TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/21 W195 1429138-4

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.09.2021
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Entscheidungsdatum

21.09.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AVG §68 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55 Abs1a

Spruch


W195 1429138-4/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch seinen Vizepräsidenten Dr. Michael SACHS als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX StA. Bangladesch, vertreten durch den XXXX gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.05.2021, Zl. XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 20.09.2021 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Rechtskräftig abgeschlossene Vorverfahren:

I.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger aus Bangladesch und der Volksgruppe der Bengalen sowie der sunnitischen Religionsgemeinschaft zugehörig, stellte nach illegaler Einreise am 20.07.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Als Fluchtgrund gab der BF im Zuge der Erstbefragung zunächst zu Protokoll, Bangladesch ausschließlich aus wirtschaftlichen Gründen verlassen zu haben, brachte bei einer weiteren Einvernahme vor dem Bundesasylamt jedoch widersprüchlich vor, sein Heimatland wegen parteipolitischen Problemen verlassen zu haben, weil von Anhängern der Awami League zwei Falschanzeigen gegen ihn erstattet worden seien und er von der Polizei gesucht werde.

I.2. Mit Bescheid vom 23.08.2012 wies das Bundesasylamt die Anträge auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) ab und wurde der BF aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Bangladesch ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

Dem Fluchtvorbringen wurde die Glaubwürdigkeit versagt.

I.3. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 06.07.2015, L508 1429138-1/8E, hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. als unbegründet abgewiesen. Hinsichtlich Spruchpunkt III. wurde das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das BFA zurückverwiesen. Diesbezüglich wurde ausgeführt, dass sich mangels Vorlage von Unterlagen nicht ergeben habe, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei. In Bezug auf Spruchpunkt I. wurde ausgeführt, dass es dem BF nicht gelungen sei, eine gezielt und konkret gegen ihn gerichtete, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eintretende Asylrelevanz erreichende Verfolgung darzutun.

I.4. Anlässlich der Zurückverweisung fand beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) eine neuerliche Einvernahme des BF statt und wurde er zu seinem Privat- und Familienleben in Österreich befragt. Er gab diesbezüglich an, als Aushilfskraft an einem Zeitungsstand zu arbeiten und monatlich EUR 300,00 zu verdienen. Seine Freunde seien alle bengalische Staatsbürger, er habe jedoch seit drei Monaten eine österreichische Freundin. Er sei weder in einem Verein noch ehrenamtlich tätig und habe keinen Deutschkurs besucht.

I.5. Mit Bescheid des BFA vom 04.09.2015 wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen, wobei gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Bangladesch zulässig sei. Weiters wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des BF gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

I.6. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.12.2015, W182 1429138-2/3E, als unbegründet abgewiesen.

Begründend wurde ausgeführt, der BF habe in Österreich keine Familienangehörigen und habe im Hinblick auf die inländische Freundin keine intensive Bindung festgestellt werden können. Der BF sei in Österreich zwar regelmäßig erwerbstätig, verdiene monatlich aber nur EUR 300,00 und läge somit keine hinreichende Selbsterhaltungsfähigkeit vor. Auch sonst seien keine außergewöhnlichen Umstände vorgebracht worden, die besondere Integrationsleistungen des BF erkennen hätten lassen. Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG oder § 55 AsylG lägen nicht vor.

I.7. Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 16.03.2016, E 129/2016-4, wurde der Antrag des BF auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Erhebung einer Beschwerde gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 02.12.2015, W182 1429138-2/3E, abgewiesen, da eine Rechtsverfolgung durch Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof offenbar aussichtslos erschien, zumal bei der gegebenen Lage sogar die Ablehnung der Beschwerdebehandlung zu gewärtigen wäre.

I.8. Am 23.04.2019 stellte der BF einen Folgeantrag auf internationalen Schutz und gab zu seinem Fluchtgrund befragt an, er sei Mitglied der Partei BNP und er habe erfahren, dass die Partei AL (Awami League) gegen ihn Anzeige erstattet habe. Die Polizei habe dies seiner Familie mitgeteilt, den Grund wisse er nicht.

I.9. Mit Bescheid des BFA vom 17.06.2019 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich des Status eines Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status eines subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen (Spruchpunkt I. und II.). Weiters wurde ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Bangladesch zulässig sei (Spruchpunkt V.), sowie keine Frist für die freiwillige Ausreise erteilt (Spruchpunkt VI.) und dem BF gemäß § 15b Abs. 1 AsylG aufgetragen, ab 23.04.2019 im Quartier Betreuungsstelle Ost AIBE, Traiskirchen, Otto-Glöckl-Straße 24-26 Unterkunft zu nehmen (Spruchpunkt VII.).

I.10. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.07.2019, L509 1429138-3/4E, als unbegründet zurückgewiesen.

In dieser Entscheidung stellte das BVwG fest:

Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen, ist an dem angegebenen Datum geboren, gehört der Volksgruppe der Bengalen an und ist islamischen (sunnitischen) Glaubens.

Die Identität und Nationalität des Antragstellers konnte mangels Vorlage von geeigneten Dokumenten nicht festgestellt werden. Aufgrund der Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Herkunftsstaat und seinem Wohnort, sowie des Umstandes, dass der Antragsteller eine für Bangladesch gebräuchliche Sprache spricht sowie aufgrund seiner Kenntnisse über Bangladesch ist aber davon auszugehen, dass es sich bei ihm um einen Staatsangehörigen von Bangladesch handelt.

Der Erstantrag des BF auf internationalen Schutz wurde mangels Glaubhaftigkeit des ursprünglichen Vorbringens abgewiesen. Diese Entscheidung wurde in II. Instanz rechtskräftig. Es liegt gegenständlich ein Folgeantrag gemäß § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005 vor. Der vom BF zu diesem Folgeantrag vorgebrachte Fluchtgrund, nämlich, dass er von Mitgliedern der politischen Partei Awami League erneut angezeigt worden sei, beinhaltet keinen glaubhaften Kern und es konnte keine Änderung des Sachverhaltes im Vergleich zum Erstverfahren festgestellt werden.

Es konnten im konkreten Fall auch keine stichhaltigen Gründe für die Annahme festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer aufgrund geänderter Verhältnisse im Herkunftsland oder in seinen persönlichen Verhältnissen Gefahr liefe, im Falle der Rückkehr nach Bangladesch einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.“

Gegenständliches Verfahren:

I.11. Der BF stellte am 04.11.2020 den gegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz in Österreich, also knapp ein Jahr und vier Monate nach rechtskräftiger Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts.

Im Zuge der niederschriftlichen Erstbefragung gab der BF befragt, warum er einen neuerlichen Asylantrag stelle, obwohl sein Verfahren am 11.07.2019 rechtskräftig entschieden wurde, an, es sei bei seinem letzten Verfahren ohne Einvernahme entschieden worden. Er habe dieselben politischen Probleme, nämlich, dass gegen ihn ein politisches Verfahren eingeleitet worden sei, da er Anhänger der Gegenpartei sei. In Bangladesch würde er ermordet oder inhaftiert werden. Er habe außerdem ein Kind bekommen, dass hier lebe.

I.12. Am 02.12.2020 fand die niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem BFA statt, im Zuge derer er zunächst angab, in ärztlicher Behandlung zu stehen und Medikamente einzunehmen. Er habe Probleme mit der Leber, seine Fettwerte seien zu hoch. Er habe auch psychische Probleme und nehme hierfür Medikamente ein. Er habe sein Herkunftsland im Jahr 2003 verlassen und halte sich seit Juni oder Juli 2012 durchgehend in Österreich auf. Seine Eltern und seine beiden Brüder würden in Bangladesch leben. Zu seinen Eltern habe er ab und zu Kontakt, zu seinen Brüdern nicht. Seine Eltern würden wegen ihm nicht zuhause wohnen, sondern in der Hauptstadt. Dort seien sie sicher, denn es würde sie dort niemand finden.

Zu seinen neuen Fluchtgründen befragt, gab der BF an, die Polizei sei zwei oder dreimal bei ihm zuhause in Wien gewesen, weil sein Asylantrag sei negativ entschieden worden. Er habe sich bei der Polizei aber nie gemeldet, denn er habe Angst gehabt, weil er seit 2016 mit seiner Frau zusammenlebe und jetzt auch ein kleines Kind habe. Er habe dann aber entschieden, dass wenn er abgeschoben werden würde, er mit einem Familienvisum nach Österreich zurückkehren werde. Über Facebook habe er seinen Eltern und seinen Freunden gesagt, dass er nach Bangladesch zurückkommen werde. Diese Information sei bei der Awami League bekannt geworden. Die Polizei sei zweimal beim Haus seiner Eltern gewesen, um nach dem BF zu fragen. Die Eltern hätten darüber von einem Nachbarn erfahren, denn sie würden seit Dezember 2019 nicht mehr im Heimatort leben, nachdem Anhänger der Awami League im Oktober, November und Dezember 2019 bei ihnen zu Hause gewesen seien und Probleme gemacht hätten. So sei die Eingangstür des Hauses mit Messern und Fleischerbeilen kaputt gemacht und im Haus ein paar Sachen zerstört worden. Sein Vater habe dann über einen Anwalt herausgefunden, dass der BF wegen Schutzgelderpressung angezeigt worden sei. Der Anwalt habe seiner Familie gesagt, er solle nicht nach Hause kommen und mit seiner Hilfe habe ihm sein Vater dann Unterlagen nach Österreich geschickt.

Ergänzend befragt, erklärte der BF, die österreichische Polizei habe das erste Mal im Dezember 2019 nach ihm gesucht und da habe er auch seinen Eltern Bescheid gegeben. Die Polizei in Bangladesch habe seine Familie im Dezember 2019 und auch Anfang und Mitte 2020 aufgesucht, insgesamt vier- bis sechsmal. Auf Nachfrage, warum er vorher von zwei- bis dreimal gesprochen habe, erklärte der BF, er sei ja nicht dabei gewesen und habe es nur gehört. Es könne sein, dass er sich vertue. Befragt, warum die Awami League nach 17 Jahren immer noch nach dem BF suchen sollte, erklärte er, er sei Obmann der Chattra Dal gewesen und habe eine riesige Gruppe junger Leute gehabt, die sehr viel für die Partei gearbeitet hätten. Seit die Awami League in der Regierung sei, seien mehr als die Hälfte der Parteileute umgebracht worden. Viele seien auch im Gefängnis oder im Ausland. Es stimme, dass sein Fluchtgrund in diesem Verfahren relativ identisch mit dem Fluchtgrund seines zweiten Verfahrens von 2016 sei, aber, wenn er jetzt zurückgehen müsste, würden sie ihn vielleicht umbringen oder er müsse ins Gefängnis. Befragt, warum seine Eltern in der Hauptstadt sicher seien, er es jedoch nicht wäre, gab der BF an, seine Eltern seien alte Leute und würden die ganze Zeit in der Wohnung bleiben. Er sei ein junger Mensch und müsse arbeiten gehen.

Seine Frau habe er in einem kulturellen Programm der Bangladesh Community kennengelernt. Nach vier Monaten habe im September 2016 die traditionelle Hochzeit stattgefunden. Seit der Hochzeit lebe er gemeinsam mit seiner Frau und deren Eltern in einer Wohnung. Seine Frau sei hier geboren und zur Schule gegangen, habe aber nicht die österreichische Staatsbürgerschaft. Sein Kind sei gesund und er liebe es über alles und spiele die meiste Zeit mit ihm. Seine Frau sei einmal als Kind mit ihren Eltern in Bangladesch gewesen, wisse aber nichts über das Land. Miteinander würden sie bengalisch sprechen, seine Frau spreche aber gemischt und könne Deutsch besser als Bengalisch. Er habe in Österreich für die Caritas als Reinigungskraft gearbeitet und in den Jahren 2015 bis 2017 Zeitungen verkauft. Er habe viele Jobs gesucht, aber niemand habe ihn ohne Arbeitsbewilligung genommen. Seinen Lebensunterhalt bestreite er durch seinen Schwiegervater, dieser bekomme als Einziger Geld vom Staat. Aktuell verfüge er über EUR 19,00 an Barmitteln. Er sei nunmehr Mitglied der Bangladesh Österreich Gesellschaft und eines Vereins für die Provinz aus der er stamme.

Zu den, ihm übermittelten Länderfeststellungen, gab der BF an, was dort drinnen stehe, stimme nicht.

Der BF legte diverse Urkunden vor, u.a. Medizinische Befunde vom 25.11.2020 und 26.11.2020; Fachärztlicher Befundbericht vom 28.11.2020; Bestätigung über das Rückkehrberatungsgespräch vom 07.02.2019; Geburtsurkunde des Sohnes des BF; Anerkennung der Vaterschaft vom 02.09.2020; Auszug aus dem Geburtenregister vom 02.09.2020; Reisepasskopie der Ehefrau; Heiratsbestätigung (traditionell) vom 08.09.2018; diverse Deutschkursbestätigungen Niveau A2 und B1 aus den Jahren 2018-2019; zwei arbeitsrechtliche Vorverträge aus den Jahren 2016 und 2019; Bestätigung der Vereinsmitgliedschaft der XXXX vom 29.04.2019; Teilnahmebestätigung Erste-Hilfe-Kurs vom 14.09.2018; neun Empfehlungsschreiben aus den Jahren 2016; Foto eines DHL-Kuverts, Versanddatum 11.12.2020; Dokumente aus Bangladesch: Mitgliedsbestätigung der BNP vom 05.11.2020, Anzeige gegen den BF aus Bangladesch vom 12.11.2020, Haftbefehl mit richterlicher Vorführung bzw. richterliche Ladung vom 12.11.2020;

I.13. Über Auftrag des BFA führte die Landespolizeidirektion Niederösterreich am 13.03.2021 aus, dass sich bei der Untersuchung der vorgelegten Dokumente aus Bangladesch keine Hinweise auf das Vorliegen einer Verfälschung ergeben hätten. Es sei aufgrund der urkundentechnischen Sicherheitsmerkmale bzw. der erhaltenen Untersuchungsbefunde davon auszugehen, dass es sich um ein authentisches Formular handle. Hinsichtlich der Mitgliedschaftsbestätigung der BNP hätten sich ebenfalls keine Hinweise auf das Vorliegen einer Verfälschung ergeben. Es könne jedoch keine Aussage darüber getroffen werden, ob es sich um ein autorisiert ausgestelltes Dokument handle und weise die Mitgliedsbestätigung keine urkundentechnischen Sicherheitsmerkmale auf.

I.14. Mit Bescheid vom 18.05.2021 wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Bangladesch zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI.) und wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

Zu den Spruchpunkten I. und II. führte das BFA aus, dass die vom BF vorgebrachten Gründe für die neuerliche Antragstellung bereits zum Zeitpunkt der Rechtskraft des Erstverfahrens bestanden hätten bzw. wie von ihm angegeben die Fluchtgründe unverändert bzw. die alten Fluchtgründe aufrecht seien und sich bei nicht Fluchtgründen nichts geändert habe. Es habe sich seither kein entscheidungsrelevant geänderter Sachverhalt ergeben. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen sei nicht erteilt worden, weil die Voraussetzungen dafür nicht vorliegen würden. Seinen psychischen und physischen Zustand betreffend, sei darauf hinzuweisen, dass sich aus dem gesamten vorliegenden Sachverhalt kein Anhaltspunkt dafür ergebe, dass es sich beim BF um einen lebensgefährlich Erkrankten handle und daher eine Abschiebung nach Bangladesch von vornherein als unzulässig angesehen werden müsste. Zur Rückkehrentscheidung wurde ausgeführt, dass in einer Gesamtabwägung die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung seine familiären und privaten Interessen am Verbleib im Bundesgebiet überwiegen. Insbesondere das Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Sinne eines geordneten Fremdenwesens wiege in diesem Fall schwerer als die privaten Interessen an einem Weiterverbleib im Bundesgebiet. Hinsicht des Einreiseverbotes wurde ausgeführt, dass das Fehlverhalten des BF, nämlich die Stellung eines unbegründeten und missbräuchlichen Asylantrages, nicht unter § 53 FPG subsumiert werden konnte, es sei jedoch geeignet die öffentliche Ordnung und Sicherheit zu gefährden und widerlaufe den Interessen des Art. 8 EMRK. Zudem sei auch § 53 Abs. 2 Z 6 FPG erfüllt. Die Gesamtbeurteilung seines Verhaltens, seiner Lebensumstände sowie seiner familiären und privaten Anknüpfungspunkte habe daher ergeben, dass die Erlassung eines Einreiseverbotes in der angegebenen Dauer gerechtfertigt und notwendig sei, um die vom BF ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu verhindern.

I.15. Mit Schriftsatz vom 04.06.2021 wurde der gegenständliche Bescheid des BFA seitens des – durch den MigrantInnenverein St. Marx vertretenen – BF zur Gänze wegen unrichtiger Feststellungen, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung angefochten.

Inhaltlich wurde ausgeführt, dass vom BFA keinerlei Recherchen zu den vorgebrachten Fluchtgründen getätigt worden seien. Eine nachvollziehbare Begründung, warum im Vorbringen des BF kein glaubhafter Kern enthalten sei, sei dem Bescheid nicht zu entnehmen, zumal zentrale Teile seines Vorbringens von der Behörde nicht in die Beurteilung seines Falles einbezogen und die vom BF vorgelegten Beweismittel nicht untersucht worden seien. Unrichtig sei die Abwägung des BFA zwischen den öffentlichen Interessen Österreichs und dem Privat- und Familienleben des BF und habe diesbezüglich keinerlei Beurteilung seitens des BFA stattgefunden, obwohl sich hinsichtlich der Integrationsanstrengungen des BF zweifellos Änderungen ergeben hätten, die eine Neubeurteilung erforderlich gemacht hätten. Hinsichtlich der aufschiebenden Wirkung sei zu berücksichtigen, dass bei Nichtgewährung ein effektiver Rechtsschutz nicht gegeben wäre. Auch sei seitens des BFA unterlassen worden zu prüfen, inwieweit die in Bangladesch praktisch ungehindert grassierende Covid-19 Epidemie dazu führen würde, dass der BF im Falle einer Abschiebung einer Art. 2 bzw. Art. 3 EMRK widersprechenden Situation ausgesetzt wäre. Hinsichtlich des Einreiseverbotes sei festzustellen, dass die Begründung, der BF würde eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit darstellen, nicht nachvollziehbar sei. Für die Erlassung eines Einreiseverbotes bestehe kein dringender Anlass.

Es wurden die Anträge gestellt, den Asylantrag des BF inhaltlich zu behandeln; dem BF Asyl zu gewähren; allenfalls subsidiären Schutz zu gewähren; allenfalls den angefochtenen Bescheid aufzuheben und zur Ergänzung des Verfahrens an die 1. Instanz zurückzuverweisen; aufschiebende Wirkung zu gewähren; eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen, damit der BF die vorgeworfene Kritik an seinem Vorbringen widerlegen kann und die Gattin des BF als Zeugin zu laden; allenfalls eine Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären; allenfalls eine Rückkehrentscheidung vorübergehend für unzulässig zu erklären; allenfalls festzustellen, dass die Abschiebung unzulässig sei; das Einreiseverbot aufzuheben; allenfalls die Dauer des Einreiseverbotes zu verkürzen.

I.16. Mit Schreiben vom 26.08.2021 wurde zur Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht geladen und damit dem BF auch das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Bangladesch zur allfälligen Stellungnahme bis längstens im Rahmen der für den 20.09.2021 angesetzten mündlichen Beschwerdeverhandlung, übermittelt.

I.17. Am 20.09.2021 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die Sprache Bengali und eines Vertreters des MigrantInnenverein St. Marx eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, im Zuge derer der BF ausführlich zu u.a. seinen Fluchtgründen, den Rückkehrbefürchtungen, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensverhältnissen in Österreich befragt wurden.

Eingangs wurde festgehalten, dass der BF früher Leberprobleme und andere Beschwerden hatte, derzeit aber keine Medikamente nehmen müsse.

Mit seiner Mutter in Bangladesch habe er weiterhin Kontakt, sein Vater, früher Bankangestellter, sei nunmehr in Pension, sie hätten keine finanziellen Probleme.

In Österreich habe der BF eine Ehefrau und ein Kind.

Der BF habe im Jahr 2016 „traditionell“ geheiratet, eine „Heiratsbestätigung“ des Bangladesch Islamic Center Baitul Mukarram, 1150 Wien, liegt im Akt ein (AAS 223). Eine staatliche Hochzeit fand nicht statt.

Die Frau sei in Tamsweg/Salzburg geboren. Die ursprüngliche Angabe des BF, dass seine Frau deshalb „Staatsbürgerin dieses Landes“ sei, korrigierte der BF nach mehrmaligen Hinweis auf die Wahrheitsverpflichtung. Die Frau habe einen bengalischen Pass und einen österreichischen Aufenthaltstitel (vgl AAS 219).

Auch bei dem gemeinsamen Kind, geboren XXXX in Wien, versuchte der BF zuerst, diesem die österreichische Staatsbürgerschaft anzudichten. Erst nach Bestätigung der Unterschrift des BF auf dem Dokument (Vaterschaftsanerkennung), welches in Kopie im AAS 215 enthalten ist, konnte auch für den BF eindeutig geklärt werden, dass sowohl seine Frau als auch der Sohn des BF Staatsangehörige von Bangladesch sind.

Jedenfalls wusste die spätere Frau des BF bereits vor der Hochzeit, dass der BF Bengale sei, Asylanträge gestellt habe und diese negativ beschieden wurden.

Hinsichtlich des Familienlebens, insbesondere zur Schwiegerfamilie, legte der BF einen (nicht unterfertigten) Brief des Schwiegervaters vor. Der BF wohnt mit seiner Schwiegerfamilie in einer 82 qm großen Wohnung in Wien.

Der BF lebe von seiner Tätigkeit als „Zusteller“ und verdient damit monatlich bis über € 1.500,. Wenn er mehr Geld benötigen würde, würde er sich von seinen Eltern unterstützen lassen.

Der BF, welcher Bangladesch bereits 2003 verlassen hat, schloss die Schulausbildung mit der 12. Klasse ab. Danach reist er nach Zypern und studierte dort eine Weile, habe das Studium aber nicht abgeschlossen. Von dort reiste er weiter nach Griechenland und arbeitete in einem Restaurant. In Bangladesch habe der BF nicht gearbeitet.

Seine Deutschkenntnisse befinden sich zertifiziert auf dem Niveau A2. Der Sprachwortschatz ist zwar begrenzt, eine Konversation in deutscher Sprache durchaus möglich.

Innerhalb der Familie spricht der BF zugegebenermaßen Bengali. In seiner Freizeit kümmere er sich um seine Familie, insbesondere sein Kind. Seine Frau habe wahrscheinlich Maturaabschluss, sie suche eine Arbeit. Er habe viele Freunde, aus Bangladesch, Österreich, Türkei, sonstige Nationen.

Hinsichtlich seines Fluchtgrundes gab der BF an, dass er von seinem „Nachbar Abdul Rasak“ angezeigt worden sei. Es sei eine politische Anzeige. Der BF würde die oppositionelle BNP unterstützen, der Nachbar die regierende Awami-League.

Die Awami League habe die Anzeige veranlasst, damit der BF nicht zurückkehren könne.

Der BF gab an, dass er in Bangladesch in seinem Heimatdorf gewohnt habe, konkret in Baroipara, Distrikt Shariatpur, Polizeiverwaltungsbezirk Noria, Postzugehörigkeit Gorishar (BVwG VS 11).

Einen Straßennamen nannte der BF nicht, in Bangladesch gäbe es keine Straßennamen, zumindest nicht für kleine Straßen (BVwG VS 11).

Im Heimatdorf würden ca. 100.000 Menschen leben (BVwG VS 11). Das Heimatdorf sei „4 bis 5 Fahrstunden mit dem Bus“ von der Hauptstadt Dhaka entfernt (BVwG VS 13). Seine Eltern würden derzeit in Dhaka leben (BVwG VS 13). Sein Vater namens „Ataur RHAMAN“ sei im Dorf von Anhängern der Awami League belästigt worden, habe das Dorf verlassen und habe sich nun in Dhaka versteckt (BVwG VS 13). Der BF habe nie nach der Adresse seines Vaters gefragt.

Der BF gab an, dass auch der angebliche Anzeiger nicht wisse, wo die Eltern des BF wohnen; er könne dies ausschließen (BVwG VS 13).

Die Anzeige habe der Vater des BF an diesen geschickt. Nachgefragt, woher der Vater des BF die Anzeige habe, meinte der BF, die Eltern hätten wegen der Anzeige gegen den BF einen Anwalt genommen. Der Anwalt habe dies vom Gericht behoben. Seine Eltern hätten ihm dies zugeschickt, bevor der BF die Einvernahme in Traiskirchen hatte (BVwG VS 12).

Im Administrativakt ist ein Kuvert (in Kopie) abgebildet, welches das Datum 12.11.2020 trägt. Der BF bestätigte, dass er im Dezember 2020 die Anzeige vorgelegt habe (BVwG VS 12).

Zu seinen Befürchtungen, wenn er nach Bangladesch zurückkehren müsste, meinte der BF, dass er Probleme bekommen würde. Man könnte ihn anzeigen, verschwinden lassen oder festnehmen (BVwG VS 13).

Er habe aber schon mit seiner Frau besprochen, wenn die Entscheidung negativ ausginge, würde der BF kurz nach Bangladesch zurückkehren und mit einem Visum wieder nach Österreich einreisen. Seine Frau könnte ihn innerhalb von sechs Monaten oder einem Jahr hierher zurückbringen. Er würde zurückkehren, weil hier seine Ehe, seine Arbeit, sein ganzes Leben sei (BVwG VS 10).

In Bangladesch habe der BF Vermögen; er würde „Haus, Auto, Felder“ besitzen, korrigierte aber danach, dass er kein Auto besitze (BVwG VS 15).

Angesprochen darauf, dass der BF – in Anbetracht der Tatsache, dass mehrere rechtskräftig abgeschlossene Verfahren vorliegen, welche auch Rückkehrentscheidungen beinhalten - bisher die österreichische Rechtsprechung nicht respektiere, sondern ignoriere, meinte dieser, er habe sich rechtzeitig einen Anwalt genommen und Beschwerde eingereicht. Er habe nicht Falsches getan.

Nochmals darauf hingewiesen, dass er das Bundesgebiet zu verlassen habe, meinte der BF lediglich, er würde Gerichtsurteile respektieren, aber ihm seien die Hände gebunden.

Hinsichtlich der vom BF in früheren, abgeschlossenen Verfahren vorgelegten Anzeigen meinte dieser lapidar, dass es sie nicht mehr gäbe. Sie würden ihn nicht interessieren. Ob es die ganz alten Anzeigen gäbe, wisse er nicht. Die vorgelegte Anzeige in diesem Verfahren sei die einzige, welche existiere (BVwG VS 12).

II. Erwägungen:

II.1. Feststellungen:

II.1.1. Zu der Person des Beschwerdeführers, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensumständen in Österreich:

Es werden die Feststellungen der rechtskräftigen Entscheidungen des BVwG, insbesondere vom 10.07.2019, zugrunde gelegt und allenfalls ergänzt:

Der BF hatte gesundheitliche Probleme, nimmt derzeit jedoch keine Medikamente. Lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankungen liegen beim BF somit nicht vor und sind auch keine akuten Behandlungen notwendig.

Der BF ist arbeitsfähig.

Das Privat- und Familienleben des BF hat sich seit dem rechtskräftigen Erkenntnis des BVwG vom 10.07.2019 insofern geändert, als der BF nunmehr im Verfahren angab seit September 2016 „traditionell“ verheiratet zu sein und mit seiner aufenthaltsberechtigten Frau, Staatsangehörige von Bangladesch, zusammenzuleben.

Am XXXX wurde der Sohn des BF in Wien geboren und wurde die Vaterschaft vom BF am 02.09.2020 anerkannt. Der Sohn ist Staatsangehöriger von Bangladesch.

Der BF besuchte mehrere Deutschkurse und hat die ÖSD Prüfung Niveau A2 bestanden. Er hat auch einen Erste-Hilfe-Kurs absolviert.

Der BF ist Mitglied des Vereins XXXX . Der BF hat Freunde von verschiedenster Nationalität.

Der BF ist „Zusteller“ und verdient monatlich bis über € 1.500,-. Der BF ist strafrechtlich unbescholten.

Die Eltern des BF und seine beiden Brüder leben im Herkunftsstaat. Zu seinen Eltern besteht aufrechter Kontakt.

II.1.2. Zum Fluchtvorbringen des BF:

Festgestellt wird, dass der erste Asylantrag des BF hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten rechtskräftig mit Erkenntnis des BVwG vom 06.07.2015 abgewiesen wurde.

Festgestellt wird, dass der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 16.03.2016 die Gewährung der Verfahrenshilfe zur Erhebung einer Beschwerde gegen das Erkenntnis des BVwG wegen Aussichtslosigkeit abwies.

Festgestellt wird, dass der Folgeantrag des BF vom 23.04.2019 rechtskräftig mit Erkenntnis des BVwG vom 10.07.2019 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde.

Der BF kam seinen Ausreiseverpflichtungen, nach den rechtskräftigen Entscheidungen des BVwG vom 02.12.2015 und 10.07.2019, nicht nach und blieb weiterhin in Österreich.

Das nunmehrige Vorbringen, von der Awami League in Form einer Strafanzeige gegen ihn verfolgt zu werden, weist keinen glaubhaften Kern auf. Insbesondere sind die vom BF für dieses Verfahren vorgelegten Urkunden nicht geeignet, sein Vorbringen für glaubhaft erscheinen zu lasen. Es ist davon auszugehen, dass diese Unterlagen einen nicht den Tatsachen entsprechenden Inhalt haben und nur für Zwecke des gegenständlichen Asylverfahrens angefertigt wurden. Es ist weiters davon auszugehen, dass der gegenständliche Antrag, wie schon der Folgeantrag vom 23.04.2019 nur gestellt wurde, um einer Abschiebung in den Herkunftsstaat zu entgehen.

Dem BF droht in Bangladesch keine aktuelle, konkrete und individuelle Verfolgung seiner Person. Der BF hat im gegenständlichen Verfahren nicht substantiiert behauptet, dass sich die allgemeine Lage in Bangladesch entscheidungswesentlich geändert habe und er deshalb eine unmittelbare persönliche Gefährdung zu befürchten habe. Eine solche entscheidungswesentliche Änderung der allgemeinen Lage in Bangladesch ist auch nicht eingetreten.

Es wird festgestellt, dass sich der BF im Falle einer Rückkehr allfälligen Behelligungen durch eine Niederlassung in anderen Landesteilen entziehen könnte.

II.1.3. Zur maßgeblichen Lage in Bangladesch:

COVID-19

Letzte Änderung: 08.06.2021

Der Regierung wird vorgeworfen, dass die Vorbereitung auf die Viruserkrankung im Inland inadäquat gewesen sind. COVID-19-Testungen waren zunächst nur in der Hauptstadt Dhaka möglich gewesen. Anfang April 2020 nahmen Diagnostikeinrichtungen am Rajshahi Medical College und am Cox's Bazar Medical College ihre Tätigkeiten auf und testen seitdem Bewohner ihrer jeweiligen Regionen auf eine Infektion mit COVID-19. Mit Ende März 2020 erließ die Regierung weitreichende Einschränkungen der Bewegungsfreiheit. Das Transportwesen, Einkaufsmöglichkeiten, behördliche Dienste und anderes wurden auf das nötigste reduziert. Von den erlassenen Kontakt- und Arbeitsbeschränkungen ist ein Großteil der bangladeschischen Bevölkerung betroffen. Viele stehen dadurch vor unmittelbar existenzbedrohenden finanziellen Risiken. Viele Großaufträge beispielsweise im Bereich der Textilindustrie wurden zurückgezogen. Diese Maßnahmen bedeuteten einen Wegfall der Einkommensgrundlage von 4,1 Millionen Textilarbeitern, die zu den Geringverdienern in Bangladesch zählen. Einige Textilfabriken stellten jedoch ihre Produktion teilweise auf die Herstellung von Atemschutzmasken und Schutzanzügen um. Lokale Initiativen von einkommensstärkeren Personen versuchen, die Grundversorgung von einkommensschwächeren Familien durch die Verteilung von Lebensmitteln in den jeweiligen Anwohnergebieten aufrecht zu erhalten. Auch die Regierung hat erste staatliche Entlastungsprogramme in die Wege geleitet. Darunter Programme zur finanziellen Unterstützung der in der Landwirtschaft Tätigen oder für Personen, die in extremer Armut leben (GIZ 11.2020; vgl. ÖB 9.2020). Im Zuge der COVID-Krise 2020 verloren nach Schätzungen der Bangladesh Economic Association etwa 36 Millionen Menschen während des Lockdowns ihre Arbeit, 25 Millionen rutschen zurück in die absolute Armut (ÖB 9.2020).

Die bangladeschische Regierung hat im April 2020 Hilfspakete mit einem Volumen in Höhe von 12 Milliarden USD beschlossen. Die Konjunkturmaßnahmen zielen unter anderem auf eine Stützung von für die Wirtschaft bedeutende Industriezweige wie die Textil- und Bekleidungsherstellung sowie den Agrar- und Nahrungsmittelsektor ab (GTAI 21.9.2020a). Der durch die Regierung verhängte umfassende Lockdown war de facto jedoch immer brüchig und wurde einmal mehr und einmal weniger eingehalten. Am 30.5.2020 wurde der Lockdown wieder aufgehoben, da eine weiter Fortsetzung wirtschaftlich nicht mehr vertretbar war (ÖB 9.2020).

Das ohnehin schwache Gesundheitssystem Bangladeschs ist mit der Pandemie völlig überlastet (ÖB 9.2020). Angesichts der historisch niedrigen Ausgaben für die öffentliche Gesundheitsversorgung im Land erwiesen sich die Einrichtungen als unzureichend, schlecht vorbereitet und schlecht ausgerüstet, um die Krise zu bewältigen (AI 7.4.2021). Die Versorgung von Covid-19-Patienten stößt an ihre Grenzen. Landesweit sind etwas mehr als knapp 1.000 Intensivbetten verfügbar. Davon sind 400 für die Behandlung von Patienten mit schweren Atemwegserkrankungen ausgerüstet. Während es in der Hauptstadt Dhaka 400 Intensivbetten gibt, stehen in 47 der insgesamt 64 Verwaltungsbezirke überhaupt keine zur Verfügung (GTAI 21.9.2020b).

Eine weitere Problemstellung für das Land stellen die zahlreichen Rückkehrer aus den Ländern des Nahen Ostens aufgrund des mit COVID verbundenen weltweiten Wirtschaftsabschwungs dar. Viele bringen so das Virus auf ihrem Heimweg mit ins Land. Da viele Migranten aus Bangladesch im Nahen Osten im Zuge der COVID-Krise ihre Arbeit verloren haben und ausgewiesen wurden, ist in den kommenden Jahren mit einem vermehrten Aufkommen von AsylwerberInnen aus Bangladesch in (West-)Europa zu rechnen (ÖB 9.2020).

COVID-19 erhöht Risiken im Zusammenhang mit geschlechtsspezifischer Gewalt und setzen Frauen und Kinder zusätzlichen Bedrohungen aus (iMMAP 3.2021).

Die Behörden gehen gegen Journalisten und Medien vor, die kritisch über die Reaktion der Regierung auf die COVID-19-Pandemie berichten (HRW 20.5.2021; vgl. AI 19.5.2021). Kritische Journalisten sehen sich systematischen Verleumdungsklagen ausgesetzt (ÖB 9.2020). Eine Überwachung von Personen, die "Gerüchte" über die Covid-19-Pandemie verbreiten könnten, wird verstärkt, die Medienzensur verschärft (HRW 20.5.2021).

Nachdem die Zahl der Neuinfektionen im April 2021 Tagen stark angestiegen, wurden die Anfang April 2021 eingeführten Abriegelungsmaßnahmen, die auch die Schließung von Geschäften beinhaltet, aufgrund der sich verschlechternden Situation weiter verschärft (BAMF 12.4.2021).

Das Außenministerium des Landes bestätigt Schwierigkeiten bei der Umsetzung des Massenimpfprogrammes wegen einem Fehlen an den dafür notwendigen Impfstoff-Dosen. Bisher hat Bangladesch erst 7 Millionen Dosen (darüber hinaus schenkte Indien 3,2 Millionen Dosen separat) einer vertraglich mit Indien vereinbarten Menge von 30 Millionen Dosen des vom Serum Institute of India hergestellten Oxford AstraZeneca-Impfstoffs erhalten (AnAg 22.5.2021).

Um eine Übertragung von den als ansteckender eingestuften Varianten des COVID-19-Virus aus Indien zu verhindern, wurden Flüge abgesagt und Grenzen geschlossen (TG 5.5.2021).

Quellen:

?        AnAg – Anadolu Agency (22.5.2021): Bangladesh extends border lockdown with India, https://www.aa.com.tr/en/asia-pacific/bangladesh-extends-border-lockdown-with-india/2251062, Zugriff 25.5.2021

?        AI – Amnesty International (19.5.2021): Bangladesh: Rozina Islam must not be punished for her journalistic work, Zugriff 19.5.2021
https://www.ecoi.net/de/dokument/2051859.html, Zugriff 1.6.2021

?        AI – Amnesty International (7.4.2021): Bangladesh 2020, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048635.html, Zugriff 18.5.2021

?        BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (12.4.2021): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/EN/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw15-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=4, Zugriff 17.5.2021

?        GIZ – Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit GmbH (11.2020a): Bangladesch, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/bangladesch/geschichte-staat/, Zugriff 17.5.2021

?        GTAI - Germany Trade and Invest (21.9.2020a): Covid-19: Maßnahmen der Regierung, https://www.gtai.de/gtai-de/trade/specials/special/bangladesch/covid-19-massnahmen-der-regierung-260866, Zugriff 5.11.2020

?        GTAI - Germany Trade and Invest [Deutschland] (21.9.2020b): Covid-19: Gesundheitswesen in Bangladesch: https://www.gtai.de/gtai-de/trade/specials/special/bangladesch/bangladeschs-wirtschaft-behauptet-sich-trotz-coronakrise-260868, Zugriff 5.11.2020

?        HRW – Human Rights Watch: Bangladesh (20.5.2021): Arrest of Journalist Investigating Corruption, https://www.ecoi.net/de/dokument/2052025.html, Zugriff 1.6.2021

?        iMMAP – Information Management and Mine Action Programs (Autor), veröffentlicht von ReliefWeb (3.2021): COVID-19 Situation Analysis , https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/iMMAP_COVID-19_Bangladesh_Analysis%20Report_032021.pdf, Zugriff 17.5.2021ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht zu Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/2052061/BANG_%C3%96B_BERICHT_2020_09.pdf, Zugriff 28.5.2021

?        ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht zu Bangladesch,
https://www.ecoi.net/en/file/local/2052061/BANG_%C3%96B_BERICHT_2020_09.pdf, Zugriff 28.5.2021

?        TG – The Guardian (5.5.2021): India’s neighbours close borders as Covid wave spreads across region, https://www.theguardian.com/world/2021/may/05/indias-neighbours-close-borders-as-covid-wave-spreads-across-region, Zugriff 25.5.2021

Politische Lage

Letzte Änderung: 08.06.2021

Bangladesch ist seit 1991 eine parlamentarische Demokratie (GIZ 11.2019a). Die Unabhängigkeit und der Übergang zur Demokratie brachten ein Einparteiensystem, mehrere Militärputsche (1975 und 1982), zwei Übergangsregierungen, Ausnahmezustände und Machtkämpfe zwischen den beiden großen Parteien, der Bangladesh Nationalist Party (BNP) und der Awami-Liga (AL). Die beiden Parteien regieren Bangladesch seit 1991 abwechselnd (OMCT 7.2019).

Der Verwaltungsaufbau von Bangladesch ist zentralistisch. Im Gebiet der Chittagong Hill Tracts gilt eine besondere Verwaltung, die der lokalen (indigenen), nicht-bengalischen Bevölkerung verstärkte Mitwirkungsmöglichkeiten einräumen soll (ÖB 9.2020). Das Staatsoberhaupt ist der Präsident, der vom Parlament alle fünf Jahre gewählt wird. Eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Er übt größtenteils zeremonielle Funktionen aus, während die Macht in den Händen des Premierministers als Regierungschef liegt. Dieser wird von der stärksten im Parlament vertretenen Partei nominiert und vom Präsidenten formell ernannt. Zusätzlich obliegt dem Premierminister die Kontrolle der Geheimdienste, der Streitkräfte und der paramilitärischen Einheiten (GIZ 11.2019a).

Das Parlament (National Parliament oder Jatiya Sangsad) besteht aus einer Kammer mit 300 direkt gewählten Abgeordneten (ÖB 9.2020) sowie zusätzlichen 50 Sitzen, die nur für Frauen reserviert sind (USDOS 30.3.2021; vgl. GIZ 11.2019a). Das Mehrheitswahlrecht führt zu stabilen Mehrheiten im Parlament und hat die Herausbildung der BNP und der AL als dominierende und konkurrierende Parteien begünstigt. Die erste Verfassung trat 1972 in Kraft und setzte neben der demokratischen Staatsform auch Säkularismus, Sozialismus und Nationalismus als Ziele fest. Nach zahlreichen Verfassungsänderungen wurde 1988 der Islam als Staatsreligion eingeführt bei gleichzeitiger verfassungsrechtlicher Verankerung des Rechts auf friedliche Ausübung anderer Religionen (ÖB 9.2020).

Das politische Leben wird durch die beiden dominierenden und konkurrierenden größten Parteien AL und BNP bestimmt (ÖB 9.2020; vgl. AA 21.6.2020, BS 29.4.2020). Klientelismus und Korruption sowie mafiöse Strukturen sind weit verbreitet. Gewerkschaften, Studentenorganisationen, Polizei und Verwaltung sind parteipolitisch durchdrungen (AA 21.6.2020). Beide Parteien haben keine demokratische interne Struktur und werden von Familien geführt, die Bangladesch seit der Unabhängigkeit um die Führung des Landes konkurriert haben. Unterstützt werden die beiden Parteien von einem kleinen Kreis von Beratern (FH 3.3.2021). Wie in der Region üblich, geht es bei politischen Parteien weniger um Ideologie, als um einzelne Persönlichkeiten und deren Netzwerke, die im Falle eines Wahlsieges auch finanziell profitieren, in dem sie mit wichtigen Staatsposten versorgt werden (ÖB 9.2020).

Bei den Parlamentswahlen vom 30.12.2018 erzielte die "Große Allianz" um die regierende AL einen überragenden Sieg (ÖB 9.2020) mit 96 Prozent der Stimmen und 289 der 300 zur Wahl stehenden Parlamentssitzen (Guardian 30.12.2018; vgl. DT 27.1.2019, DW 14.2.2019). Diese waren durch Übergriffe auf Oppositionelle, willkürliche Verhaftungen und Einschüchterungen der Stimmberechtigten gekennzeichnet (HRW 14.1.2020).

Infolge der Dominanz der AL und der fehlenden innerparteilichen Demokratie hat de facto die exekutive Spitze das ausschließliche Sagen bei Gesetzesentwürfen. Wie schon die Vorgängerregierungen baut auch die gegenwärtige AL-Regierung ihre Netzwerke in Verwaltung, Rechtswesen und Militär aus. Verschärfend kommt hinzu, dass die BNP als vormals größte Oppositionspartei das Wahlergebnis angefochten hatte und nun nicht mehr im Parlament vertreten ist. Die oppositionelle BNP hat aufgrund ihrer starken gesellschaftlichen Verankerung das Potenzial, durch Generalstreiks großen außerparlamentarischen Druck zu erzeugen (GIZ 11.2019a). Die rivalisierenden Parteien AL und BNP dominieren die Politik und schränken die politischen Handlungsmöglichkeiten für diejenigen ein, die parteiinterne Strukturen oder Hierarchien in Frage stellen oder alternative Parteien oder politische Gruppierungen gründen wollen, Animositäten zwischen den Parteispitzen von AL und BNP die sich bis in die Kader der unteren Ebenen ziehen, haben zu andauernder politischer Gewalt beigetragen (FH 3.3.2021).

Da die Politik in Bangladesch generell extrem korrupt ist, sind die Grenzen zwischen begründeter Strafverfolgung und politisch motivierter Verfolgung fließend. Sicherheitskräfte sind in jüngster Vergangenheit sowohl bei Demonstrationen von Anhängern der beiden Großparteien, als auch bei islamistischen oder gewerkschaftlichen Protesten mit Brutalität vorgegangen. Im Zuge des Wahlkampfes Ende 2018 wurden gegen Anhänger und KandidatInnen der oppositionellen BNP durch die Sicherheitsbehörden falsche Anzeigen verfasst (ÖB 9.2020).

Mehrere Menschenrechtsgruppen haben seit Anfang 2018 einen dramatischen Anstieg von fingierten Klagen gegen Gegner der Regierungspartei festgestellt. Unter den Verhafteten befinden sich prominente Führer des Oppositionsbündnisses (FIDH 29.12.2018). Die BNP-Vorsitzende, Khaleda Zia, war von März 2018 bis März 2020 aufgrund von Korruptionsvorwürfen im Gefängnis (AA 21.6.2020; vgl. NAU 25.3.2020). Seit diese auf freiem Fuß ist, sind praktisch keine Aktivitäten der BNP mehr wahrnehmbar (ÖB 9.2020).

Nachdem die oppositionelle BNP nunmehr nicht existent ist und im politischen Prozess kaum bis gar keine Rolle mehr spielt, ist eine Verfolgung, bzw. Unterdrückung ihrer AnhängerInnen aus Sicht der Regierung offenbar nicht mehr nötig. Anzumerken ist, dass seit März 2020 das politische Geschehen vollständig von der COVID-Krise überlagert wird (ÖB 9.2020; vgl. HRW 13.1.2021).

Von einer staatlichen Überwachung der politischen Opposition ist auszugehen (ÖB 9.2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (21.6.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf, Zugriff 9.11.2020

?        BS - Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): BTI 2020 Country Report Bangladesh, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029402/country_report_2020_BGD.pdf, Zugriff 10.11.2020

?        DT – Dhaka Tribune (27.1.2019): Ruling party's Dr Younus Ali Sarker wins Gaibandha 3 by-polls, https://www.dhakatribune.com/bangladesh/election/2019/01/27/voting-in-gaibandha-3-by-polls-underway, Zugriff 10.11.2020

?        DW – Deutsche Welle (14.2.2019): Bangladesh PM Sheikh Hasina hints at last term as prime minister, https://www.dw.com/en/bangladesh-pm-sheikh-hasina-hints-at-last-term-as-prime-minister/a-47513555, Zugriff 10.11.2020

?        FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048581.html, Zugriff 28.5.2021)

?        FIDH - International Federation for Human Rights (29.12.2018): Joint statement on the undemocratic electoral environment in Bangladesh, https://www.fidh.org/en/region/asia/bangladesh/joint-statement-on-the-undemocratic-electoral-environment-in, Zugriff 10.11.2020

?        GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (11.2019a): Bangladesch – Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/bangladesch/geschichte-staat/, Zugriff 10.11.2020

?        OMCT – World Organisation Against Torture (7.2019): Cycle of Fear - Combating Impunity for Torture and Strengthening the Rule of Law in Bangladesh, https://www.omct.org/files/2019/07/25475/cycleoffear_bangladesh_report_omct.pdf, Zugriff 1.6.2021

?        HRW – Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043519.html, Zugriff 28.5.2021

?        HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022700.html, Zugriff 11.11.2020

?        NAU – Schweizer Nachrichtenportal (25.3.2020): Bangladeschs Oppositionsführerin Zia aus Haft entlassen, https://www.nau.ch/politik/international/bangladeschs-oppositionsfuhrerin-zia-aus-haft-entlassen-65684195, Zugriff 10.11.2020

?        ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht zu Bangladesch,
https://www.ecoi.net/en/file/local/2052061/BANG_%C3%96B_BERICHT_2020_09.pdf, Zugriff 28.5.2021

?        USDOS – US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048142.html, Zugriff 28.5.2021

Sicherheitslage

Letzte Änderung: 08.06.2021

Die Sicherheitslage in Bangladesch ist volatil und kann sich kurzfristig deutlich verschlechtern (EDA 27.5.201; vgl. DFAT 22.8.2019). Zwischen religiösen beziehungsweise ethnischen Gemeinschaften bestehen latente Spannungen, die sich teilweise ohne grosse Vorwarnung in lokalen, gewaltsamen Zusammenstössen entladen können (EDA 27.5.2021). Terroristische Anschläge islamistischer Extremistengruppen verfügen über ein Gefährdungspotential gegenüber dem Staat (DFAT 22.8.2019). 2017 kam es im Land zu mehreren Selbstmordattentaten (SATP 26.5.2021a). Der "Islamische Staat" ruft zu weiteren Attentaten auf (BMEIA 27.5.2021).

Die Regierungen Bangladeschs stehen vor der Herausforderung, mit extremistischen islamistischen Gruppen umzugehen, die Gewalt gegen eine Vielzahl von staatlichen und zivilen Zielen planen oder ausführen können. Von den Behörden wurde auf solche Angriffe stets robust reagiert. Wichtige militante Gruppen wurden verboten und Hunderte von Kämpfern verhaftet. Menschenrechtsgruppen berichten, dass Sicherheitsoperationen gegen militante Gruppen zu einer hohen Zahl von außergerichtlichen Tötungen führen (DFAT 22.8.2019).

Es wird davon ausgegangen, dass Operationen gegen terroristische Gruppen, zusammen mit der sich allmählich verbessernden Koordination der Regierung bei der Terrorismusbekämpfung, die Fähigkeiten militanter Gruppen verringert haben. Trotzdem kann das Risiko weiterer Anschläge nicht ausgeschlossen werden (DFAT 22.8.2019). Es gibt radikale islamistische Gruppen wie die Mujahideen Bangladesh (JMB) und Ansarullah Bangla Team (ABT). Sowohl der Islamische Staat (IS) und Al Qaeda in the Indian Subcontinent (AQIS) geben an, in Bangladesch aktiv zu sein, was von der Regierung jedoch dementiert wird (ACLED 9.11.2018). Das South Asia Terrorism Portal (SATP) verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2019 insgesamt 99 Vorfälle terrorismusrelevanter Gewalt im Land. Im Jahr 2020 wurden 88 solcher Vorfälle, bis zum 26.5.2021 wurden insgesamt 35 Vorfälle terroristischer Gewaltanwendungen registriert (SATP 28.5.2021b).

Bangladesch hat seine Ansprüche an den Seegrenzen zu Myanmar und Indien an den Internationalen Seegerichtshof herangetragen; der Besuch des indischen Premierministers Singh im September 2011 in Bangladesch führte zur Unterzeichnung eines Protokolls zum Landgrenzenabkommen zwischen Indien und Bangladesch von 1974, das die Beilegung langjähriger Grenzstreitigkeiten über nicht abgegrenzte Gebiete und den Austausch von territorialen Enklaven vorsah, aber nie umgesetzt wurde (CIA 4.5.2021). An der Grenze zu Indien kommt es immer wieder zu Schusswechseln zwischen indischen und bangladeschischen Grenzsicherungsorganen. Regelmäßig werden dabei Menschen getötet, die versuchen, illegal die Grenze zu überqueren oder sich im Nahbereich der Grenze befinden (DT 22.12.2020).

Der inter-ethnische Konflikt in Myanmar wirkt sich auf Bangladesch aus. Er hat politische und soziale Spannungen, insbesondere aufgrund der Ankunft von rund einer Million Rohingya-Flüchtlingen seit August 2017 verstärkt (EDA 27.5.2021; vgl. CIA 4.5.2021). Die Rohingya werden von den Behörden Bangladeschs als zusätzlichen Sicherheitsbedrohung in Cox's Bazar mit möglichen Auswirkungen auf kommunale Gewalt, Menschenschmuggel, Drogen- und Menschenhandel und einhergehenden möglichen Radikalisierungen wahrgenommen (DFAT 22.8.2019). Durch die myanmarischen Grenzbehörden wurde eine 200 km langer Drahtsperranlage, der illegale Grenzübertritte und Spannungen durch die militärische Aufrüstung entlang der Grenze verhindern soll, errichtet (CIA 24.5.2021).

Potential für Bedrohungen mit Bezug auf die Sicherheitslage haben ebeno politisch motivierte Gewalt (insbesondere im Vorfeld von Wahlen) (DFAT 22.8.2019). Der Hass zwischen den politischen Parteien, insbesondere der Awami League (AL) und der Bangladesh Nationalist Party (BNP), ist für den größten Teil der Gewalt im Land verantwortlich. Die Animositäten zwischen den beiden Parteien sowie zwischen den Kadern der unteren Ebenen haben zu andauernder politischer Gewalt beigetragen (HRW 13.1.2021; vgl. ACLED 9.11.2018). Die regierende AL hat ihre politische Macht durch anhaltende Schikanen gegenüber der Opposition und den als mit ihr verbündet wahrgenommenen Personen sowie gegenüber kritischen Medien und Stimmen in der Zivilgesellschaft gefestigt (FH 3.3.2021). Beide Parteien sind – gemeinsam mit unidentifizierten bewaffneten Gruppen – in Vandalismus und gewalttätige Auseinandersetzungen verwickelt und greifen auch friedliche Zivilisten an (ACLED 9.11.2018). Im Jahr 2020 wurden 73 Tote und 2.883 Verletzte aufgrund politischer Gewalt sowie 2.339 Verletzte bei innerparteilichen Zusammenstößen registriert. Gewaltsame politische Proteste und wahlbezogene Gewalt hielten auch 2020 an (HRW 13.1.2021; vgl. ODHIKAR 25.1.2021).

Von nichtstaatlichen Akteuren (insbesondere der Opposition, Islamisten, Studenten) geht in vielen Fällen nach wie vor Gewalt aus. Die öffentliche Sicherheit ist fragil. Das staatliche Gewaltmonopol wird durchbrochen. Es kommt häufig zu Morden und gewalttätigen Auseinandersetzungen aufgrund politischer (auch innerparteilicher) oder krimineller Rivalitäten. Eine Aufklärung erfolgt selten. Die großen Parteien verfügen über eigene "Studentenorganisationen". Mit dem stillschweigenden Einverständnis der Mutterparteien fungieren diese bewaffneten Organisationen als deren Schild und Schwert. Ihr Mitwirken im politischen Prozess ist eine der wichtigsten Ursachen für die politische Gewalt in Bangladesch (AA 21.6.2020).

Es kommt zu Fällen krimineller Gewalt, sowie zu sporadische Zusammenstößen in den Chittagong Hill Tracts (CHT) zwischen indigenen Gruppen und bengalischen Siedlern wegen Landbesitz und -nutzung (DFAT 22.8.2019). Spontane Streiks und Kundgebungen können jederzeit stattfinden und sich in gewalttätige Auseinandersetzungen entladen (UKFCO 27.5.2021; vgl. AA 28.7.2020, AI 1.4.2021). In vielen Fällen ist nicht eindeutig differenzierbar, ob religiöse Motive oder säkulare Interessen, wie etwa Racheakte oder Landraub, Grund für solche Vorfälle sind (AA 21.6.2020).

Die Schutzfähigkeit staatlicher Behörden ist grundsätzlich gering. Die Behörden sind in der Regel keine neutralen Akteure, sondern unterstützen die politischen Ziele der jeweiligen Machthaber (ÖB 9.2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland [Deutschland] (28.7.2020): Bangladesch: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/bangladesch-node/bangladeschsicherheit/206292, Zugriff 9.11.2020

?        AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (21.6.2020): Auswärtiges Amt_Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf, Zugriff 9.11.2020

?        ACLED – Armed Conflict Location & Event Data Project (9.11.2018): The Anatomy of Violence in Bangladesh, https://www.acleddata.com/2018/11/09/the-anatomy-of-violence-in-bangladesh/, Zugriff 5.11.2020

?        AI – Amnesty International (1.4.2021): Bangladesh authorities must conduct prompt, thorough, impartial, and independent investigations into the death of protesters and respect people’s right to peaceful assembly, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048271.html, Zugriff 27.4.2021

?        BMEIA – Bundesministerium Europa, Integration und Äußeres [Österreich] (27.5.2021) (Unverändert gültig seit: 26.05.2021): Bangladesch (Volksrepublik Bangladesch) – Sicherheit & Kriminalität, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/bangladesch/, Zugriff 27.5.2021

?        CIA – Central Intelligence Agency [USA] (24.5.2021): The World Factbook – Bangladesh, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/bangladesh/, Zugriff 28.5.2021

?        DT – DhakaTribune (22.12.2020): Bangladesh sees highest border deaths in 10 years, https://www.dhakatribune.com/bangladesh/2020/12/22/bangladesh-sees-highest-border-deaths-in-10-years, Zugriff 25.5.2021

?        EDA - Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten [Schweiz] (27.05.2021) (publiziert am 14.08.2020): Bangladesch, Spezifische regionale Risiken, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/bangladesch/reisehinweise-fuerbangladesch.html#par_textimage, Zugriff 27.5.2021

?        FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048581.html, Zugriff 19.5.2021

?        HRW – Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043519.html, Zugriff 28.5.2021

?        ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht zu Bangladesch,
https://www.ecoi.net/en/file/local/2052061/BANG_%C3%96B_BERICHT_2020_09.pdf, Zugriff 28.5.2021

?        ODHIKAR (25.1.2021): Annual Human Rights Report 2020, Bangladesh, https://www.fidh.org/IMG/pdf/annual-hr-report-2020_eng.pdf, Zugriff 28.5.2021

?        SATP – South Asia Terrorism Portal (26.5.2021a): Yearly Suicide Attacks, https://www.satp.org/datasheet-terrorist-attack/suicide-attacks/bangladesh, Zugriff 28.5.2021

?        SATP – South Asia Terrorism Portal (26.5.2021b): Data Sheet – Bangladesh, Yearly Sucide Attacks, Advance Search 2000 - 2021, https://www.satp.org/datasheet-terrorist-attack/incidents-data/bangladesh, Zugriff 28.5.2021

?        UKFCO – UK Foreign and Commonwealth Office [UK] (27.5.2021) (erstellt am: 24.5.2021): Foreign travel advice Bangladesh - Safety and security, Political violence, Safety and security, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/bangladesh/safety-and-security, Zugriff 27.5.2021

Allgemeine Menschenrechtslage

Letzte Änderung: 16.06.2021

Die Menschenrechte werden nach der Verfassung mit Gesetzesvorbehalten garantiert (AA 21.6.2020). Bangladesch hat bisher mehrere UN Menschenrechtskonventionen ratifiziert, ist diesen beigetreten oder hat sie akzeptiert (ÖB 9.2020; vgl. UNHROHC o.D.). Die Verfassung von Bangladesch in der seit 17. Mai 2004 geltenden Fassung listet in Teil III, Artikel 26 bis 47A, einen umfassenden Katalog an Grundrechten auf. Artikel 102 aus Teil VI, Kapitel 1 der Verfassung regelt die Durchsetzung der Grundrechte durch die Hig

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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