism Portal (26.5.2021b): Data Sheet – Bangladesh, Yearly Sucide Attacks, Advance Search 2000 - 2021, https://www.satp.org/datasheet-terrorist-attack/incidents-data/bangladesh, Zugriff 28.5.2021

?        UKFCO – UK Foreign and Commonwealth Office [UK] (27.5.2021) (erstellt am: 24.5.2021): Foreign travel advice Bangladesh - Safety and security, Political violence, Safety and security, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/bangladesh/safety-and-security, Zugriff 27.5.2021

Rechtsschutz/Justizwesen:

Letzte Änderung: 16.06.2021

Die Politisierung der Justiz und der Druck auf sie halten an (FH 3.3.2021). Seit die Awami-Liga (AL) im Jahr 2009 an die Macht kam, hat die von ihr geführte Regierung begonnen, erheblichen Einfluss auf die Justiz auszuüben (FIDH 25.1.2021). Vorwürfe des politischen Drucks auf Richter sind üblich, ebenso wie der Vorwurf, dass unqualifizierte AL-Loyalisten in Gerichtspositionen berufen werden (FH 3.3.2021). Wie die meisten Beobachter übereinstimmend angeben, stellen Korruption, Ineffizienz der Justiz, gezielte Gewalt gegen Richter und ein gewaltiger Rückstau an offenen Fällen große Probleme dar (ÖB 8.2019). Die schiere Zahl der gegen die politische Opposition eingeleiteten Klagen im Vorfeld zur 11. Parlamentswahl vom Dezember 2018, deutet auf ein ungehindertes Spielfeld und die Kontrolle der Regierungspartei über die Justiz- und Sicherheitsinstitutionen hin (FIDH 29.12.2018). Strafanzeigen gegen Mitglieder der Regierungspartei werden regelmäßig aus „politischer Rücksichtnahme“ zurückgezogen (FH 3.3.2021).

Das Gerichtssystem besteht aus zwei Instanzen, den untergeordneten Gerichten (Magistrates, Session- und District Judges) und dem Obersten Gerichtshof (Supreme Court). Beide verhandeln Zivil- und Strafrechtssachen. Das Rechtssystem beruht weitgehend auf dem englischen Common Law. Die erstinstanzlichen Gerichte bestehen aus „Magistrates“, die der Exekutive zuzurechnen sind, sowie Session und District Judges, die der Judikative angehören. Der Oberste Gerichtshof besteht aus zwei Abteilungen, dem High Court, der Verfassungsfragen verhandelt und als Berufungsinstanz zu den erstinstanzlichen Gerichten fungiert, sowie dem Appellate Court, dessen Entscheidungen alle übrigen Gerichte, einschließlich des High Court, binden. Die Richter beider Abteilungen werden gemäß der Verfassung vom Präsidenten ernannt (ÖB 9.2020).

Die Unabhängigkeit der Richter wird von der Verfassung garantiert. In der Praxis unterstellt allerdings eine schon lange geltende temporäre Bestimmung der Verfassung die erstinstanzlichen Richter der Exekutive. Auch ihre Ernennung und Remuneration ist Sache der Exekutive. Demgegenüber haben die Richter des Obersten Gerichtshofs des Öfteren ihre Unabhängigkeit demonstriert und gegen die Regierung entschieden. Dennoch wird diese Unabhängigkeit der Justiz durch Überlastung, überlange Verfahrensdauern, Korruption und politische Einflussnahme behindert (ÖB 9.2020). Die Einflussnahme der Regierungspartei auf Parlament und Justiz haben deren Unabhängigkeit inzwischen weitgehend beseitigt (AA 21.6.2020).

Auf Grundlage des „Public Safety Act“, des „Law and Order Disruption Crimes Speedy Trial Act”, „Women and Children Repression Prevention Act” sowie des „Special Powers Act“ wurden Sondertribunale errichtet, die Fälle innerhalb eines festgesetzten Zeitrahmens erledigen müssen – es fehlen allerdings Vorschriften für den Fall, dass sie dieser Verpflichtung nicht nachkommen. Speedy Trial Tribunals haben Medienberichten zufolge in den vergangenen Jahren mehrere Hundert Personen zu Tode verurteilt (ÖB 9.2020).

Zwei Drittel aller Streitfälle erreichen nicht das formelle Justizsystem, sondern werden von informellen Dorfgerichten oder bedeutenden Persönlichkeiten der lokalen Gemeinschaften entschieden (ÖB 9.2020). In ländlichen Gebieten kommt es zu Verurteilungen durch unbefugte Dorfälteste oder Geistliche nach traditionellem, islamischem „Scharia Recht“. Die islamische Scharia ist zwar nicht formell als Gesetz eingeführt, spielt aber insbesondere in den Bereichen des Zivilrechts (Erbschaft, Grunderwerb, Heirat und Scheidung etc.) eine große Rolle (ÖB 9.2020). Nicht immer greifen die Behörden ein (AA 21.6.2020). Obwohl diese „Gerichte“ eine durch Tradition legitimierte, schnellere und günstigere Alternative zu ordentlichen Gerichten darstellen, sind sie hinsichtlich der Einflussnahmemöglichkeiten durch lokal bedeutsame Persönlichkeiten sowie der gesellschaftlichen Stellung von Frauen nicht unproblematisch (ÖB 9.2020).

Quellen:

?        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (21.6.2020): Auswärtiges Amt_Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf, Zugriff 5.8.2020

?        FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048581.html, Zugriff 19.5.2021

?        FIDH -International Federation for Human Rights (Autor), ODHIKAR (Autor) (25.1.2021): Annual Human Rights Report 2020 Bangladesh, https://www.fidh.org/IMG/pdf/annual-hr-report-2020_eng.pdf, Zugriff 19.5.2021

?        FIDH - International Federation for Human Rights (Hg.) (29.12.2018): Joint statement on the undemocratic electoral environment in Bangladesh, https://www.fidh.org/en/region/asia/bangladesh/joint-statement-on-the-undemocratic-electoral-environment-in, Zugriff 3.4.2020

?        ÖB - Österreichische Botschaft Neu Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht zu Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/2052061/BANG_%C3%96B_BERICHT_2020_09.pdf, Zugriff 28.5.2021

Allgemeine Menschenrechtslage:

Letzte Änderung: 16.06.2021

Die Menschenrechte werden nach der Verfassung mit Gesetzesvorbehalten garantiert (AA 21.6.2020). Bangladesch hat bisher mehrere UN Menschenrechtskonventionen ratifiziert, ist diesen beigetreten oder hat sie akzeptiert (ÖB 9.2020; vgl. UNHROHC o.D.). Die Verfassung von Bangladesch in der seit 17. Mai 2004 geltenden Fassung listet in Teil III, Artikel 26 bis 47A, einen umfassenden Katalog an Grundrechten auf. Artikel 102 aus Teil VI, Kapitel 1 der Verfassung regelt die Durchsetzung der Grundrechte durch die High Court Abteilung des Obersten Gerichtshofes. Jeder Person, die sich in ihren verfassungsmäßigen Grundrechten verletzt fühlt, steht der direkte Weg zum „High Court“ offen. Die „National Human Rights Commission“ wurde im Dezember 2007 unter dem „National Human Rights Commission Ordinance“ von 2007 eingerichtet, hat aber noch keine nennenswerte Aktivität entfaltet (ÖB 9.2020). Die Verwirklichung der in der Verfassung garantierten Rechte ist nicht ausreichend (AA 21.6.2020).

Teils finden Menschenrechtsverletzungen auch unter Duldung und aktiver Mitwirkung der Polizei und anderer Sicherheitskräfte statt (GIZ 11.2019a). Dazu zählen außergerichtliche Tötungen, Verschwindenlassen von Personen, willkürliche Festnahmen und Verhaftungen sowie Folter (USDOS 30.3.2021). Die Regierung verhaftete laut neuesten Berichten bis zu 2.000 Mitglieder der RABs (Rapid Action Battalion (RAB), Spezialkräfte für u.a. den Antiterrorkampf wegen diverser Vergehen. Obwohl die RABs in den letzten Jahren hunderte Tötungen bzw. mutmaßliche Morde verübt haben, kam es noch zu keinen diesbezüglichen Verurteilungen wegen diverser Vergehen (ÖB 9.2020).

Menschenrechtsverletzungen beinhalten weiters harte und lebensbedrohende Haftbedingungen, politische Gefangene, willkürliche oder rechtswidrige Eingriffe in die Privatsphäre, Zensur, Sperrung von Websites und strafrechtliche Verleumdung; erhebliche Behinderungen der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, wie beispielsweise restriktive Gesetze für Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und Beschränkungen der Aktivitäten von NGOs; erhebliche Einschränkungen der Bewegungsfreiheit; Einschränkungen der politischen Partizipation, da Wahlen nicht als frei oder fair empfunden werden; Korruption, Menschenhandel; Gewalt gegen Frauen, Kinder, Homosexuelle, Bisexuelle, Transgender- und Intersexuelle (LGBTI) und Kriminalisierung gleichgeschlechtlicher sexueller Aktivitäten; Einschränkungen für unabhängige Gewerkschaften und der Arbeitnehmerrechte sowie die Anwendung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit (USDOS 30.3.2021).

Die Regierung von Bangladesch ignoriert Empfehlungen im Hinblick auf glaubwürdige Berichte zu Wahlbetrug, hartem Vorgehen gegen die Redefreiheit, Folterpraktiken von Sicherheitskräften und zunehmenden Fällen von erzwungenem Verschwinden und Tötungen. Die Regierung von Bangladesch versäumt es, einen angeforderten Folgebericht zur Überprüfung ihrer Praktiken durch den Ausschuss gegen Folter vorzulegen (HRW 13.1.2021).

Das Gesetz verbietet Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen und es werden Maßnahmen ergriffen, um diese Bestimmungen wirksamer durchzusetzen. Nichtsdestotrotz stellt eine wissenschaftliche Studie vom Mai 2020 fest, dass 2,2 Millionen Strafverfahren gegen Menschen mit Behinderungen anhängig sind. So wird resümiert, dass Menschen mit Behinderungen „die am meisten gefährdeten unter den Gefährdeten“ sind. Über Fälle von Diskriminierung und gesellschaftlicher Gewalt gegen religiöse und andere Minderheiten, insbesondere im privaten Bereich, wird berichtet (USDOS 30.3.2021).

Die Regierung nutzt weiterhin den Digital Security Act (DSA) 2018, um das Recht auf freie Meinungsäußerung zu unterdrücken. Trotz wiederholter Aufrufe der Zivilgesellschaft und Menschenrechtsorganisationen, die umstrittenen und strafenden Bestimmungen des DSA aufzuheben, wurde das Gesetz nicht abgeändert. Offiziellen Statistiken zufolge wurden zwischen J

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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