Entscheidungsdatum
22.09.2021Norm
AsylG 2005 §10 Abs3Spruch
W105 2246104-1/2E
W105 2246101-1/2E
W105 2246099-1/2E
W105 2246102-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Harald Benda als Einzelrichter über die Beschwerden der XXXX , geb. XXXX (BF1), der XXXX , geb. XXXX (BF2), des XXXX , geb. XXXX (BF3), und der XXXX , geb. XXXX (BF4), alle StA. Nordmazedonien und vertreten durch Rast & Musliu Rechtsanwälte, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.08.2021, Zl. XXXX , Zl. XXXX , Zl. XXXX und Zl. 1257776000-200048502 zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Am 30.10.2019 stellte die BF1 für sich und ihre minderjährigen Kinder, die BF2 bis BF4, einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK. Die BF1 legte zugleich eine schriftliche Stellungnahme vor, in der im Wesentlichen ausgeführt wird, dass sie mit ihrem kürzlich verstorbenen Ehemann, der der Vater ihrer Kinder sei, Ende 2014 nach Österreich gekommen und seither durchgehend hier aufhältig sei. Ihr Ehemann sei oftmals gewalttätig gegenüber ihr gewesen und habe alles kontrolliert. So habe sie auch gedacht, dass ihre Kinder und sie über gültige Aufenthaltstitel verfügen würden. Erst nach dem Tod des Mannes sei sie darauf gekommen, dass sie sich unrechtmäßig im Land befinden würden. Die Familie des verstorbenen Ehemannes drohe ihr, dass sie ihr die Kinder wegnehmen würden, und sie sei von der Familie auch schon gewalttätig angegriffen worden.
Am selben Tag erteilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Beschwerdeführern einen Auftrag zur Verbesserung ihres Antrags binnen vier Wochen.
2. Mit Schriftsatz ihrer rechtsanwaltlichen Vertretung vom 04.03.2021 bezogen die Beschwerdeführer erneut Stellung zum Verfahren. Zusammengefasst wird darin ausgeführt, dass sie in einer Mietwohnung in Wien leben sowie von der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) Witwen- und Waisenpensionen erhalten würden. Die BF2 und der BF3 würden den Kindergarten in Wien besuchen und die BF1 halte sich seit 2014 fast durchgehend in Österreich auf.
3. Am 26.03.2021 fand vor dem BFA eine niederschriftliche Einvernahme der BF1 statt, in welcher sie im Wesentlichen Folgendes zu Protokoll gab:
Die Beschwerdeführer würden nicht nach Nordmazedonien oder in den Kosovo zurückkehren können, da sie Angst vor der Familie ihres verstorbenen Mannes bzw. Vaters haben würden. Der Schwager der BF1 sei ihr gegenüber auch schon gewalttätig gewesen. Sie hätten keine Angehörigen in Österreich. Zuletzt habe die BF1 2019 Kontakt zu ihrer Familie in Nordmazedonien gehabt, sie hätten sich aber nicht versöhnt und seien wegen ihrer Ehe zerstritten. Die BF1 sei insgesamt zehn Jahre zur Schule gegangen, habe noch nie gearbeitet und habe keine Ersparnisse. Sie könne ein Deutschzertifikat des Sprachlevels A1 vorweisen, Mitglied in einem Verein oder einer Organisation in Österreich sei sie nicht.
4. Am 30.03.2021 legte die BF1 dem BFA einen arbeitsrechtlichen Vorvertrag mit XXXX . vor. Sie werde im Falle einer Erteilung eines Aufenthaltstitels als Kellnerin angestellt.
5. Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 12.04.2021 wurde den Beschwerdeführern mitgeteilt, dass die Abweisung ihrer Anträge in Verbindung mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung beabsichtigt sei. Konkret wurde ihnen Parteiengehör und eine Frist von 14 Tagen zur Abgabe einer Stellungnahme gewährt.
6. Mit Schriftsatz ihrer rechtsanwaltlichen Vertretung vom 26.04.2021 bezogen die Beschwerdeführer wie folgt Stellung zum Verfahren: Die BF1 lebe seit mehreren Jahren mit ihren Kindern im Bundesgebiet und sei immer im festen Glauben gewesen, dass sich ihr Mann um ihre Aufenthaltstitel gekümmert habe. Die BF2 und der BF3 würden den Kindergarten besuchen und die BF1 könne im Falle einer Erteilung des Aufenthaltstitels sofort beginnen zu arbeiten, sie verfüge über eine Einstellungszusage.
7. Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden des BFA vom 13.08.2021 wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK vom 30.10.2019 gemäß § 55 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.), gegen sie gemäß § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nordmazedonien zulässig ist (Spruchpunkt III.), und ihnen gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt IV.).
8. Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer mit Schriftsatz ihrer rechtsanwaltlichen Vertretung vom 24.08.2021 fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde ans Bundesverwaltungsgericht.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Die BF1 trägt den Namen XXXX , ist am XXXX geboren und ist nordmazedonische Staatsangehörige. Sie war mit XXXX verheiratet, welcher am 19.10.2019 verstarb und mit dem sie drei Kinder - die BF2 bis BF4 - hat. Sie ist für ihre minderjährigen Kinder sorgepflichtig. Die BF2 trägt den Namen XXXX und ist am XXXX geboren. Der BF3 trägt den Namen XXXX und ist am XXXX geboren. Die BF4 heißt XXXX und ist am XXXX geboren. Sie allesamt sind die Kinder der BF1 und des verstorbenen XXXX und sind nordmazedonische Staatsangehörige. Die Beschwerdeführer sind gesund und ihre Muttersprache ist Albanisch.
Die Beschwerdeführer leben zusammen in einer Mietwohnung in Wien und leben von Witwen- und Waisenpensionen von der PVA, die aufgrund des Todes des verstorbenen Ehemannes bzw. Vaters ausbezahlt wird. Die Familie erhält von der PVA etwa 1170 Euro monatlich. Die BF2 und der BF3 besuchen einen Kindergarten in Wien. Die BF1 kann ein Deutschzertifikat des Sprachniveaus A1 und eine Einstellungszusage für einen Job als Kellnerin vorweisen. Weitere Angehörige der Beschwerdeführer, zu denen Kontakt oder ein besonderes Naheverhältnis besteht, leben nicht in Österreich.
Die BF1 lebt seit 2014 in Wien, ihre Kinder sind in Österreich aufgewachsen und verbrachten ihr bisheriges Leben in Österreich. Mit Bescheiden des Amtes der Wiener Landesregierung, Magistratsabteilung 35 (MA 35), vom 23.05.2016 und 24.06.2019 wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) rechtskräftig abgewiesen. Die Beschwerdeführer waren nie im Besitz eines österreichischen Aufenthaltstitels und befinden sich als Drittstaatsangehörige weiterhin unrechtmäßig im Bundesgebiet.
1.2. In Nordmazedonien leben die Eltern und Geschwister der BF1, zuletzt bestand im Jahr 2019 telefonisch und persönlich Kontakt. Die BF1, BF2 und BF3 waren in diesem Jahr in Nordmazedonien.
Eine reale Bedrohungssituation für das Leben oder die körperliche Unversehrtheit der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Nordmazedonien kann nicht festgestellt werden. Die Beschwerdeführer sind gesund und beziehen Leistungen von der PVA in Höhe von 1170 Euro, wodurch sie ihr Auslangen finden können.
1.3. Zur allgemeinen Situation in Nordmazedonien wird festgestellt:
Politische Lage
Die Republik Nordmazedonien ist gemäß Verfassung von 1991 ein demokratischer Rechtsstaat mit parlamentarischem Regierungssystem und Gewaltenteilung. Das Parlament besteht aus einer Kammer. Die Abgeordneten werden in freier, gleicher und geheimer Wahl auf vier Jahre gewählt. Das Parlament hat 120 Sitze. Der offizielle Staatsname lautet seit dem 12.2.2019 Republik Nordmazedonien (AA 29.10.2021a). Staatspräsident ist Prof. Dr. Stevo Pendarovski, Amtsantritt: 12.5.2019 (SDSM, Sozialdemokratische Union Mazedoniens). Regierungschef ist Zoran Zaev, Amtsantritt: 31.8.2020 (SDSM Sozialdemokratische Union Mazedoniens) (AA 29.10.2021b).
Die Parlamentswahlen wurden am 15.7.2020 in einer ruhigen und friedlichen Atmosphäre abgehalten. Den Gang zur Wahlurne mit Abstand und Maske nahmen nur 51,34% der 1.814.263 wahlberechtigten Bürger wahr. Insgesamt 2.148 Wahlbeobachter wurden akkreditiert, davon 2.018 inländische und 130 ausländische. Die offiziellen Endergebnisse wurden am 18.7.2020 von der staatlichen Wahlkommission wie folgt bekannt gegeben: Koalition SDSM (Sozialdemokraten, Mitte-links) und BESA (konservative albanische Bürgerpartei) 327.329 Stimmen bzw. 46 Sitze, VMRO-DPMNE (Bürgerpartei Mitte rechts) 315.344 Stimmen bzw. 44 Sitze, DUI (Demokratische Union für Integration) 104.699 Stimmen bzw. 15 Sitze, Allianz für Albaner und Alternative (AA/A) 81.827 Stimmen bzw. 12 Sitze, die Linken („Levica“, SDSM-Splitterpartei) 37.426 Stimmen bzw. 2 Sitze; Demokratische Partei der Albaner (DPA) 13.930 Stimmen bzw. 1 Sitz. Die Parteien wollen alle für den Beitritt des Landes zur Europäischen Union erforderlichen Reformen umsetzen, die Korruption auf allen Ebenen bekämpfen, die Justiz durch die Prüfung der Finanzen aller ihrer Vertreter stärken und die Umwelt schützen. Der neuen Regierung werden 19 Minister anstelle der derzeitigen 26 angehören (VB 26.3.2021).
Im Dezember 2005 erhielt Nordmazedonien den Status eines EU-Beitrittskandidaten. Nach Einigung mit Griechenland im Namensstreit, der über 27 Jahren andauerte, wurden bedeutende politische Ziele erreicht; am 25.3.2020 beschloss der Europäische Rat, die Beitrittsgespräche mit Nordmazedonien zu eröffnen und am 27.3.2020 trat Nordmazedonien der NATO bei (AA 28.8.2020).
Nordmazedonien hat eine vielfältige Parteienlandschaft, wobei SDSM, VMRO-DPMNE, (beide ethnisch mazedonisch geprägt), auf albanischer Seite DUI, Allianz der Albaner und BESA (eine Neugründung) die größte Rolle spielen (AA 28.8.2020).
Obwohl die Regierung reformorientiert ist und es einige Fortschritte gibt, kann Nordmazedonien aufgrund des Vetos Bulgariens immer noch nicht mit der EU verhandeln. Sofia will Skopje unter anderem dazu bringen, das Adjektiv "mazedonisch" nicht mehr für die eigene Sprache zu verwenden (DS 6.3.2021). Bulgarien betrachtet die Sprache Nordmazedoniens als Dialekt des Bulgarischen und die Identität der slawischen Bürger Nordmazedoniens ebenfalls als bulgarisch (VB 26.3.2021). Nordmazedonien ist das einzige Land unter den sechs EU-Aspiranten, das bereits in der zweiten Phase der Umsetzung des Stabilisierungsabkommens mit der EU ist (DS 6.3.2021).
Sicherheitslage
Die Ausbreitung der Atemwegserkrankung COVID-19 führt vielerorts zu verstärkten Einreisekontrollen, Gesundheitsprüfungen mit Temperaturmessungen, in Einzelfällen auch Einreisesperren. Die Lage im gesamten Land ist insgesamt ruhig. Es kann jedoch zu Protesten und Demonstrationen in der Hauptstadt Skopje und anderen Städten kommen, die üblicherweise angekündigt werden. Die Behörden von Nordmazedonien haben in einigen Gebieten weiterhin nicht immer rechtzeitige Hilfs- und Zugriffsmöglichkeit. Die allgemeine Kriminalitätsrate ist niedrig. Das Risiko von Terroranschlägen kann nicht ausgeschlossen werden (AA 6.4.2021c; vgl. EDA 6.4.2021).
Nordmazedonien hat als Mitglied der globalen Anti-Terror-Koalition eine umfassende Strategie für die Wiedereingliederung von etwa 40 seiner Staatsbürger entwickelt, die in den letzten Jahren Mitglieder der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) waren und welche derzeit im Nordosten Syriens inhaftiert sind. Die meisten davon sind Frauen und Kinder. Der Plan, der von der internationalen Gemeinschaft politisch, finanziell und technisch unterstützt wird, umfasst auch Terroristen, die bald aus dem Gefängnis entlassen werden sollen (VB 26.3.2021)
Nach aktuellen Medienberichten wurden am 26.2.2021 bei einem Protestmarsch in der Hauptstadt Skopje mindestens sieben Polizisten verletzt. Zu den gewalttätigen Ausschreitungen sei es gekommen, nachdem einige tausend ethnische Albaner zu einem „Protest für Gerechtigkeit“ aufgerufen und Freiheit für fünf ethnische Albaner gefordert hatten. Die fünf Albaner waren am 23.2.2021 in einem politisch umstrittenen Wiederaufnahmeverfahren (seit 2018) von einem mazedonischen Strafgericht wegen Mordes an fünf ethnischen Mazedoniern im Jahr 2012 abschließend zu teils lebenslangen Haftstrafen verurteilt worden. Die Demonstrierenden hätten „Gerechtigkeit für Albaner“ skandiert und auf transparenten Gerichte und Justiz kritisiert sowie den Rücktritt angeblich korrupter Staatsanwälte gefordert. Das Verbrechen im Jahr 2012 und das folgende erstinstanzliche Urteil von 2014 hatte starke interethnische Spannungen verursacht und Spekulationen über politische Einmischung während der Regierungszeit Nikola Gruevskis geschürt. Das Wiederaufnahmeverfahren habe jedoch zu keinen wesentlichen neuen Erkenntnissen geführt (BN 1.3.2021).
Die Armee der Republik Nordmazedonien entsendet zum ersten Mal, nachdem das Land 30. NATO-Mitglied geworden ist, Truppen um sich der von der NATO angeführten Mission im Kosovo (KFOR) anzuschließen. 44 Soldaten, darunter Stabsoffiziere und eine Sicherheitseinheit werden beim KFOR-Kommando und im Regionalkommando West eingesetzt (VB 26.3.2021).
Im Zeitraum 1.2.2021 bis 3.3.2021 wurden insgesamt 637 illegale Grenzübertritte festgestellt. Die abweichende Anzahl der Registrierungen im Vergleich zu der Gesamtzahl der in den verschiedenen Transitzentren untergebrachten Personen ist auffällig. Es ist weiterhin unklar, wie viele Migranten sich genau in Nordmazedonien befinden (VB 26.3.2021).
Rechtsschutz / Justizwesen
Die Verfassung sieht autonome und unabhängige Gerichte vor, die von einem unabhängigen und autonomen Justizrat unterstützt werden. Die begrenzte Unabhängigkeit der Justiz, die Politisierung des Gerichtsaufsichtsorgans und die unzureichende Finanzierung der Justiz behindern weiterhin die Arbeit und die Effizienz der Gerichte. Die Regierung hat im Vergleich zu den Vorjahren mehr Respekt vor der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Justiz gezeigt. Laut einem aktualisierten Bericht der Europäischen Kommission (EK) hat das Land Mechanismen geschaffen, um die Unabhängigkeit und Rechenschaftspflicht der Justiz zu gewährleisten, einschließlich der Schaffung von Regeln für leistungsbezogene Ernennungen, der Überprüfung von Vermögenswerten und Interessenkonflikten sowie der Einführung von Disziplinarverfahren. 2020 wurde ein neues Gesetz über die Staatsanwaltschaft verabschiedet und die Bekämpfung von Korruption und Organisierter Kriminalität verbessert. Jedoch ist die Justiz nach wie vor anfällig für politischen Einfluss und das Vertrauen der Öffentlichkeit bleibt gering. Bis August 2020 erhielt der Justizrat 283 Bürgerbeschwerden, in denen richterliches Fehlverhalten behauptet wurde. Die Vorwürfe umfassten tendenziöses oder unethisches Verhalten, Verfahrensfehler, Abberufungen und Überschreitung von Fristen. Unabhängig davon erhielt der Justizrat 60 formelle Anträge auf Absetzung oder disziplinarische Maßnahmen gegen Richter. Von Januar bis August 2020 reichten Bürger laut dem Büro des Ombudsmanns 90 Beschwerden über das Justizsystem ein. Dies stellte einen Rückgang im Vergleich zu 2019 dar. Der Ombudsmann führte die geringere Anzahl von Beschwerden auf die COVID-19-Pandemie und die damit verbundene Reduzierung der Gerichtsprozesskalender zurück (USDOS 30.3.2021).
Die mazedonische Regierung arbeitet auch im Justizbereich mit Nachdruck an Reformen, u.a. im Hinblick auf die Rechtsstaatlichkeit von Strafverfahren sowie die Bekämpfung von Korruption und der Organisierten Kriminalität (AA 28.8.2020).
Es bestehen weiterhin Bedenken hinsichtlich der Effizienz und Unabhängigkeit der Justiz. Die politische Einmischung in die Arbeit der Staatsanwälte ist nach wie vor ein Problem, ebenso wie die selektive Anwendung der Justiz, obwohl die Regierung einige Reformen zur Verbesserung der Situation durchgeführt hat (FH 2021).
Die EU bezweifelt, dass die mazedonischen Institutionen, wie Justiz, wirklich gut funktionieren werden, da die europäische Gesetzgebung nicht umgesetzt worden ist (VB 26.3.2021).
Sicherheitsbehörden
Der Präsident ist Oberbefehlshaber der Armee. Die Polizei ist für die innere Sicherheit, Migration und Grenzschutz zuständig und untersteht dem Innenministerium. Die zivilen Behörden üben eine effektive Kontrolle über die Sicherheitskräfte aus. In einigen Eliteeinheiten von Polizei und Militär sind ethnische Minderheiten fast nicht vertreten. Die Einheit für Berufsstandards des Innenministeriums ("Professional Standards Unit" - PSU) berichtete, dass sie in den ersten sieben Monaten des Jahres 2020 32 Beschwerden über exzessive Gewaltanwendung durch Polizeibeamte nachgegangen ist. Die Einheit befand 13 der Beschwerden für unbegründet, wies 17 wegen unzureichender Beweise zurück. In den übrigen beiden Fällen erstattete die PSU Strafanzeige gegen die Polizeibeamten wegen "Drohung im Dienst" (USDOS 30.3.2021).
Es gibt immer wieder Fälle von physischen Übergriffen durch Polizeibeamte. Entsprechende Strafverfahren führen jedoch in der Regel nicht zu Sanktionen gegen die beschuldigten Beamten (AA 28.8.2020).
Deutschland und Nordmazedonien haben im Dezember 2019 ein Sicherheitsabkommen auf dem Gebiet der Bekämpfung von schwerer und Organisierter Kriminalität sowie des Terrorismus unterzeichnet. Nordmazedonien und die Europäische Kommission unterzeichneten am 9.10.2019 einen gemeinsamen Aktionsplan über Terrorismusbekämpfung. Die am 22. Mai 2019 offiziell gegründete Agentur für nationale Sicherheit, welche den ehemaligen Inlandsgeheimdienst UBK nun ablöst, wurde als unabhängige Einrichtung der staatlichen Verwaltung gegründet und hat per 1. September 2019 ihre Tätigkeit aufgenommen. Der Direktor der Agentur für nationale Sicherheit wird von der Regierung auf Vorschlag des Premierministers ernannt und entlassen. Das Mandat des Direktors beträgt vier Jahre mit Wiederwahlrecht für eine weitere Amtszeit (VB 26.3.2021).
Allgemeine Menschenrechtslage
Die Verfassung von Nordmazedonien garantiert alle demokratischen Grundrechte und setzt im Bereich der Menschen- und Minderheitenrechte hohe Standards (AA 29.10.2020a). Die Verfassung gewährt allen Nordmazedoniern die grundlegenden Menschenrechte. Nordmazedonien ist dem Europarat am 9. November 1995 beigetreten und hat am 10. April 1997 die Europäische Menschenrechtskonvention ratifiziert und deren Einhaltung in der Verfassung verankert (AA 28.8.2021).
Die Friedrich-Ebert-Stiftung hat Ministerpräsident Zoran ZAEV am 16.11.2020 mit dem Menschenrechtspreis der Stiftung ausgezeichnet; er habe den Rechtsstaat gestärkt, sowie für unabhängige Gerichte und gegen Korruption gekämpft. Das sei der erste Schritt auf dem Weg nach Europa gewesen (VB 26.3.2021).
Zu den wichtigsten Mängeln im Bereich der Menschenrechtsfragen gehören Folter durch Gefängnispersonal, Eingriffe in die Privatsphäre, Drohungen und Belästigungen von Journalisten, mangelnde Unabhängigkeit der Justiz, Korruption und Gewalt gegen LGBTI-Personen. Die Regierung unternimmt Schritte, um Beamte, die die Übergriffe begehen, zu identifizieren, zu untersuchen, strafrechtlich zu verfolgen und zu bestrafen. Die Aufgaben des Ombudsmannes bestehen im Schutz der Bürger vor staatlichen Eingriffen in ihre Grundrechte, der Verringerung der Diskriminierung von Minderheiten, der Förderung einer Minderheitenquote im öffentlichen Dienst und dem Schutz von Kinderrechten (USDOS 30.3.2021).
Nordmazedonien kämpft weiterhin mit Korruption. Medien und die Zivilgesellschaft sind aktiv, Journalisten und Aktivisten sehen sich Einschüchterungen ausgesetzt. Der Menschenhandel ist weiterhin ein Problem. Die Regierung hat einige Schritte unternommen, um die Opfer des Menschenhandels besser zu erkennen, insbesondere in den von der Regierung betriebenen Transitzentren, in denen Migranten und Flüchtlinge untergebracht sind. Die Unterstützung der Regierung für NGOs, die den Opfern von Menschenhandel helfen, hat jedoch abgenommen (FH 3.2021).
Ethnische Minderheiten
Eine staatlich gezielte Repression gegen Minderheiten oder Andersdenkende findet in Nordmazedonien nicht statt. In Nordmazedonien gibt es mit ethnischen Albanern, Roma, Türken, Bosniaken, Serben und Vlachen eine Vielzahl von Minderheiten. Der Verfassung nach sind alle Bürger gleich und genießen alle Rechte und Freiheiten, unabhängig von Geschlecht, Rasse, Hautfarbe, nationaler und sozialer Herkunft, politischer und religiöser Zugehörigkeit oder Vermögens- und gesellschaftlicher Lage. Gegen Minderheiten gerichtete Hasspropaganda in den Medien wird nicht betrieben. Seit dem 30.5.2019 ist ein neues Antidiskriminierungsgesetz in Kraft, wonach jedwede Diskriminierung auf der Grundlage von Rasse, Hautfarbe, Herkunft, nationaler oder ethnischer Zugehörigkeit, Geschlecht, sexueller Orientierung, Geschlechteridentität, Zugehörigkeit zu einer Minderheitengruppe, Sprache, Staatsangehörigkeit, sozialer Herkunft, Bildung, Religion oder Glaubensüberzeugung, politischer Überzeugung, anderen Überzeugungen, Behinderungen, Alter, Familien- und Ehestand, Vermögensstatus, Gesundheitszustands, Persönlichkeit und gesellschaftlichem Status oder irgendeiner anderen Grundlage verboten ist. Das Antidiskriminierungsgesetz entspricht somit den Anforderungen der EU-Grundrechtecharta (AA 28.8.2020).
Von den 131.205 Angestellten im öffentlichen Sektor waren Ende 2020 80.892 Mazedonier (61,65%), 23.280 Albaner (17,74%), 2.437 Türken (1,86%), 1.578 Roma (1,20%), 1.295 Serben (0,99%), 1.009 andere oder ohne Angabe der Nationalität (0,77%), 567 Bosnier (0,43%) und 551 Walachen (0,42%). 19.596 (14,93%) sind Beamte in der Armee der Republik Nordmazedonien, dem Geheimdienst, der Nationalen Sicherheitsagentur, dem Innen- sowie Finanzministerium, für die nur ein Register über die Anzahl der Beschäftigten, nicht aber über deren Struktur geführt wird (RNM 3.2021).
Die Verfassung von Nordmazedonien garantiert alle demokratischen Grundrechte und setzt im Bereich der Menschen- und Minderheitenrechte hohe Standards. Die Minderheitenrechte sind umfassend durch die Verfassung gewährleistet, insbesondere seit dem Ohrider Rahmenabkommen vom August 2001, das einen bewaffneten innerstaatlichen Konflikt zwischen ethnischen Mazedoniern und Albanern beendete (AA 29.10.2020a).
In Nordmazedonien gibt es folgende ethnische Gruppen: Mazedonier 64,2%, Albaner 25,2%, Türken 3,9%, Roma 2,7%, Serben 1,8%, andere 2,2%. Nord-Mazedonien hat seit 2002 keine Volkszählung mehr durchgeführt. Die Roma-Bevölkerung wird in den offiziellen Statistiken in der Regel unterschätzt und könnte 6,5 - 13% der Bevölkerung Nord-Mazedoniens ausmachen (CIA 15.3.2021).
Albaner
Nach der letzten Volkszählung 2002 gibt es 25,2% ethnische Albaner (CIA 15.3.2021). Die Verfassung von Nordmazedonien garantiert alle demokratischen Grundrechte und setzt im Bereich der Menschen- und Minderheitenrechte hohe Standards. Die Minderheitenrechte sind umfassend durch die Verfassung gewährleistet, insbesondere seit dem Ohrider Rahmenabkommen vom August 2001, das einen bewaffneten innerstaatlichen Konflikt zwischen ethnischen Mazedoniern und Albanern beendete (AA 28.8.2020a).
Von über 131.205 Angestellten im öffentlichen Sektor gehören 23.280 Personen der Ethnie der Albaner (17,74 %) an (RNM 3.2021). Ethnische Albaner klagen weiterhin über eine ungleiche Vertretung innerhalb der Regierung und über diskriminierende Praktiken, die sie von der politischen Beteiligung ausschließen. Indem aus 20 Mitglieder umfassenden Regierungskabinett gibt es acht ethnisch-albanische Minister. Es gibt 33 ethnische albanische Parlamentsmitglieder, darunter den Parlamentspräsidenten (USDOS 30.3.2021).
Die politische Partei der Albaner ist in jeder Regierungskoalition vertreten. Bestimmte Gesetzgebungen müssen mit einer Mehrheit aus beiden großen ethnischen Gruppen (Albaner und Mazedonier) verabschiedet werden. Im März 2018 verabschiedete die SDSM-geführte Regierung ein neues Sprachgesetz, das den offiziellen Gebrauch der albanischen Sprache auf alle staatlichen Institutionen, einschließlich des Parlaments, ausweitet. Die albanische Bevölkerung leidet unter Diskriminierung am Arbeitsplatz und die anti-albanische Stimmungslage hat in den letzten Jahren stark zugenommen (FH 3.2021).
Frauen und Kinder
Die Verfassung und Gesetze verbieten Diskriminierung aufgrund von Alter, Geschlecht, Rasse, Behinderung, Sprache und ethnischer, sozialer oder politischer Zugehörigkeit. Vergewaltigung, einschließlich Vergewaltigung in der Ehe, ist illegal. Vergewaltigung wird mit bis zu 15 Jahren Haft bestraft, aber die Gesetze werden mangelhaft angewandt. Häusliche Gewalt und sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz sind illegal, jedoch bleiben sie ein ständiges und weit verbreitetes Problem. Die Strafen bei häuslicher Gewalt reichen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren Haft für leichtere Delikte und von einem bis zu zehn Jahren Haft für Delikte, die zu schweren oder dauerhaften Körperverletzungen führen. Die Täter können mit bis zu lebenslanger Haft bestraft werden, wenn ihre Handlungen zum Tod des Opfers führen. Von Januar bis Juni 2020 registrierte das Arbeitsministerium 824 Opfer von häuslicher Gewalt, davon 611 Frauen, 140 Männer und 73 Kinder. Drei Personen wurden Opfer von sexuellem Missbrauch. Kein Gesetz schränkt die Beteiligung von Frauen am politischen Prozess ein und Frauen haben sich entsprechend beteiligt (USDOS 30.3.2021).
Eine staatliche geschlechtsspezifische Verfolgung findet nicht statt. Häusliche Gewalt ist in ganz Nordmazedonien ein verbreitetes Phänomen, betroffen sind in der Regel Frauen und Kinder. Es gibt sechs Frauenhäuser für kurzzeitigen Aufenthalt in akuten Notfällen, sie bieten auch längere Aufenthaltsmöglichkeiten an. Obwohl häusliche Gewalt ein Straftatbestand ist, der mit hohen Strafen geahndet werden kann, kommt es nur in wenigen Fällen zu Anzeigen und Verurteilungen (AA 28.8.2021).
Kindesmissbrauch ist in einigen Bereichen ein Problem. Die Regierung hat eine Hotline für häusliche Gewalt, einschließlich Kindesmissbrauch, eingerichtet. Der Ombudsmann führte auf eigene Initiative mehrere Untersuchungen zum Thema Kindesmissbrauch durch und ergriff alle rechtlichen Maßnahmen, um die Opfer zu schützen, ihnen eine angemessene Behandlung sicherzustellen sowie die Täter zu sanktionieren. Das gesetzliche Mindestalter für die Ehe beträgt 18 Jahre. Die Haftstrafe für die kommerzielle sexuelle Ausbeutung von Kindern liegt zwischen 10 und 15 Jahren. Die Regierung verwaltet eine Übergangsunterkunft für Straßenkinder, aber ihre geringe Größe schränkt ihre Wirksamkeit bei der Bereitstellung von Sozialdiensten ein. Nach Angaben des Arbeitsministeriums gab es bis Ende August 37 neu registrierte vertriebene Kinder verschiedener Ethnien. Das Ministerium finanzierte zwei Tageszentren für Straßenkinder, von denen eines vom Zentrum für Sozialarbeit und das andere von der NGO Association for Protection of the Rights of the Child in Suto Orizari betrieben wird (USDOS 30.3.2021).
Die Regierung hat Gesetze und Vorschriften zur Kinderarbeit erlassen, die auch die schlimmsten Formen der Kinderarbeit verbieten. Die Regierung bemüht sich, das Gesetz in der formellen Wirtschaft durchzusetzen, in der informellen Wirtschaft gelingt dies jedoch nicht effektiv. Es gibt keine Berichte über Kinder unter 18 Jahren, die rechtswidrig in der offiziellen Wirtschaft tätig sind. Das Gesetz verbietet es, dass Minderjährige unter 18 Jahren mit einer Arbeit beschäftigt werden, die für ihre physische oder psychische Gesundheit, Sicherheit oder Moral schädlich ist. Nach Angaben des Arbeitsministeriums gab es bis Ende August 2020 37 neu registrierte vertriebene Kinder verschiedener Ethnien (USDOS 30.3.2021).
Grundversorgung und Wirtschaft
Nach einer anhaltenden politischen Krise hatte die Wirtschaft in den letzten zwei Jahren endlich wieder eine Phase soliden Wachstums und Stabilität erlebt, die mit der Pandemie abrupt ein Ende gefunden hat. Die negativen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf die mazedonische Wirtschaft zeigten sich schon in der zweiten Märzhälfte: Die Wirtschaft wuchs im 1. Quartal 2020 nur mehr um 0,2%. Der sehr einschneidende Lockdown verursachte dann im 2. Quartal einen Wirtschaftseinbruch von noch nie erlebten 12,7% (WK 19.10.2020a).
Die öffentliche Verschuldung ist weiterhin angestiegen und lag im ersten Halbjahr 2020 bei ca. EUR 6,5 Mrd. bzw. 59,5% des BIP. Die Beschäftigungslage hat sich im letzten Jahr etwas gebessert, auch wenn die Arbeitslosenrate mit 17,3% (2019) noch immer sehr hoch war. Noch sind die Auswirkungen der Pandemie auf den Arbeitsmarkt nicht sichtbar, da die staatlichen Unterstützungsmaßnahmen zur Erhaltung der Arbeitsplätze da gegriffen haben dürften (WKO 10.2020b). Erwerbstätige nach Sektoren im Jahr 2020: 53,5% Dienstleistungen, 31,4% Produktionsbereich und in der Landwirtschaft 15,1% (WK 2.2021c).
Mietkosten variieren stark je nach Lage der Wohnung und Dauer des Mietverhältnisses. Im zentralen Teil von Skopje wird eine 60 qm Wohnung für ca. 350 bis 400 Euro vermietet. Außerhalb Skopjes ist die Miete wesentlich niedriger (BAMF-IOM 2019; geändert am 13.3.2021).
Den am 11.3.2021 veröffentlichten Daten des Statistischen Landesamtes zu Folge, belief sich die Zahl der in der Republik Nordmazedonien erwerbsaktiven Personen im IV. Quartal 2020 auf 941.524. 789.552 Personen waren beschäftigt und 151.972 arbeitslos. Die Erwerbsquote betrug 55,9% die Beschäftigungsquote 46,8% und die Arbeitslosenquote 16,1% (VB 26.3.2021).
Sozialhilfe und Existenzsicherung
Der Erhalt von Sozialleistungen ist an einen Aufenthalt in Nordmazedonien gebunden. Hinzu kommt die Verpflichtung, sich einmal jährlich bei den Sozialbehörden zu melden. Als Folge davon müssen Rückkehrer neuerliche Anträge auf Sozialhilfe stellen, über die innerhalb von zwei Monaten entschieden werden muss. Die Summe der gezahlten Sozialleistungen beträgt für zwei Personen monatlich ca. 50 Euro (das Durchschnittseinkommen liegt - ohne Berücksichtigung der Schattenwirtschaft - bei 421 Euro monatlich). Nordmazedonien verfügt nicht über Aufnahmeeinrichtungen (AA 28.8.2020).
Sozial benachteiligte Personengruppen können von verschiedenen Maßnahmen profitieren, z.B. von Notunterkünften, finanzieller Unterstützung, Sozialwohnungen und anderen Unterstützungsmaßnahmen. Die wichtigsten Institutionen, an die sich mazedonische Bürger/-innen wenden können, um das Recht auf sozialen Schutz auszuüben, ist das Zentrum für soziale Arbeit, welches in jeder größeren Gemeinde zu finden ist. Dieses Zentrum entscheidet über sozialen Schutz, erkennt und ermittelt soziale Anliegen und Probleme, und bietet Unterstützung für schutzbedürftige Personen. Die Grundfinanzhilfe beträgt 35 EUR und erhöht sich mit jedem weiteren Familienmitglied. Um Sozialleistungen in Anspruch nehmen zu können, muss man sich beim Zentrum für soziale Arbeit registrieren (BAMF-IOM 2019; geändert am 13.3.2021).
Rückkehr
Nordmazedonien verfügt nicht über eigene Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer. Über staatliche Repressalien gegen Rückkehrer ist nichts bekannt. Sie werden bei Ankunft von der Grenzpolizei registriert (AA 28.8.2020; vgl. VB 26.3.2021).
Vor der Rückkehr sollten Rückkehrende im Besitz eines gültigen Reisedokumentes oder Laissez-passer, sowie aller relevanten Dokumente (Diplome, Geburtsurkunden, Aufenthalts-/Arbeitserlaubnisse, ärztliche Berichte, etc.) sein, die bei den Behörden des aufnehmenden Landes eingeholt wurden (BAMF-IOM 2019; geändert am 13.3.2021).
Die Einreise ist grundsätzlich uneingeschränkt erlaubt. Es besteht derzeit weder eine Quarantänepflicht noch die Notwendigkeit, einen negativen PCR-Test vorzulegen (AA 6.4.2021c).
In Shuto Orizari gibt es ein Hilfsprojekt der deutschen NGO „Schüler helfen Leben“ (das von NRW initiiert und unterstützt wurde; zurzeit unterstützt Bremen; Anm.). Hier arbeitet ein Freiwilliger aus Deutschland mit Roma-Kindern und hilft bei der Nachmittagsbetreuung und den Hausaufgaben. Dieses Projekt richtet sich auch, jedoch nicht speziell an rückkehrende Kinder (AA 28.8.2020).
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Feststellungen zu den Identitäten der Beschwerdeführer, ihrem Verwandtschaftsverhältnis und ihrer Staatsangehörigkeit ergeben sich aus den vorgelegten Kopien der Reisepässe, Geburtsurkunden und einer Heiratsurkunde. Dass bei den Beschwerdeführern gesundheitliche Probleme bestehen, kam im Verfahren nicht hervor und wurde von diesen auch nicht behauptet. Die Feststellung, dass die Beschwerdeführer muttersprachlich Albanisch sprechen, ergibt sich daraus, dass die BF1 im behördlichen Verfahren auf dieser Sprache einvernommen wurde und ihr Mann Kosovo-Albaner war. Aufgrund der mangelhaften Deutschkenntnisse der BF1 sowie aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung ist maßgeblich davon auszugehen, dass sie mit ihren Kindern auf Albanisch kommuniziert und sie auf dieser Sprache erzieht. Dass die minderjährigen Beschwerdeführer dieser Sprache - soweit sie altersbedingt des Sprechens überhaupt mächtig sind - nicht mächtig sind, wurde im Verfahren auch nicht behauptet.
Die Feststellungen zum Leben der Beschwerdeführer in Wien und der Bezug von Leistungen von der PVA in Höhe von 1170 Euro beruhen auf den Angaben der Beschwerdeführer im behördlichen Verfahren. Vorgelegt wurden dem BFA das Deutschzertifikat und die Einstellungszusage der BF1. Die BF1 verneinte in ihrer Einvernahme vor dem BFA, dass sie außer ihren Kindern Angehörige in Österreich habe.
Die rechtskräftige Abweisung der Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem NAG ergibt sich aus den im Verwaltungsakt einliegenden Bescheiden der MA 35 vom 23.05.2016 und 24.06.2019. Dass die Beschwerdeführer nie im Besitz eines Aufenthaltstitels waren, ergibt sich zudem aus den Angaben der BF1. Da sich die Beschwerdeführer seit mehreren Jahren durchgehend im Bundesgebiet aufhalten und somit die visafreie Zeit für nordmazedonische Staatsangehörige in Österreich überschritten haben, ist ein unrechtmäßiger Aufenthalt der Beschwerdeführer in Österreich festzustellen.
2.2. Dass die Familienangehörigen der Beschwerdeführer in Nordmazedonien leben, zu diesen 2019 Kontakt bestand und die Beschwerdeführer mit Ausnahme der BF4 zuletzt 2019 in Nordmazedonien waren, ergibt sich unzweifelhaft aus den Angaben der BF1 vor der belangten Behörde.
Eine reale Bedrohungssituation für das Leben der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Nordmazedonien wurde durch die BF1 nicht substantiiert vorgebracht. Eine tatsächliche Bedrohung durch Familienangehörige des verstorbenen Ehemannes bzw. Vaters kann nicht festgestellt werden, da die BF1 im Jahr 2019 lediglich vage etwaige Verfolgungshandlungen bzw. Drohungen vorbrachte, diese aber im Laufe des weiteren Verfahrens überhaupt nicht substantiierte. Vielmehr wurde in den Stellungnahmen der Beschwerdeführer nicht darauf Bezug genommen oder vorgebracht, was sie im Falle einer Rückkehr tatsächlich befürchtet. Zumal diese Familienangehörigen im Kosovo leben und nicht ersichtlich ist, inwiefern sie von einer Rückkehr der Beschwerdeführer nach Nordmazedonien erfahren sollten, kann das Bundesverwaltungsgericht keine Bedrohungssituation bei einer Rückkehr nach Nordmazedonien feststellen.
Zudem handelt es sich bei Nordmazedonien um einen sicheren Herkunftsstaat, bei dem Schutzfähigkeit sowie Schutzwilligkeit bei Opfern häuslicher Gewalt oder familiärer Konflikte gegeben ist. Dies ergibt sich aus den Länderfeststellungen zur allgemeinen Lage in Nordmazedonien.
2.3. Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat Nordmazedonien stützen sich auf das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zum Herkunftsstaat Nordmazedonien vom 21.04.2021 und auf die darin zitierten Quellen, welche nicht in Zweifel gezogen wurden. Zu berücksichtigen ist insbesondere, dass es sich bei Nordmazedonien um einen Staat handelt, der weder von bürgerkriegsähnlichen Zuständen noch Kampfhandlungen betroffen ist, und auch sonst nicht - etwa im Vergleich zu Krisenregionen wie Afghanistan, Irak, Somalia, Syrien, u.a. - als Staat mit sich rasch ändernder Sicherheitslage auffällig wurde. Letztlich ist darauf hinzuweisen, dass Nordmazedonien aufgrund der Ermächtigung nach § 19 Abs. 5 Z 2 BFA-VG laut § 1 Z 4 der Verordnung der Bundesregierung, mit der Staaten als sichere Herkunftsstaaten festgelegt werden (Herkunftsstaaten-Verordnung - HStV), BGBl. II Nr. 177/2009 idgF, als sicherer Herkunftsstaat gilt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 1 BFA-VG, BGBl I 2012/87 idF BGBl I 2013/144 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß Abs. 2 hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
3.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides - Nicht-Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung nach § 55 AsylG:
Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist (Z 1) und der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955) erreicht wird (Z 2).
§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:
„(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz [NAG], BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.“
Der Begriff des „Familienlebens“ in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt (vgl. dazu EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 [518]; EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; Frowein/Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar2 [1996] Art. 8 Rz 16; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayer, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1). In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat in seiner langjährigen Rechtsprechung zu Ausweisungen Fremder wiederholt ausgesprochen, dass die EMRK Fremden nicht das Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem bestimmten Land garantiert und die Konventionsstaaten im Allgemeinen nicht verpflichtet sind, die Wahl des Aufenthaltslandes durch Einwanderer zu respektieren und auf ihrem Territorium die Familienzusammenführung zu gestatten. Dennoch könne in einem Fall, der sowohl die Achtung des Familienlebens, als auch Fragen der Einwanderung betrifft, der Umfang der staatlichen Verpflichtung, Familienangehörigen von im Staat ansässigen Personen Aufenthalt zu gewähren, - je nach der Situation der Betroffenen und dem Allgemeininteresse - variieren (vgl. z.B. EGMR 05.09.2000, 44328/98, Solomon v. Niederlande; 09.10.2003, 48321/99, Slivenko v. Lettland; 22.04.2004, 42703/98, Radovanovic v. Österreich; 31.01.2006, 50435/99, da Silva und Hoogkamer v. Niederlande; 31.07.2008, 265/07, Darren Omoregie ua v. Norwegen).
Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffs; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung. Bei dieser Abwägung sind insbesondere die Dauer des Aufenthaltes, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung maßgeblich. Auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, ist bei der Abwägung in Betracht zu ziehen (vgl. VfGH vom 29.09.2007, B 1150/07-9).
Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.
Die BF1 ist die Mutter der anderen Beschwerdeführer, diese Verwandtschaftsbeziehungen fallen als schützenswertes Familienleben in den Schutzbereich des Art. 8 EMRK. Mit den gegenständlich angefochtenen Bescheiden wurden allerdings gegen alle Mitglieder der Familie Rückkehrentscheidungen erlassen. Durch die gemeinsame Ausweisung bzw. Ausweisungsentscheidung betreffend eine Familie wird nicht in das Familienleben der Fremden eingegriffen (VwGH 18.3.2010, 2010/22/0013; 19.09.2012, 2012/22/0143; 19.12.2012, 2012/22/0221; vgl. EGMR 9.10.2003, Fall Slivenko, NL 2003, 263). Sonstige Angehörige der Familie leben nicht in Österreich, weshalb schlussendlich kein Eingriff in das Familienleben der Beschwerdeführer vorliegt.
Folglich kann die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung lediglich zur Aufrechterhaltung eines besonders schützenswerten Privatlebens der Beschwerdeführer geboten sein. Bei Betrachtung des Lebens der erwachsenen BF1 in Österreich kann kein solches erkannt werden, da sie zwar schon ungefähr sieben Jahre in Wien lebt, aber keine wesentlichen Integrationsschritte gesetzt hat. Sie ging noch nie einer Erwerbstätigkeit nach, engagiert sich weder in Vereinen noch wohltätigen Organisationen und kann in Anbetracht ihres langjährigen Aufenthalts lediglich rudimentäre Deutschkenntnisse vorweisen. Eine sonstige Verfestigung in der Gesellschaft konnte sie nicht glaubhaft machen, auch wenn seitens des Bundesverwaltungsgerichts nicht bestritten wird, dass sie wohl gewisse Kontaktpersonen außerhalb ihrer Familie hat und so zu einer Einstellungszusage als Kellnerin gekommen ist.
Diesen unwesentlich ausgeprägten Interessen an der Aufrechterhaltung ihres Privatlebens steht insbesondere ihr Fehlverhalten hinsichtlich ihres unrechtmäßigen Aufenthalts in Österreich gegenüber. So verfügte die Beschwerdeführer nie über einen gültigen Aufenthaltstitel und verblieb in der Folge ungefähr sieben Jahre unrechtmäßig im Bundesgebiet. Ihr ist insbesondere vorzuwerfen, dass sie sich nie um einen legalen Aufenthalt für ihre Kinder und für sich tatsächlich bemühte; in Anbetracht des Umstandes, dass ihr verstorbener Ehemann einen Daueraufenthaltstitel hatte, ist es leicht möglich gewesen, einen bewilligungsfähigen Antrag nach dem NAG zu stellen. Doch sie legte die notwendigen Dokumente der zuständigen Behörde nicht vor und erhob auch keine Rechtsmittel gegen die abweisenden Bescheide der MA 35. Zudem verblieb die BF1 mit ihren Kindern auch nach dem Zeitpunkt, zu dem sie nach eigenen Angaben von ihrem unrechtmäßigen Aufenthalt erfahren hat, weitere zwei Jahre im Bundesgebiet, obwohl sie zur Ausreise als unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhältige Drittstaatsangehörige verpflichtet ist. Aufgrund ihres Antrags nach § 55 AsylG erhielten die Beschwerdeführer kein Aufenthaltsrecht. Den schwach ausgeprägten privaten Interessen der BF1 sind folglich die öffentlichen Interessen an der Einhaltung der einwanderungs- und fremdenrechtlichen Bestimmungen bzw. Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens gegenüberzustellen. Da diesem öffentlichen Interesse nach ständiger Rechtsprechung ein sehr großes Gewicht zukommt (vgl. VwGH 10.10.2002, 2002/18/0174; 24.02.2011, 2009/21/0105), erweist sich die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung nach § 55 AsylG betreffend die BF1 jedenfalls als nicht geboten.
Bei den minderjährigen Beschwerdeführern handelt es sich um nordmazedonische Staatsangehörige, die bislang in Österreich aufgewachsen sind. Die älteste der Geschwister, die BF2, ist gerade sieben Jahre alt geworden und besucht wie der BF3 einen Kindergarten in Wien. Aufgrund des Kindergartenbesuchs ist davon auszugehen, dass jedenfalls Kontakte zu anderen Kindern in Österreich bestehen, doch kann allein daraus nicht auf eine besonders schützenswerte Integration der Kinder geschlossen werden, da insbesondere aufgrund des jungen Alters nicht von verfestigten sozialen Beziehung ausgegangen werden.
Wesentlich ist zu berücksichtigen, dass sich alle minderjährigen Beschwerdeführer in einem Alter mit hoher Lern- und Anpassungsfähigkeit befinden, ein solches ist nach der Rechtsprechung des Verfassungs- und des Verwaltungsgerichtshofes bis zu elf Jahren anzunehmen (vgl. VfGH 07.10.2014, U 2459/2012; VwGH 3.10.2017, Ra 2017/01/0288; 03.05.2018, Ra 2018/18/0195). Die BF4 befindet sich überhaupt in einem infantilen Alter, sodass eine Verfestigung in Österreich keineswegs angenommen werden kann. Wie festgestellt spricht die BF1 mit ihren Kindern auf Albanisch, einer Amtssprache Nordmazedoniens. Auch wenn die BF2 und der BF3 im Kindergarten auf Deutsch kommunizieren, wird es ihnen aufgrund ihrer altersbedingten Anpassungsfähigkeit leicht möglich sein, mit anderen Kindern auf ihrer Muttersprache zu kommunizieren und so sich im Herkunftsstaat sozial zu verfestigen.
Die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung an die minderjährigen Beschwerdeführer erscheint nicht nur aufgrund ihrer altersbedingten Anpassungsfähigkeit und der muttersprachlichen Kenntnisse einer Amtssprache Nordmazedoniens nicht geboten, sondern auch, weil die BF1 auch im Herkunftsstaat weiter die Obsorge über sie haben und sie versorgen wird. Es besteht keine Gefährdung einer ausreichenden Versorgung, da die Familie von der PVA Leistungen in Höhe von 1170 Euro - dies entspricht dem Dreifachen eines Durchschnittseinkommens in Nordmazedonien - erhält und so das Auslangen im Herkunftsstaat gesichert ist. Auch besteht in Nordmazedonien, einem sicheren Herkunftsstaat im Sinne der HStV, ein funktionierendes Schulsystem. Wie bereits das BFA im angefochtenen Bescheid ausführte, ist keine reale Gefahr zu erkennen, dass die minderjährigen Beschwerdeführer durch die Eingliederung in das nordmazedonische Schulsystem erhebliche Verzögerungen oder Schäden in ihrer Entwicklung in Kauf nehmen müssen, zumal sie allesamt auch in Österreich noch nicht eingeschult sind.
Folglich steht das Kindeswohl im Sinne des § 138 ABGB, das auch im Bereich verwaltungsrechtlicher Entscheidungen als Orientierungsmaßstab dient (VwGH 24.09.2019, Ra 2019/20/0274), einer Abweisung des Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung nicht entgegen. Wichtige Kriterien beim Kindeswohl im Sinne des § 138 ABGB sind eine angemessene Versorgung, insbesondere mit Nahrung, medizinischer und sanitärer Betreuung und Wohnraum, sowie eine sorgfältige Erziehung des Kindes (Z 1); die Fürsorge, Geborgenheit und der Schutz der körperlichen und seelischen Integrität des Kindes (Z 2); die Wertschätzung und Akzeptanz des Kindes durch die Eltern (Z 3); die Förderung der Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten des Kindes (Z 4); die Berücksichtigung der Meinung des Kindes in Abhängigkeit von dessen Verständnis und der Fähigkeit zur Meinungsbildung (Z 5); die Vermeidung der Beeinträchtigung, die das Kind durch die Um- und Durchsetzung einer Maßnahme gegen seinen Willen erleiden könnte (Z 6); die Vermeidung der Gefahr für das Kind, Übergriffe oder Gewalt selbst zu erleiden oder an wichtigen Bezugspersonen mitzuerleben (Z 7); die Vermeidung der Gefahr für das Kind, rechtswidrig verbracht oder zurückgehalten zu werden oder sonst zu Schaden zu kommen (Z 8); verlässliche Kontakte des Kindes zu beiden Elternteilen und wichtigen Bezugspersonen sowie sichere Bindungen des Kindes zu diesen Personen (Z 9); die Vermeidung von Loyalitätskonflikten und Schuldgefühlen des Kindes (Z 10); die Wahrung der Rechte, Ansprüche und Interessen des Kindes (Z 11) sowie die Lebensverhältnisse des Kindes, seiner Eltern und seiner sonstigen Umgebung (Z 12).
Bei Bedachtnahme auf diese Kriterien wird ersichtlich, dass die Abweisung des gegenständlichen Antrags dem Wohl der minderjährigen Beschwerdeführer dient. Die Aufrechterhaltung des Familienverbandes mit ihrer Mutter, auf deren Fürsorge sie angewiesen sind, bleibt bestehen, die Minderjährigen können in Nordmazedonien in ihrer Muttersprache die Schule beginnen und sogar Kontakt zu ihren Großeltern sowie anderen Angehörigen aufbauen. Die materiellen Bedürfnisse der Kinder sind aufgrund der Leistungen von der PVA und der Möglichkeit der BF1, am Erwerbsleben teilzunehmen, als gesichert anzusehen. Eine Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit ist in Nordmazedonien ist - wie schon zuvor dargelegt - nicht zu prognostizieren.
In Anbetracht des langjährigen, unrechtmäßigen Aufenthalts der Beschwerdeführer, wobei insbesondere der BF1 ein fehlendes Bemühen um gültige Aufenthaltstitel für ihre Kinder und sich vorzuwerfen ist, und des von der Rechtsprechung hervorgehobenen, besonders hohen öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens erscheint die Erteilung von Aufenthaltsberechtigungen an die Beschwerdeführer nicht geboten, zumal das Kindeswohl dieser Entscheidung nicht maßgeblich entgegensteht. Die Kinder befinden sich in einem sehr jungen und zum Teil infantilen Alter, sie sind als sehr anpassungsfähig einzustufen und sprechen eine der Amtssprachen Nordmazedoniens auf muttersprachlichem Niveau. Eine Einschulung im Herkunftsstaat, wo es überall im Land Schulen für die albanischsprachige Minderheit gibt, wird ohne Probleme möglich sein. Die Familie hat zudem ein für Nordmazedonien ausreichendes Einkommen in Form der Witwen- und Waisenpensionen der PVA, weshalb ihr Auslangen gesichert ist und den Kindern der Schulbesuch ermöglicht wird.
Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist die belangte Behörde somit zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens das persönliche Interesse der Beschwerdeführer an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher die Erteilung von Aufenthaltsberechtigungen nach § 55 AsylG nicht geboten ist.
Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides war folglich spruchgemäß abzuweisen und die Entscheidung der belangten Behörde zu bestätigen.
3.2. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides - Erlassung einer Rückkehrentscheidung:
3.2.1. Gemäß § 52 Abs. 3 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.
Gemäß § 31 Abs. 1 FPG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder des visumfreien Aufenthaltes oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben (Z 1); wenn sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder auf Grund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind (Z 2); wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind bis zu drei Monaten (Artikel 21 SDÜ gilt), sofern sie während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen (Z 3); solange ihnen ein Aufenthaltsrecht nach dem AsylG 2005 zukommt (Z 4); bis zur Entscheidung über einen Verlängerungsantrag (§ 2 Abs. 4 Z 17a), solange der Aufenthalt als Saisonier in den vergangenen zwölf Monaten insgesamt die Dauer von neun Monaten nicht überschreitet (Z 5); wenn sie Inhaber eines gültigen Aufenthaltst